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militärischen Operationen auf verschiedenen Kriegsschauplätzen und die politischen Verhandlungen über die Herstellung des Deutschen Reichs. Durch die Kaiserproklamation, welche im Versailler Schlosse stattfand, nahm Wilhelm für sich und seine Nachfolger an der Krone Preußen [* 2] den Titel eines »deutschen Kaisers« an und versprach, »allzeit Mehrer des Deutschen Reichs zu sein, nicht an kriegerischen Eroberungen, sondern an den Gütern und Gaben des Friedens auf dem Gebiet nationaler Wohlfahrt, Freiheit und Gesittung«. Am hielt er seinen glänzenden Einzug in Berlin. [* 3]
Rastlos widmete er sich wieder den Regierungsgeschäften, sowohl der Vollendung der militärischen Organisation des Deutschen Reichs als der innern Reform des preußischen Staatswesens. Wie immer pflichtgetreu und streng gesetzlich, hielt er in dem sogen. Kulturkampf gegenüber allen ultramontanen Schmeicheleien und Drohungen entschlossen zu seinen Ministern und wies die Anmaßung des Papstes in seinem berühmten Schreiben vom ebenso entschieden wie würdig zurück.
Den äußern Frieden bemühte er sich durch Versöhnung der Gegensätze und Feindschaften der Nachbarmächte zu sichern. Zu diesem Zweck brachte er im September 1872 den Dreikaiserbund zwischen Deutschland, [* 4] Rußland und Österreich [* 5] zu stande, welcher die beiden letztern Mächte einander näherte und die Aufrechterhaltung des Friedens sich zur Aufgabe machte. Demselben Zweck sollten die Besuche dienen, welchen sich der Kaiser 1873 in Petersburg [* 6] und Wien, [* 7] 1875 in Mailand [* 8] unterzog, wie er es sich denn stets angelegen sein ließ, durch den Eindruck persönlichen Verkehrs auf Besuchen in neuerworbenen Landesteilen beschwichtigend und versöhnend für die Einigung der deutschen Nation zu wirken.
Durch die Erfolge dieser unermüdlichen, aufopfernden Thätigkeit für das Gemeinwohl erlangte Wilhelm eine außerordentliche Beliebtheit, die sich bei seinem 70jährigen Militärjubiläum und an seinem 80. Geburtstag in großartigen Huldigungen aller Stände des deutschen Volkes bewährte. Selten war es einem Fürsten zu teil geworden, wie ihm, noch in hohem Alter, am Spätabend seines Lebens, seinem Haus und Staat solche Ehren zu erringen und nicht bloß der älteste, sondern auch der angesehenste und mächtigste Monarch Europas zu sein.
Um so größeres Erstaunen und Entsetzen mußte es erregen, als ein Leipziger Klempnergeselle, Max Hödel, durch sozialdemokratische Agitationen verwirrt, als der Kaiser mit der Großherzogin von Baden [* 9] in offenem Wagen durch die Linden fuhr, mit einem Revolver [* 10] mehrere, glücklicherweise erfolglose, Schüsse auf ihn abschoß. Noch war die Aufregung hierüber nicht beschwichtigt, als drei Wochen später, 2. Juni (einem Sonntag), als der Kaiser allein nach dem Tiergarten fuhr, fast an derselben Stelle, aus einem Fenster des Hauses Nr. 18 Unter den Linden, zwei Schüsse auf ihn abgefeuert wurden, die ihn erheblich (mit 30 Schrotkörnern in Kopf und Arme) verwundeten.
Der Thäter, Karl Nobiling, wurde, durch einen Selbstmordversuch schwer verletzt, ergriffen. Obwohl der Kaiser so krank wurde, daß er 4. Juni den Kronprinzen zum Stellvertreter ernennen mußte, so bewahrte er dennoch unerschütterliche Seelenruhe und Gleichmut. Unter sorgfältigster Pflege der Ärzte erholte er sich allmählich von der schweren Verwundung und kehrte nach längerm Aufenthalt in Baden und Wiesbaden [* 11] 5. Dez. nach Berlin zurück, wo er die Regierung wieder übernahm.
Die Huldigungen, die ihm während und nach seiner Genesung dargebracht wurden, waren zahllos und großartig. Im Juli ward im ganzen Reich die Wilhelms-Spende aus kleinen Gaben gesammelt; sie ergab 1,800,000 Mk. von 12 Mill. Gebern. Unerschüttert in seiner Liebe und in seinen Vertrauen zum Volk erließ er und die Botschaften an den Reichstag, in denen er die wichtigen sozialen Gesetze für das Wohl der Arbeiter ankündigte. Auch knüpfte er Verhandlungen mit dem neuen friedliebenden Papst Leo XIII. zur Beendigung des Kulturkampfes an. Ungeachtet seiner tief gewurzelten Sympathien für Rußland gab er 1879 seine Zustimmung zum Bündnis mit Österreich.
Unermüdlich war er auch für das Heer thätig und gönnte sich nur im Sommer in Ems und [* 12] Gastein einige Erholung. Diese treue, selbstlose Fürsorge für das Wohl Deutschlands, [* 13] seine schlichte und doch imponierende, würdevolle Erscheinung verschafften ihm eine Popularität in Deutschland und ein Ansehen in der Welt, wie nie zuvor einem deutschen Herrscher; dies zeigte sich bei seiner goldenen Hochzeit, bei seinem 80jährigen Militärjubiläum bei seinem 25jährigen Regierungsjubiläum (2. Jan.) und bei seinem 90. Geburtstag. Schmerzlich getroffen durch die Krankheit seines Sohns und den Tod seines Enkels (des Prinzen Ludwig von Baden), starb Wilhelm nach kurzer Krankheit in Berlin und ward 16. März im Mausoleum zu Charlottenburg [* 14] beigesetzt. Zahlreiche, teilweise großartige Denkmäler wurden ihm errichtet; das 2. westpreußische Grenadierregiment Nr. 7 wurde Grenadierregiment König Wilhelm I. benannt.
Wilhelm war von großer, imposanter Gestalt und regelmäßigen, angenehmen und freundlichen Gesichtszügen. Geregelte Thätigkeit und einfache, mäßige Lebensweise bewahrten ihm bis in sein hohes Alter eine seltene körperliche Rüstigkeit und geistige Frische. Allgemein bewundert wurden seine Liebenswürdigkeit im persönlichen Verkehr und seine unermüdliche Ausdauer in der Erfüllung seiner Pflichten als Monarch sowohl in Staatsgeschäften wie bei den offiziellen Festen.
»Einfach, bieder und verständig«, so hatte seine Mutter ihn 1810 bezeichnet, und so entwickelte er sich harmonisch. Hervorragende, glänzende Geistesgaben zeichneten ihn nicht aus; hauptsächlich nur für militärische und politische Dinge zeigte er Vorliebe, eingehendes Verständnis und selbständiges Urteil, weniger für Künste und Wissenschaften. Bedeutender waren seine Charaktereigenschaften: seine Wahrheitsliebe, Treue, Dankbarkeit, sein sittlicher Mut, seine Standhaftigkeit in gefährlichen, seine Mäßigung in glücklichen Lagen.
Namentlich anzuerkennen waren die Bescheidenheit, mit der er das Verdienst der von ihm selbst ausgewählten Gehilfen, wie besonders Bismarcks, Moltkes und Roons, nicht nur selbst anerkannte, sondern auch die mitunter ihn selbst in Schatten [* 15] stellende Glorifikation derselben ohne Eifersucht ertrug, sowie besonders das strenge Pflichtgefühl, welches ihm das Wohl und die Größe des ihm anvertrauten Staats und Volkes als höchste Richtschnur seines Denkens und Handelns gelten, welches ihn nicht bloß im einzelnen Fall dem Gesetz sich unterwerfen, sondern auch altgewohnte Ansichten und Lieblingsideen seiner Pflicht zuliebe unterdrücken ließ. Kaiser Wilhelm war ein glänzendes Beispiel dafür, daß im Staatsleben ein Charakter weit mehr wert ist als ein Talent.
Vgl. L. Schneider, König Wilhelm, militärische Lebensbeschreibung (Berl. 1869);
Fortsetzung bis 1871, das. 1875);
Wilhelm Müller, Kaiser Wilhelm (das. 1888);
Ferd. Schmidt, Kaiser Wilhelm ¶
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und seine Zeit (3. Aufl., Leipz. 1888);
(L. Hahn) [* 17] Gedenkbuch Kaiser Wilhelms I. (Berl. 1874);
Egelhaaf, Kaiser Wilhelm (3. Aufl., Stuttg. 1888);
Kugler, Kaiser Wilhelm und seine Zeit (Münch. 1888);
Adami, Das Buch von Kaiser Wilhelm (Bielef. 1888);
L. Hahn, Wilhelm, der erste Kaiser des neuen Deutschen Reichs (Berl. 1888);
L. Schneider, Aus dem Leben Kaiser Wilhelms (das. 1888, 3 Bde.);
Kohut, Goldene Worte des Kaisers Wilhelm I. (Leipz. 1888);
E. Simon, Kaiser Wilhelm und sein Reich (a. d. Franz., 2. Aufl., Jena [* 18] 1887);
Lavisse, Trois empereurs (Par. 1888);
Forbes, Kaiser (a. d. Engl., Gotha [* 19] 1888).
3) Wilhelm II. Friedrich Viktor Albert, deutscher Kaiser und König von Preußen, geb. zu Berlin, ältester Sohn des damaligen Prinzen Friedrich Wilhelm und der Prinzessin Viktoria von Großbritannien, [* 20] erhielt im Hause seiner Eltern eine sorgfältige Erziehung, wurde Leutnant im 1. Garderegiment und besuchte nach seiner Konfirmation das Gymnasium in Kassel, [* 21] wo er das Abiturientenexamen machte. Hierauf lernte er den praktischen Militärdienst beim 1. Garderegiment in Potsdam, [* 22] studierte 1877-79 in Bonn [* 23] Staats- und Rechtswissenschaften und übernahm dann als Hauptmann die Führung einer Kompanie des 1. Garderegiments. 1882 wurde er als Major zum Gardehusarenregiment versetzt und ward bald Oberst und Kommandeur desselben.
Gleichzeitig lernte er unter der Leitung des Oberpräsidenten Achenbach den Verwaltungsdienst bei der Potsdamer Regierung kennen. Der Prinz zeigte für alles großen Eifer und lebhaften Anteil und war trotz einer Schwäche im linken Arm, die durch eine Verletzung des Nervs bei seiner Geburt verursacht wurde, ein trefflicher Reiter und Jäger. 1888 zum Generalmajor und Kommandeur der 1. Gardeinfanteriebrigade befördert, ward er durch den Tod seines Großvaters Wilhelm I., der ihm besonderes Vertrauen schenkte, und den er als sein Vorbild verehrte, Kronprinz und nach dem frühen Hinscheiden seines Vaters 15. Juni d. J. deutscher Kaiser und König von Preußen. Er ergriff das Zepter mit kräftiger Hand, [* 24] eröffnete den deutschen Reichstag 25. Juni inmitten aller deutschen Fürsten mit einer schwungvollen Ansprache, in der er seine Friedensliebe betonte, und versprach bei der Eidesleistung im preußischen Landtag 27. Juni, gleich Friedrich II. der erste Diener des Staats zu sein.
Indem er die von Bismarck bisher angeratene Politik zu der seinigen machte und durch Pflege des Bündnisses mit Österreich und Italien [* 25] den Frieden zu sichern bemüht war, suchte er das Vertrauen der Mächte zu seiner Politik durch Besuche bei den bedeutendsten Höfen Europas zu befestigen. Zuerst besuchte er 1888 mit einer Kriegsflotte die Höfe von Petersburg, Stockholm [* 26] und Kopenhagen, [* 27] dann die süddeutschen Höfe, den Kaiser Franz Joseph und den König von Italien, wo er mit Enthusiasmus in Rom und [* 28] Neapel [* 29] aufgenommen wurde, 1889 nach einer Nordlandsreise England, Griechenland, [* 30] dessen Kronprinz sich im Oktober d. J. mit seiner Schwester Sophie vermählte, und Konstantinopel. [* 31]
Seinen festen Entschluß, das Gebiet des Deutschen Reichs unvermindert zu behaupten, sprach er mit Nachdruck aus und war eifrig bestrebt, Heer und Flotte in bestem Stand zu erhalten. Wilhelm ist seit vermählt mit der Prinzessin Augusta Viktoria von Schleswig-Holstein [* 32] (geb. Tochter des Herzogs Friedrich von Augustenburg;
fünf Söhne sind bereits dieser Ehe entsprossen: Kronprinz Wilhelm, geb.
Vgl. Graf Douglas, Was wir von Kaiser Wilhelm zu erwarten haben (1888).
[Baden.]
4) Wilhelm Ludwig August, Markgraf von Baden, zweiter Sohn des Großherzogs Karl Friedrich von Baden aus dessen zweiter Ehe mit der Gräfin von Hochberg, geb. zu Karlsruhe, [* 33] führte bis 1817 den Namen Graf von Hochberg, trat 1805 in die Armee ein, machte als Oberst im Hauptquartier Massénas den Krieg von 1809 mit und ward 8. Nov. zum Generalmajor ernannt. 1812 befehligte er in Rußland die badische Brigade. Im Januar 1813 zum Generalleutnant befördert, erhielt er im August das Kommando des neuerrichteten badischen Korps.
Während der Schlachttage von Leipzig [* 34] hatte er diese Stadt selbst besetzt, kapitulierte mit den Verbündeten 19. Okt., lehnte jedoch den Antrag derselben ab, sich mit ihnen zu vereinigen. 1814 leitete er mit 10,000 Mann Badensern, die das 8. deutsche Bundeskorps bildeten, die Blockaden von Straßburg, [* 35] Landau, [* 36] Pfalzburg, Lichtenberg, Lützelstein und Bitsch. Nachdem er 1815 beim Wiener Kongreß die Angelegenheiten der großherzoglich badischen Familie vertreten, befehligte er bei dem Wiederbeginn des Kriegs gegen Frankreich an der Spitze einer aus württembergischen, hessischen und badischen Truppen bestehenden Division die Blockaden von Schlettstadt [* 37] und Neubreisach sowie die Belagerung von Hüningen. Am erhielt er den Titel eines großherzoglichen Prinzen und Markgrafen von Baden. 1819 ward er Präsident der Ersten Kammer, 1825 Kommandeur des badischen Armeekorps und nahm thätigen Anteil an den öffentlichen Angelegenheiten des Landes.
Die Stürme von 1848 bewogen ihn, die Führung der Truppen niederzulegen, und wegen Kränklichkeit gab er später auch seine Stellung als Präsident der Ersten Kammer auf. Er starb Er war seit 1830 vermählt mit Elisabeth, der Tochter des verstorbenen Herzogs Ludwig von Württemberg, [* 38] die ihm vier Töchter gebar und starb.
Vgl. »Denkwürdigkeiten des Generals der Infanterie, Markgrafen Wilhelm von Baden, 1809-15« (hrsg. von Röder v. Diersburg, Karlsr. 1864).
5) Wilhelm Ludwig August, Prinz von Baden, dritter Sohn des Großherzogs Leopold, geb. trat 1849 als Premierleutnant in das preußische 1. Garderegiment zu Fuß, ging 1856 als Major zur Gardeartillerie über und war zuletzt Generalmajor und Kommandeur der Gardeartilleriebrigade. Er schied 1863 aus preußischen Diensten aus und vermählte sich mit der Prinzessin Maria von Leuchtenberg, übernahm 1866 den Oberbefehl über die badische Division im 8. Bundeskorps und zog sich durch seine vorsichtige Führung derselben heftige Angriffe der Gegner seiner deutsch-nationalen Gesinnung zu, welche ihm die Schuld an dem Mißgeschick des Feldzugs zuschoben (vgl. »Zur Beurteilung des Verhaltens der badischen Felddivision im Feldzug 1866«, Darmst. 1866; dagegen: [Schneider] »Der Anteil der badischen Felddivision an dem Krieg 1866 in Deutschland«, 3. Aufl., Lahr [* 39] 1867), befehligte 1870 im Kriege gegen Frankreich die badische 1. Brigade im Werderschen Korps, ward bei Nuits schwer verwundet, gehörte als badischer Abgeordneter 1871-1873 dem Reichstag (Reichspartei) an und ward zum General der Infanterie ernannt.
[Bayern.]
6) Wilhelm IV., Herzog von Bayern, Sohn Albrechts IV. (gest. 1508), regierte erst unter Vormundschaft, seit 1511 selbständig, jedoch eine ¶