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und Unterland. In den Staatswaldungen nimmt das Laubholz ca. 31, das Nadelholz 59, das gemischte Holz [* 2] kaum noch 10 Proz. der Gesamtfläche ein. Außer dem Ertrag an Bau- und Nutzholz, die einen sehr wichtigen Handelsartikel bilden, und an Brennholz bieten die Waldungen nicht unbedeutende Nebennutzungen an Rinden, Besenreis, Eicheln, Bucheckern und andern Holzsamen sowie an Beeren, Kräutern etc. dar. Der Bergbau [* 3] bezweckt, mit Ausnahme von etwas Alaun [* 4] und Eisenvitriol, ausschließlich die Gewinnung von Eisenerzen und Salz [* 5] und befindet sich mit der genannten Ausnahme und abgesehen von dem Salzwerk Heilbronn [* 6] in den Händen der Staatsfinanzverwaltung.
Eisenerzgruben finden sich: Thoneisenstein bei Wasseralfingen, Bohnerze zerstreut auf der Alb. Salz wird in dem genannten Privatsalzwerk und auf vier dem Staat gehörigen Salinen erzeugt, nämlich zu Hall [* 7] mit Wilhelmsglück am Kocher, zu Friedrichshall mit Klemenshall am untern, zu Wilhelmshall und Sulz am obern Neckar. Die Versuche auf Steinkohlen sind bisher alle fehlgeschlagen. An Salz wurden 1887/88: 180,296 Ton., darunter 38,258 T. Siedesalz, erzeugt. An Torf besitzt Württemberg, [* 8] besonders im Donaukreis, großen Reichtum. Aus den bituminösen Schiefern im schwarzen Jura werden seit längern Jahren Schieferöl und künstliche Steine gewonnen.
Industrie und Handel.
In der technischen Kultur hat Württemberg seit einigen Jahrzehnten sich aus vorherrschend landwirtschaftlichen Zuständen rasch zur Großindustrie emporgearbeitet. Für die Förderung der Gewerbe und des Handels wurde 1848 eine besondere Behörde errichtet, die Zentralstelle für Gewerbe und Handel zu Stuttgart, [* 9] welcher acht Handels- und Gewerbekammern in Stuttgart, Heilbronn, Reutlingen, [* 10] Ulm, [* 11] Kalw, Heidenheim, Ravensburg [* 12] und Rottweil [* 13] zur Seite stehen. In neuerer Zeit sind in Gmünd [* 14] und Spaichingen Gewerbemuseen, in Stuttgart ein Württembergischer Kunstgewerbeverein mit Ausstellungen, Preisausschreiben, Prämiierungen gegründet worden. In sämtlichen Gewerben, einschließlich Handel und Verkehr, waren nach der Berufszählung vom ca. 41 Proz. der Bevölkerung [* 15] beschäftigt; die Zahl der größern Gewerbebetriebe betrug: solche mit 6-10 Gehilfen 1342, mit 11-50: 1364, mit 51-200: 279, mit mehr als 200: 51. Von den Betrieben benutzten als Motor stehender Triebwerke: Wasser 3596, Dampf [* 16] 819, Gas oder Heißluft 187;
Lokomobilen [* 17] wurden 105 gezählt.
Die Verarbeitung der edlen Metalle ist eins der wichtigsten Gewerbe Württembergs. Die Hauptorte sind für Gold- und Silberwaren Gmünd und Stuttgart, für Silberwaren Heilbronn und Gmünd. Wichtiger noch ist aber die Verarbeitung der unedlen Metalle. Eisengußwaren liefern mehrere königliche Werke (größtes zu Wasseralfingen) und eine Anzahl Privatgießereien, eine in Stuttgart schmiedbaren Eisenguß und Stahlfaçonguß. Weltberühmt ist die Mausersche Waffenfabrik in Oberndorf.
Die Fabrikation von Messerschmiedewaren hat ihren Hauptsitz in den Städten Tuttlingen, [* 18] Heilbronn, Reutlingen; von Draht, [* 19] Stiften, Nägeln, Ketten etc. in Aalen und Umgegend, Nägeln in Freudenstadt und Tuttlingen. Große Sensenfabriken sind in Friedrichsthal und Neuenbürg. Die Fabrikation von Kupfer- und Blechwaren, lackierten und unlackierten, wird in Eßlingen, [* 20] Göppingen, [* 21] Ludwigsburg, [* 22] Biberach, [* 23] Kannstatt [* 24] etc. in großem Umfang betrieben. Messingwaren liefern Ulm und seine Filiale, außerdem viele Orte Maschinen-, Feuerspritz-, Plaqué- und Messingwarenfabrikate sowie Kupferschmiedewaren.
Glockengießereien sind in Stuttgart, Biberach, Hall, Kochendorf, Reutlingen, Rottweil, Ulm. Die Bronzewarenindustrie ist bedeutend in Gmünd und Stuttgart. Gegenstände der Galvanotechnik und Plattierung liefern große Etablissements in Geislingen, Eßlingen, Gmünd, Stuttgart. Metallwebereien sind in Reutlingen, Stuttgart u. a. O. In der Maschinenfabrikation übernehmen die zum Teil großartigen Etablissements (Eßlingen, Berg, Kannstatt, Heilbronn etc.) Aufträge für stabile und lokomobile Dampfmaschinen, [* 25] Lokomotoren und mechanische Einrichtungen jeder Art. Elektrotechnische Anstalten sind in Kannstatt und Stuttgart, Telegraphenbauanstalten in Stuttgart.
Mathematische, optische und physikalische Instrumente aller Art werden hauptsächlich in Stuttgart, Ulm, Ebingen, Onstmettingen, Heilbronn etc. gefertigt. Für chirurgische Instrumente bestehen renommierte Werkstätten in Tuttlingen, Stuttgart und Tübingen. [* 26] Die Uhrenfabrikation des württembergischen Schwarzwaldes hat ihren Mittelpunkt in Schwenningen. Die Fabrikation der sogen. amerikanischen Uhren [* 27] blüht in Schramberg. Die Fabrikation musikalischer Instrumente nimmt einen hervorragenden Rang ein; für Pianos, Pianinos und Harmoniums bestehen in Stuttgart gegen 30, weitere Etablissements in Heilbronn, Kirchheim, Aalen u. a. O. Der Orgelbau wird in 14 Etablissements betrieben, wovon das bedeutendste in Ludwigsburg einen Weltruf hat. Sonstige musikalische Instrumente liefern Stuttgart, Biberach, Heilbronn, Knittlingen, Trossingen etc.
Das Land enthält mehr Ziegelbrennereien als, abgesehen von Bayern, [* 28] irgend ein deutsches Land; darunter zahlreiche Großbetriebe, welche auch Thonwaren [* 29] für Architektur, Wasserleitungen, Drainageröhren etc. fabrizieren. Die Töpferei ist nicht sehr entwickelt. Eine große Steingutfabrik besteht in Schramberg, welche jetzt auch geschätzte Majolikawaren fertigt. Für die Herstellung von hydraulischem Kalk (Roman- und Portland-Zement) sind mehrere sehr bedeutende Etablissements, namentlich bei Ulm, Blaubeuren, Ehingen und Kirchheim, vorhanden.
Künstliche Wetz- und Bimssteine liefert Bietigheim. Die Glasfabriken (Buhlbach, Schönmünzach, Eisenbach, Freudenstadt, Schmidtsfelden, Zuffenhausen) liefern gewöhnliches Hohlglas und Tafelglas. Die Fabrikation von chemischen Erzeugnissen blüht in zahlreichen Anstalten, deren bedeutendste sich in Heilbronn, Stuttgart und Umgebung befinden. An ersterm Ort werden hauptsächlich Vitriol, Alaun, Soda, Glaubersalz, Chlorkalk, [* 30] Salzsäure, Salpeter, Schwefelsäure, [* 31] Bleiweiß, [* 32] Weinsteinpräparate erzeugt.
Die Fabrikation von Farben und Farblacken hat ihren Sitz in Stuttgart. Fabriken von chemischen Präparaten für pharmazeutische, photographische und technische Zwecke aller Art sind in Stuttgart, Feuerbach, Böblingen, Winnenden. Einen Weltruf hat die Schießpulverfabrikation in Rottweil. Die Leistungen in der Möbeltischlerei sind besonders in der Hauptstadt, aber auch in Ulm etc. hervorragend; Parketterie hauptsächlich in Stuttgart, Eßlingen, Mergentheim, [* 33] Rothenbach, Langenargen; Fabrikation von Goldleisten und Rahmen in Stuttgart, Ulm, Ludwigsburg, Hall u. a. O. Tabletteriewaren in Holz, Bein, Elfenbein und Schnitzwaren liefern: Eßlingen, Geislingen, Göppingen, Ulm, Stuttgart etc. Die Geislinger Beinwaren, geschnitzte und Gravierarbeiten in Elfenbein, genießen eines alten Rufs. Die Fabrikation von ¶
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Kinderspielwaren in Blech und Holz findet hauptsächlich in Stuttgart, Biberach, Ellwangen, Ludwigsburg, Böblingen statt. Die Papierfabrikation [* 35] ist eine sehr alte Industrie Schwabens; die erste Papierfabrik Deutschlands [* 36] war vielleicht in der nunmehr württembergischen Reichsstadt Ravensburg. 1882 waren 64 Papier- und Pappefabriken im Lande, die namhaftesten in Heilbronn, Baienfurt, Dettingen, Faurndau, Höll, Mochenwangen, Oberlenningen, Pfullingen.
Die Erfindung, aus Holzfaser Papierzeug zu machen, ging von einem Württemberger (Fabrikant Völter in Heidenheim) aus. Die an die litterarische und künstlerische Thätigkeit sich anschließenden Gewerbe, insbesondere die Buchdruckereien und Buchhandlungen Württembergs, sind von der größten Bedeutung. Als Verlagsplatz nimmt Stuttgart für den Süden Deutschlands die gleiche Stellung ein, welche Leipzig [* 37] für Norddeutschland besitzt. Die Zahl der Buch- und Antiquariatshandlungen in Stuttgart allein beträgt über 100; neben Stuttgart sind hauptsächlich die Plätze Ulm, Tübingen und Heilbronn von Bedeutung.
In den vervielfältigenden Künsten: Lithographie, Photographie, Photographiedruck, Zinkdruck, Kupferdruck, Farbendruck, in der Holzschneidekunst sowie im Kunsthandel nimmt Stuttgart gleichfalls eine achtunggebietende Stellung ein. Die Gerberei blüht in Reutlingen, Backnang, Kalw, Künzelsau, Friedrichshafen etc., die Fertigung von sämisch- und alaungarem sowie von lackiertem Leder in Hirsau, Bopfingen und Ulm. Die Fabrikation lederner Handschuhe ist von Bedeutung in Eßlingen, Stuttgart und Balingen.
Die Seidenzwirnerei Württembergs ist die bedeutendste im Deutschen Reich; schon 1875: 11 Großbetriebe mit 1100 Arbeitern von 44 mit 4600 Arbeitern im Reich. Seidenweberei wird in Sindelfingen, Waiblingen und Tettnang betrieben. Die Wollindustrie Württembergs hat gegenüber der norddeutschen und englischen Konkurrenz einen schweren Stand, ist aber neuestens in der (Jägerschen) Trikotfabrikation zu hoher Blüte [* 38] gelangt. Es wurden 1882 gezählt: 66 Betriebe für Wollspinnerei mit 2078 Personen, Kammgarnspinnereien in Eßlingen, Salach, Bietigheim, Öthlingen;
Streichgarnspinnereien in 23 Orten.
Die Wollweberei beschäftigte 1731 Personen in 645 Betrieben; die Fabrikation wollener Decken blüht in Mergelstetten und Kalw. Die Baumwollfabrikation ist über das ganze Land verbreitet. In der Spinnerei waren 1882: 3621 Personen in 184 Betrieben beschäftigt, die meisten in Eßlingen, Kuchen, Unterhausen, Unterboihingen, Wangen, Altenstadt, Hall, Urach etc.;
die Weberei [* 39] beschäftigte in 2632 (mit den gemischten und andern Waren: 3704) Betrieben 6112 (8933) Personen.
Große Webereien mit Kraftstühlen bestehen in Kuchen, Eßlingen, Heidenheim, Dettingen, Reutlingen, Bühlingen, Göppingen etc.;
Bleicherei, Färberei und Appretur in Heidenheim, Reutlingen, Uhingen etc. Die Leinenindustrie Württembergs hat sich wieder gehoben;
größere mechanische Spinnereien sind in Urach, Schornreute, Westheim etc.;
in der Leinweberei zählte man 4179 Hauptbetriebe mit 5386 Personen, dazu 3602 Nebenbetriebe (besonders in Blaubeuren, Laichingen, Urach, Göppingen).
Die Stickerei hat außer in Stuttgart und Reutlingen ihren Hauptsitz in Oberschwaben (Ravensburg, Sießen, Reute etc.). Die Strickerei von Wollartikeln aller Art ist sehr verbreitet. Die Arbeit geschieht großenteils als Nebenbeschäftigung, vielfach mit der Handstrickmaschine, hauptsächlich in und um Reutlingen, wo die seit 1863 bestehende Frauenarbeitsschule diese Industrie sehr gehoben hat. Die Korsettfabrikation Württembergs umfaßte schon 1875 über 66 Proz. der Betriebe im Deutschen Reich; Hauptplätze sind: Stuttgart, Kannstatt, Göppingen, Reutlingen, Ebingen etc. Hutmacherei ist in größerm Maß in Ulm, Ebingen, Stuttgart etc. vertreten. In Geflechten aus Stroh, Bast, [* 40] Roßhaaren etc. liefert eine weitverbreitete Hausindustrie den Arbeitgebern in den Schwarzwaldorten Schramberg, Alpirsbach, Dunningen etc. Hüte aller Sorten, Taschen, Körbchen, Borten, Sohlen etc. Getreidemühlen bestehen über 3000 im Land, wovon ein nicht unbedeutender Teil für den Handel arbeitet.
Die Zahl der im Land befindlichen Runkelrübenzuckerfabriken beträgt 5, welche 1887/88: 5945 Ton. Rohzucker und 1943 T. Melasse lieferten. Die Konditorei wird fabrik- und kunstmäßig in Stuttgart, Ludwigsburg, Vaihingen an der Enz, Nagold, Biberach und Ulm betrieben, wo auch die Devisen- (Tragantwaren-) Fabrikation eine große Vollkommenheit erlangt hat. Von großer Ausdehnung [* 41] ist die Schokoladenfabrikation in Stuttgart und noch mehr die Zichorienfabrikation und Bereitung andrer Kaffeesurrogate, besonders in Ludwigsburg und Heilbronn, nicht unbedeutend die Fabrikation von Essig und Senf. Die Schaumweinfabrikation, schon 1825 durch eine noch bestehende Fabrik in Eßlingen eingeführt, ist seitdem vermehrt worden. Neuestens hat ein Württemberger, Ad. Reihlen, ein vielversprechendes neues Verfahren der Schaumweinbereitung erfunden. Bierbrauereien zählt das Land über 2500, das jährliche Erzeugnis beträgt über 3⅓ Mill. hl.
Für den Handel sind die bedeutendsten Plätze: Heilbronn, Stuttgart, Ulm, Friedrichshafen, Kalw, Reutlingen und Tuttlingen. Die wichtigsten Ausfuhrartikel sind: Holz, Hopfen, [* 42] Getreide, [* 43] Zement, Gips, [* 44] Maschinen, Gold-, Silber-, Bronze- und versilberte Waren, Feuerspritzen, [* 45] Blechwaren, Zichorien, Droguen, pharmazeutische Chemikalien, Farbewaren, Woll- und Baumwollwaren, Korsette, Handschuhe, Hüte, Messerwaren, chirurgische Instrumente, Uhren, Papier, Spielwaren, Elfenbeinwaren, musikalische Instrumente, Bücher.
Die Haupteinfuhrartikel sind: Steinkohlen, Getreide, Kolonialwaren, Südfrüchte, Öl, Petroleum, Tabak, [* 46] Hanf, Eisenwaren, Häute und Felle, Seide [* 47] und Seidenwaren, Wolle, Baumwolle, [* 48] Pelze, Glas [* 49] und Glaswaren, Galanteriewaren etc. Stark besuchte Wollmärkte werden zu Kirchheim, Heilbronn, Ulm, Tuttlingen, Stuttgart und Ellwangen abgehalten. Der Zwischenhandel ist besonders für Farbe-, Material- und Kolonialwaren sowie für Vieh von Bedeutung. Hauptspeditionsplätze sind: Heilbronn, Stuttgart, Friedrichshafen und Ulm.
Schiffahrt findet auf dem untern Neckar und dem Bodensee statt. Die Dampfschiffahrt auf dem letztern ist in den Händen des Staats. Eigentum des Staats sind auch, mit Ausnahme der beiden Privatbahnen [* 50] nach Kirchheim und Urach mit zusammen 17 km sowie der kleinen Nebenbahnen Stuttgart-Hohenheim und Ravensburg-Weingarten, die Eisenbahnen (1889 zusammen 1553 km). Die Linien sind: die Hauptbahn Bretten-Friedrichshafen (261 km), die untere Neckarbahn (Bietigheim-Jagstfeld, 41 km), die untere Jagstbahn (Jagstfeld-Osterburken, 38 km), Kocherbahn (Heilbronn-Hall-Krailsheim, 88 km), obere Jagstbahn (Krailsheim-Goldshöfe, 30 km), Tauberbahn (Krailsheim-Mergentheim, 59 km), Remsbahn (Kannstatt-Nördlingen, 112 km), Brenzbahn (Aalen-Heidenheim-Ulm, 73 km), obere Neckarbahn ¶