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der Gemahlin Napoleons, der Erzherzogin Maria Luise, das Herzogtum Parma [* 2] auf Lebenszeit zugesprochen. Modena bekam Herzog Franz von Este zurück, Genua [* 3] wurde mit dem hergestellten Königreich Sardinien [* 4] vereinigt. Gegen die Bemühungen Talleyrands, Murat aus Neapel [* 5] zu vertreiben und Ferdinand IV. von Sizilien [* 6] wieder einzusetzen, machten Österreich [* 7] und England anfangs den Vertrag geltend, in welchem sie vor Napoleons Sturz Murat die Krone von Neapel zugesichert hatten. Da derselbe jedoch 1815 zu den Waffen [* 8] griff und nach der Rückkehr Napoleons auf den Thron [* 9] von Frankreich selbst Österreich mit einem Angriff bedrohte, wurde Neapel den Bourbonen zurückgegeben. Der Kirchenstaat wurde im frühern Umfang hergestellt; nur behielt Österreich den Teil Ferraras am linken Po-Ufer und das Besatzungsrecht der Plätze Ferrara [* 10] und Comacchio aus militärischen Rücksichten. Österreich selbst erhielt in Italien [* 11] die Lombardei und Venetien nebst Friaul, Istrien [* 12] und Dalmatien. Ferner wurden ihm Tirol [* 13] und Vorarlberg, Salzburg, [* 14] endlich Galizien zurückgegeben.
Wiewohl Napoleon I. im Vertrag vom den ungestörten Besitz der Insel Elba von den Mächten zugesichert erhalten, betrieben doch die italienischen Fürsten, Österreich, Frankreich und England die Verbannung des Kaisers in eine ferne Zone. Da traf plötzlich am Abend des die Kunde ein, Napoleon habe Elba verlassen, und schon am 8. brachte ein Kurier aus Sardinien die Nachricht, er sei an der Küste der Provence gelandet. Trotz der Bestürzung faßte man den Beschluß, die Verhandlungen fortzuführen. Am 13. März erklärte auf Metternichs Antrag der Ausschuß der Acht, daß der Vertrag vom gelöst sei und Napoleon durch abermalige Störung des Friedens Europas den Schutz der Gesetze und der bürgerlichen Ordnung verwirkt habe, und 25. März schlossen Österreich, England, Rußland und Preußen [* 15] einen Allianztraktat, dem auf Einladung auch die Bourbonen und alle übrigen Fürsten und Staaten beitraten.
Während eine besondere Kommission die Vorbereitungen zum Kampf traf, beeilte sich die Diplomatie, die Verhandlungen zu Ende zu bringen. Im Drang der Umstände kamen selbst noch die deutschen Angelegenheiten zu einem kaum gehofften Abschluß. Die Entschädigungen, Ausgleichungen und Territorialverhältnisse der einzelnen Staaten Deutschlands: [* 16] Hannovers, das den Rang eines Königreichs erhielt, Bayerns, Württembergs, Badens etc., wurden in dem Ausschuß der Acht verhandelt, gelangten aber nicht zur völligen Abfertigung.
Man errichtete darum aus den Bevollmächtigten Österreichs, Preußens, [* 17] Rußlands und Englands zu Frankfurt [* 18] eine Territorialkommission, welche durch den Rezeß vom die deutschen Gebietsverhältnisse vollends ordnete. Wichtig war namentlich die Anerkennung und Abrundung der großen Mittelstaaten im südlichen und mittlern Deutschland. [* 19] Die Entscheidung über die Stellung der Mediatisierten behielt der Kongreß meist den beteiligten Souveränen und dem Deutschen Bund vor. An diese letzten Verhandlungen des Kongresses schlossen sich die Arbeiten über den Flußverkehr und die deutsche Militärverfassung.
Einen Gegenstand von allgemein menschlichem Interesse betraf die Erklärung der acht Mächte vom gegen die Sklaverei und den Sklavenhandel. Eine vom Ausschuß der Acht ausgearbeitete und von den Bevollmächtigten desselben Ausschusses unterschriebene sogen. Schlußakte oder Generalakte vom faßte die Resultate des Kongresses zusammen. Die Artikel 15-64 betrafen lediglich Deutschland und bezogen sich hauptsächlich auf die neue territoriale Gestaltung desselben.
Außerdem enthielt die Akte auch die Gewährleistung der deutschen Bundesakte mit ihren Verheißungen, die Gewährleistung der Verfassung und Verwaltung des Königreichs Polen, die Gewährleistung des Gebiets, der Freiheit und der Neutralität des Staats Krakau. [* 20] Außer Spanien [* 21] protestierte auch der Papst gegen die Schlußakte. An den Kongreß reihten sich der Sieg der Verbündeten bei Waterloo [* 22] und der zweite Pariser Friede vom der die Schlußakte schon insofern veränderte, als Frankreich zur Sicherheit Europas einige Gebiete (Savoyen, Landau, [* 23] das Saargebiet) abtreten mußte.
Was nun den politischen Wert dessen anlangt, was der wiener Kongreß zu stande brachte, so ist das Resultat in anbetracht der ungeheuern Schwierigkeiten, der zahllosen sich widersprechenden und bekämpfenden Ansprüche und der kurzen Zeit ein bedeutendes. Nur fehlte demselben, der Charaktereigentümlichkeit der leitenden Persönlichkeiten, Alexanders I. und Metternichs, entsprechend, ein festes Prinzip und daher die Bürgschaft längerer Dauer. Vor allem haben die Teilnehmer des Kongresses ihr Werk mehr im Interesse der großen Dynastien als in dem der Völker vollzogen und die Hauptaufgaben, die sie sich gestellt, nicht genügend gelöst, weder die Gründung eines politischen Gleichgewichts unter den Mächten (denn England ward durch den Kongreß übermächtig zur See wie Rußland zu Land), noch die Neuordnung der Verhältnisse in Italien, besonders aber in Deutschland, mit der niemand zufrieden war, und durch die namentlich das deutsche und preußische Volk um den Preis seiner Aufopferung betrogen wurde. Die Bestimmungen und Verheißungen dieser Verträge wurden in der Folge von den verschiedenen Mächten so oft unerfüllt gelassen und einseitig aufgehoben, als es ihre Sonderinteressen verlangten und die Verhältnisse gestatteten. Klüber gab die »Akten des Wiener Kongresses« (Frankf. 1815-35, 9 Bde.) und eine »Übersicht der diplomatischen Verhandlungen des Wiener Kongresses« (das. 1816) heraus. Flassan schrieb eine lobhudelnde »Histoire du congrès de Vienne« (Par. 1829; deutsch, Leipz. 1830, 2 Bde.).
Vgl. außerdem Lagarde, Fêtes et souvenirs du congrès de Vienne, etc. (Par. 1843, 2 Bde.; deutsch, Leipz. 1845, 3 Bde.);
Posselt, Europäische Annalen, Codex diplomaticus, Jahrgänge 1815-17; Graf d'Angeberg, Le [* 24] congrès de Vienne et les traités de 1815 (Par. 1864, 4 Bde.).