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Stimmen zwei Drittel hat. Als beschließende Versammlungen bestehen neben dem Ortsvorsteher der Gemeinderat und ein Bürgerausschuß, deren Mitglieder von den Bürgern für jenen auf sechs, für diesen auf zwei Jahre gewählt werden. Jede Gemeinde besorgt die Erhebung ihrer Steuern selbst.
Jede der drei im Königreich bestehenden christlichen Konfessionen [* 2] ordnet ihre Angelegenheiten unter der Oberaufsicht des Königs selbst. Die evangelische Kirche ist uniert, nachdem 1823 die Vereinigung der lutherischen und der wenig zahlreichen reformierten Kirche erfolgt ist; nur in Stuttgart [* 3] bilden die Reformierten eine eigne kleine Gemeinde. Das Kirchenregiment wird durch das königliche Konsistorium zu Stuttgart und die Landessynode nach den bestehenden Gesetzen verwaltet.
Das Konsistorium handhabt die Kirchen- und Schulgesetze. Die durch königliche Berufung von 6 und durch Wahl der evangelisch-theologischen Fakultät der Landesuniversität und der 49 Diözesansynoden von 51 Mitgliedern zusammengesetzte Landessynode wirkt bei der kirchlichen Gesetzgebung in ihrem ganzen Umfang mit. Das Land zerfällt in sechs evangelische Generalsuperintendenzen, deren Vorsteher den Titel »Prälaten« führen, die Dekane ihres Sprengels investieren und alle drei Jahre zu visitieren haben.
Die
Dekane sind die Vorsteher der
Kirchen ihres
Bezirks und nehmen alle zwei Jahre
Visitationen vor. Unter ihrer Leitung stehen
die Diözesansynoden, welche, aus sämtlichen orden
tlichen
Geistlichen und ebenso vielen Abgeordneten der
Pfarrgemeinden gebildet, alljährlich einmal zusammentreten.
In den Pfarrgemeinden verwaltet der Kirchengemeinderat jetzt
auch das kirchliche
Vermögen, seit die staatliche
Gesetzgebung von 1887 und die kirchliche von 1888 die alte
Verbindung von
politischer und kirchlicher
Gemeinde (für beide
Konfessionen) gelöst hat.
Die innern Angelegenheiten der katholischen
Kirche werden von dem bischöflichen
Ordinariat (dem Landesbischof
nebst dem
Domkapitel) zu
Rottenburg geleitet, welches zur oberrheinischen Kirchenprovinz (Erzdiözese Freiburg)
[* 4] gehört. Das
Verhältnis
der
Staatsgewalt zur
Kirche wurde durch das
Gesetz vom in einer
Weise neu geregelt, daß der kirchliche
Friede bis
jetzt nicht gestört worden
ist. Die verfassungsmäßige Behörde, durch welche die in der
Staatsgewalt
begriffenen
Rechte über die
katholische Kirche ausgeübt werden, ist der katholische
Kirchenrat. Die
Aufsicht und Leitung des
israelitischen
Kultus- und
Armenwesens ist der seit 1828 eingesetzten israelitischen Oberkirchenbehörde
übertragen.
Das Kriegsministerium ist für alle Militärangelegenheiten und die sämtlichen Zweige der Kriegsverwaltung die oberste verantwortliche Staatsbehörde. Im deutschen Reichsheer bilden die württembergischen Truppen ein eignes, das 13. Armeekorps, bestehend aus 8 Regimentern Infanterie (Nr. 119-126), 4 Regimentern Kavallerie (je 2 Regimenter Dragoner, Nr. 25 und 26, und Ulanen, Nr. 19 und 20), 2 Regimentern Feldartillerie (Nr. 13 und 29) und 1 Bataillon Fußartillerie (Nr. 13), 1 Pionier- und 1 Trainbataillon (Nr. 13). Im Gebiet des Königreichs Württemberg [* 5] liegt der größere Teil der Reichsfestung Ulm. [* 6]
Unter dem Finanzministerium stehen: die Oberfinanzkammer (mit den Abteilungen: Domänendirektion, Forstdirektion und Bergrat), Oberrechnungskammer, Staatskassenverwaltung, Steuerkollegium, Katasterkommission, Statistisches Landesamt. Der Hauptfinanzetat für 1888/89 ergab einen Staatsbedarf von 57,048,132 Mk. Zur Deckung dieses Aufwandes sind bestimmt:
Der Ertrag der Domänen | 6443370 Mark |
Der Ertrag der Verkehrsanstalten | 14853357 Mark |
Weiterer Ertrag des Kammerguts | 915909 Mark |
Die direkten Steuern | 13721775 Mark |
Die indirekten Steuern | 13892400 Mark |
Vom Ertrag der Zölle und Reichssteuern | 6578880 Mark |
Aus der Restverwaltung | 642440 Mark |
Zusammen: | 57048131 Mark. |
Der Staatsbedarf pro 1888/89 im einzelnen ist
Mark | |
---|---|
Zivilliste | 1804658 |
Apanagen u. Wittume | 279332 |
Staatsschuld | 19994384 |
Renten | 461159 |
Entschädigungen | 106676 |
Pensionen | 2161000 |
Ruhegehalte | 6897 |
Gratialien | 377680 |
Geheimer Rat | 61050 |
Verwaltungsgerichtsh. | 24450 |
Justiz | 3863710 |
Äußeres | 186291 |
Inneres | 5773684 |
Kirche u. Schulwesen | 8175297 |
Finanzen | 3015482 |
Landständische Sustentationskasse | 349986 |
Reservefonds | 70000 |
Für das Reich | 9991008 |
Allerlei | 350384 |
Zusammen: | 57048132 |
Der Stand der Staatsschulden war 421,339,066 Mk., wovon auf die Eisenbahnschuld 377,861,534 Mk. kommen.
[Wappen, Orden.]
Das Staatswappen (s. Tafel »Wappen«) [* 7] ist der Länge nach geteilt und enthält rechts drei quer übereinander gestellte schwarze Hirschstangen in goldenem Grund (W), links drei schwarze leopardierte Löwen, [* 8] einer über dem andern, ebenfalls in Gold [* 9] (Hohenstaufen und Schwaben). Auf dem Wappenschild ruht ein mit der Königskrone gezierter Ritterhelm; Schildhalter sind ein schwarzer Löwe und ein goldener Hirsch. [* 10] Eine unter dem Schild [* 11] flatternde Bandschleife enthält den Wahlspruch: »Furchtlos und trew«. Die Landesfarben sind Rot und Schwarz. Der König verleiht drei Ritterorden, nämlich den Orden [* 12] der württembergischen Krone (s. Tafel »Orden«),
zur Belohnung ausgezeichneter dem Staat geleisteter Dienste [* 13] (gestiftet mit sechs Klassen: Großkreuze, Komture mit Stern, Komture und Ritter a) mit der Krone, b) Ehrenritter, c) Ritter; den Militärverdienstorden gestiftet und modifiziert), mit drei Klassen, und den Friedrichsorden gestiftet, erweitert), zur Belohnung ausgezeichneter Verdienste im Militär- und Zivildienst mit fünf Klassen: Großkreuze, Komture erster und zweiter Klasse und Ritter erster und zweiter Klasse. Mit den fünf ersten Klassen des Kronenordens, dem Militärverdienstorden und den drei ersten Klassen des Friedrichsordens ist Erlangung des Personaladels verbunden.
Der am gestiftete Olga-Orden wird für besondere Verdienste auf dem Felde der freiwillig helfenden Liebe im Krieg oder Frieden verliehen und zwar ohne Unterschied an Männer, Frauen und Jungfrauen. Neuestens (1889) ist noch die Karl Olga-Medaille (in Silber und Bronze) [* 14] für Verdienste um das Rote Kreuz hinzugetreten. Ferner werden verliehen goldene und silberne Zivil- und Militärverdienstmedaillen, militärische Dienstehrenzeichen, Medaillen für Kunst und Wissenschaft. Die königliche Residenz ist Stuttgart, die zweite Ludwigsburg. [* 15]
Vgl. »Württembergische Jahrbücher für Statistik und Landeskunde«, herausgegeben von dem königlichen Statistischen Landesamt (Stuttg. 1818 ff.);
»Das Königreich Württemberg, eine Beschreibung von Land, Volk und Staat« (hrsg. von demselben, das. 1882-86, 3 Bde.);
»Beschreibung der einzelnen Oberamtsbezirke« (hrsg. von demselben, das. 1824-86);
»Hof- ¶
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und Staatshandbuch«, neuestes 1889);
die »Jahresberichte der Handels- und Gewerbekammern in Württemberg« (hrsg. von der königlichen Zentralstelle für Gewerbe und Handel);
Pleibel, Handbuch der Vaterlandskunde (2. Aufl., das. 1877);
Vischer, Die industrielle Entwickelung im Königreich Württemberg (das. 1875);
»Die forstlichen Verhältnisse Württembergs« (das. 1880);
Fraas, Württembergs Eisenbahnen mit Land und Leuten an der Bahn (das. 1880);
Engel, Geognostischer Wegweiser durch Württemberg (das. 1883);
Golther, Der Staat und die katholische Kirche in Württemberg (das. 1874);
Palmer, Die Gemeinschaften und Sekten Württembergs (Tübing. 1877);
über das Staatsrecht des Königreichs Württemberg die Darstellungen von Riecke (Stuttg. 1882), Sarwey (Tübing. 1883, 2 Bde.), Gaupp (Freiburg 1884);
Keppler, Württembergs kirchliche Kunstaltertümer (Rottenburg 1889);
Paulus, Die Kunst- und Altertums-Denkmale im Königreich Württemberg (Stuttg. 1889);
Hirschfeld, Württembergs Großindustrie und Großhandel (Berl. 1889).
Karten: »Topographischer Atlas [* 17] des Königreichs Württemberg« (1:50,000, 55 Bl.; neue Aufl. 1879 ff.);
derselbe auch geognostisch (1865 ff.);
v. Morlok, Topographische Karte (1: 25,000), seit 1878).
Geschichte.
Die älteste germanische Bevölkerung [* 18] des jetzigen Königreichs Württemberg bildeten die Sueven. Im 1. Jahrh. n. Chr. eroberten die Römer [* 19] das Land und schützten es durch Anlegung eines Grenzwalles (Pfahlgraben) an der Ostgrenze gegen feindliche Angriffe; das römische Gebiet, Zehntland (Agri decumates, s. d.) genannt, wurde zwar mit germanischen Ansiedlern besetzt, aber der römischen Kultur eröffnet. Im 3. Jahrh. wurde es von den Alemannen erobert, kam nach deren Unterwerfung durch die Franken (496) zum fränkischen Reich und gehörte dann zu dem im 9. Jahrh. sich bildenden deutschen Herzogtum Schwaben.
Der erste Herr von Württemberg (Wirtineberg, einem Schloß bei Stuttgart) wird 1092 genannt. Das Geschlecht erlangte von den Staufern reiche Besitzungen und die Grafenwürde. Graf Ulrich (1241-65), mit dem die historisch sichere Reihe der Grafen von Württemberg beginnt, erwarb von Konradin das Marschallamt in Schwaben und die Vogtei über die Stadt Ulm und hatte als guter Wirtschafter immer Geld bereit, um in der Zeit des Interregnums neue Güter, so die Grafschaft Urach, zu erwerben. Ihm folgten seine Söhne Ulrich II. und Eberhard I., der Erlauchte, von denen ersterer schon 1279 starb, letzterer seinen Besitz gegen die Könige Rudolf von Habsburg und Albrecht I. zu verteidigen hatte, welche die Reichsgüter zurückforderten.
Von Heinrich VII. ward Eberhard sogar aus seinem Land vertrieben und kehrte erst nach des Kaisers Tod (1313) in dasselbe zurück. Dennoch vergrößerte er die Grafschaft durch Neuerwerbungen fast um die Hälfte und erlangte auch die Landvogtei in Schwaben, welche ihm reichliche Einkünfte gewährte; 1321 machte er nach Zerstörung des Schlosses Württemberg durch die Eßlinger Stuttgart, wohin er das Erbbegräbnis seines Hauses verlegte, zur Residenz. Auf seinen Sohn Ulrich III. (1325-44) folgten dessen Söhne Eberhard II., der Greiner, und Ulrich IV. erst gemeinsam, nach des letztern Tod (1366) Eberhard allein (bis 1392). Da dieser die Rechte der schwäbischen Landvogtei energisch geltend machte, geriet er mit den schwäbischen Reichsstädten und der Ritterschaft in langdauernden Streit. Er siegte 1372 über die Städte bei Altheim und brach, nachdem sein Sohn Ulrich 1377 bei Reutlingen [* 20] geschlagen worden war, die Macht des Schwäbischen Städtebundes durch seinen Sieg bei Döffingen (1388). Sein Enkel Eberhard III. (1392-1417) und dessen Sohn Eberhard IV. (1417-19) vermehrten den Besitz des Geschlechts besonders durch die Erwerbung von Mömpelgard.
Nach dem frühen Tod Eberhards IV. regierte dessen Witwe, Gräfin Henriette, für die minderjährigen Söhne Ludwig I. und Ulrich V., welche nach erlangter Volljährigkeit erst gemeinschaftlich herrschten, aber das Land teilten; Ludwig erhielt den Uracher, Ulrich den Stuttgarter oder Neuffener Teil. Als Ludwig starb, übernahm Ulrich die Vormundschaft über seine Unmündigen Söhne Ludwig II. und Eberhard V. (im Bart), von denen der erstere schon 1457 starb. Ulrich V. schloß sich 1462 dem Krieg mehrerer Reichsfürsten gegen den Kurfürsten Friedrich von der Pfalz an, wurde aber bei Seckenheim geschlagen und gefangen genommen und erst 1463 freigelassen. Bei seinem Tod hinterließ er den Stuttgarter Anteil seinem ausschweifenden Sohn Eberhard VI., der aber durch den Münsinger Vertrag die Regierung seinem Vetter Eberhard V. überließ; zugleich wurden durch diesen Vertrag unter Mitwirkung der Landstände die Unteilbarkeit des württembergischen Landes und die Erbfolge nach dem Rechte der Erstgeburt festgesetzt. Diese Bestimmungen wurden auf dem Wormser Reichstag 1495 vom Kaiser Maximilian I. bestätigt und nur die linksrheinischen Gebiete zur Versorgung nachgeborner Prinzen offen gelassen; Eberhard ward zum Herzog erhoben und Württemberg für ein Reichsherzogtum erklärt.
Württemberg als Herzogtum.
Als Herzog Eberhard I. kinderlos starb, folgte ihm sein Vetter Eberhard VI. als Herzog Eberhard II. Da derselbe sich dem von Eberhard I. ihm bestellten Regiment der Landstände nicht fügen wollte und eine empörende Willkürherrschaft führte, wurde er unter Zustimmung des Kaisers vom Landtag für abgesetzt erklärt und unterschrieb im Horber Vertrag seine Verzichtleistung. Sein minderjähriger Neffe Ulrich, der Sohn des geisteskranken Grafen Heinrich, folgte ihm unter vormundschaftlicher Regierung, wurde aber schon 1503, erst 16jährig, vom Kaiser für volljährig erklärt.
Als des jungen Herzogs Prachtliebe und Verschwendung eine Erhöhung der Steuern notwendig machten, brach 1514 im Remsthal der Aufruhr des »armen Konrad« aus. Zur Herstellung der Ordnung schritt der Landtag ein: durch den Tübinger Vertrag vom übernahm die Landschaft die Schulden des Herzogs (950,000 Gulden), wogegen sich dieser verpflichtete, ohne Zustimmung des Landtags keinen Krieg anzufangen, kein Stück vom Land zu verpfänden, keine Schatzung auszuschreiben und niemand ohne Urteil und Recht zu bestrafen; diese Rechte bildeten die Grundlage der württembergischen Verfassung.
Sehr bald beschwor jedoch Ulrich einen neuen Konflikt herauf: er ermordete 1515 den Ritter Hans von Hutten, mit dessen Gattin er ein Liebesverhältnis hatte, und zog sich dadurch den Zorn der deutschen Ritterschaft zu;
ferner floh seine Gemahlin Sabine, die er des Ehebruchs mit Hutten beschuldigte, zu ihren Brüdern, den Herzögen von Bayern, [* 21] und diese bewogen den Kaiser Maximilian, den Herzog wegen Mordes in die Acht zu erklären.
Als Ulrich endlich die Reichsstadt Reutlingen überfiel und besetzte, erklärte ihm der Schwäbische Bund, dessen Mitglied Reutlingen war, den Krieg und eroberte Württemberg, welches er 1520 für 220,000 Gulden an ¶