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von Nordamerika [* 2] 40,000 Doll. (vor 1871 nur 25,000 Doll.), derjenige der Schweiz [* 3] 8000 Fr.
von Nordamerika [* 2] 40,000 Doll. (vor 1871 nur 25,000 Doll.), derjenige der Schweiz [* 3] 8000 Fr.
(lat.), Inbegriff der Rechtsgrundsätze über das Verfahren, um private (bürgerliche) Rechtsansprüche zur gerichtlichen Anerkennung und rechtlichen Wirksamkeit zu bringen (Zivilprozeßrecht, Zivilprozeßtheorie); dann dies Verfahren selbst, sowohl im allgemeinen (Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, Prozeßverfahren) wie in einem einzelnen gegebenen Fall, d. h. in einem bestimmten Privatrechtsstreit; Zivilprozeßordnung, ausführliches Gesetz, wodurch das gerichtliche Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten geordnet ist.
Den Gegensatz zum Zivilprozeß bildet zunächst der Straf- oder Kriminalprozeß. Es ist nämlich eine Hauptaufgabe des Staats, seine Angehörigen in ihren Rechten zu schützen. Zu diesem Zweck muß einmal die gesetzgebende Gewalt des Staats thätig sein, welche die Rechte und Pflichten der Einzelnen im Verhältnis zu einander und im Verhältnis zur Gesamtheit feststellt. Es muß aber außerdem auch dafür Sorge getragen werden, daß jede Verletzung der bestehenden Rechtsordnung möglichst vermieden, und daß der Rechtszustand des Staats und seiner Angehörigen aufrecht erhalten werde.
Jede Rechtsverletzung charakterisiert sich nun entweder als ein relatives oder als ein absolutes Unrecht, d. h. sie erscheint entweder als Rechtsverletzung, weil sie das besonders begründete Recht eines Einzelnen nicht respektiert, oder sie erscheint als eine Verletzung der staatlichen Rechtsordnung überhaupt, als eine widerrechtliche Erhebung des Einzelwillens über den staatlichen Gesamtwillen, als ein strafbares Unrecht. Der Schuldner, welcher mir eine Summe Geldes, die er mir aus einem Rechtsgeschäft schuldet, nicht rechtzeitig gewährt, verletzt lediglich meine Privatrechtssphäre, und es ist meinem Ermessen anheimgestellt, ob ich ihn deshalb verklagen will oder nicht.
Der Dieb dagegen, welcher mir eine Summe Geldes entwendet, verletzt dadurch die staatliche Rechtsordnung überhaupt, und ebendarum läßt der Staat zur Sühne des begangenen Unrechts und zur Sanktion und Wiederherstellung der verletzten Rechtsordnung die Bestrafung des Verbrechers eintreten. Der Strafrichter hat es also mit der Untersuchung von Verbrechen zu thun, während der Zivilrichter oder Prozeßrichter über Privatansprüche im bürgerlichen Prozeßverfahren rechtliche Entscheidung fällt.
Gegenstand eines Zivilprozesses (Zivilprozeßsache) ist also stets ein privatrechtlicher Anspruch. Aber damit ist das Gebiet des Zivilprozesses noch nicht völlig abgegrenzt. Es ist vielmehr dem streitigen Gerichtsverfahren auch noch dasjenige Gebiet der Rechtspflege entgegenzustellen, auf welchem zwischen den beteiligten Personen ein Streit nicht obwaltet, und in dem die richterliche Thätigkeit eintritt, um Rechte zu sichern und Rechtsverhältnisse klarzustellen und zu schützen. Es ist dies das Gebiet der sogen. freiwilligen Gerichtsbarkeit, wohin z. B. das gerichtliche Hypothekenwesen, das Grundbuchwesen, die Verlautbarung gewisser Verträge, das Vormundschaftswesen u. dgl. gehören.
Endlich ist aber der Umstand, daß im Z. nur Rechtsfragen zum Austrag und zur Entscheidung kommen, auch um deswillen zu betonen, weil hierin der Unterschied zwischen der streitigen Rechtspflege und der Verwaltungsrechtspflege begründet ist (s. Verwaltung). Aber wenn auch nach dem bisher Ausgeführten das Privatrecht das eigentliche Gebiet des Zivilprozesses ist, so erscheint doch auch bei solchen streitigen Privatrechtssachen der Staat als mitbeteiligt. Denn es ist mit einem geordneten Staatswesen schlechterdings unverträglich, daß in derartigen Fällen der Verletzte auf seine Selbsthilfe angewiesen wäre, welche einerseits oftmals nicht ausreichend sein und anderseits nicht selten zu weit gehen und ebendarum die staatliche Ordnung gefährden würde.
Deshalb gehören solche Ansprüche vor den von Staats wegen bestellten Richter, und daher müssen auch das Verfahren, in welchem über derartige Ansprüche entschieden wird, und die Art und Weise, wie auf Grund des Richterspruchs schließlich die zwangsweise Geltendmachung des Rechtsanspruchs erfolgen soll, durch das Gesetz ein für allemal festgestellt sein. Das Prozeßverfahren kann von den Parteien nicht willkürlich gestaltet werden; ein »Konventionalprozeß« ist unzulässig. Das Zivilprozeßrecht ist also wesentlich formelles Recht; es bestimmt die Formen, in denen das materielle Zivilrecht (Privatrecht, bürgerliches Recht) verwirklicht u. nötigen Falls erzwungen werden kann. Es ist aber auch öffentliches Recht, indem es die Rechtsverhältnisse des Einzelnen der Staatsgewalt gegenüber betrifft (s. Recht).
Bis bestand in Deutschland [* 4] der Gegensatz zwischen gemeinem deutschen Zivilprozeß und dem partikulären oder besondern Zivilprozeß der einzelnen deutschen Staaten. Grundlagen des gemeinen deutschen Zivilprozesses waren das römische und das kanonische Recht. An die Stelle des ursprünglichen mündlichen Verfahrens vor Schöffen aus dem Laienstand trat nämlich vom 13. Jahrh. an allmählich der bei den geistlichen Gerichten ausgebildete schriftliche Zivilprozeß, und die Rechtsprechung gelangte mehr und mehr in die Hände rechtsgelehrter Richter, durch deren Einfluß die fremden Prozeßnormen noch schneller als das fremde Privatrecht in Deutschland Eingang fanden.
Zur Vollendung kam dies Prozeßverfahren durch die Anwendung und weitere Ausbildung bei den Reichsgerichten, bis endlich die Reichsgesetzgebung diesen durch die Praxis geregelten Prozeßzustand sanktionierte und, wenn auch keine vollständige Reichszivilprozeßordnung, so doch verschiedene auf den Zivilprozeß bezügliche Reichsgesetze hinzufügte: die Reichskammergerichtsordnung von 1495, zuletzt erneuert und vervollständigt 1555, den Deputationsabschied von 1600 und den jüngsten Reichsabschied von 1654. Diese Gesetze hatten jedoch zunächst nur das Verfahren bei den Reichsgerichten zum Gegenstand.
Bei den Landesgerichten aber bildete sich im Anschluß an jenes Verfahren durch den Gerichtsgebrauch in den einzelnen Territorien der Landesprozeß aus, für welchen das Reichsprozeßrecht als subsidiäre Rechtsquelle betrachtet wurde. Namentlich war unter den Landesprozessen der sächsische Zivilprozeß von Bedeutung. Die neuere Zeit brachte dann vielfach umfassende Zivilprozeßordnungen, so namentlich in Preußen [* 5] die allgemeine Gerichtsordnung von 1795, woran sich dann Gesetze von 1833, 1846 und 1849 über das Prozeßverfahren und über die Gerichtsorganisation anschlossen; dann die braunschweigische Prozeßordnung vom die hannöversche vom die oldenburgische vom die badische vom die württembergische vom und die bayrische von 1869, welch letztere sich im wesentlichen an das französische Prozeßrecht anlehnte. Überhaupt ist das französische Recht auf die deutsche Zivilprozeßgesetzgebung von besonderm Einfluß gewesen, ja der französische Code de procédure civile von 1806 behauptete sich sogar in Rheinpreußen und in Rheinhessen bis in die neueste Zeit in praktischer Geltung. Diese Zerrissenheit des ¶
Rechtszustandes auf dem zivilprozessualischen Gebiet hatte schon 1862 zu einem Beschluß des Bundestags Veranlassung gegeben, wonach in Hannover [* 7] ein 1866 veröffentlichter Entwurf zu einer allgemeinen deutschen Zivilprozeßordnung ausgearbeitet ward. Allein die zu Hannover tagende Kommission war von Preußen nicht mitbeschickt worden, vielmehr wurde in Berlin [* 8] ein »Entwurf einer Prozeßordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten für den preußischen Staat« aufgestellt.
Nach der inzwischen erfolgten Gründung des Norddeutschen Bundes wurde dann unter Berücksichtigung des hannöverschen und des preußischen Entwurfs der Entwurf einer Prozeßordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten für den Norddeutschen Bund ausgearbeitet. Nach der Errichtung des neuen Deutschen Reichs endlich beschloß der Bundesrat behufs definitiver Feststellung eines deutschen Zivilprozeßentwurfs die Einsetzung einer aus zehn Mitgliedern gebildeten Kommission, welche unter dem Vorsitz des preußischen Justizministers Leonhard zusammentrat und ihre Arbeiten abschloß.
Der Entwurf der deutschen Zivilprozeßordnung ward dann von dem Reichstag samt den Entwürfen einer deutschen Strafprozeßordnung und eines deutschen Gerichtsverfassungsgesetzes einer besondern Kommission von 28 Mitgliedern (der sogen. Justizkommission) überwiesen, von welcher er im Herbst 1876 vor das Plenum des Reichstags gelangte, welches ihn fast mit Stimmeneinhelligkeit annahm. Die Publikation der nunmehrigen deutschen Zivilprozeßordnung erfolgte Sie trat gleichzeitig mit der Strafprozeßordnung, dem Gerichtsverfassungsgesetz und mit der Konkursordnung in Kraft. [* 9]
Zur vollständigen Normierung des deutschen gerichtlichen Verfahrens in einheitlicher Weise sind noch das Gerichtskostengesetz vom die Gebührenordnung für Gerichtsvollzieher vom die Gebührenordnung für Zeugen und Sachverständige vom die deutsche Rechtsanwaltsordnung vom und die Gebührenordnung für Rechtsanwalte vom hinzugekommen. Auf diese Weise ist auf dem Gebiet des Zivilprozeßrechts die lang ersehnte Rechtseinheit in Deutschland hergestellt.
Auch für das cisleithanische Österreich [* 10] ist eine auf den Grundsätzen der Mündlichkeit des Verfahrens und der freien Beweiswürdigung durch den Richter beruhende Zivilprozeßordnung in Vorbereitung (Entwürfe von 1876 und 1881). Der frühere Justizminister Glaser (s. d. 2) hat sich um die hierauf bezüglichen Vorarbeiten besonders verdient gemacht. Sein Entwurf schließt sich zwar vielfach der deutschen Zivilprozeßordnung an, ist aber gleichwohl eine selbständige Leistung, indem er namentlich die Berufung nur noch gegen Urteile der Einzelrichter zuläßt und die formellen Parteieide durch die eidliche Vernehmung der Parteien ersetzt.
Gegenwärtig beruht der österreichische Zivilprozeß noch immer auf der Josephinischen Gerichtsordnung von 1781 und auf der damit wesentlich übereinstimmenden westgalizischen Gerichtsordnung (für Galizien, Bukowina, Tirol [* 11] und Vorarlberg, Istrien, [* 12] Triest [* 13] und Dalmatien) von 1797. Dazu kommen dann neuere Verordnungen und Spezialgesetze, namentlich das Gesetz vom über das Verfahren in Bagatellsachen (bis zur Höhe von 50 Guld.). Durch seine Kostspieligkeit und Weitläufigkeit ist das englische Prozeßverfahren auf dem Kontinent in übeln Ruf gekommen und auch in England selbst vielfach angegriffen worden. Dasselbe kennt nämlich auch im Z. die Mitwirkung von Geschwornen. In neuerer Zeit haben aber verschiedene Prozeßgesetze (von 1852, 1873, 1875, 1876) wirksam eingegriffen. Dazu kommt die Einrichtung der County-Courts (Grafschaftsgerichte) für Streitsachen bis 50 Pfd. Sterl. Wert, von denen Beweisfragen auch durch den Richter ohne Zuziehung der Jury entschieden werden können.
Der Zivilprozeß zerfällt in den ordentlichen und den summarischen (schleunigen) Prozeß. Dazu kommt noch das Verfahren im Konkurs (s. d.) der Gläubiger (Konkursprozeß). Während im ordentlichen Prozeß die Parteien ihre Rechtsbehelfe uneingeschränkt zur Anwendung bringen können, kommt es im summarischen Verfahren auf schleunige Beweisführung an, und Angriffs- und Verteidigungsmittel, bei welchen es an dieser Möglichkeit fehlt, sind ausgeschlossen.
Die deutsche Zivilprozeßordnung kennt in dieser Hinsicht den Exekutiv- oder Urkundenprozeß (s. d.), zu welchem auch der Wechselprozeß gehört; ferner den Arrestprozeß (s. Arrest) und die einstweiligen Verfügungen (s. d.). Außerdem ist zwischen dem regelmäßigen und dem besondern Prozeßverfahren zu unterscheiden. Nach der deutschen Zivilprozeßordnung ist das ordentliche Verfahren vor dem Landgericht umständlicher als vor dem Amtsgericht im einzelrichterlichen Verfahren.
Für das Verfahren vor den Landgerichten und allen Gerichten höherer Instanz besteht der sogen. Anwaltszwang, d. h. jede Partei muß sich durch einen bei dem Prozeßgericht zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen, wenn sie nicht selbst zu den Rechtsanwalten gehört (Anwaltsprozeß). Für diejenigen Rechtsstreitigkeiten (Parteiprozesse) dagegen, welche vor den Amtsgerichten verhandelt werden, besteht kein Anwaltszwang. Besondere Arten des Verfahrens sind außer dem amtsgerichtlichen (einzelrichterlichen) Zivilprozeß: das Mahnverfahren (s. d.), das Verfahren in Ehesachen, in Entmündigungssachen und das vorbereitende Verfahren in Rechnungssachen, Auseinandersetzungen und ähnlichen Prozessen. In ausführlicher Weise ist ferner die gerichtliche Zwangsvollstreckung (s. d.) in der Prozeßordnung normiert bis auf die Vorschriften über die gerichtliche Hilfsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen, welche vorerst noch der Landesgesetzgebung der einzelnen Staaten überlassen sind. Dagegen enthält die Reichszivilprozeßordnung ausführliche Vorschriften über das Aufgebots- oder Ediktalverfahren u. über das schiedsrichterliche Verfahren.
Wie in allen Verfassungsstaaten besteht auch im Deutschen Reich und in den deutschen Einzelstaaten das Verbot der sogen. Kabinettsjustiz und das Prinzip der richterlichen Unabhängigkeit, Grundsätze, welche schon zur Zeit des frühern Deutschen Reichs reichsgesetzlich anerkannt waren und jetzt in allen deutschen Staaten verfassungsmäßig gewährleistet sind. Nicht nur, daß der Regent nicht selbst in den Gang des [* 14] Verfahrens eingreifen darf, sondern eine Zivilprozeßsache soll auch unter keinen Umständen dem zuständigen Gericht entzogen werden. Ebensowenig darf die Rechtshilfe verweigert oder verzögert werden. In letzterer Hinsicht ist in der deutschen Reichsverfassung (Art. 77) vorgesehen, daß es, wenn in einem Bundesstaat der Fall einer Justizverweigerung eintritt und auf gesetzlichem Weg ausreichende Hilfe nicht erlangt werden kann, dem Bundesrat obliegen soll, erwiesene, nach der Verfassung und den bestehenden Gesetzen des betreffenden Bundesstaats zu beurteilende Beschwerden über ¶