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mittels Kalks geschieden etc. Der Rohzucker (Moskovade) kommt als solcher und gereinigt (Kassonade) in den Handel und wird in großen Mengen in Europa [* 2] raffiniert. Aus dem Zuckerahorn wird in Nordamerika [* 3] und aus der Zuckerpalme in Ostindien [* 4] Zucker [* 5] bereitet, während die Zuckermoorhirse (Sorghum) besser auf Sirup verarbeitet wird.
[Produktion und Verbrauch. Geschichtliches.]
Über die Produktion von Rohrzucker liegen folgende Zahlen vor:
metr. Zentner | |||
---|---|---|---|
Cuba | Produkt | 1885: | 6300000 |
Java | Export | 1884: | 3587800 |
Brasilien | " | 1883/84: | 2353900 |
Britisch-Ostindien | Produkt | ca.: | 2180000 |
Britisch-Westindien | Export | 1884: | 2078230 |
Philippinen | " | 1885: | 2059750 |
Mauritius | " | 1884: | 1256540 |
Britisch-Guayana | " | 1884: | 1202540 |
Vereinigte Staaten | Prod. | 1884/85: | 1044200 |
China | Export | 1884: | 950200 |
Puerto Rico | " | 1883: | 797400 |
Hawaiinseln | " | 1885: | 776220 |
Guadeloupe | Produkt | 1882: | 567700 |
Formosa | Export | 1880: | 553406 |
Martinique | Produkt | 1882: | 536450 |
Ägypten | " | 1885: | 442470 |
Argentinien | - | 420590 | |
Peru | Prod. | 1884/85: | 331360 |
Mexiko | Export | 1884: | 300000 |
Réunion | " | 1884: | 290000 |
Queensland | " | 1884: | 151120 |
Japan | Produkt | 1883: | 132000 |
Natal | " | 1884: | 119740 |
San Domingo | Export | 1883: | 102170 |
Fidschiinseln | Produkt | 1884: | 88700 |
Niederländisch-Guayana | " | 1884: | 72300 |
Mayotte | " | 1882: | 32680 |
Neusüdwales | Export | 1884: | 27580 |
Britisch-Honduras | " | 1884: | 24300 |
Guatemala | " | 1884: | 19300 |
Siam | " | 1884: | 15000 |
Nossi-Bé | Produkt. | 1882: | 8000 |
Andre Gebiete | - | 10000 | |
Zusammen Produktion, resp. Export: | 28831640 |
Nimmt man für die in der Tabelle fehlende Nachweisung einen sehr mäßigen Durchschnittsbetrag an, so gelangt man zu einer Rohrzuckerproduktion von mindestens 30 Mill. metr. Ztr. Die Rübenzuckerproduktion läßt sich kaum genauer beziffern, weil die Erhebungen nur zur Steuerzwecken vorgenommen werden, und weil meist nur die verarbeitete Rübenmenge konstatiert, die daraus gewonnene Zuckermenge aber nach dem mittlern Zuckergehalt berechnet wird. Die Rübenzuckerproduktion betrug 1884/85 in
Deutschland | 11548170 | metr. Zentner |
Österreich-Ungarn | 5577660 | " " |
Frankreich | 3084100 | " " |
Russland | 3864330 | " " |
Belgien | 884620 | " " |
Holland etc. | 500000 | " " |
Zusammen: | 25458880 | metr. Zentner. |
Rechnet man zu diesen Quantitäten den produzierten Sorghum-, Palm- und Ahornzucker, so dürfte sich die gesamte Menge des im J. 1884/85 in den Verkehr gelangten Zuckers auf 53-54 Mill. metr. Ztr. beziffern, während man noch 1876 nur 31-32 Mill. metr. Ztr. berechnete. Der Zuckerverbrauch im Jahr und pro Kopf der Bevölkerung [* 6] beträgt etwa in Großbritannien [* 7] 30,46, Vereinigte Staaten 18,69, Dänemark [* 8] 12,18, Schweiz [* 9] 10,54, Frankreich 10,12, Niederlande [* 10] 8,47, Schweden [* 11] 7,25, Deutsches Reich 6,80, Österreich-Ungarn [* 12] 5,98, Norwegen 4,93, Belgien [* 13] 3,52, Rußland 3,48, Italien [* 14] 2,80 kg.
Das Zuckerrohr war ursprünglich Nahrungspflanze, [* 15] indem es gekaut, ausgesogen, auch wohl gegessen wurde, wie es noch jetzt in manchen Gegenden Asiens, auf den Philippinen und Südseeinseln geschieht. In Indien und China [* 16] wird es seit uralter Zeit kultiviert, und aus dem Sanskritnamen sarkura entstanden das arabische sukhar, das persische schakar und die europäischen Namen Zucker, sucre, sugar etc., welche fast in allen Sprachen ähnlich lauten. Theophrast und Dioskorides erwähnen den Zucker, der aber damals noch sehr selten war und nur medizinisch benutzt wurde.
Die Juden kannten den Zucker nicht, ebensowenig die alten Babylonier. Der Anbau des Zuckerrohrs rückte zuerst nach Südpersien und Arabien, dann nach Ägypten, [* 17] Sizilien [* 18] und Südspanien vor. 1420 gelangte es nach Madeira, [* 19] später nach den Kanaren. Im 9. Jahrh. raffinierten die Araber schon Zucker aus dem im ehemaligen Susiana herrlich gedeihenden Zuckerrohr. 996 kam aus Alexandria Zucker nach Venedig, [* 20] und dort soll derselbe zuerst in die noch jetzt gebräuchliche Brotform (welche nach andern freilich aus China stammt) gebracht worden sein.
Arabische Ärzte benutzten den Zucker als Arzneimittel, und er blieb selten bis zu den Kreuzzügen, durch welche er erst allgemeiner bekannt wurde. Die Mexikaner scheinen ursprünglich aus Mais Zucker dargestellt zu haben; das Zuckerrohr brachte Kolumbus 1490 von den Kanarischen Inseln nach Domingo, und hier wurde es auch zuerst im großen gebaut. Lange Zeit war Domingo Hauptzuckerlieferant für Europa, während Cuba 1760 noch unbedeutende Ausfuhr hatte. Nach Mexiko [* 21] kam das Zuckerrohr schon zu Cortez' Zeiten, und bereits 1553 wurde von dort Zucker nach Spanien [* 22] gebracht. 1531 erhielt Brasilien [* 23] das Zuckerrohr, und von hier gelangte es in die englischen und französischen Kolonien.
Das ergiebige Tahitirohr, durch Cook und Forster zuerst bekannt geworden, kam durch Bligh nach Antigua und Jamaica und verbreitete sich von dort nach Domingo, Cuba, Trinidad und Caracas. Gegenwärtig steht Cuba an der Spitze aller Zuckerrohr produzierenden Länder, dann folgen Java, Manila, Brasilien und Mauritius. In Nordamerika hat besonders Louisiana, in Südamerika [* 24] Brasilien und Peru, [* 25] in Asien [* 26] Java, China, Japan, Ostindien, in Australien [* 27] die Sandwichinseln, in Afrika [* 28] Ägypten und der Süden bedeutende Produktion. In Europa war die früher bedeutende Kultur völlig verschwunden, und erst in der Neuzeit ist sie in Spanien wieder aufgenommen worden.
Seit dem 16. Jahrh. entstanden in fast allen europäischen Staaten Raffinerien (1797 in Dresden) [* 29] zur Reinigung des Kolonialzuckers; aber noch im 17. Jahrh. war der Zucker in Deutschland [* 30] so teuer, daß alle weniger Bemittelten nur Sirup und Honig gebrauchten. Eine vollständige Verschiebung der Verhältnisse des Zuckerhandels brachte die Runkelrübe hervor, in welcher Marggraf 1747 den bedeutenden Zuckergehalt entdeckte. Dessen Nachfolger Achard suchte diese Entdeckung praktisch zu verwerten und gründete 1801 auf dem Gut Kunern in Niederschlesien die erste Rübenzuckerfabrik, welcher bald andre folgten.
Die Ausbeute betrug damals nur 2-3 Proz., obschon bereits Nöldechen 1799 die Scheidung mittels Kalks eingeführt und Lampadius und Schaup den günstigen Einfluß der Holzkohle nachgewiesen hatten. In Frankreich erblühte die Zuckerfabrikation seit 1811 auf Anregung Napoleons und erhielt sich wenigstens in einigen Fabriken auch nach dem Aufhören der Kontinentalsperre infolge mannigfacher Verbesserungen, wie die Einführung der Reibmaschine und der hydraulischen Presse, [* 31] der ¶
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Dampfheizung und der Benutzung wiederbelebungsfähiger Knochenkohle. In Deutschland waren hingegen nach Napoleons Sturz die Fabriken wieder eingegangen, und erst in den 20er Jahren begann die Industrie bei uns von neuem Fuß zu fassen und sich namentlich in der Provinz Sachsen, [* 33] wo durch den Zichorienbau der Boden für die Rübenkultur aufs beste vorbereitet war, dann auch in Anhalt, [* 34] Schlesien [* 35] und Braunschweig [* 36] glücklich zu entwickeln. Österreich, [* 37] Rußland und Belgien haben nächst Deutschland und Frankreich die am höchsten entwickelte Zuckerindustrie, und in neuerer Zeit hat man den Anbau der Rüben auch in Holland, Schweden, Italien, selbst in England und Nordamerika mit gutem Erfolg begonnen.
Vgl. Lippmann, Die Zuckerarten und ihre Derivate (Braunschw. 1882);
Walkhoff, Der praktische Rübenzuckerfabrikant (4. Aufl., das. 1872);
Stammer, Lehrbuch der Zuckerfabrikation (das. 1874, Ergänzungsband 1881);
Stohmann, Handbuch der Zuckerfabrikation (2. Aufl., Berl. 1885);
Schulz, Die Berechnungen der Abdampfapparate bei der Fabrikation des Zuckers (das. 1863);
Jicinsky, Das Saftgewinnungsverfahren der Diffusion [* 38] (Leipz. 1874);
Hittorff, La question des sucres au point de vue international (Brüssel [* 39] 1875);
v. Kaufmann, Die Zuckerindustrie in ihrer wirtschaftlichen und steuerfiskalischen Bedeutung (Berl. 1878);
Scheibler, Aktenstücke zur Geschichte der Rübenzuckerfabrikation (das. 1875);
Zabel, Verzeichnis der Rübenzuckerfabriken etc. des Zollvereins, Österreichs und Hollands (20. Jahrg., Quedl. 1889);
Frühling u. Schulz, Anleitung zur Untersuchung der für die Zuckerindustrie in Betracht kommenden Rohmaterialien (3. Aufl., Braunschweig 1885);
Görz, [* 40] Handel u. Statistik des Zuckers (Berl. 1884-85);
Thielmann, Die Dampfkessel [* 41] für die Zuckerindustrie (das. 1889);
Stammer, Jahresberichte über die Fortschritte der Zuckerfabrikation (Braunschw., seit 1860);
Derselbe, Wegweiser in der Zuckerfabrikation (das. 1876) und Taschenkalender für Zuckerfabrikanten (12. Jahrg., Berl. 1888);
»Die deutsche Zuckerindustrie«, Wochenschrift (das. 1876 ff.).