Von weitern Forschungsreisen im Australkontinent sind besonders zu nennen die
ReiseLindsays vom zentralen Teil des Überlandtelegraphen
zu dem in den
Golf von
Carpentaria mündenden
Mac Arthurfluß, die
Reise von
Giles und Laurie vom Überlandtelegraphen
zum Kimberleydistriit im J.1886 sowie die Untersuchung der mineralischen
Reichtümer des
Nordterritoriums durch den Geologen
Tenison
Woods, welche außerordentlich günstig ausfielen, ebenso wie die 1888 ausgeführte
Reise von
Lindsay und von
Brown und
East ins zentrale Australien.
[* 3] Die Thätigkeit fast aller Forschungsreisenden hatte zum
Zweck die Auffindung für
Ackerbau oder
Viehzucht
[* 4] geeigneten
Landes oder die
Entdeckung mineralischer
Schätze, insbesondere von Goldlagern.
Weit bedeutender war die Thätigkeit, welche in der Erforschung des neuerdings in den
Besitz von
England und
Deutschland
[* 5] übergegangenen
Teils von
Neuguinea entfaltet wurde. Eine 1884 von der Melbourner
Zeitung
»Age« ausgesandte Expedition unter
Strachan drang vom Baxterfluß 195 km weit ins Land, entging aber nur mit
Not den
Angriffen der feindseligen Eingebornen; eine
andre
Zeitung: »Argus«, entsandte Armit, welcher mehrere der
Inseln an der Südküste erforschte.
Der
Russe Miklucho Maclay, welcher sich mehrere Jahre an der Nordostküste von
Neuguinea aufgehalten hatte,
kehrte 1886 mit reichen Sammlungen zurück, seine Ansprüche auf das ihm angeblich von den Eingebornen abgetretene Gebiet
fanden bei der russischen
Regierung keine Unterstützung. Auf englischem Gebiet machte Euthbertson
Vermessungen und erstieg 1887 den 3120 in
hohen
Mount Obree; eine geplante Ersteigung des
MountOwen Stanley konnte nicht ausgeführt werden. Wiederholt
wurden außerdem kleinere
Vorstöße nach dem Innern sowie Befahrungen von Küstenflüssen, Untersuchungen der
Küste vorliegender
Inseln ausgeführt, die indes keine sehr wesentliche
Bereicherung unsrer Kenntnis des
Landes ergaben.
In dem deutschen Teil
Neuguineas wurde emsig gearbeitet. Nachdem schon 1884Finsch dieKüste befahren und
einzelne
Punkte untersucht hatte, ging 1886
Kapitän Dallmann den
Kaiserin Augusta-Fluß aufwärts, eine wissenschaftliche Expedition
unter
Schrader mit dem
Botaniker Hollrung und dem Geologen
Schneider wurde abgesandt, und der
LandeshauptmannFreiherr v.
Schleinitz
beteiligte sich selbst eifrig an der Erforschung des Gebiets. Sitz der
Verwaltung wurde
Finschhafen, im
Huongolf fand man eine ganze Anzahl vorzüglicher Häfen,
Schrader drang mühelos auf dem
Kaiserin Augusta-Fluß 600 km weit
aufwärts, und auch sonst wurden überall
Vorstöße ins
Innere gemacht; 1888 unternahm
Zöller vom Konstantinhafen in der Astrolabebai
mit mehreren andern eine Expedition in das Finisterregebirge, welches bis 2750 m erstiegen wurde, dann
besuchte
Zöller auch die
Salomoninseln. Ein
Bericht des
Kapitäns Strachan, wonach im holländischen
Neuguinea die
Geelvinkbai
und der
Mac Cluergolf durch eine Wasserstraße verbunden sein sollten, erwies sich bei genauer Untersuchung als falsch.
Im Juni 1885 war durch ein deutsches
Kriegsschiff von den
Karolinen, wo deutsche
Interessen stark vertreten
sind,
Besitz ergriffen worden; doch machte
Spanien
[* 8] ältere Ansprüche geltend, welche auch von dem zum
Schiedsrichter erwählten
Papst anerkannt wurden, worauf
Deutschland seine Ansprüche zurückzog.
Die zu Anfang der 80er Jahre zu
Tage getretene Anschwellung der europäischen Auswanderung ließ in den
Jahren 1885 und 1886 merklich
nach, hob sich aber in den beiden darauf folgenden
Jahren wieder recht bedeutend. Am deutlichsten zeigt sich dies bei der
Auswanderung nach den
Vereinigten Staaten,
[* 11] welche regelmäßig weit über 90 Proz. der gesamten
europäischen Auswanderung aufnahm. Die Auswanderung dorthin betrug aus
Demnach hat die Auswanderung nach den
Vereinigten Staaten 1888 in allen europäischen
Staaten zugenommen, nur
Deutschland
und die
Schweiz
[* 12] machen eine Ausnahme. Und diese Zunahme ist eingetreten trotz der sehr scharfen Maßnahmen, welche die amerikanische
Union getroffen hat, um sich des Zuzugs eines
¶
mehr
mittellosen Proletariats zu erwehren. Dagegen zeigt der deutsche industrielle Arbeiterstand nur sehr vereinzelt die Neigung,
sein verhältnismäßig auskömmliches, den Gegenstand einer arbeiterfreundlichen Reformgesetzgebung bildendes Dasein mit
dem rücksichtslosen Ausbeutungssystem, wie es jenseit des Ozeans gang und gäbe ist, zu vertauschen.
Die überseeische deutsche und fremde Auswanderung, welche im Durchschnitt der Jahre 1880-84 allein aus deutschen
Häfen 204,158 Personen betragen hatte, fiel danach sehr schnell, sie betrug:
1885:
155147
1886:
166474
1887:
172462
1888:
187057 .
Die deutsche Auswanderung des letzten Jahrs belief sich dagegen auf 98,568 Seelen, wovon 52,974 über Bremen,
[* 14] 25,402 über.vamburg, 2295 über
Stettin
[* 15] und andre Preußische Häfen, 14,057 über Antwerpen,
[* 16] 3787 über Rotterdam
[* 17] und Amsterdam
[* 18] und 53 über
französische Häfen gingen. Von der Gesamtzahl kamen 63,103 auf Preußen,
[* 19] 12,249 auf Bayern,
[* 20] 6445 auf Württemberg,
[* 21] 3860 auf
Baden,
[* 22] 2297 auf Sachsen,
[* 23] 2220 auf Hessen,
[* 24] 1821 auf Hamburg
[* 25] etc. Was die Ziele der deutschen Auswanderer betrifft, so ist
eine erhebliche Änderung außer für die Vereinigten Staaten nur insofern zu verzeichnen, als die Auswanderung nach Australien gegen 1883 auf
ein Viertel sank und auch die Auswanderung nach dem übrigen Amerika
[* 26] beträchtlich zurückging, während die Auswanderung nach Asien
[* 27] zunahm. Es
wanderten aus nach:
Diese Zahlen geben freilich die thatsächliche Höhe der Auswanderung nicht an, da allein in die Vereinigten Staaten 1888 nach
offiziellen amerikanischen Aufzeichnungen 106,924 Deutsche
[* 28] einwanderten. Da aber solcher Mangel auch den Aufzeichnungen früherer
Jahre anhaftet, so bleibt die Thatsache der Verminderung der deutschen Auswanderung für die letzten Jahre unerschüttert.
Man hat die gesamte überseeische Auswanderung seit Anfang der 20er Jahre auf 5,1 Mill.
Menschen berechnet, und so müßte denn bei der Gesundheit der von Deutschen aufgesuchten Länder und dem bekannten Kinderreichtum
deutscher Familien eine nach vielen Millionen zählende deutsche Bevölkerung
[* 29] im Ausland sich vorfinden. Thatsächlich ist dies
aber nicht der Fall. Denn von den ausgewanderten Deutschen bleibt nur ein verhältnismäßig kleiner Teil der
deutschen Nationalität erhalten.
Schon die ersten Einwanderer gehen nicht selten in dem fremden Volk auf, während dies bei den Kindern fast immer, bei den Enkeln
sicher der Fall ist. Offiziell werden aber die im Land Gebornen regelmäßig diesem zugerechnet. Es kann daher ein seit langer
Zeit von Deutschen aufgesuchtes Laud eine sehr starke deutsche Bevölkerung haben, ohne daß diese in den
offiziellen Listen erschiene, während ein seit kurzem zum Auswanderungsziel gewählter Staat seine volle oder nahezu volle
Quote des Deutschtums in seinen Listen verzeichnet. Die veröffentlichten Nachweise über die Zahl der Deutschen im Ausland geben
daher bei weitem nicht die volle Zahl unsrer im Ausland lebenden Landsleute an, doch erlauben sie unter
Berücksichtigung der vorstehend angedeuteten Verhältnisse immerhin einen Schluß auf die wahre Stärke
[* 30] des Deutschtums in
den einzelnen Staaten. Nach den letzten amtlichen Erhebungen beträgt die Zahl der Deutschen in:
Diese
Tabelle ist allerdings nicht vollständig. Es fehlen darin das Kapland, in welchem eine beträchtliche
Anzahl Deutscher wohnen, sowie Natal und die Burenrepubliken, Ost- und Westafrika, in welchen wir Kolonien besitzen, ebenso das
Kaiser Wilhelms-Land auf Neuguinea, wo eine große Anzahl deutscher Beamten arbeiten, sowie Mexiko,
[* 31] Portugal, China
[* 32] u. a. Indessen
handelt es sich bei diesen Gebieten im ganzen doch nur um einige Tausende. Wir dürfen aber nicht vergessen,
daß die oben angegebenen Zahlen entweder nur auf in Deutschland Geborne sich beziehen oder auf deutsche Reichsangehörige.
So stellt die oben für die Vereinigten Staaten angegebene Zahl keineswegs die dort lebenden Deutschen dar, welche sich noch
als solche fühlen und weder ihre Muttersprache aufgegeben, noch ihr altes Stammland vergessen haben.
Will man die Umgangssprache als bestimmend ansehen, so hat man nach Ratzel mindestens 4, nach andern sogar 7-8 Millionen als
Deutsche zu rechnen, in denen sich das Bewußtsein der Zugehörigkeit zu dem alten Stamm noch erhalten hat. Für
Rußland haben Rittich und Wenjukow Berechnungen der verschiedenen Nationalitäten des Zarenreichs gemacht. Allein die oben
für das europäische Rußland angegebenen Zahlen werden von Kennern der Verhältnisse als viel zu niedrig angesehen. Es wird
behauptet, daß hier mindestens 1,250,000 Deutsche leben.
Bei der Schweiz sind nur die deutschen Reichsangehörigen vermerkt worden; will man, die Umgangssprache als maßgebend gelten
lassen,so hat man nach dem Zensus von 1888 als Deutsche 2,092,530 gelten zu lassen. Für Brasilien
[* 34] dürfen wir bei demselben
Verfahren 150-200,000, für Australien mit Neuseeland 100,000 als Deutsche in Rechnung stellen. Daß die
Zahl 40,371 für Großbritannien
[* 35] viel zu niedrig gegriffen ist, wird klar, wenn man erfährt, daß 1881 zwar in London
[* 36] 21,966
Deutsche gezählt wurden, hier aber mindestens 50,000 Deutsche in den allerverschiedensten Lebensstellungen wohnen. Ähnlich
steht es mit andern Gebieten, so wird die Zahl der Deutschen in Argentinien 1882 auf 50,000 veranschlagt.
Will man aber zu einer Schätzung sämtlicher Deutschen auf der Erde kommen, ohne auf ihre politische Zugehörigkeit Rücksicht
zu nehmen, so darf man
¶