betreffenden
Bezirk auszuschließen (Zunftzwang). In ihren bessern
Zeiten betrachteten sich die Zünfte als
Brüderschaften
mit gegenseitigen Unterstützungspflichten der Genossen. Innerhalb der Zünfte waren vielfach die
Gesellen zu Gesellenbrüderschaften
oder Gesellenladen organisiert, um einander in Krankheitsfällen etc. zu unterstützen. Diese
Gesellenverbände, welche anfangs der Zunft nicht feindlich gegenüberstanden, machten es sich
später mehr und mehr zur Aufgabe, ihr
Interesse den
Meistern gegenüber zu wahren. Über die Entstehung und Geschichte der
Zünfte vgl.
Zunftwesen.
Als Vorrechte bestimmter
Gewerke und
Gilden haben sich bis in die Neuzeit hinein gewisse eigentümliche
Zeremonien, öffentliche
Aufzüge,
[* 2]
Spiele und
Tänze erhalten, die der gewöhnlichen
Sage nach der betreffenden
Zunft in einer Stadt für ewige
Zeiten gestattet worden seien, weil ihre
Angehörigen bei einer
Pest, Belagerung und sonstigen
Notzeit hervorragende
Dienste
[* 3] geleistet hätten. Sieht man indessen genauer zu, so erkennt man, daß es sich dabei um uralte
Volksgebräuche, wie z. B. um die Schwertertänze der germanischen Frühlingsfeier oder
jenen großen Umzug des Isisschiffs auf
Rädern, den alle Küstenstädte ehemals bei
Eröffnung der Schifffahrt feierten, um
die Maiumzüge etc. handelt, die eben in den meisten
Städten aus dem öffentlichen
Leben verschwunden waren und nur noch hier
und da in diesen herkömmlichen, meist in die Karnevalszeit verlegten
Aufzügen derGewerke ihren
Ausdruck
fanden.
Sie erhielten sich, weil mit ihnen öffentliche Lustbarkeiten verbunden waren, weil
Gemeinde und Privatleute, vor deren
Häusern
die
Tänze wiederholt wurden, Beisteuern zum Schmaus gaben, und sind zum Teil erst in der neuesten Zeit abgeschafft worden.
Hierher gehören die ehemals in vielen
Städten üblichen
Schwerttänze der Messerschmiede und Schwertfeger,
das 1539 vom
Rat aufgehobene Schönbartlaufen (s. d.) in
Nürnberg,
[* 4] der Umzug der
Metzger von
Paris
[* 5] und
Salzburg
[* 6] mit dem Fastnachtsochsen,
das Fahnenschwingen der
EgererMetzger und Tuchmacher und der
Schäfflertanz (s. d.) und
Metzgersprung (s. d.) der
Münchener.
Mehr den
Charakter eines allgemeinen
Volksfestes hat das
Sechseläuten in Zürich
[* 7] angenommen, welches am
Montag nach
der
Frühlingsnachtgleiche stattfindet und nach dem Umstand benannt ist, daß an diesem
Tag zum erstenmal die Abendglocke geläutet
wird. An ihm nehmen alle
Gilden in ihren volkstümlichen
Trachten mit ihren
Emblemen und allerlei Schaustücken teil. In ähnlicher
Weise erinnert der in vielen niederländischen
Städten und mit besonderer Pracht in
Antwerpen
[* 8] am
Sonntag
nach Mariä
Himmelfahrt gefeierte
Ommeganc
(Umgang) stark an die alten Schiffsumzüge und anderseits an die Fastnachtsgebräuche.
In dem niederländischen
Ommeganc bilden
Riese und
Riesin, welche jede größere Stadt in besonderer
Ausstattung bewahrt, das
Hauptschaustück, dazu kommen überall volkstümliche
Figuren, wie
Roland, die vierHaimonskinder, der große
Drache
[* 9] etc. Auch fehlt das
Schiff
[* 10] selbst nur selten in dem
Aufzug.
[* 11] Ebenso kehren gewisse
Scherze, wie spritzende
Delphine u. dgl.,
meist überall wieder.
In den andern
Ländern sind diese Umzüge meist auf die Karnevalszeit beschränkt oder ganz aufgehoben
worden.
DiesenCharakter hatten die
Zünfte namentlich da, wo die Stadtverfassung eine demokratische war und die
Gewerbtreibenden in der Stadt die Herrschaft erlangt hatten. In manchen
Städten gewährte nur die Mitgliedschaft einer
Zunft
eine
Teilnahme am Stadtregiment und war sie die Vorbedingung des
Bürgerrechts. In solchen
Städten wurden auch
Korporationen
von Nichtgewerbtreibenden zu
Zünften gemacht, in ursprünglich rein gewerbliche
Zünfte auch Nichtgewerbtreibende aufgenommen
oder mehrere gewerbliche
Zünfte, die jede für sich als politische
Zunft zu klein gewesen wären, zu einer
politischen vereinigt und endlich
Handwerker, die wegen ihrer geringen Zahl keine
Zunft bilden konnten, einer
Zunft zugewiesen,
auch wenn ihr
Gewerbe dem Hauptgewerbe der
Zunft gar nicht verwandt war.
Bei derartigen
Zünften wurden innerhalb der
Zunft für die Verfolgung der rein gewerblichen
Zwecke und
Interessen noch wieder besondere gewerbliche
Verbände gebildet. Die Entstehung von
Zünften in
Deutschland beginnt (später
als in
Italien,
[* 17]
Frankreich und
England) im 12. Jahrh., zunächst nur in einzelnen
Städten für einzelne
Gewerbe. Im 13. und 14. Jahrh.
folgen andreStädte nach, aber erst im 15. Jahrh. wird das Zunftwesen in fast allen
Städten eine allgemeine und
alle
Gewerbe umfassende
Institution. Die Geschichte des Zunftwesens
war inDeutschland in den einzelnen
Städten und
Zünften eine
sehr verschiedene, sie zeigt große Unterschiede bezüglich der
Organisation, der
Rechte, Befugnisse, Machtstellung und Wirksamkeit
der
Zünfte in den verschiedenen
Städten; aber trotz aller dieser Unterschiede kann man doch von dem Zunftwesen als
einer in
Charakter und
Wesen eigentümlichen wirtschaftlichen Einrichtung sprechen.
In der Geschichte des Zunftwesens, die bis ins 19. Jahrh. reicht, sind in
Deutschland zwei
Phasen zu unterscheiden, die Zeit
der
Blüte
[* 18] und des
Verfalles. In jener Zeit war das Zunftwesen zeitgemäß und nützlich, es entsprach den
Interessen
der Produzenten und
Konsumenten, schuf für die gewerbliche
Bevölkerung gute, gesunde Verhältnisse, führte zu großen Fortschritten
in der
Technik, namentlich auch in der künstlerischen Herstellung von Handwerksprodukten, und war ein wichtiges Förderungsmittel
des gemeinen
Wesens und Wohls und eine wesentliche
Ursache jener
Blüte des deutschen Städtewesens im 15. und 16. Jahrh.,
die kulturgeschichtlich zu den glänzendsten
Erscheinungen der deutschen Geschichte gehört. In der zweiten
Phase zeigt das
Zunftwesen von alledem das Gegenteil. Ein
Verfall des Zunftwesens tritt vereinzelt schon im 15. und 16. Jahrh. hervor, allgemein
aber erst im 17. Jahrh. Für das Zunftgewerberecht der ersten
¶
mehr
Periode sind folgende Einrichtungen, die auch in dem Zunftwesen andrer Länder sich finden, besonders charakteristisch. Die Zunftorganisation
beruht auf der rechtlichen Gliederung der gewerblichen Personen in Meister, Knechte (Gesellen) und Lehrlinge. Das Recht auf den
selbständigen Gewerbebetriebwar in der Regel von der Mitgliedschaft der Zunft, zu welcher das betreffende
Gewerbe gehörte (Zunftzwang), und die zünftige Meisterschaft von dem Nachweis einer bestimmten Qualifikation in moralischer
und technischer Hinsicht abhängig.
Man verlangte makellosen Ruf, eheliche Geburt, und daß der Meister sein Handwerk verstehe. In der Regel war eine bestimmte Art
der Ausbildung für Lehrlinge und Gesellen vorgeschrieben (Lehrzeit, Gesellenzeit, Wanderpflicht und Wanderzeit,
mit eignen Herbergen für die Wandernden, in welchen bei »geschenkten« Zünften oder Handwerken, im Gegensatz zu den deswegen
geringer geachteten ungeschenkten, ein Zehrpfennig für die Weiterreise gewährt wurde, bisweilen auch Probe- oder Mutzeit).
Das Meisterstück wird in der zweiten Hälfte des 14. Jahrh. vereinzelt gefordert und erst
im 15. Jahrh. allgemeiner üblich. Zwangs- und Bannrechte sicherten vielfach den Zünften ihr bestimmtes
Arbeits- und Absatzgebiet, aber den Rechten standen auch Pflichten der Zünfte gegenüber und namentlich die Pflicht, die Ehre
des Gewerbes zu wahren, das Wohl der Stadt zu fördern und für gute Leistungen zu sorgen. Zahlreiche Betriebsbeschränkungen
der einzelnen Zunftgenossen verfolgten den Zweck, einerseits das Interesse der Konsumenten an der Güte und
Preiswürdigkeit der Waren voll zu befriedigen (Vorschriften über die Herstellung der Waren, Arbeits- und Warenschau, Markenzwang,
Preistaxen etc.), anderseits in Durchführung des Prinzips der Gleichheit und Brüderlichkeit dem einzelnen Genossen ein standesgemäßes
Einkommen und die wirtschaftliche Selbständigkeit zu sichern (Beschränkung der Zahl der Gesellen und
Lehrlinge, gemeinsame Anschaffung der Rohstoffe, gemeinsame gewerbliche Anlagen, Regelung des Angebots etc.). Sie verhinderten
die Entwickelung des Großbetriebs und kapitalistischer Gewerbsunternehmungen. Wo die Zünfte obrigkeitliche Organe waren, hatten
sie regelmäßig gewerbepolizeiliche Befugnisse und Funktionen und eine selbständige Gerichtsbarkeit über Meister, Gesellen
und Lehrlinge.
Das Zunftwesen war eine zweckmäßige Gewerbeordnung für die Städte des Mittelalters und die eigentümlichen Wirtschaftszustände
jener Zeit. Seitdem aber zahlreich neue Gewerbszweige entstanden, der Absatz auch in die Ferne, die Produktion für einen größern
Markt und damit die Bildung neuer großer Unternehmungen und die freie Entwickelung der Unternehmerkräfte zu
einem dringenden Bedürfnis geworden war, reichte es nicht mehr aus. Für eine zeitgemäße Reform fehlte das zureichende Verständnis,
sie wurde aber auch erschwert durch den Mangel eines deutschen Staats und einer deutschen Volkswirtschaft.
In der zweiten Periode blieben die alten Zunfteinrichtungen bestehen, aber sie erlangten einen andern Charakter und dienten
andern Zwecken; sie verschafften nur noch einer kleinen Zahl privilegierter Familien die sichere Existenz auf Kosten der größern
Zahl der im Gewerbe Thätigen und zum Schaden der gewerblichen Produktion wie der Konsumenten und des gemeinen Wesens. Die alten
Rechte derZünfte wurden privatrechtliche Privilegien der Zunftmeister, der Zunftzwang wurde zum Mittel,
Unzünftige im Interesse der Privilegierten aus Konkurrenzfurcht und Brotneid vom Gewerbebetrieb auszuschließen,
das Meisterrecht
wurde als ein von der Zunft zu verleihendes Recht angesehen, zum Gegenstand des Kaufs von der Zunft gemacht, und bei Erteilung
des Rechts wurden die Familienglieder der Privilegierten in unerhörter Weise vor Fremden begünstigt; allgemein
wurde die »Geschlossenheit der Zunft« (Beschränkung der Meister auf eine bestimmte Zahl),
häufig auch die »Sperrung« derselben
(Ausschluß Auswärtiger von der Zunft, daher gesperrte Zunft, gesperrtes Handwerk) erstrebt und nicht selten durchgesetzt.
Die Zwangs- und Bannrechte, die frühern Betriebsbeschränkungen der einzelnen wurden beibehalten und vermehrt, aber nur noch
im Interesse der privilegierten Meister in egoistischer Weise zur Anwendung gebracht, die Sorge für eine
gute Ausbildung der Lehrlinge und für gute Gesellenverhältnisse trat völlig in den Hintergrund. Dagegen spielten nebensächliche
Zunftgebräuche (s. d.), insbesondere in der Herberge, die Zeremonien bei Festlichkeiten, bei Begrüßungen u. dgl. eine größere
Rolle. Das deutsche Gewerbewesen geriet in einen traurigen Zustand.
Die »Handwerksmißbräuche« bei Meistern und Gesellen waren Gegenstand fortwährender Klagen. Die Reichsgewalt suchte vergebens
(1530, 1548, 1551, 1559, 1570, 1571, 1577, 1654, 1667, 1672, 1751) sie zu beseitigen. Aber im 18. Jahrh.
kam es in einer Reihe von Staaten, so namentlich in Preußen
[* 20] 1734 bis 1737, zu einer Neugestaltung des Zunftwesens
und des Zunftgewerberechts. Die neue Gewerbepolitik war eine merkantilistische (s. Merkantilsystem). Die Gewerbe wurden in zünftige
und nichtzünftige geschieden; für jene blieben die frühern Einrichtungen (Zunftzwang, gesetzliche Lehrzeit, Gesellenzeit
mit Wanderpflicht, Meisterprüfung, Zwangs- und Bannrechte, Betriebsbeschränkungen, bisweilen auch eine gewerbliche Polizei
und Gerichtsbarkeit etc.), aber alles wurde neu und zeitgemäß von der
Staatsgewalt geregelt und die Durchführung der gesetzlichen und administrativen Vorschriften den Staatsbehörden unterstellt.
In einem Teil der Staaten und Städte aber erhielt sich der alte Zustand bis ins 19. Jahrh., bis die Einführung der
Gewerbefreiheit hier wie dort die Zünfte beseitigte (s. Gewerbegesetzgebung).
Derselbe, Das brandenburgisch-preußische Innungswesen von 1640 bis 1806 (in »Forschungen
zu brandenburgischen und preußischen Geschichte«, Bd.
1, Leipz. 1888);