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Kaiser Karl V. verkaufte, der 1530 seinen Bruder Ferdinand damit belehnte. Herzog Ulrich, der sich nach vergeblichen Versuchen, sein Land wiederzuerobern, nach Mömpelgard begeben hatte, wo er sich der Reformation anschloß, gewann 1534 den Beistand des Landgrafen Philipp von Hessen und machte durch seinen Sieg bei Lauffen (13. Mai) der österreichischen Herrschaft ein Ende; im Frieden von Kaaden mußte er freilich die österreichische Oberlehnshoheit anerkennen.
Ulrich führte nun die Reformation in Württemberg durch und förderte aus den Gütern der eingezogenen Klöster die Zwecke der Kirche und Schule. Von neuem gefährdete Ulrich seine Herrschaft durch seine Teilnahme am Schmalkaldischen Krieg: nach dem Rückzug der Verbündeten aus Süddeutschland ward Württemberg von den Kaiserlichen besetzt und Ulrich im Heilbronner Vertrag 1547 nur unter drückenden Bedingungen, besonders der Annahme des Interim, zurückgegeben. Gleichwohl wegen seiner neuen Rebellion mit Absetzung bedroht, starb Ulrich
Ulrichs Sohn Christoph (1550-68) wurde vom König Ferdinand unter den Bedingungen des Kaadener Vertrags als Herzog von Württemberg anerkannt. Er vollendete die Reformation in Württemberg und legte durch die »große Kirchenordnung« den Grund zum württembergischen Kirchen- und Schulwesen, für welches er hinreichende Einkünfte aus dem eingezogenen Kirchengut beschaffte. Auch führte er ein allgemeines Landrecht ein und bestimmte im Einvernehmen mit den Ständen, daß zur bessern Kontrolle des Finanzwesens aus der Landschaft der Kleinere und der Größere Ausschuß gebildet werden solle, welcher durch sein Selbstergänzungsrecht allmählich eine oligarchische Stellung errang und die Landschaft selbst in den Hintergrund drängte.
Christophs Sohn Ludwig (1568-93), welcher die Konkordienformel einführte und das Collegium illustre, eine Anstalt zur wissenschaftlichen Ausbildung weltlicher Beamten, gründete (1592), starb kinderlos, und ihm folgte der einzige noch übrige Fürst des württembergischen Hauses, Friedrich I. (1593-1608), der Sohn des Grafen Georg von Mömpelgard, eines Bruders des Herzogs Ulrich. Derselbe erreichte es 1599, daß Kaiser Rudolf II. im Prager Vertrag gegen eine hohe Geldentschädigung Württemberg aus einem österreichischen Lehen wieder zu einem Reichslehen machte. Er regierte fast unumschränkt und nötigte dem Landesausschuß durch die Furcht vor Gewaltstreichen die Bewilligung seiner bedeutenden Geldforderungen ab; doch die Aufhebung des Tübinger Vertrags und die Beseitigung der ständischen Rechte glückten ihm nicht.
Sein Sohn Johann Friedrich (1608-28) mußte den Tübinger Vertrag in seinem vollen Umfang bestätigen und die Hinrichtung des Kanzlers Enslin, der verschiedener Rechtswidrigkeiten angeklagt wurde, 1613 zulassen. Obgleich Mitglied der Union, nahm Johann Friedrich am Dreißigjährigen Krieg nicht teil; dennoch hatte Württemberg von den Durchzügen und Plünderungen der Truppen, namentlich der Wallensteinschen, viel zu leiden. Mitten im Krieg starb Johann Friedrich und hinterließ einen erst 14jährigen Sohn, Eberhard III., für den 1628-33 seine Oheime Ludwig Friedrich, dann Julius Friedrich die Vormundschaft führten.
Gleich nachdem Eberhard die Regierung übernommen, trat er dem Heilbronner Bündnis bei und stellte Truppen zum schwedischen Heer, weswegen nach der Niederlage bei Nördlingen (1634) Württemberg von den Kaiserlichen besetzt wurde und der Herzog nach Straßburg flüchten mußte, von wo er erst 1638 zurückkehrte. Im Westfälischen Frieden erhielt er sein ganzes Land wieder, aber entvölkert und verarmt. Bis zu seinem Tode war nun Eberhard bemüht, die Finanzwirtschaft und das Steuerwesen in erträglichen Zustand zu bringen, Kirche und Schule wieder einzurichten und den Wohlstand des Landes zu heben.
Nach der kurzen Herrschaft seines Sohns Wilhelm Ludwig (1674-77) folgte dessen einjähriger Sohn Eberhard Ludwig, der bis 1693 unter der Vormundschaft seines Oheims Friedrich Karl stand. Unter ihm wurde Württemberg wiederholt von Einfällen der Franzosen (1688, 1703 und 1707) heimgesucht. Der Herzog nahm 1699 flüchtige Waldenser in Württemberg auf, um die Bevölkerung und den Wohlstand zu mehren. Nach dem Ende des spanischen Erbfolgekriegs richtete er aber einen glänzenden Hofhalt ein und vergeudete durch schwelgerische Festlichkeiten große Summen. Zu diesen Übelständen kam die Mätressenwirtschaft der Gräfin Grävenitz, der zuliebe der Herzog die neue Residenz Ludwigsburg erbaute. 1731 ward die Gräfin entfernt, und starb Eberhard Ludwig.
Sein Nachfolger war der Sohn seines Vormundes Friedrich Karl, Karl Alexander (1733-37), der in österreichischem Kriegsdienst zum Katholizismus übergetreten war und daher der besorgten Landschaft Religionsreversalien ausstellen mußte. Unter ihm trieb der Jude Süß Oppenheimer, zum Geheimen Finanzrat ernannt, ein schamloses Erpressungssystem. Schon hieß es, der Herzog wolle die Verfassung umstürzen, die Religionsreversalien zurücknehmen und dem Katholizismus freie Bahn öffnen, als er plötzlich starb.
Während der Minderjährigkeit seines ältesten Sohns, Karl Eugen, führte die vormundschaftliche Regierung zuerst Herzog Karl Rudolf von Württemberg-Neuenstadt, welcher den Juden Süß henken ließ, von 1738 an Herzog Friedrich Karl von Württemberg-Öls. 1744 wurde Karl Eugen vom Kaiser für volljährig erklärt und übernahm selbst die Regierung. Bald stürzte er sich in einen Strudel von sinnlichen Genüssen, entfaltete einen ungeheuern Luxus in Festen, Theatern etc. und baute mit großer Pracht und enormen Kosten das neue Schloß in Stuttgart sowie die Schlösser Solitüde und Hohenheim.
Gleichzeitig nahm er am Siebenjährigen Kriege gegen Preußen teil. Allerdings zahlte Frankreich bedeutende Hilfsgelder; dennoch verschlang das übermäßig große Heer bedeutende Summen aus Landesmitteln und errang in dem im evangelischen Württemberg nicht gebilligten Kampf gegen das protestantische Preußen nicht einmal kriegerische Erfolge, indem es sich bei Leuthen und Fulda schmählich besiegen ließ. Die nötigen Gelder verschaffte sich der Herzog durch verfassungswidrige Mittel, namentlich einen schamlosen Ämterhandel, und suchte in Gemeinschaft mit seinem obersten Minister, Grafen Montmartin, und dem Kriegsrat Rieger die Rechte der Landschaft zu unterdrücken; den Konsulenten derselben, J. J. ^[Johann Jacob] Moser, warf er ins Gefängnis.
Die Landschaft beschwerte sich wiederholt beim Kaiser; aber erst nach siebenjährigen Verhandlungen wurde der sogen. Erbvergleich geschlossen, durch welchen die alten Landesverträge und das Steuerbewilligungsrecht der Stände bestätigt und die Abstellung der eingerissenen Mißbräuche versprochen wurde. Zwar erfüllte der Herzog nicht alle Versprechungen und beging noch manche Willkürakte, wie die Verhaftung des Dichters Schubart und den Verkauf von 2000 Soldaten an Holland; aber bei zunehmendem Alter und unter dem Einfluß seiner zweiten Gemahlin, Franziska von Hohenheim, wendete er sich edlern Zielen zu und suchte durch Pflege der Wissenschaften
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und durch Gründung von Unterrichtsanstalten (»hohe Karlsschule«) zu glänzen. Da er keine erbberechtigten Kinder hinterließ, so folgte ihm nach seinem Tod sein Bruder Ludwig Eugen und, als dieser schon starb, der jüngere Bruder, Friedrich Eugen (1795-97), der lange Jahre in preußischen Diensten gestanden und sich mit einer Nichte Friedrichs d. Gr. vermählt hatte, weswegen seine Kinder evangelisch waren. 1796 drangen die Franzosen unter Moreau in ein, mit denen der Herzog 17. Juli den Waffenstillstand von Baden abschloß, gemäß welchem er seine Truppen vom Reichsheer zurückzog und eine Kontribution von 4 Mill. Gulden bezahlte; im Frieden von Paris (7. Aug.) trat er Mömpelgard gegen das Versprechen späterer Entschädigung an Frankreich ab. Friedrich Eugen starb mit ihm endete die Reihe der katholischen Herzöge, die seit 1733 geherrscht hatten.
Württemberg als Königreich.
Friedrich Eugens ältester Sohn und Nachfolger Friedrich II. (1797-1816) nahm gegen den Willen der Stände am Krieg der zweiten Koalition gegen Frankreich teil, infolge dessen Württemberg 1800 von Moreau besetzt und gebrandschatzt wurde; der Herzog floh nach Erlangen. Im Frieden mit Frankreich trat er alle linksrheinischen Besitzungen ab und bekam dafür durch den Reichsdeputationshauptschluß an Entschädigung: die Propstei Ellwangen, die Abteien Zwiefalten und Schönthal sowie die neun Reichsstädte: Weil, Reutlingen, Eßlingen, Rottweil, Aalen, Giengen, Hall, Gmünd, Heilbronn, zusammen 2200 qkm mit 124,688 Einw., und die Kurwürde. Die neuen Gebiete erhielten als Neuwürttemberg eine besondere in Ellwangen residierende Regierung und vor allem keine Landstände. Als 1805 der neue Krieg zwischen Frankreich und Österreich ausbrach, wurde Friedrich von Napoleon zu einem Bündnis genötigt und ließ seine Truppen zu den Franzosen stoßen. Seitdem war er ein eifriger Anhänger des Kaisers und erntete reiche Belohnungen dafür: im Preßburger Frieden empfing er die österreichischen Besitzungen in Oberschwaben, die Grafschaften Hohenberg, Nellenburg und Bondorf und die Landvogtei Altdorf und durfte die Königswürde annehmen. Alt- und Neuwürttemberg wurden völlig verschmolzen, die alte Verfassung aufgehoben und das Kirchengut unter Staatsverwaltung gestellt. Nachdem der König dem Rheinbund beigetreten war, erhielt Württemberg durch die Mediatisierung mehrerer fürstlicher und gräflicher Häuser sowie durch Gebietsabtretung einen weitern Zuwachs von 160,000 Seelen und durch den Wiener Frieden Ulm, Mergentheim u. a., im ganzen 110,000 Einw., so daß Württemberg, das 1802 nur 650,000 Einw. gehabt, nun 1,400,000 Einw. zählte. Dafür mußte das württembergische Kontingent 1806 bis 1807 gegen Preußen, 1809 gegen Österreich, 1812 gegen Rußland und 1813 gegen die Verbündeten kämpfen. Nach der Schlacht bei Leipzig, in welcher eine württembergische Brigade zu den Verbündeten überging, fiel König Friedrich von Napoleon ab und erlangte von Metternich im Vertrag zu Fulda die Garantie seines Gebiets wie seiner Souveränität, worauf die württembergischen Truppen 1814-1815 am Kampf gegen Frankreich teilnahmen.
Auf dem Wiener Kongreß sträubte er sich hartnäckig gegen jede Beschränkung seiner Souveränität und trat erst dem Deutschen Bund bei. Seinem Versprechen im Manifest vom gemäß legte er der am 15. März eröffneten Ständeversammlung einen freisinnigen Verfassungsentwurf vor; doch verlangten die Stände ihr »altes, gutes Recht« zurück und lehnten den Entwurf ab. Friedrich I. starb während der Verfassungsstreit im Land aufs heftigste tobte.
Sein Sohn und Nachfolger, König Wilhelm I. (1816-64), gelangte erst unter dem Druck der Karlsbader Beschlüsse zur Vereinbarung einer Verfassung mit den Ständen, welche verkündet wurde. Die Justiz wurde von der Verwaltung getrennt und das Land 1817 in 4 Kreise und 64 Oberämter eingeteilt. Die katholische Kirche wurde neuorganisiert, 1817 eine katholisch-theologische Fakultät in Tübingen und 1828 das Bistum in Rottenburg errichtet. Das Schulwesen wurde bedeutend verbessert.
Besondere Fürsorge widmete der König der Landwirtschaft und gründete 1818 die land- und forstwirtschaftliche Akademie zu Hohenheim. Ebenso war er mit Erfolg bemüht, die Finanzen des Landes zu bessern und die Steuerlasten zu mindern; er führte im Gegensatz zu seines Vaters Verschwendung einen sehr einfachen Hofhalt und hielt auch in der Staatsverwaltung auf strengste Sparsamkeit. Die Landstände zeigten sich nachgiebig und friedlich, nachdem einmal die Versöhnung erfolgt war.
Erst nach der Julirevolution wurden 1831 einige Führer der liberalen Opposition in den Landtag gewählt, aber 1833 durch die Auflösung desselben wieder beseitigt. Das Land versank wieder in ein politisches Stillleben, in welchem Gewerbe und Handel und damit der Wohlstand durch den Anschluß an den Zollverein, den Bau der ersten Staatseisenbahn u. a. langsam wuchsen. Erst 1848 brach in Württemberg wieder eine freiheitliche und nationale Bewegung aus, welcher der König sofort nachgab: das büreaukratische Ministerium Schlayer, welches seit 1833 am Ruder war, wurde schon Anfang März entlassen und 9. März die Führer der Liberalen, Römer, Duvernoy, Pfizer und Goppelt, in das Ministerium berufen, welches 11. März liberale Reformen im Innern und die Mitwirkung zur Herstellung eines einigen Deutschland versprach.
Nachdem der alte Landtag noch die ihm vorgelegten Gesetze über Bürgerbewaffnung, Versammlungsrecht und Ablösung der Grundlasten genehmigt hatte, wurde er 27. März aufgelöst und eine neue Kammer gewählt, welche viele demokratische Mitglieder hatte und außer einem neuen Wahlgesetz besonders die Abschaffung aller Privilegien beschloß. Die von der Frankfurter Nationalversammlung beschlossenen Grundrechte wurden von der Regierung als Reichsgesetze verkündet und dem widerstrebenden König auch die Unterzeichnung der Reichsverfassung abgedrungen.
Die demokratische Agitation im Land hatte aber schon so um sich gegriffen, daß mehrere Volksversammlungen sich mit der Anerkennung der Reichsverfassung nicht befriedigt erklärten und Unterstützung des badisch-pfälzischen Aufstandes zur Durchführung derselben verlangten; um die Erhebung Württembergs zu befördern, verlegte das Rumpfparlament seinen Sitz nach Stuttgart. Doch das Ministerium Römer schritt energisch ein, sprengte 18. Juni das Rumpfparlament durch Militär auseinander und löste den Landtag 8. Aug. auf.
Das deutschnationale Ministerium Römer hatte hierdurch Württemberg vor einem Herübergreifen des Aufstandes bewahrt. Aber nachdem dieser in der Pfalz und Baden unterdrückt worden und Österreich wieder erstarkt war, entließ der König das Ministerium und berief Schlayer wieder an die Spitze der Regierung, dem im Juli 1850 v. Linden folgte.
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Der König sagte sich entschieden von Preußen los, sprach sich in schroffster Weise gegen das preußische Unionsprojekt aus und schloß sich im Oktober 1850 in Bregenz ganz an Österreich an. Dessen Rückhalt ermutigte ihn im November 1850, nachdem die drei im August 1849, im Anfang und im Herbst 1850 durch allgemeine, direkte Wahlen zu stande gekommenen demokratischen Landesversammlungen wegen Ablehnung der Regierungsvorlagen aufgelöst worden waren, von einer Verfassungsrevision überhaupt Abstand zu nehmen, das Wahlgesetz vom aufzuheben und die Verfassung von 1819 für allein gültig zu erklären.
Die hierauf nach dem alten Wahlgesetz gewählte Zweite Kammer bestand zumeist aus Staats- und Gemeindebeamten. Der im Mai 1851 zusammentretende Landtag genehmigte die Beseitigung des Verfassungseides der Truppen, die Aufhebung der Grundrechte, die Auflösung der Volksvereine, die Wiedereinführung der Todes- und Prügelstrafe und die Befreiung der Standesherren vom Kriegsdienst; bloß die Entschädigung des Adels für seine durch die Ablösung der Grundlasten erlittenen Verluste lehnte der Landtag ab. Mit dem päpstlichen Stuhl wurde vom Kultusminister Rümelin ein Konkordat abgeschlossen, welches wichtige Hoheitsrechte des Staats der römischen Kurie abtrat, die Entscheidung über gemischte Ehen und über die Erziehung des Klerus dem Bischof überließ und das Eindringen der geistlichen Orden erlaubte.
Dasselbe wurde als königliche Verordnung verkündet und die ständische Zustimmung nur zu den eine Gesetzesänderung erfordernden Punkten vorbehalten. Aber erst 1861, als inzwischen in Baden die Opposition gegen das dortige Konkordat gesiegt hatte, legte die württembergische Regierung dem Landtag den Vertrag mit dem Papst vor. Mit 63 gegen 27 Stimmen wurde derselbe 16. März vom Landtag verworfen und die Bitte an die Regierung gerichtet, das Verhältnis des Staats zur Kirche durch die Landesgesetzgebung zu regeln. Dies geschah durch das Gesetz vom welches der neue Kultusminister, Golther, dem Landtag vorgelegt und dieser genehmigt hatte.
In der deutschen Frage folgte Württemberg den Wünschen Österreichs, welches die partikularistischen Neigungen des Königs und des Beamtentums nicht anfocht, und als nach dem italienischen Krieg 1859 die Bundesreform wieder in Fluß kam, hielt die Regierung, auf die entschieden antipreußische Strömung im Volk sich stützend, sich möglichst zurück. Doch nahm sie an den von Bayern angeregten mittelstaatlichen Verhandlungen über eine engere Einigung der »rein deutschen Staaten« teil und erklärte sich 1863 für das österreichische Bundesreformprojekt.
Als 1863 die schleswig-holsteinische Frage auftauchte, erkannte sie zwar den Herzog von Augustenburg als berechtigten Erben an, ging aber auf die vom Landtag verlangte energische Politik gegen die Großmächte nicht ein; auch fügte sie sich dem von Preußen 1862 abgeschlossenen französischen Handelsvertrag, um eine Auflösung des Zollvereins zu vermeiden. Als jedoch König Wilhelm starb und sein Nachfolger, König Karl, an Lindens Stelle den gemäßigt liberalen, aber entschieden antipreußischen Freiherrn v. Varnbüler an die Spitze des Ministeriums berief, entwickelte die Regierung nach innen und nach außen eine lebhaftere Thätigkeit. Sie hob die reaktionären Verordnungen über Presse und Vereinswesen auf und beantragte 1865 beim Landtag eine bedeutende Erweiterung des Eisenbahnnetzes. In Übereinstimmung mit der Kammer erklärte sie sich gegen Preußens Haltung in der schleswig-holsteinischen Frage, nahm an den mittelstaatlichen Konferenzen in Augsburg und Bamberg teil und traf schon im April 1866 militärische Vorbereitungen, für welche ihr im Juni vom Landtag 7,700,000 Gulden bewilligt wurden. Württemberg stimmte 14. Juni Frankfurt für Österreichs Antrag auf Mobilmachung aller nichtpreußischen Bundeskorps, und während ein Bataillon Hohenzollern besetzte, stieß das württembergische Kontingent zum 8. Bundeskorps.
Obwohl die Schlacht bei Königgrätz die kriegerische und siegesbewußte Stimmung im Volk abkühlte, trieb Varnbüler zur Fortsetzung des Kampfes, mußte sich jedoch, als die Württemberger 24. Juli bei Tauberbischofsheim schwere Verluste erlitten hatten und nach Auflösung des 8. Korps Württemberg der preußischen Okkupation offen lag, zu Verhandlungen verstehen, die 2. Aug. zu einem Waffenstillstand mit dem Befehlshaber der preußischen Mainarmee, Manteuffel, führten; der nördliche Teil des Landes wurde von den Preußen besetzt, während Hohenzollern geräumt wurde. Der Friede kam 13. Aug. zu stande und legte Württemberg eine Kriegsentschädigung von 8 Mill. Guld. auf; gleichzeitig schloß die Regierung mit Preußen ein geheimes Schutz- und Trutzbündnis.
Der unglückliche Ausgang des Kriegs von 1866 hatte in Württemberg zunächst noch keine Versöhnung mit der neuen Situation in Deutschland zur Folge. Die Zweite Kammer sprach sich bei der Beratung des Friedensvertrags 11. Okt. gegen einen Anschluß an Preußen und für einen besondern süddeutschen Bund aus und genehmigte das 1867 veröffentlichte Schutz- und Trutzbündnis sowie den Vertrag über die Reform des Zollvereins nur unter dem Druck der Drohung Preußens, daß Württemberg im Fall der Ablehnung eines der Verträge aus dem Zollverein ausgeschlossen werden würde.
Bei den Wahlen für das Zollparlament wurden sämtliche Kandidaten der nationalen Partei geschlagen und nur Gegner der Einigung mit Preußen, Großdeutsche, Ultramontane und Demokraten, gewählt. Hierbei hatte die Regierung nach Kräften mitgewirkt. Nun folgten im Juni 1868 die Wahlen für die Kammer nach dem neuen Wahlgesetz, das direkte und geheime Wahl vorschrieb. Hierbei erlitt die Regierung eine entschiedene Niederlage durch die von ihr eben begünstigten Großdeutschen und Demokraten, die 45 Mandate (von 70) erlangten.
Durch diesen Sieg angefeuert, setzte die Demokratie eine allgemeine Agitation gegen das 1868 vom Kriegsminister v. Wagner mit Mühe durchgesetzte Kriegsdienstgesetz, das »Fluchgesetz«, ins Werk. Dasselbe war vom Landtag nur mit bedeutenden Abschwächungen der preußischen Grundsätze über Wehrpflicht und Heeresorganisation angenommen worden. Nun forderte aber die Demokratie dessen Abschaffung und Einführung der wahrhaft allgemeinen Dienstpflicht mit militärischer Jugendvorbereitung und kurzer Präsenz. Als die Kammern im März 1870 eröffnet wurden, stellten Großdeutsche und Demokraten einen Antrag auf Herabsetzung der Präsenz und Verminderung der Heeresausgaben, der von der Finanzkommission zur Annahme empfohlen wurde. Das Ministerium war über die einzunehmende Haltung uneinig und half sich 24. März durch Vertagung der Kammern zunächst aus der Verlegenheit.
Die französische Kriegserklärung im Juli 1870 gab den Dingen eine ganz andre Wendung. Der im partikularistischen Stillleben eingeschlummerte deutsche Patriotismus erwachte und erhob sich für die
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nationale Sache. Der König erließ 17. Juli den Mobilisierungsbefehl, die Kammern bewilligten 22. d. M. fast einstimmig den verlangten Kriegskredit. Die württembergische Division wurde der unter dem Oberbefehl des Kronprinzen von Preußen stehenden dritten Armee zugeteilt und nahm an der Schlacht bei Wörth und den Kämpfen vor Paris, besonders der Schlacht bei Villiers (30. Nov. und rühmlichen Anteil. Varnbüler trat 31. Aug. zurück, und der Justizminister Mittnacht führte in Versailles die Verhandlungen über den Eintritt Württembergs in das neue Deutsche Reich, die 25. Nov. zum Abschluß führten: Württemberg behielt die eigne Verwaltung der Post, der Telegraphen, der Eisenbahnen und die besondere Besteuerung des Biers und des Branntweins;
die württembergischen Truppen bildeten das 13. deutsche Armeekorps, dessen Kommandeur der Kaiser ernannte, behielten aber ihr eignes Kriegsministerium, und der König ernannte die Offiziere;
im Bundesrat bekam Württemberg vier Stimmen.
Nachdem Neuwahlen der Regierung in der Zweiten Kammer eine national gesinnte Mehrheit verschafft hatten, wurden die Verträge mit dem Norddeutschen Bund vom Landtag genehmigt und verkündigt. Auch die ersten Reichstagswahlen fielen auf fast lauter national gesinnte Männer, und als im August 1873 Mittnacht zum Ministerpräsidenten ernannt worden war, war die durchaus reichstreue Politik Württembergs entschieden. Der schwankende Ausfall der Reichstagswahlen, bei denen Ultramontane und Anhänger der Volkspartei vorübergehend Erfolge errangen, änderte daran nichts. Der kränkliche König, der einen großen Teil des Jahrs im Ausland zuzubringen pflegte, gab zu dem Verhalten der Minister seine Zustimmung.
Im Innern gingen Regierung und Landtag an die Durchführung mancher notwendigen Reformen: außer den Ausführungsgesetzen zur deutschen Justizreform wurden ein Forststraf- und Forstpolizeigesetz, ein Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Dorfschullehrer, ein andres über die Verwaltung des kirchlichen Vermögens u. a. vereinbart. Der Ausfall in den Einnahmen der allzu schnell vermehrten Staatseisenbahnen machte 1881 die Erhöhung einiger vorhandener und die Einführung einiger neuer Steuern notwendig, bis die Vermehrung der Reichseinnahmen die Finanzen so erheblich besserte, daß 1889 die Steuern herabgesetzt, wichtige Bauten ausgeführt und die Beamtengehalte erhöht werden konnten.
Dagegen gelangte die lange begehrte und allgemein als unvermeidlich anerkannte Verfassungsrevision wegen ihrer Schwierigkeit noch nicht zur Ausführung. Der zu ihrer Lösung 1884 berufene Minister des Innern, Holder, starb 1887 vor der Lösung dieser Frage. Es handelte sich besonders darum, die 23 privilegierten Mitglieder der Zweiten Kammer (Vertreter des Adels, der evangelischen und katholischen Geistlichkeit und der Landesuniversität) aus derselben zu beseitigen und sie durch gewählte Vertreter des Volkes, besonders durch Vermehrung der Abgeordneten der großen Städte, wie Stuttgarts, zu ersetzen, während die Privilegierten in die Erste Kammer, welche zu wenige Mitglieder zählte, überzutreten hätten.
Doch kam es zwischen der Regierung und der Kammer zu keiner Einigung, da erstere die Privilegierten durch Abgeordnete der Höchstbesteuerten ersetzen, die Kammer von gar keinem Vorrecht mehr wissen wollte. Die Zustände im Land waren im übrigen so zufriedenstellend, daß die glänzende Feier des 25jährigen Regierungsjubiläums des Königs wohl berechtigt war.
Vgl. »Württembergisches Urkundenbuch« Stuttg. 1849-89, Bd. 1-5);
Pfister, Pragmatische Geschichte von Schwaben (Heilbr. 1803 bis 1827, 5 Bde.);
Derselbe, Geschichte der Verfassung des wirtembergischen Hauses (bearbeitet von Jäger, das. 1857);
Pfaff, Geschichte des Fürstenhauses und Landes Württemberg (neue Ausg., Stuttg. 1835-39, 3 Bde.);
Stälin, Wirtembergische Geschichte (Hauptwerk, das. 1841-73, 4 Bde.);
Staiger, Geschichte Württembergs (Tübing. 1875, kurzer Abriß);
P. F. Stälin, Geschichte Württembergs (Gotha 1888 ff.);
»Illustrierte Geschichte von Württemberg« (von mehreren, Stuttg. 1886);
Fricker und Geßler, Geschichte der Verfassung Württembergs (das. 1869);
Schneider, Württembergische Reformationsgeschichte (das. 1888);
»Württemberg und sein König 1864-89, eine Festgabe« (das. 1889).