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in der gleichzeitig durchgeführten lotrechten und wagerechten Gliederung noch den gemeinsamen Einfluß der norddeutsch-mittelalterlichen und italienisch-antikisierenden Bauweise erkennen, während die Einzelformen vorwiegend der Spätrenaissance angehören. Der obere Abschluß dieser Wohnhäuser [* 2] ist entweder, wie in [* 1] Fig. 6, durch einen gegliederten, oben geschweiften Giebel oder, wie in [* 1] Fig. 9, durch eine mit Standbildern geschmückte Brüstung bewirkt, welche das vorn abgewalmte Dach [* 3] verdeckt.
Die Neuzeit brachte indes nicht nur am Äußern des deutschen Wohnhauses Veränderungen hervor, indem sich nach dem Dreißigjährigen Krieg der französische und italienische Einfluß wie auf andern Gebieten so auch auf die Anordnung der Grundrisse geltend machte. Die nach der Straße geöffneten Bogengänge verschwanden, während an deren Stelle die Kaufläden traten und die Gewerbthätigkeit sich mehr in das Innere zurückzog. Zugleich trat die Familie gegen ihre einzelnen Glieder [* 4] zurück, von welchen jedes allmählich sein eignes heizbares Arbeitszimmer verlangte, während die Halle [* 5] vorwiegend zum Empfang diente und so allmählich zum Salon wurde.
Das Wohnhaus [* 6] der Gegenwart (s. Tafel II, [* 1] Fig. 1-9) nimmt nun, seiner besondern Bestimmung entsprechend, verschiedene Gestalten und Einrichtungen an, worunter als Hauptgattungen hervorzuheben sind:
1) das frei stehende Wohnhaus mit allseitigem Luft- und Lichtzutritt;
2) das eingebaute Wohnhaus mit beschränktem Luft- und Lichtzutritt;
3) das halb eingebaute Wohnhaus mit einseitig beschränktem Luft- und Lichtzutritt, wovon jedes wieder seine besondere Form erhält, je nachdem es für Stadt oder Land (Villa), für eine oder mehrere Familien, für die Herstellung eines Geschäftslokals bestimmt ist oder nicht. Ist das frei stehende Wohnhaus (Tafel II, [* 1] Fig. 1 u. 2) für eine Familie bestimmt, so besteht dasselbe bei kleinerer Familie meist aus einem Geschoß [* 7] mit ausgebautem Dach, bei größerer Familie aus zwei Geschossen, wovon das Erdgeschoß die Wohnräume, das Obergeschoß die Schlafräume, das Kellergeschoß die Wirtschaftsräume enthält.
Das freistehende Wohnhaus für mehrere Familien erfordert die Herstellung sämtlicher Wohn- und Wirtschaftsräume für je eine Familie in jedem Geschoß, welche gegen die allen Geschossen gemeinschaftliche Treppe [* 8] abzuschließen sind. Die Grundrisse können der allseitigen Zugänglichkeit des Lichts wegen sehr tief, z. B. quadratisch und selbst von größerer Tiefe als Breite [* 9] sein. Zur Ausnutzung aller der Straße zugekehrten Räume ist, wenn nicht ein Geschäftslokal dies anders verlangt, der Eingang an die Seite zu legen.
Ist das eingebaute Wohnhaus für eine Familie bestimmt, so erhält dasselbe auf beschränktem Grundriß von verhältnismäßig geringer Tiefe zwei und mehr Geschosse, worin bei drei Geschossen in dem Erdgeschoß die gewöhnlichen Wohn- und Wirtschaftsräume, in dem mittlern Geschoß die Gesellschaftsräume, in dem Obergeschoß die Schlafräume untergebracht werden können. Das eingebaute Haus für mehrere Familien erfordert eine ähnliche Anordnung wie das entsprechende freigebaute Haus, jedoch mit den durch das Fehlen des Seitenlichts bedingten Beschränkungen.
Das halb eingebaute Wohnhaus bildet mit dem angebauten Wohnhaus meist ein frei stehendes Doppelhaus, welches, je nachdem es für eine oder mehrere Familien bestimmt ist, unter Berücksichtigung der abweichenden Verhältnisse, mit ähnlichen Raumdispositionen versehen werden kann als die zuvor genannten. Beispiele von Erkern und erkerartigen Vorbauten geben die Figuren (Tafel II) 10 u. 11, welche bez. den Eingang einer Villa in Hurley und einen Teil einer Vorstadtvilla in London [* 10] darstellen.
Die Gegenwart neigt auch bei Wohnhäusern zu turmartigen Entwickelungen, wie dies die gotisierenden Villen in [* 1] Fig. 12 u. 13 zeigen. Der Stil des Wohnhauses der neuern Zeit zeigt vorwiegend die Formen der Früh- und Hochrenaissance mit denjenigen Eigentümlichkeiten, welche diese Stile in den einzelnen Ländern angenommen haben. So wurde bei dem deutschen Wohnhaus wieder zu dem Stil der deutschen Renaissance zurückgegriffen. Neben diesen einfachern, gesetzmäßigen Formen des Wohnhauses treten jedoch bereits Wohngebäude auf, welche zu den reichern, willkürlichern Formen des Barock- und Rokokostils zurückgreifen.
Vgl. im allgemeinen die bei Artikel Baukunst [* 11] angegebene geschichtliche Litteratur; außerdem Wohnhaus. Lange, Das antike griechisch-römische Wohnhaus (Leipz. 1878);
Studien zur Geschichte des antiken Wohnhauses (das. 1885);
Viollet le Duc, Histoire de l'habitation humaine (Par. 1875);
Derselbe, Habitations modernes (das. 1874-75, 2 Bde.);
Nash, Mansions of England in the olden time (neue Ausg., Lond. 1869-71, 4 Bde.);
Dohme, Das englische Wohnhaus (Braunschw. 1888);
Rowald, Die neuern Formen des deutschen Wohnhauses (Hannov. 1889) und die Litteratur bei Artikel Bauernhaus [* 12] und Holzbaukunst.