mehr
sozialdemokratische Presse [* 2] da. Ihre Hauptwirkungsstätten hatte sie in Sachsen, [* 3] in der Rheinprovinz [* 4] und in Württemberg. [* 5] Sie ist erst ein Produkt der Zeit seit 1867 und der seitdem erwachten Kämpfe (vgl. Held, Die deutsche Arbeiterpresse der Gegenwart, Leipz. 1873). Eigentlich sozialdemokratische, bez. anarchistische Blätter erscheinen noch in England, der Schweiz [* 6] und Nordamerika. [* 7]
Naturgemäß findet auch die deutsche Journalistik in den Hauptstädten ihre Sammelpunkte. In Berlin [* 8] erscheinen ca. 410 periodische Schriften, in Leipzig [* 9] etwa 325, in Dresden [* 10] 85, in München, [* 11] Stuttgart [* 12] und Breslau [* 13] je ca. 70, in Hamburg [* 14] gegen 50. Die erste wirkliche Zeitung war die Wochenzeitung Emmels, die seit 1615 in Frankfurt [* 15] a. M. erschien und heute noch im »Frankfurter Journal« fortlebt; doch sind zeitungsartige Unternehmungen vereinzelt schon früher aufgetaucht (nachweislich bis 1609). Die nächstältesten noch heute bestehenden deutschen Zeitungen sind: die »Magdeburgische Zeitung« (1628),
die »Königsberger Hartungsche Zeitung« (1648),
die »Leipziger Zeitung« (1660) und die »Augsburger Postzeitung« (1686) epochemachend war indes erst das Erscheinen der »Allgemeinen Zeitung«, seit 1799 in Augsburg, [* 16] seit 1883 in München, welche bis in die Mitte der 70er Jahre das räumlich am weitesten verbreitete Blatt [* 17] deutscher Zunge war, aber später durch die »Kölnische Zeitung« überflügelt wurde. Unter den preußischen Zeitungen sind neben der »Neuen Preußischen (Kreuz-) Zeitung«, der »Nationalzeitung«, der »Norddeutschen Allgemeinen Zeitung«, der »Post«, der »Vossischen Zeitung«, dem »Berliner [* 18] Tageblatt« und der »Volkszeitung«, welche den verschiedenen Parteien dienen und in der Hauptstadt erscheinen (näheres s. im Artikel »Berlin«, S. 759),
die »Kölnische Zeitung«, die »Magdeburgische Zeitung« und die »Schlesische Zeitung« (Breslau) durch Fülle des Inhalts hervorragend. Das amtliche Organ der Regierung ist allein der »Deutsche [* 19] Reichs- und königlich preußische Staatsanzeiger«. In Bayern [* 20] verdient außer der jetzt in München erscheinenden »Allgemeinen Zeitung« und den dortigen »Neuesten Nachrichten« nur noch die in Augsburg publizierte »Abendzeitung« Erwähnung. Württemberg wird durch den »Schwäbischen Merkur« [* 21] vortrefflich vertreten.
Sachsen besitzt seit dem Eingehen der »Konstitutionellen Zeitung« außer der amtlichen »Leipziger Zeitung« kein Tageblatt von politischer Bedeutung. Am verbreitetsten sind die »Dresdener Nachrichten« und das »Leipziger Tageblatt«. Wenn man von der »Karlsruher Zeitung« absieht, hat außerdem nur noch die Presse der Freien Städte in Deutschland [* 22] Bedeutung. In Hamburg erscheinen der »Hamburger Korrespondent« und die »Hamburger Nachrichten« (beide mit Berliner Regierungskreisen in Verbindung stehend); in Bremen [* 23] kommt die »Weserzeitung« heraus, und ein großer Teil Süddeutschlands wird durch die Frankfurter Zeitungen mit Nachrichten versorgt: das »Frankfurter Journal«, die »Frankfurter Zeitung« und die »Frankfurter Presse«. Unter den Witzblättern politischen Inhalts steht der 1848 von Hofmann und Kalisch [* 24] gegründete »Kladderadatsch«, unter den nichtpolitischen die in München erscheinenden »Fliegenden Blätter« (1845 von Braun und Schneider gegründet) obenan. Nach ihnen sind die »Wespen«, der »Ulk« und die »Lustigen Blätter« (sämtlich in Berlin erscheinend) zu nennen. Unter den Unterhaltungsblättern steht die von Ernst Keil (s. d.) gegründete »Gartenlaube«, das einzige Blatt, das an Leserzahl mit den ausländischen Organen konkurrieren kann, voran.
Ihr zunächst kommt die von Hallberger begründete illustrierte Wochenschrift »Über Land und Meer« (Stuttg., seit 1859). Vortreffliche Leistungen artistischer Natur bietet J. J. ^[Johann Jakob] Webers »Illustrierte Zeitung« (Leipz., seit 1843). Eine besondere Abart dieser illustrierten Zeitungen, denen sich noch das »Daheim«, »Schorers Familienblatt«, »Zur guten Stunde« u. a. anreihen, bilden die Modezeitungen, von denen die »Modenwelt« (seit 1865),
die »Illustrierte Frauenzeitung« (seit 1874) u. der »Bazar« (seit 1855),
alle drei in Berlin erscheinend, die verbreitetsten sind. Dem Charakter der »Revue des Deux Monden« streben nach die von J. ^[Julius] Rodenberg in Berlin geleitete »Deutsche Rundschau« (seit 1874),
die »Deutsche Revue« (seit 1876),
»Unsere Zeit«, P. Lindaus »Nord und Süd«, sämtlich Monatsschriften. Mehr der Unterhaltung sind die »Westermannschen Monatshefte« (Braunschw., seit 1857) und »Vom Fels zum Meer« (seit 1882) gewidmet. Von den politisch-litterarischen und kritischen Journalen ist neben den ältern »Grenzboten« die seit 1872 erscheinende »Gegenwart« zu nennen. Nationale und wissenschaftliche Interessen vertreten die »Preußischen Jahrbücher«. Ausgezeichnet ist die deutsche Journalistik auch durch eine Fülle der tüchtigsten fachwissenschaftlichen Zeitschriften. Die wichtigsten derselben sind bei den einzelnen Artikeln der betreffenden Wissenschaften angegeben. Über die Litteraturzeitungen s. d.
Vgl. den offiziellen Zeitungskatalog (Preisliste) des deutschen Generalpostamtes; Hupfer, Die deutsche Presse (Forbach [* 25] 1888, 2 Bde.);
Sperling, Adreßbuch der deutschen Zeitschriften (Leipz. 1890);
H. Wuttke, Die deutschen Zeitschriften (3. Aufl., das. 1875).
Zeitungswesen des Auslandes.
Großen Aufschwung hat auch seit 1848 die österreichische Presse genommen. Der Schwerpunkt [* 26] des österreichisch-ungarischen Journalismus liegt in Cisleithanien, wo 1887: 1473, also etwa zwei Drittel der gesamten periodischen Schriften des Reichs, herausgegeben werden. Hiervon sind etwa 965 deutsch, 397 slawisch, 54 italienisch, 13 hebräisch, 9 französisch. Die meisten Blätter erscheinen in Niederösterreich, nämlich 629, dann in Böhmen, [* 27] 332. Nach dem Inhalt sind unter den Blättern Österreichs 445 politische Zeitungen; täglich erscheinen 100 Blätter.
Die bedeutendsten politischen Zeitungen erscheinen in Wien. [* 28] Hiervon sind hervorzuheben: die »Neue Freie Presse« (Organ der deutsch-liberalen Partei),
die »Presse« und das »Fremdenblatt« (offiziös);
die »Deutsche Zeitung« (Organ der Deutschnationalen);
die »Wiener Allgemeine Zeitung«, das »Neue Wiener Tagblatt«, das »Wiener Tagblatt« (hauptsächlich Lokalblätter);
das »Deutsche Volksblatt« (antisemitisch);
das »Vaterland« (katholisch) etc. Amtsblatt ist die »Wiener Zeitung« mit der »Wiener Abendpost«. In Prag [* 29] sind die »Bohemia« (deutsch-liberal),
die »Politik« (alttschechisches Parteiblatt) und die »Narodní Listy« (jungtschechisches Organ) zu verzeichnen.
Vgl. Winckler, Die periodische Presse Österreichs (Wien 1875).
In Ungarn [* 30] ist die deutsche Presse durch den »Pester Lloyd« und zahlreiche kleinere Zeitungen in Pest, Preßburg, [* 31] Kaschau, Arad, Temesvár, Hermannstadt, [* 32] Kronstadt [* 33] u. a. O vertreten. Unter den ungarischen politischen Zeitungen sind »Pesti Napló«, »Hón«, »Nemzet« und »Ellenör« die bekanntesten. Die Zahl der juristischen, medizinischen und sonstigen fachwissenschaftlichen Zeitschriften in ungarischer Sprache [* 34] hat in neuerer Zeit bedeutend zugenommen. 1888 erschienen in Ungarn 760 periodische Zeitschriften, darunter 94 politische (525 ungarische, 133 deutsche, 34 kroatische, 11 slowenische, 11 serbische, 15 rumänische etc.). - Es ¶
mehr
hat seinen Grund in der republikanischen Verfassung, daß die Schweiz journalistisch mit am reichsten entwickelt ist. Die »Basler Nachrichten«, die »Neue Zürcher Zeitung«, die »Zürcher Post«, der Berner »Bund«, das »Journal de Genève« und die »Gazette de Lausanne« [* 36] dürften die bedeutendsten Zeitungen sein. In Tessin erscheinen überdies einige italienische, in Graubünden einige rätoromanische Blätter. 1885 erschienen 641 Zeitungen und Zeitschriften, davon 421 in deutscher, 202 in französischer, 14 in italienischer, 3 in romanischer Sprache veröffentlicht werden. - Der Charakter der englischen Presse ist Gediegenheit, innerlich und äußerlich.
Großbritannien [* 37] zählt unter seinen ca. 4000 periodischen Schriften ca. 1800 Journale vorwiegend politischen und ca. 700 überwiegend nichtpolitischen Inhalts; letztere erscheinen fast ausschließlich in Form von Wochenblättern, Revuen oder »Magazines«. Tagesblätter gibt es 145, von denen die Hälfte in London [* 38] erscheint, wo überhaupt gegen 1470 periodische Schriften herauskommen. Die »News Letters«, welche unter der Regierung Jakobs I. aufkamen, bilden den Anfang des englischen Journalismus; die Revolution machte aber in dieser Hinsicht keinen bedeutenden Eindruck, erst seit dem Ende des Jahrhunderts zeigte sich mehr und mehr ein Fortschritt, besonders seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts.
Die erste regelmäßige Zeitung, ein Wochenblatt, erschien im J. 1622. Die Beseitigung des Zeitungsstempels (1855) und der Papiersteuer (1861) verursachten die Gründung von zahlreichen neuen Zeitungen. Von den bedeutendern, jetzt noch bestehenden Blättern stammen nur wenige aus dem letzten Jahrhundert. Die »Times«, immer noch das einflußreichste Blatt, wurde 1788 gegründet, während der konservative »Standard« das gediegenste der Pennyblätter, der vielgelesene »Telegraph«, [* 39] die »Daily News«, das Hauptblatt der Manchesterleute, erst Schöpfungen der Neuzeit sind.
Zahlreich sind auch die politischen Abendblätter, wie »Pall Mall Gazette«, »Globe«, »Echo« und »Star«, letzteres ein radikal-irisches Blatt. Unter den Wochenblättern allgemeinern Inhalts nehmen die »Saturday Review«, »Observer« und einige Arbeiterzeitungen, wie »Lloyd's News«, einen hervorragenden Rang ein. »Punch« behauptet noch immer den Vorrang unter den Witzblättern, während die illustrierte »Graphic« der ältern »Illustrated London News« den Rang streitig macht und das »Athenaeum« an der Spitze der rein litterarischen Zeitschriften steht.
Zahlreich und teilweise glänzend ausgestattet sind die monatlichen »Magazines«, welche der Mehrzahl nach der bloßen Unterhaltung dienen, teilweise aber im Dienste [* 40] der Wissenschaft, der Kirche, der Kunst und andrer Interessen stehen. Ehrwürdig durch ihr Alter sind hier die »Edinburgh«, die »Westminster« und die »Quarterly« Reviews, mehr gelesen aber die »Fortnightly« und das »Nineteenth Century«.
Vgl. Duboc, Geschichte der englischen Presse (Hannov. 1873). -
Von großer Wichtigkeit als klarster Ausdruck der bewegten Volksstimmung ist immer die französische Presse gewesen. Sie hat sowohl den Leitartikel als das Feuilleton eingeführt. Gegenwärtig erscheinen etwa 1300 Zeitungen allein in Paris, [* 41] darunter 60 politische Tageszeitungen. Die erste täglich erscheinende Zeitung war das »Journal de Paris« (1777-1819); bedeutend älter ist aber die 1631 begründete legitimistische »Gazette de France«. Von den 750 Zeitungen, die während der Revolutionszeit auftauchten, bestehen mehrere noch fort, so der »Moniteur Universel«, der bis 1869 Amtsblatt war und gegenwärtig der orléanistischen Richtung dient, wie auch das verjüngte »Journal de Débats«, jetzt das Hauptorgan des linken Zentrums, welches sich unter allen Regierungen immer als ein Blatt ersten Ranges, namentlich in seiner Wirkung auf das Ausland, behauptet hat.
Der »Constitutionnel«, 1815 gegründet, unter der Julimonarchie eine Macht und bis um die Mitte der 70er Jahre wegen seiner litterarischen und wissenschaftlichen Fachberichte geschätzt, ging seitdem in den Besitz von Spekulanten über und fristet als Soublatt ein kümmerliches Dasein, ähnlich der »Presse«, einer Schöpfung Girardins, welche gegenwärtig im Solde des Boulangismus steht. Der »Siècle«, früher als doktrinäres Oppositionsblatt vielgenannt, zehrt, obwohl nach modernen Anforderungen mit großen Geldopfern umgestaltet, nur noch von seinem alten Ruf.
»Pays« und »Autorité«, jahrelang Vorkämpfer des Bonapartismus, haben Ansehen und Einfluß verloren. Unstreitig das bedeutendste aller französischen Blätter ist der von Nefftzer in den letzten Jahren des Kaiserreichs gegründete »Temps«, welcher einer gemäßigt republikanischen Politik huldigt, die besten litterarischen Kräfte für sein Feuilleton und Fachberichte heranzieht und mit seinen gehaltvollen ausländischen Korrespondenzen in Frankreich einzig dasteht.
Die »République française«, deren Gründer Gambetta war, ist das streitbarste Parteiblatt des Opportunistmus, wie die »Justice« (das Blatt Clémenceaus) dasjenige des regierungssüchtigen Radikalismus. Zur Bildung einer Durchschnittsmeinung in den Massen, namentlich in der Provinz, trägt das sehr geschickt bearbeitete »Petit Journal«, welches neulich die Erreichung seiner eine Million starken Auflage feierte, mächtig bei. Es fand eine Menge Nachahmer, und überdies suchten ihm die meisten radikalen und intransigenten Organe: »Lanterne« und »Intransigeant«, »XIX. Siècle« und »Bataille«, durch die Herabsetzung ihres Preises auf 5 Centimes Konkurrenz zu machen;
ja sogar der geistig vornehme »Soleil«, der Moniteur des Grafen von Paris, bequemte sich zu dieser demokratischen Ermäßigung.
»Univers« und »Monde« dienen einer verbissenen klerikalen Politik, letzterer je nach dem Winde, [* 42] der vom Vatikan [* 43] her weht, mehr zu Zugeständnissen an den Zeitgeist geneigt. »Figaro«, »Gaulois«, »Gil Blas«, »Événement«, »Voltaire«, die man unter der Bezeichnung »Boulevardblätter« kennt, haben es mehr auf Unterhaltung, geistreiche oder prickelnde Behandlung der Tagesereignisse abgesehen; der »Figaro« hat sich seit der Niederlage des Boulangismus zur konservativen Republik bekehrt, während der »Gaulois« seine Liebedienerei mit Orléanismus und Imperialismus forttreibt.
Außer dem seit 1814 bestehenden Annoncenblatt »Galignani's Messenger«, das vielfach vortreffliche Nachrichten hat, werden in Paris noch zwei andre Blätter in englischer Sprache herausgegeben: »Paris Morning News« und eine eigne Ausgabe des »New-York Herald«, die auf Kabeldienst beruht. Sonst brachte es trotz wiederholter Anstrengungen keine andre fremdsprachliche Zeitung zu nennenswertem Erfolg. Von den Zeitschriften sind zu erwähnen: die 1829 gegründete und seit 1831 regelmäßig zweimal monatlich erscheinende »Revue des Deux Mondes«, die deutschfeindliche »Nouvelle Revue«, die »Revue politique et littéraire« (oder »Revue bleue«),
die »Grande Revue« welche Arsène Houssaye, die »Revue de Famille«, welche Jules Simon leitet, die mit der »Revue bleue« in engerm Rahmen wetteifernden »Annales littéraires«, die »Revue illustrée« und die »Illustration«, die unter ¶