Diese Vorbereitung der
Erze, welche meistens einen größern Aufwand an Mühe und Zeit als der eigentliche Schmelzprozeß
erfordert, besteht wesentlich aus folgenden
Operationen: Mürbebrennen des quarzreichen harten
Erzes auf
einer Brennmateriallage zur Erleichterung der Zerkleinerung durch
Pochen;
Darauf
folgt eventuell ein abermaliges
Schlämmen des Röstguts mit
Wasser auf
Herden zur
Entfernung der beim
Rösten der
Schwefel- und
Arsenmetalle gebildeten
Oxyde, welche spezifisch leichter sind als das unverändert gebliebene
Zinnoxyd.
Bei Gegenwart von
Eisenoxyd,
Kupferoxyd und namentlich von
Wismutoxyd wird die geröstete
Masse mitunter mit
Salzsäure behandelt,
um die
Metalloxyde zu lösen (aus der
Lösung läßt sich
Wismut gewinnen). Bei Anwesenheit von Wolframerz, welches sich durch
die vorhergehenden
Operationen von demZinnerz nicht trennen läßt, erhitzt man das
Erz in einem Flammofen
mit alkalischen
Flüssen
(Soda oder dem billigern
Glaubersalz) zur
Bildung von wolframsaurem
Natron, welches sich durch
Wasser
aus der gefritteten
Masse ausziehen läßt. In
Altenberg begnügt man sich indessen damit, das Wolframerz lediglich durch
Handscheidung
möglichst zu entfernen. Es ist durch die vorbereitenden
Operationen unter Umständen möglich, den nur
⅓-½ Proz. betragenden Metallgehalt eines Gesteins auf 50-70 Proz.
im
Schlich anzureichern.
Das bei dem
Schmelzen erfolgende Zinn (Werkzinn) enthält häufig noch strengflüssigere
Metalle
(Eisen,
Kupfer,
Wolfram etc.) beigemengt, welche nach dem deutschen
Verfahren durch
Reinigung
(Läutern,
Pauschen) des Werkzinns, d. h. Einschmelzen
desselben zwischen glühenden
Kohlen auf einer geneigten Eisenplatte (Pauschherd,
Floßherd), entfernt werden, indem dieselben
als ungeschmolzene
Masse
(Zinnpausche, Seigerdörner) zurückbleiben, während das leichtschmelzige Zinn ausseigert und abfließt.
Nach dem englischen Läuterverfahren wird das geseigerte Werkzinn in einem eisernen
Kessel eingeschmolzen
und in die flüssige
Masse ein grünes Holzstück eingesteckt, wobei das
Metall hoch aufsprudelt
(Polen) und seine Unreinigkeiten
durch die zutretende
Luft oxydiert und als
Krätze abgeschieden werden. Diese wird nach dem Aufhören des
Polens vom
Metallbad
abgezogen, und es setzen sich dann, wenn man dasselbe ruhig stehen läßt, die spezifisch schweren
Metalle
zu
Boden, so daß die
Schmelze beim Ausschöpfen zu oberst die reinsten und zu unterst die unreinsten
Sorten Handelszinn gibt.
Die
Zusammensetzung einiger
Sorten von käuflichem Zinn ergibt die folgende
Tabelle:
Die Oberfläche von gegossenem Zinn (auch von
Weißblech) zeigt nach dem
Ätzen mit
Säuren eisblumenartige
Zeichnungen
(Moiré metallique),
entsprechend dem kristallinischen Gefüge. Taucht man eine Zinnstange in eine gesättigte
Lösung von
Zinnchlorid und schichtet vorsichtig
Wasser darauf, so entstehen auf dem Zinn an der Berührungsstelle beider
Flüssigkeiten,
die hier durch ihre Berührung ein
galvanisches Element bilden, glänzende Zinnkristalle
(Zinnbaum,
Arbor Jovis). Zinn ist sehr
weich, nur etwas weniger als
Blei,
[* 16] zeigt geringen
Klang und ist mit dem Daumennagel kaum ritzbar, läßt
sich aber schlecht feilen. Es ist sehr geschmeidig, kann zu sehr dünnen Blättchen
(Stanniol) ausgewalzt, zu Blattmetall
(unechtes
Blattsilber) ausgeschlagen und bei 100° zu dünnem
Draht
[* 17] ausgezogen werden, der sehr weich und biegsam ist, aber
nur geringeFestigkeit
[* 18] besitzt (3,6-4,7 kg pro QMillimeter).
¶
Das Zinn scheint im Altertum von Hinterindien
[* 30] aus über Asien
[* 31] und Ostafrika verbreitet worden zu sein. Berthelot hat auf Zinngruben
in Chorasan hingewiesen, die wahrscheinlich schon im Altertum in Betrieb gewesen sind, und Strabon erwähnt in Drangiana, einer
Provinz südlich von Chorasan, befindliche Zinngruben. Homer kannte es unter dem Namen Kassiteros, dessen
sich auch die Römer
[* 32] bedienten. Phöniker brachten Zinn aus Spanien
[* 33] und den Kassiteriden (Scillyinseln), für den Welthandel aber
war wohl das indische Zinn am wichtigsten, von welchem ganz bedeutende Mengen für die Bronzebearbeitung der asiatischen Kulturstaaten
verbraucht wurden.
Man verzinnte damals bereits Küchengeräte, und in Indien wie in China
[* 34] war bereits 1800 v. Chr. die Bronzeindustrie
hoch entwickelt, auch prägte man inChinaMünzen aus Zinn. In Europa
[* 35] war Cadiz,
[* 36] später unter den RömernMarseille
[* 37] Hauptstapelplatz
für spanisches und englisches Zinn, welches die Römer als Plumbum candidum von Blei (Plumbum nigrum) unterschieden.
Das reine Zinn benutzte man zum Verzinnen von Kupfer, zu Geräten und bisweilen als Münzmetall, die Bronze wurde wohl durch Verhüttung
gemischter Kupfer- und Zinnerze dargestellt.
Das lateinische Stannum stammt vom cornwallischen stean, als Zeichen, daß Cornwall in den ersten Jahrhundertenn. Chr. den Markt
beherrscht haben muß. Einen bedeutenden Aufschwung nahm die Zinnindustrie durch die Ausbreitung der
indischen Erfindung des Glockengusses, welche früh nach Byzanz gelangte und im 6. Jahrh. bereits
in Italien
[* 38] im Dienste
[* 39] des christlichen Kultus stand. Im frühen Mittelalter scheint Devon
[* 40] die größte Zinnproduktion gehabt zu
haben, aber seit dem 14. Jahrh. behielt Cornwall den Vorrang. Um diese Zeit blühte auch die böhmische
Zinnproduktion, welche bei Graupen seit dem 12. Jahrh. bekannt war.
Das böhmische Zinn wurde teils im Land selbst verarbeitet, teils nach Deutschland
[* 41] gebracht. Sehr viel Zinn konsumierte dann die
Artillerie (die Araber hatten schon 1131 Bronzekanonen), überdies wurde die Verwendung des Zinns zu
Tafelgeschirr in Italien und Deutschland volkstümlich. Seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrh. lieferte auch Sachsen viel Zinn (Altenberg,
Ehrenfriedersdorf). Im 16. Jahrh. entdeckte man die Verwendung der Zinnfolie als Spiegelbelag, die Zinnglasur für Kochgeschirre
und Majolika, das Zinnemail für Metallwaren, und bald wurden Zinnpräparate in der Färberei unentbehrlich, seitdem
Libavius das Zinnchlorid und Drebbel die Wichtigkeit desselben für die Cochenillefärberei entdeckt hatte. Im 17. Jahrh.
hob sich die Industrie in Cornwall durch Verbesserung im Bergbau
[* 42] und durch Einführung der Steinkohle bei der Verhüttung der
Zinnerze, auch in Böhmen und Sachsen blühte noch im 18. Jahrh. die Zinnproduktion, um dann in
unserm Jahrhundert fast vollständig zu sinken.