Periode sind folgende Einrichtungen, die auch in dem Zunftwesen andrer
Länder sich finden, besonders charakteristisch. Die Zunftorganisation
beruht auf der rechtlichen
Gliederung der gewerblichen
Personen in
Meister,
Knechte
(Gesellen) und
Lehrlinge. Das
Recht auf den
selbständigen
Gewerbebetriebwar in der
Regel von der Mitgliedschaft der
Zunft, zu welcher das betreffende
Gewerbe gehörte (Zunftzwang), und die zünftige Meisterschaft von dem Nachweis einer bestimmten
Qualifikation in moralischer
und technischer Hinsicht abhängig.
Man verlangte makellosen
Ruf, eheliche
Geburt, und daß der
Meister sein
Handwerk verstehe. In der
Regel war eine bestimmte Art
der
Ausbildung für
Lehrlinge und
Gesellen vorgeschrieben (Lehrzeit, Gesellenzeit, Wanderpflicht und Wanderzeit,
mit eignen
Herbergen für die Wandernden, in welchen bei »geschenkten«
Zünften oder
Handwerken, im
Gegensatz zu den deswegen
geringer geachteten ungeschenkten, ein Zehrpfennig für die Weiterreise gewährt wurde, bisweilen auch Probe- oder Mutzeit).
Das Meisterstück wird in der zweiten Hälfte des 14. Jahrh. vereinzelt gefordert und erst
im 15. Jahrh. allgemeiner üblich.
Zwangs- und
Bannrechte sicherten vielfach den
Zünften ihr bestimmtes
Arbeits- und Absatzgebiet, aber den
Rechten standen auch
Pflichten der
Zünfte gegenüber und namentlich die
Pflicht, die
Ehre
des
Gewerbes zu wahren, das
Wohl der Stadt zu fördern und für gute Leistungen zu sorgen. Zahlreiche Betriebsbeschränkungen
der einzelnen Zunftgenossen verfolgten den
Zweck, einerseits das
Interesse der
Konsumenten an der
Güte und
Preiswürdigkeit der
Waren voll zu befriedigen (Vorschriften über die Herstellung der
Waren,
Arbeits- und Warenschau, Markenzwang,
Preistaxen etc.), anderseits in
Durchführung des
Prinzips der
Gleichheit und Brüderlichkeit dem einzelnen Genossen ein standesgemäßes
Einkommen und die wirtschaftliche Selbständigkeit zu sichern (Beschränkung der Zahl der
Gesellen und
Lehrlinge, gemeinsame
Anschaffung der
Rohstoffe, gemeinsame gewerbliche
Anlagen, Regelung des
Angebots etc.). Sie verhinderten
die
Entwickelung des
Großbetriebs und kapitalistischer Gewerbsunternehmungen. Wo die
Zünfte obrigkeitliche
Organe waren, hatten
sie regelmäßig gewerbepolizeiliche Befugnisse und
Funktionen und eine selbständige
Gerichtsbarkeit über
Meister,
Gesellen und
Lehrlinge.
Das Zunftwesen war eine zweckmäßige
Gewerbeordnung für die
Städte des
Mittelalters und die eigentümlichen Wirtschaftszustände
jener Zeit. Seitdem aber zahlreich neue Gewerbszweige entstanden, der
Absatz auch in die
Ferne, die
Produktion für einen größern
Markt und damit die
Bildung neuer großer
Unternehmungen und die freie
Entwickelung der Unternehmerkräfte zu
einem dringenden
Bedürfnis geworden war, reichte es nicht mehr aus. Für eine zeitgemäße
Reform fehlte das zureichende Verständnis,
sie wurde aber auch erschwert durch den Mangel eines deutschen
Staats und einer deutschen
Volkswirtschaft.
In der zweiten
Periode blieben die alten Zunfteinrichtungen bestehen, aber sie erlangten einen andern
Charakter und dienten
andern
Zwecken; sie verschafften nur noch einer kleinen Zahl privilegierter
Familien die sichere
Existenz auf
Kosten der größern
Zahl der im
Gewerbe Thätigen und zum
Schaden der gewerblichen
Produktion wie der
Konsumenten und des gemeinen
Wesens. Die alten
Rechte derZünfte wurden privatrechtliche Privilegien der Zunftmeister, der Zunftzwang wurde zum
Mittel,
Unzünftige im
Interesse der Privilegierten aus Konkurrenzfurcht und Brotneid vom
Gewerbebetrieb auszuschließen,
das Meisterrecht
wurde als ein von der
Zunft zu verleihendes
Recht angesehen, zum Gegenstand des
Kaufs von der
Zunft gemacht, und bei Erteilung
des
Rechts wurden die Familienglieder der Privilegierten in unerhörter
Weise vor
Fremden begünstigt; allgemein
wurde die »Geschlossenheit der
Zunft« (Beschränkung der
Meister auf eine bestimmte Zahl),
häufig auch die »Sperrung« derselben
(Ausschluß Auswärtiger von der
Zunft, daher gesperrte
Zunft, gesperrtes
Handwerk) erstrebt und nicht selten durchgesetzt.
Die
Zwangs- und
Bannrechte, die frühern Betriebsbeschränkungen der einzelnen wurden beibehalten und vermehrt, aber nur noch
imInteresse der privilegierten
Meister in egoistischer
Weise zur Anwendung gebracht, die Sorge für eine
gute
Ausbildung der
Lehrlinge und für gute Gesellenverhältnisse trat völlig in den
Hintergrund. Dagegen spielten nebensächliche
Zunftgebräuche (s. d.), insbesondere in der
Herberge, die
Zeremonien bei Festlichkeiten, bei
Begrüßungen u. dgl. eine größere
Rolle. Das deutsche Gewerbewesen geriet in einen traurigen Zustand.
Die »Handwerksmißbräuche« bei
Meistern und
Gesellen waren Gegenstand fortwährender
Klagen. Die Reichsgewalt suchte vergebens
(1530, 1548, 1551, 1559, 1570, 1571, 1577, 1654, 1667, 1672, 1751) sie zu beseitigen. Aber im 18. Jahrh.
kam es in einer
Reihe von
Staaten, so namentlich in
Preußen
[* 2] 1734 bis 1737, zu einer Neugestaltung des Zunftwesens
und des Zunftgewerberechts. Die neue
Gewerbepolitik war eine merkantilistische (s.
Merkantilsystem). Die
Gewerbe wurden in zünftige
und nichtzünftige geschieden; für jene blieben die frühern Einrichtungen (Zunftzwang, gesetzliche Lehrzeit, Gesellenzeit
mit Wanderpflicht, Meisterprüfung,
Zwangs- und
Bannrechte, Betriebsbeschränkungen, bisweilen auch eine gewerbliche
Polizei
und
Gerichtsbarkeit etc.), aber alles wurde neu und zeitgemäß von der
Staatsgewalt geregelt und die
Durchführung der gesetzlichen und administrativen Vorschriften den Staatsbehörden unterstellt.
In einem Teil der
Staaten und
Städte aber erhielt sich der alte Zustand bis ins 19. Jahrh., bis die Einführung der
Gewerbefreiheit hier wie dort die
Zünfte beseitigte (s.Gewerbegesetzgebung).
Derselbe, Das brandenburgisch-preußische Innungswesen von 1640 bis 1806 (in »Forschungen
zu brandenburgischen und preußischen Geschichte«, Bd.
1, Leipz. 1888);
beim
Menschen das längliche
Organ, welches, auf dem
Boden der Mundhöhle
[* 7] liegend, diese bei geschlossenen
Kiefern fast ganz ausfüllt (s. Tafel »Mundhöhle
etc.«,
[* 1]
Fig. 1 u. 2). Der
Rücken oder die obere
Fläche derselben ist etwas gewölbt, liegt ganz frei und zeigt hinten eine
¶
mehr
dreieckige Vertiefung, das blinde Loch, in welchem sich mehrere Schleimdrüsen öffnen. Die untere Fläche ist mit ihrem mittlern
Teil an den Boden der Mundhöhle angewachsen und vorn durch eine Falte der Mundschleimhaut, das Zungenbändchen (frenulum
linguae), so angeheftet, daß nur die Spitze und die Seitenränder frei sind. Der hinterste, dickste Teil
der Zunge, die Zungenwurzel, ist an dem im obern Teil des Halses liegenden Zungenbein (s. unten) befestigt, und dieses steht durch
Muskeln
[* 9] und Bänder wieder mit dem Kehlkopf in Verbindung.
In der Mittellinie der Zunge ist eine Art senkrechter Scheidewand aus Sehnenfasern vorhanden, welche Zungenknorpel
heißt; im übrigen besteht jedoch die Zunge vorwaltend aus Muskelfasern mit dazwischen verlaufenden
zahlreichen Nerven
[* 10] und Gefäßen. Die Muskelfasern sind in allen möglichen Richtungen angeordnet und bedingen dadurch die überaus
große Beweglichkeit der Zunge sowie ihre Fähigkeit, ihre Gestalt auf mannigfaltige Weise zu verändern, sich nach oben oder
unten zu wölben, nach rechts und links zu biegen, die Spitze nach oben und unten zu krümmen, hervorzustrecken
etc. Auf der sehr dicken Zungenhaut, welche eine Fortsetzung der Mundschleimhaut ist, stehen
die zahlreichen, bald mehr fadenförmigen oder keulenartigen, bald platten und mit breiter Basis aufsitzenden Hervorragungen,
die sogen. Zungen- oder Geschmackswärzchen (papillae linguae s. gustus).
Von diesen sind die sogen. umwallten Papillen (papillae circumvallatae) mit den eigentlichen Geschmacksorganen,
den Schmeckbechern, d. h. eigentümlichen becherförmigen Organen voll stabförmiger Nervenendzellen, ausgestattet, an welche
die Zweige der Geschmacksnerven (nervus glossopharyngeus, s. Gehirn,
[* 11] S. 3) herantreten.
Die gesamte Oberfläche der Zunge ist von einem zarten Oberhäutchen oder Epithel überzogen; verdickt sich
dasselbe in erheblichem Grad, so bildet sich der weißliche Belag der Zunge, welcher durch Mundschleim und Speisereste, die sich
in den zahlreichen Vertiefungen zwischen den Papillen einlagern und die Entwickelung von Fäulnispilzen begünstigen, noch
vergrößert wird. Außerdem enthält die Zunge zahlreiche kleine, traubige Schleimdrüsen, besonders in der Gegend der Zungenwurzel.
Bei der Verdauung wirkt übrigens nicht nur der von ihnen abgesonderte Schleim, sondern auch der Umstand mit, daß die Zunge die
von den Zähnen zu zerkleinernden Speisen von einem Orte der Mundhöhle zum andern bringt und dem Bissen schließlich die Form
gibt, in welcher er am leichtesten in die Speiseröhre eingehen kann. Endlich ist die Zunge beim Sprechen
sehr beteiligt, ja, es können mehrere Laute ohne ihre Beihilfe gar nicht vernehmbar gemacht werden (vgl. Lautlehre und die
Abbildungen bei Sprache,
[* 12] S. 177). Von den Krankheiten und Fehlern, denen die Zunge unterworfen ist, sind zu nennen: Entzündung,
Krebs,
[* 13] Lähmung und angeborne oder erworbene Verlängerung.
[* 14] Erstreckt sich das Zungenbändchen zu weit nach
vorn, so wird dadurch die freie Beweglichkeit der Zunge beeinträchtigt, welchem Fehler durch einen Schnitt in das Zungenbändchen
(Zungenlösung) abgeholfen wird. - Bei den Wirbeltieren findet sich die Zunge ganz allgemein.
bei den Amphibien
ist sie vielfach dick, vorn befestigt, dagegen mit ihrem hintern zweilappigen Teil beweglich und vorstreckbar;
bei den Reptilien
ist sie häufig schmal, verhornt und aus einer besondern Scheide vorschnellbar, aber auch breit und fest;
ähnlich verhält
sie sich bei den
Vögeln, während sie bei den Säugetieren meist der des Menschen nahekommt (s. die genannten
Gruppen).
Das Zungenbein (os hyoideum) besteht bei den Säugetieren aus einem unpaaren Mittelstück (Körper) und zwei Paar seitlichen
Fortsätzen (Hörnern); von letztern ist das hintere Paar klein und mit dem Kehlkopf verbunden, das vordere ansehnlicher und
am Schläfenbein eingelenkt. Bei den Affen
[* 15] und dem Menschen verschmilzt sogar das obere Drittel des vordern
Horns mit dem Schläfenbein und bildet dessen sogen. Griffelfortsatz (s. Schädel, S. 373), während der Rest oder wenigstens
das zweite Drittel unverknöchert bleibt und als Ligamentum stylo-hyoideum die Verbindung des Zungenbeins am Griffelfortsatz
unterhält. Beide Hornpaare sind bei den niedern Wirbeltieren größer und stellen die Reste des bei den
Fischen noch voll entwickelten Zungenbein- und ersten Kiemenbogens dar, während der sogen. Körper, welcher zuweilen aus mehreren
hintereinander gelegenen Teilen besteht, das unpaare Mittelstück des Zungenbeinbogens repräsentiert.
Die Krankheiten der Zunge sind entweder angeborne und dann oft Teilerscheinung andrer umfänglicher
Bildungsstörungen, oder sie sind erworben und dann auch gewöhnlich mit andern Mundkrankheiten verbunden. Unter den erstern
nimmt das größte Interesse in Anspruch die angeborne Vergrößerung der Zunge (Macroglossia, Zungenvorfall, Glossocele). Sie
kommt häufig vor bei Kretins, jedoch auch bei sonst normalen und wohlgebildeten Kindern und beruht auf
einer geschwulstartigen Erweiterung der Lymphgefäße der Zunge (Lymphangioma), bei welcher die Zunge unförmlich anschwillt, zwischen
den Zähnen nach außen hervorragt und dadurch dem Eintrocknen und ähnlichen Schädlichkeiten ausgesetzt wird.
Der Zustand kann nur durch eine Operation beseitigt werden. Entzündungen der Zunge kommen vor vom leichten Katarrh (Epithelwucherung),
der sogen. belegten Zunge, welche Verdauungsstörungen und Magenkatarrhe begleitet, bis zu schweren diphtherischen
Zerstörungen, welche sich vom Gaumen und Kehldeckel zuweilen auf den Zungengrund fortsetzen. Die Diphtherie der Zunge ist hier
aber nur Begleiterscheinung der Rachendiphtherie. Tiefere Entzündungen der Zunge entstehen zuweilen durch Verletzungen, namentlich
Bißwunden, welche bei tobsüchtigen Geisteskranken nicht selten sind; ferner durch syphilitische Ansteckung,
welche an der Zunge sowohl oberflächliche kleine Geschwürchen als auch tiefe Einkerbungen und Risse (Rhagaden) hervorbringt
und oft noch nach Ablauf
[* 16] aller entzündlichen Prozesse an dem glatten Schwunde des papillenreichen Zungenrückens erkennbar
ist.
Sehr selten ist die Tuberkulose der Zunge, welche in Form flacher Geschwüre auftritt. Das schwerste Übel
ist der Zungenkrebs. Dieser hat regelmäßig den Charakter des fressenden Geschwürs, beginnt an der Spitze oder den Rändern
als derber Knoten (Kankroid), welcher aufbricht und sich oft schnell auf die Lymphdrüsen des Halses und den Kehlkopf ausbreitet.
Hierbei ist so früh als irgend möglich operative Entfernung des verdächtigen Knötchens geboten, da
nur hierdurch dauernde Heilung ermöglicht werden kann.