3) Johannes, Chemiker, ältester Sohn von Wislicenus 1), geb. 24. Juni 1835 zu Klein-Eichstädt bei Querfurt, studierte in Halle Mathematik
und Naturwissenschaften, wurde Assistent am chemischen Laboratorium und widmete sich nunmehr ausschließlich der Chemie. Nach
der Auswanderung der Familie nach den Vereinigten Staaten 1853 wurde er Assistent bei Horsford in New Cambridge.
Später unterhielt er in New York zwei Jahre hindurch ein analytisches Privatlaboratorium und hielt am Mechanics' Institute
technisch-chemische Vorlesungen. 1856 ging er mit den Eltern nach Zürich,
setzte nun die chemischen Studien an der Universität und
dem Polytechnikum fort und ging wieder als Assistent von Heintz nach Halle. 1860 promovierte Wislicenus in Zürich
und habilitierte
sich an Universität und Polytechnikum.
Bald wurde er Professor an der Universität, 1870 aber ging er an das Polytechnikum über; 1871 wurde er zum Direktor dieser Lehranstalt
ernannt, folgte aber 1872 einem Ruf nach Würzburg und 1885 einem solchen nach Leipzig. Wislicenus hat stets thätigen
Anteil an der Entwickelung der theoretischen Ansichten der Chemie genommen. Schon seine Inauguraldissertation betraf die Theorie
der gemischten Typen, und später trug er mit dazu bei, die Typentheorie überzuführen in die heute gültigen Ansichten über
die Valenz der Atome und die Struktur der chemischen Verbindungen.
Sehr wichtig in dieser Beziehung sind seine Arbeiten über die zweiatomigen Alkohole (Glykole) und die
zweiatomigen Säuren (Oxysäuren). Andre Arbeiten betrafen die Milchsäure, die Isomeren und Homologen derselben, den Acetessigsäureäther,
den Natriumacetessigsäureäther und die zahlreichen von diesen Körpern sich ableitenden Derivate. Er lieferte auch eine neue
Bearbeitung von Regnault-Streckers »Lehrbuch der Chemie« (Braunschw. 1874 u.
1877, 2 Bde.). - Sein Bruder Hugo Wislicenus, geb. 29. Dez. 1836 zu Klein-Eichstädt, seit 1862 an der Universität Zürich
für Germanistik habilitiert,
bei einer Besteigung des Tödi 8. Aug. 1866 verunglückt, schrieb: »Die Symbolik von Sonne und Tag in der germanischen Mythologie«
(Zürich
1862) und die von seinem Vater herausgegebenen Abhandlungen: »Loki, Das Nibelungenlied, Das Dionysostheater
in Athen« (das. 1867).
die zweite See- und Handelsstadt des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin, an der Südspitze einer durch die
Inseln Poel und Lieps geschützten Bucht der Ostsee, Knotenpunkt der Linien Kleinen-Wismar und Wismar-Rostock der Mecklenburgischen Eisenbahn,
ist regelmäßig gebaut, hat vier Thore und noch viele mittelalterliche Giebelhäuser. Die hervorragendsten
Gebäude sind: die Marienkirche im gotischen Stil mit einem 80 m hohen Turm aus dem 14. Jahrh.;
die Georgenkirche aus dem 14. und 15. Jahrh.,
neuerdings renoviert;
die zierliche, hohe Nikolaikirche, aus dem 15. Jahrh., ebenfalls renoviert, mit alten Wandmalereien;
die Heilige-Geistkirche, das Rathaus mit gotischem Kellergewölbe, die »alte Schule«, ein gotischer Bau,
um 1300 aufgeführt, jetzt Altertumsmuseum, der Fürstenhof, eins der seltenern Beispiele durchgebildeten Backsteinbaues,
im Stil der italienischen Frührenaissance, von Herzog Johann Albrecht im 16. Jahrh. begonnen, neuerdings restauriert, früher
Residenz der Herzöge, später schwedisches Tribunal, jetzt Amtsgericht, das Theater, das neue Schlachthaus
etc. Die Zahl der Einwohner beläuft sich (1885 mit der Garnison (2 Füsilierbat. Nr. 90) auf 15,797
Seelen, meist Evangelische.
Die Industrie besteht
in Fabrikation landwirtschaftlicher Maschinen, Eisengießerei, Glockengießerei,
Ofen-, Dachpappe-, Asphalt- und Zichorienfabrikation, Bierbrauerei, Fischerei etc. Der lebhafte Handel, unterstützt durch den
vortrefflichen Hafen, ist vorzugsweise Seehandel und erstreckt sich namentlich auf Steinkohlen, Holz, Getreide,
Wein, Seegras u. dgl. 1888 liefen in den Hafen ein: 461 Schiffe zu 79,605 Reg.-Ton.; es liefen aus: 477 Schiffe zu 82998 Reg.-Ton.
Wismar hat eine besondere Flagge, Hafen-, Strand- und Zollgerechtigkeit, eigne Gesetzgebung. Gerichtsbarkeit etc.; es ist Sitz der
Domanialämter Mecklenburg-Redentin-Poel und eines Amtsgerichts, hat ein Gymnasium, verbunden mit einer
Realschule, eine Navigations-Vorbereitungsschule, eine Gewerbeschule etc. 5 km nordwestlich in hübscher Lage das Seebad Wendorf
(s. d.). - Die Stadt, deren Ursprung in das 12. Jahrh.
zurückreicht, erhielt 1229 das schwerinische, 1266 das lübische Stadtrecht und kam 1301 an Mecklenburg. Im 13. Jahrh.
trat Wismar dem Hansabund bei u. wurde, obwohl 1376 die Pest an 10,000 Menschen hinwegraffte, eine bedeutende Stadt, geriet aber
seit dem 16. Jahrh. in Verfall. Im Westfälischen Frieden 1649 ward die Stadt zugleich mit der Herrschaft Wismar, welche die zusammen
etwa 6000 Einw. zählenden Domanialämter Neukloster und Poel umfaßte, an Schweden abgetreten, 1675 ward
die stark befestigte Stadt durch die Dänen belagert und durch Kapitulation erobert, jedoch 1678 wieder herausgegeben. 1712 wurde
sie wieder von den Dänen, 1716 aber von den Dänen, Preußen und Hannoveranern belagert, die Besatzung durch Hunger zur Übergabe
gezwungen und darauf die Festung geschleift. 1803 wurde die ganze Herrschaft Wismar von Schweden an Mecklenburg-Schwerin
für 1,258,000 Thlr. verpfändet und auf dem Landtag zu Malchin 1828 unter die Landstände aufgenommen.
Vgl. Schrödern, Beschreibung
der Stadt und Herrschaft Wismar (2. Aufl., Wism. 1860);
Schildt, Geschichte der Stadt Wismar bis zum Ende des 13. Jahrhunderts (Rost.
1872);
Crull, Die Ratslinie der Stadt Wismar (Halle 1875).
Joseph, bayr. Kirchen- und Schulmann, geb. 30. Nov. 1767 zu Freising, ward Priester und Professor in Salzburg, von
wo er 1802 nach München ins Ministerium Montgelas berufen ward, um das höhere Schulwesen im realistisch-philanthropischen Sinn
neu zuordnen. Sein Organisationsplan ward aber von der humanistischen Partei hart angegriffen und 1808 in
deren Sinn von Niethammer wesentlich umgestaltet. Seit 1803 Mitglied der Akademie der Wissenschaften und seit 1815 Vorstand der
akademischen Kalenderkommission, starb Wismayr 8. Juli 1858 in München.
Vgl. Paulsen, Geschichte des gelehrten Unterrichts (Leipz.
1885);
Steinel, Der Wismayrsche Lehrplan (Würzb. 1888).
(Aschblei, Bismuthum, Marcasita) Bi, Metall, findet sich meist gediegen, eingesprengt im Granit, Gneis und Glimmerschiefer
sowie im Übergangsgebirge, in der Regel in Begleitung von Kobalt-, Nickel- und Silbererzen, besonders im sächsischen Erzgebirge
(Schneeberg), in Devonshire und zu Meymac (Departement Corrèze), auch bei Richelsdorf und Bieber in Hessen,
bei Wittich im Schwarzwald, Hasserode im Harz, in Schweden, Norwegen, Ungarn, im Banat, auch in der Schweiz, in Sardinien, Spanien,
Kalifornien, Chile, Bolivia, Peru, Brasilien und Südaustralien; es findet sich ferner mit Sauerstoff verbunden als Wismutocker Bi2O3
mit 89,9 Proz. Wismut,
mehr
mit Schwefel als Wismutglanz Bi2S3 mit 81 Proz. Wismut, mit Kupfer und Schwefel als Kupferwismutglanz Cu2Bi2S6 mit
49,24 Proz. Wismut und mit andern Schwefelmetallen als Silberwismutglanz, Nadelerz, Kobellit, Wismutkobaltkies, Wismutnickelkies,
mit Tellur als Tellurwismut, ferner als kieselsaures (Kieselwismut, Bismutblende) und kohlensaures Wismutoxyd (Bismutit, Wismutspat).
Die Hauptproduzenten von Wismut sind die sächsischen Blaufarbenwerke Oberschlema und Pfannenstiel, in deren
Besitz sich die großen Wismutfundstätten von Schneeberg befinden.
Die Wismut- und Wismutkobalterze werden geröstet und in den Häfen der Schmalteglasöfen unter Zuschlag von Kohle, Eisen und
Schlacken eingeschmolzen. Man erhält hierbei unter der Schlacke zwei scharf getrennte Schichten, von denen die obere aus
Kobaltspeise (Arsenverbindungen von Kobalt, Nickel und Eisen), die untere aus Wismut besteht. Letzteres wird abgestochen, sobald
die Speise erstarrt ist. Zur Reinigung des Rohwismuts von Eisen, Kobalt, Nickel, Blei, Silber, Schwefel, Arsen schmelzt man es vorsichtig
auf einer schwach geneigten Eisenplatte, wobei ein fast chemisch reines Wismut abfließt, während die
strengflüssigern Verunreinigungen zurückbleiben und Arsen sich verflüchtigt.
In den Freiburger ^[richtig wohl: Freiberger] Hütten werden hauptsächlich Blei- und Silbererze mit geringem Wismutgehalt verarbeitet,
welcher sich schließlich beim Abtreiben des Werkbleies im Blicksilber konzentriert. Beim Feinbrennen des letztern verwandelt
sich das Wismut in Oxyd, welches schmilzt und von der porösen Unterlage im Test, die gewöhnlich aus Mergel
besteht, aufgesogen wird. Diese Masse wird mit verdünnter Salzsäure ausgezogen, worauf man aus der geklärten Lösung das
Wismut durch starken Wasserzusatz als Oxychlorid fällt.
Letzteres wird gereinigt, getrocknet und mit Soda, Kohle und Glas in eisernen Tiegeln auf metallisches Wismut verschmolzen (Freiberg).
Auch in Altenberg (Sachsen) erfolgt die Wismutgewinnung auf nassem Weg durch Extraktion wismuthaltiger gerösteter
Zinnerzschliege mit Salzsäure und Fällen der Lösung mit Wasser. In Corrèze, südlich von Meymac, fällt man das Wismut aus der
Lösung durch Eisenstäbe aus und schmelzt dasselbe in Graphittiegeln unter einer Kohlendecke ein.
Das Wismut des Handels enthält noch geringe Mengen von Arsen, Eisen und andern Metallen und wird behufs vollständiger
Reinigung mit Salpeter, Wismutoxyd, basisch salpetersaurem Wismutoxyd oder Braunstein umgeschmolzen. Chemisch reines Wismut erhält
man durch Lösen des Metalls in Salpetersäure, Fällen der Lösung mit der 14fachen Menge Wasser, Kochen des Niederschlags mit verdünnter
Natronlauge, Auswaschen, Lösen in Salpetersäure, abermaliges Fällen und Reduktion des Niederschlags. Wismut ist
rötlichweiß, stark glänzend, auf dem Bruche großblätterig-kristallinisch, hart, sehr spröde, Atomgewicht 210, spez. Gew.
9,8, es schmilzt bei 270°, erstarrt unter beträchtlicher Ausdehnung, ist in hoher Temperatur flüchtig, in trockner Luft unveränderlich,
oxydiert sich oberflächlich in feuchter Luft, verbrennt in der Glühhitze mit bläulicher Flamme zu Wismutoxyd,
widersteht verdünnter Salzsäure und Schwefelsäure, wird von konzentrierter Salzsäure schwer angegriffen, gibt mit heißer
konzentrierter Schwefelsäure schwefelsaures Wismutoxyd, löst sich leicht in Salpetersäure und Königswasser, verbindet sich
leicht mit Chlor, Brom und Jod, auch mit Schwefel und bildet leicht schmelzbare Legierungen. In seinen niedern
Verbindungsstufen ist das Wismut dreiwertig, in den höhern fünfwertig; es bildet mit Sauerstoff ein Oxydul BiO, ein
Oxyd Bi2O3
und Wismutsäureanhydrid Bi2O5. Wismut dient zur Darstellung von Legierungen und einigen Präparaten, die in der Medizin, zu
Porzellanfarben, als weiße Schminke, in der Glasfabrikation etc. benutzt werden.
Das Wismut wird zuerst von Basilius Valentinus erwähnt, doch herrschte lange Zeit Verwirrung über dasselbe,
bis Pott und Bergman die Eigentümlichkeit des Metalls sicher feststellten. Man gewann es als Nebenprodukt bei der Fabrikation
der Schmalte; eine größere Bedeutung gewann es aber erst seit Entdeckung der leichtflüssigen Wismutlegierungen und der Verwendungsfähigkeit
einiger Verbindungen zu medizinischen Zwecken. Die Wismutindustrie begann daher erst vor ca. 50 Jahren und
ist erst in den beiden letzten Dezennien zu beträchtlicher Ausdehnung gelangt. Die Wismutproduktion beträgt gegenwärtig
etwa 25,000 kg, und davon entfallen auf die sächsischen Blaufarbenwerke 18,000, auf Freiberg 2500, Johanngeorgenstadt 1500,
Altenberg 500 und England (aus südamerikanischen und australischen Erzen) 2500 kg.