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wo er 1743 zum Kanzler und 1745 vom Kurfürsten von Bayern [* 2] während des Reichsvikariats in den Reichsfreiherrenstand erhoben wurde. Er starb Wolfs Verdienst besteht vornehmlich darin, daß seine streng mathematische Methode Ordnung, Licht [* 3] und Gründlichkeit in das Ganze der Wissenschaft brachte. Seine Philosophie ist im wesentlichen eine Popularisierung der Leibnizschen, wodurch er aber zugleich den eigentlich metaphysischen Grundbegriffen derselben, namentlich der Leibnizschen Monadolgie, die Spitze abbrach.
Bei dem damals sich regenden Pietismus war Wolfs Einfluß auf sein Zeitalter um so wohlthätiger. Auch um die deutsche Sprache erwarb er sich wesentliche Verdienste, indem er eigentlich zuerst ihren Reichtum für philosophische Begriffe entwickelte und rein und verständlich in derselben schrieb. Seine schriftstellerische Thätigkeit war ungemein groß. Er behandelte sämtliche mathematische und philosophische Wissenschaften in einer doppelten Reihe von Werken, einmal ausführlich in lateinischer Sprache, [* 4] sodann kürzer in deutschen Lehrbüchern. Seine systematischen Werke über sämtliche Hauptteile der Philosophie betragen allein 22 Bände in Quart. [* 5]
Vgl. »Christ. Wolfs eigne Lebensbeschreibung« (hrsg. von Wuttke, Leipz. 1841); Ludovici, Ausführlicher Entwurf einer vollständigen Historie der Wolfschen Philosophie (das. 1737, 3 Bde.); Zeller, Wolfs Vertreibung aus Halle [* 6] (»Vorträge und Abhandlungen«, 2. Aufl., das. 1875).
2) Friedrich August, der geniale Begründer der neuern Altertumswissenschaft, geb. zu Haynrode bei Nordhausen, [* 7] vorgebildet zu Nordhausen, studierte seit 1777 in Göttingen [* 8] Philologie, ward 1779 Lehrer am Pädagogium in Ilfeld und begründete hier seinen Ruf durch Herausgabe von Platons »Gastmahl«, mit Anmerkungen und Einleitung in deutscher Sprache (Leipz. 1782; neue Aufl. von Stallbaum, 1828). Nachdem er 1782 nach Osterode [* 9] am Harz als Rektor der Stadtschule gegangen war, wurde er infolge jenes Werkes 1783 Professor der Philosophie und Pädagogik in Halle, 1784 auch der Beredsamkeit.
Hier entfaltete er eine wahrhaft großartige Wirksamkeit. Seine Hauptaufgabe fand er darin, den vaterländischen Schulen tüchtige und gründlich gebildete Lehrer heranzuziehen, von vornherein das Lehramt von dem des Geistlichen sondernd, und doch fällt in diese Zeit auch sein wissenschaftliches Hauptwerk, die »Prolegomena ad Homerum sive de operum Homericorum prisca et genuina forma variisque mutationibus et probabili ratione emendandi« (Bd. 1, Halle 1795, 1859; wiederholt mit Noten Bekkers, Berl. 1872 u. 1875). Indem sie zu begründen suchten, daß »Ilias« und »Odyssee« in ihrer gegenwärtigen Gestalt nicht das Werk Homers, sondern mehrerer Rhapsoden seien, teilten sie die gesamte Welt der Gebildeten in zwei streitende Lager [* 10] und bildeten den Ausgangspunkt für die moderne kritische Richtung in der Litteraturforschung überhaupt (s. Homeros, S. 693). Die Äußerung mehrerer Gelehrten, unter andern Heynes, daß ihnen längst gleiche Gedanken vor der Seele geschwebt hätten, veranlaßte die geistreichen »Briefe an Heyne, eine Beilage zu den neuesten Untersuchungen über Homer« (Berl. 1797), von denen die drei ersten als treffliche Muster gelehrter Polemik und feiner Ironie betrachtet werden können.
Nachdem er 1796 einen Ruf nach Leiden, [* 11] 1798 nach Kopenhagen [* 12] und 1805 nach München [* 13] abgelehnt, wurde er 1805 zum Geheimrat ernannt. Nach Aufhebung der Halleschen Universität durch Napoleon ging er 1807 als Mitglied der Akademie der Wissenschaften nach Berlin, [* 14] war 1809 kurze Zeit Mitglied der Sektion für den öffentlichen Unterricht im Ministerium des Innern und nahm dort an der Einrichtung der neuen Universität wesentlichen Anteil. Doch trat er in dieselbe nicht als ordentlicher Professor ein, sondern behielt sich als Akademiker nur das Recht zu freien Vorlesungen vor.
Nach manchen Richtungen unzufrieden, hat er aber seine Hallesche Wirksamkeit nie mehr erreicht. Zur Wiederherstellung seiner angegriffenen Gesundheit unternahm er im April 1824 eine Reise nach dem südlichen Frankreich, wo er 8. Aug. d. J. in Marseille [* 15] starb. Seine zahlreichen Schriften umfassen fast alle Zweige der Altertumswissenschaft. Von griechischen Schriften edierte er außer Platons »Symposion«: Hesiods »Theogonie« (Halle 1783),
Homer (das. 1784-85, 4 Bde.; neue Rezension, das. 1804-1807, 4 Bde.; 2. Aufl. 1817; die »Ilias« auch das. 1794, 2 Bde., und als Anhang dazu die »Prolegomena ad Homerum«, das. 1795),
von Lukian »Scripta selecta« (das. 1786),
und »Libelli quidam selecti« (das. 1791),
»Tetralogia dramatum graecorum« (das. 1787),
Demosthenes' »Adversus Leptinem« (das. 1789; neue Ausg. von Bremi, Zürich [* 16] 1831),
Platons »Phädon« (das. 1790; vgl. »Zu Platons Phädon«, Berl. 1812) und »Dialogorum delectus« (mit klassischer lat. Übersetzung, das. 1812, ohne dieselbe 1820 u. 1827). Von Lateinern bearbeitete er Ciceros »Tuskulanen« (Leipz. 1792, 3. Aufl. 1825),
»Orationes IV: Post reditum in senatu, Ad Quirites post reditum, Pro domo sua, De haruspicum responsis« (Berl. 1801) und »Pro Marcello« (das. 1802, die er ebenso wie die vier genannten für unecht erklärte) sowie den Sueton (Leipz. 1802, 4 Bde.). Als trefflicher Übersetzer bewährte er sich in der Ausgabe von Aristophanes' »Wolken« (Berl. 1812) und dem Anfang der »Acharner« (1-324, das. 1812) sowie von Horaz' erster Satire (das. 1813). Sonst veröffentlichte er: »Geschichte der römischen Litteratur als Grundriß« (Halle 1787),
»Antiquitäten von Griechenland« [* 17] (das. 1787) und an Sammelwerken: »Vermischte Schriften und Aufsätze« (das. 1802),
»Museum der Altertumswissenschaft« (mit Buttmann, Berl. 1807-10, 2 Bde.),
»Museum antiquitatis studiorum« (das. 1808-11, 2 Tle.),
»Litterarische Analekten« (das. 1817-20, 4 Hefte). Auch gab er Murets »Variae lectiones« (Bd. 1, Halle 1791; Bd. 2 von Fäsi, 1828) und Reiz' »De prosodiae graecae accentus inclinatione« (Leipz. 1791) heraus. Nach seinem Tod erschienen, meist aus Kollegienheften entnommen, seine »Vorlesungen über die vier ersten Gesänge von Homers Ilias« (von Usteri, Bern [* 18] 1830-31, 2 Bde.),
seine Anmerkungen zu Ciceros »Quaestiones Tusculanae« (in der besondern Ausgabe derselben von Orelli, Zürich 1829) und zu Hesiods »Scutum Herculis« (in der Ausgabe von Ranke, Quedlinb. 1840); ferner die »Encyklopädie der Philologie« (von Stockmann und Berat, Leipz. 1830, 2. Ausg. 1845),
die »Vorlesungen über die Altertumswissenschaft« (von Gürtler, das. 1831-35, 5 Bde.),
die »Darstellung der Altertumswissenschaft« (von Hoffmann, das. 1833) und »Consilia scholastica« (von Föhlisch, Wertheim 1829 f., 2 Hefte). »Kleine Schriften« sammelte Bernhardy (Halle 1869, 2 Bde.). Aus dem Nachlaß veröffentlichte sein Schwiegersohn Körte die »Ideen über Erziehung, Schule und Universität« (Quedlinb. 1835). Sein wissenschaftlicher Nachlaß ist für die königliche Bibliothek in Berlin angekauft worden.
Vgl. Körte, Leben und Studien F. A. Wolfs (Essen [* 19] 1833, 2 Bde.);
Arnoldt, F. A. Wolf in seinem Verhältnis zum ¶
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Schulwesen (Braunschw. 1861-62, 2 Bde.);
Baumstark, F. A. Wolf und die Gelehrtenschule (Leipz. 1864);
M. Bernays, Goethes Briefe an F. A. Wolf (Berl. 1868);
Varnhagen von Ense, Zum Andenken an F. A. Wolf (»Vermischte Schriften«, Bd. 1, das. 1875);
Volkmann, Geschichte und Kritik der Wolfschen Prolegomena zu Homer (Leipz. 1874).
3) Ferdinand, ausgezeichneter Romanist, geb. zu Wien, [* 21] trieb bis 1819 in Graz [* 22] philosophische und juristisch-politische Studien, beschäftigte sich dann in Wien vorzüglich mit Litteraturgeschichte und ward 1819 zum Skriptor, später zum Kustos an der kaiserlichen Hofbibliothek und bei Begründung der Akademie der Wissenschaften in Wien zum Mitglied und Sekretär [* 23] derselben ernannt. Er starb in Wien. Von seinen selbständigen Werken sind hervorzuheben: »Über die neuesten Leistungen der Franzosen für die Herausgabe ihrer National-Heldengedichte« (Wien 1833);
»Die Sage vom Bruder Rausch« (mit Endlicher hrsg., das. 1835);
»Floresta de rimas modernas castellanas« (Par. 1837, 2 Bde.);
»Über die Lais, Sequenzen und Leiche« (Heidelb. 1841);
»Rosa de romances« (Leipz. 1846; auch als 3. Teil von Deppings »Romancero«);
»Über eine Sammlung spanischer Romanzen in fliegenden Blättern auf der Universitätsbibliothek zu Prag« [* 24] (Wien 1850);
»Studien zur Geschichte der spanischen und portugiesischen Nationallitteratur« (Berl. 1859) und »Histoire de la littérature brésilienne« (das. 1863).
Mit E. Hofmann gab er eine Sammlung der ältesten spanischen Romanzen heraus: »Primavera y flor de romances« (Berl. 1856, 2 Bde.). Außerdem lieferte er zahlreiche vortreffliche Abhandlungen in die Wiener »Jahrbücher der Litteratur«, wovon die meisten auch in Separatabdrücken erschienen, wie: »Beiträge zur Geschichte der kastilischen Nationallitteratur« (Wien 1832);
»Über altfranzösische Romanzen und Hofpoesie« (das. 1834);
»Über die Romanzenpoesie der Spanier« (das. 1847) etc. Zur deutschen Übersetzung von Ticknors »Geschichte der spanischen Litteratur« (Leipzig) [* 25] lieferte er Berichtigungen und Zusätze.
Ein Supplement von ihm zu derselben erschien nach seinem Tod (Leipz. 1867), herausgegeben von seinem Sohn und Nachfolger an der Hofbibliothek, Adolf Wolf (gest. 1875), der auch eine Blütenlese aus der Gelehrtenkorrespondenz seines Vaters veröffentlichte.
4) August, lyrischer Dichter, geb. zu Königsberg [* 26] i. Pr., studierte an der Universität seiner Vaterstadt Medizin und wandte sich dann litterarischen Bestrebungen zu, die bei dem Widerspruch poetischer Empfindung u. zersetzender scharfer Selbstkritik größtenteils nur fragmentarische Resultate ergaben. Seit 1849 brustkrank, suchte Wolf vergeblich Heilung in Italien, [* 27] lebte dann in Meran, [* 28] Stuttgart [* 29] und Mainz, [* 30] wo er starb. Aus seinem Nachlaß traten »Gesammelte und nachgelassene Schriften« (Dresd. 1864) hervor, von denen einzelne Gedichte und Novellen (»Der Stern der Schönheit«) Zeugnis für die Tiefe und Originalität dieses sich selbst zerstörenden Talents abgeben.
5) Rudolf, Astronom, geb. zu Zürich, studierte daselbst, in Wien und Berlin, war 1839-1855 Lehrer der Mathematik und Physik an der Realschule und zugleich seit 1844 Dozent an der Universität sowie seit 1847 Direktor der Sternwarte [* 31] in Bern. 1850 ward er Professor der Astronomie [* 32] am Polytechnikum und Direktor der Sternwarte in Zürich, später Professor an der dortigen Universität, in weitern Kreisen bekannt durch seine mathematisch-historischen Arbeiten sowie durch seine Untersuchungen über die Periodizität der Sonnenflecke.
Von 1842 bis 1855 redigierte er die »Mitteilungen der Naturforschenden Gesellschaft in Bern", , später die »Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich". . Er schrieb: »Biographien zur Kulturgeschichte der Schweiz« [* 33] (Zürich 1858-62, 4 Bde.);
»Taschenbuch für Mathematik, Physik, Geodäsie und Astronomie« (Bern 1852, 5. Aufl. 1877);
»Die Sonne [* 34] und ihre Flecken« (Zürich 1861);
»Handbuch der Mathematik, Physik, Geodäsie und Astronomie« (das. 1872, 2 Bde.);
»Geschichte der Astronomie« (Münch. 1877);
»Geschichte der Vermessungen in der Schweiz« (Zürich 1879).
6) Adam, österreich. Historiker, geb. zu Eger, [* 35] studierte in Prag und Wien die Rechte, wurde 1846 Doktor der Philosophie, 1850 Dozent der Geschichte an der Universität Wien, 1852 Professor der Geschichte an der Universität in Pest, 1856 Erzieher der Töchter des Erzherzogs Albrecht, 1865 Professor in Graz, 1870 korrespondierendes, 1873 wirkliches Mitglied der k. k. Akademie der Wissenschaften in Wien und starb in Graz. Er ist der erste, der die neuere österreichische Geschichte mit Sachkunde und Freimut zu bearbeiten begann, und hat durch seine auf gründlichen Studien beruhenden trefflichen Werke die Kenntnis der Staats- und Kulturgeschichte Österreichs bedeutend gefördert. Er schrieb: »Österreich [* 36] unter Maria Theresia« (Wien 1855);
»Aus dem Hofleben Maria Theresias« (2. Aufl. 1859);
»Marie Christine, Erzherzogin von Österreich« (1863, 2 Bde.);
»Kaiser Franz I. 1804-11« (1866);
»Fürst Wenzel Lobkowitz« (1869);
»Die Aufhebung der Klöster in Innerösterreich« (1871);
»Fürstin Eleonore Liechtenstein« [* 37] (1875);
»Geschichtliche Bilder aus Österreich« (1878-80, 2 Bde.) und »Geschichte Österreichs unter Maria Theresia und Joseph II.« (Berl. 1883);
endlich zahlreiche Abhandlungen über österreichische Geschichte in den Schriften der Wiener Akademie.
Außerdem gab er den Briefwechsel Leopolds II. mit Marie Christine (1867),
die Selbstbiographien von Lukas Geizkofler (1873) und des Malers Karl Blaas (1876) sowie »Volksmärchen aus Venetien« (1866) und »Volkslieder aus dem Egerlande« (1869) heraus.