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gebracht wurde. Die Gesamtkosten desselben bezifferten sich mit Hinzurechnung der Kosten für die Einlösung, Anschüttung und Wertserhöhung der im frühern Überschwemmungsrayon gewonnenen Gründe, dann für den Bau der einen Donaubrücke auf rund 32 Mill. Gulden. Seither wurde jedoch eine Fortsetzung des Unternehmens in Angriff genommen und zwar einerseits von Wien [* 2] aufwärts bis zur Mündung der Isper in die Donau und abwärts von Fischamend bis an die Landesgrenze bei Theben.
Ein andres Regulierungsobjekt, bei welchem aber zunächst die sanitären Rücksichten in den Vordergrund treten, bildet der Wienfluß. Bei kleinem Wasserstand verursacht dieser Fluß, in welchen außerhalb der Stadt Kanäle münden und in welchen zahlreiche Fabriken ihre Abfälle leiten, gesundheitsschädliche Ausdünstungen. Nach dem neuesten Projekt soll das Wienbett im Gemeindegebiet von Wien bis zum Stadtpark überwölbt und auf dem dadurch gewonnenen Grund ein Boulevard gebaut, auch sollen bei Weidlingau Reservoirs zur Aufnahme der Hochwasser hergestellt werden. Als Verkehrsweg ist endlich noch der Wiener-Neustädter Schiffahrtskanal zu erwähnen, welcher 1797-1804 als Anfangsstrecke eines längern Kanalzugs, dessen weitere Ausführung jedoch unterblieb, erbaut wurde. Er führt, 64 km lang, von Wiener-Neustadt nach Wien, wo er nahe der St. Marxer Linie endigt, hat 40 Kammerschleusen und wird von der Leitha und dem Kehrlich gespeist.
Für den lokalen Verkehr innerhalb der Stadt und in den Vorstädten, Vororten und Umgebungen Wiens dient eine große Zahl von Lohnfuhrwerken und zwar (1888) 954 Zweispänner oder Fiaker, 1220 Einspänner oder Komfortabels, 667 Stellwagen auf öffentlichen Standplätzen und 233 Linienwagen. Wesentlich verbessert wurden die Verkehrsverhältnisse durch die 1865 entstandene Pferdebahn (Wiener Tramway), die aus einer geschlossenen Linie um die innere Stadt mit Abzweigungen zum Nordwestbahnhof, Augarten, Franz Josephs-Bahnhof, nach Döbling und Währing, Hernals-Dornbach, durch die Josephstädter und Lerchenfelder Straße, nach Penzing, Meidling, zur Matzleinsdorfer Linie, zur Südbahn und nach Favoriten, über den Rennweg und die Landstraße nach Simmering und zum Zentralfriedhof, zur Sophienbrücke, zum Praterstern, endlich vom Praterstern zur Rotunde, zu den städtischen Bädern und in die Brigittenau besteht, zusammen in einer Ausdehnung [* 3] von 62 km. Seit 1872 besteht noch eine zweite, die neue Wiener Tramwaygesellschaft, welche eine Linie vom Opernring nach Meidling (von da Dampftramway nach Neudorf), ferner eine Linie vom Schottenring nach Nußdorf (von da Dampftramway zum Bahnhof der Kahlenbergbahn), ferner mehrere Pferdebahnlinien in den Vororten, zusammen 36,8 km, angelegt hat.
Die Personenfrequenz der beiden Pferdebahnunternehmungen betrug 1888 ca. 50 Mill., die Zahl der Wagen 880. Dem Verkehr zwischen Wien und der Umgebung dienen außerdem die Dampftramways von der Hundsturmer Linie über Schönbrunn nach St. Veit und Mödling, dann von der Stephaniebrücke über Floridsdorf nach Stammersdorf und Groß-Enzersdorf (45,4 km), ferner die auf dem Donaukanal verkehrenden Lokalboote und die von den Bahnhöfen nach den nächsten Eisenbahnstationen in kurzen Zwischenräumen abgehenden Lokalzüge, endlich die Transportgesellschaft für den Güterverkehr. Übrigens fehlte es nicht an Projekten, die Verkehrsverhältnisse, namentlich durch den Bau einer Stadtbahn, zu verbessern.
Dem hoch entwickelten Post- und Telegraphenverkehr dienen in der Stadt und Umgebung 55 ärarische und 19 nichtärarische Postämter. Für den Betrieb des Staatstelegraphen bestehen in Wien 43 und in der nächsten Umgebung 16 Telegraphenstationen. Hierzu kommt noch die Privattelegraphengesellschaft, welche in Wien 101 Stationen unterhält. Die pneumatische Post wurde 1875 eingeführt, umfaßt 19 Stationen und hat eine Rohrleitung von 22,4 km Länge. Für den Telephonverkehr bestehen die ärarischen Leitungen nach Brünn, [* 4] Baden, [* 5] Vöslau, Wiener-Neustadt und Reichenau, dann die Anlagen der Privattelegraphengesellschaft, zusammen mit 485 km langen Leitungen und 1204 Stationen.
Wohlthätigkeits- und Sanitätsanstalten.
Wien ist außerordentlich reich an Humanitäts- und Wohlthätigkeitsinstituten aller Art. Hierzu gehören: das bereits erwähnte Armenversorgungshaus im 9. Bezirk, mit einem Belegraum für 1680 Personen;
das Bürgerversorgungshaus, gleichfalls im 9. Bezirk (für 540 Personen);
4 städtische Versorgungshäuser außerhalb der Stadt (in den Orten Mauerbach, Ips, Liesing und St. Andrä);
6 Grundarmenhäuser in den Vorstädten, welche aus besondern Stiftungen dotiert sind;
das Asyl- und Werkhaus im 10. Bezirk (für 700 Personen);
ein Greisenasyl, 2 Kinderasyle, ein Männer- und ein Frauenasyl;
ein Mädchenrettungshaus;
die Gebär- und Findelanstalt in der Josephstadt (bereits 1784 gestiftet), welche jedoch für die Mehrzahl der Kinder nur Durchgangsstation ist, indem dieselben in die Privatkost auf das Land gegeben werden;
2 Knabenbeschäftigungsanstalten;
die Marienanstalt zur Erziehung armer Waisen- und Dienstmädchen;
das k. k. Invalidenhaus;
das k. k. Taubstummen- und das Blindeninstitut;
die 6 städtischen Waisenhäuser (für je 100 Kinder);
die 14 Volksküchen und 10 Suppen- und Theeanstalten;
der Wärmestubenverein;
52 Kinderbewahranstalten und Kindergärten und 7 Krippen, die Kaiser Franz Joseph-Stiftung zur Unterstützung des Kleingewerbes, der Verein für Arbeitsvermittelung, der Verein zur Unterbringung von Lehrlingen, das k. k. Versatzamt, die Gesellschaft vom Roten und Weißen Kreuz, [* 6] die Freiwillige Rettungsgesellschaft, dann mehrere Frauenwohlthätigkeits- u. Studentenunterstützungsvereine, Rentenanstalten, Pensionsinstitute, Leichenbestattungsvereine und andre Wohlthätigkeits- und Humanitätsvereine.
Obwohl an Sanitätsanstalten keineswegs arm ist, so stellt sich doch bei der raschen Zunahme der Bevölkerung [* 7] die Notwendigkeit einer weitern Vermehrung derselben heraus. Allgemeine Spitäler gibt es eigentlich nur vier: das allgemeine Krankenhaus [* 8] (1784 gegründet, mit 2000 Betten und den Kliniken der Universität), das Spital auf der Wieden (1841 gegründet, seit 1851 Staatsanstalt, mit 630 Betten), das Spital der Rudolf-Stiftung (seit 1864, mit 860 Betten) und das Spital an der Triester Straße (1888 zum Teil eröffnet).
Ausschließlich für das männliche Geschlecht dient das Krankenhaus der Barmherzigen Brüder (1614 gegründet, mit 232 Betten). Ausschließlich für das weibliche Geschlecht bestimmt sind die Spitäler der Elisabethinerinnen auf der Landstraße, der Barmherzigen Schwestern in Gumpendorf mit Filialanstalt in der Leopoldstadt und der Schwestern des heil. Franz von Assisi in Margarethen. Öffentliche Sanitätsanstalten, die nur gewisse Klassen von Kranken aufnehmen, sind außerdem: das Kommunal-Epidemiespital, die beiden Garnisonspitäler, das Priester-, Kranken- und Defizienteninstitut, das Krankenhaus der Wiener Kaufmannschaft, das ¶
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Inquisitenspital im Landesgericht, die sechs Kinderspitäler (darunter das zu St. Anna, zu St. Joseph sowie das Kronprinz Rudolf-Kinderspital), die israelitischen Krankenhäuser im Alsergrund und am Währinger Gürtel, [* 10] das Maria Theresia-Frauenhospital, das Sophienspital, das Rudolfinerhaus u. a. Außerdem gibt es zahlreiche Privatheilanstalten, darunter eine für Augenkranke, eine für Hautkranke, 2 für Gemütskranke, eine orthopädische Heilanstalt, ferner eine Landesgebär- und Findelanstalt, zugleich Impf- und Ammeninstitut, 8 Krankenordinationsinstitute, darunter die allgemeine Poliklinik, u. a. Die berühmteste Sanitätsanstalt ist aber neben dem allgemeinen Krankenhaus die in der Lazarettstraße gelegene Landesirrenanstalt, welche mit den ausgedehnten Gartenanlagen einen Raum von 22 Hektar bedeckt und 700 Kranke aufnimmt (mit Filiale in Kierling).
Die Zahl der Badeanstalten beträgt 43. Seit der Donauregulierung besteht eine große städtische Badeanstalt [* 11] nächst der Rudolfsbrücke, 1876 eröffnet, mit großem Schwimmbassin (3300 qm), vier kleinern Bassins, Separatbädern, Restaurant mit Terrasse etc., dann eine 1875 eröffnete k. k. Militärschwimmanstalt. Schwimmbäder sind ferner namentlich das Sophien- und Dianabad. Trefflich eingerichtet sind die Dampf-, Luft- und Vollbäder im römischen, Sophien-, Diana-, Margarethen-, Esterházy-, Josephsbad etc. Seit 1887 besteht auch ein städtisches Volksbad im 7. Bezirk.
Ein Werk von größter Bedeutung für die Wiener Bevölkerung ist die Hochquellenwasserleitung. Die unzureichende Wasserversorgung Wiens veranlaßte seit 1860 Studien zur Beschaffung von Wasser durch Hochquellen aus dem Bereich des Sand- und Kalksteingebiets. Man entschied sich für Einleitung der Quellen des Kaiserbrunnens im Höllenthal und von Stixenstein bei Buchberg, beide im Gebiet des Schneebergs. Das Wasser hat an der Quelle [* 12] eine Temperatur von 5-6° C., in Wien eine solche von 7-8° und ist außerordentlich rein, geschmack- und farblos.
Der Bau der Wasserleitung [* 13] wurde 1870 begonnen und 1874 vollendet; die Herstellungskosten betragen mit Einschluß der Auflagen für die Reservoirs und Röhrenleitungen gegen 24 Mill. Guld. An beiden Quellen sind Wasserschlösser abgelegt, von wo aus das Wasser in einem gemauerten Kanal [* 14] durch zahlreiche lange Stollen und mehrere große Aquädukte (darunter zwei je 665 m lang) in einer Länge von 98,8 km in die vier großen Reservoirs bei Wien (am Rosenhügel, auf der Schmelz, am Wiener Berg und am Laaer Berg) geführt wird.
Von hier aus verzweigt sich das Röhrennetz (5-95 cm breite Röhren) [* 15] in einer Länge von 285,000 m durch die ganze Stadt. Der tägliche Wasserverbrauch beträgt im Sommer 67,200, im Winter 47,600 cbm. In neuester Zeit wurde diese Anlage für den gesteigerten Bedarf nicht für genügend erachtet und ward daher zunächst ein Schöpfwerk bei Pottschach, gleichfalls im Gebiet des Schneebergs, angelegt (Leistungsfähigkeit 35,000 cbm pro Tag). Auch ist die Heranziehung weiterer Quellen im Gebiet des Schneebergs und der Raxalpe ins Auge [* 16] gefaßt worden.
Die Ableitung der atmosphärischen Niederschläge und der Abfallstoffe wird in Wien mittels eines Kanalnetzes durch ein Schwemmsystem mit natürlicher Spülung und Verstärkung [* 17] derselben durch Einleitung des Überfallwassers der Wasserleitungen bewirkt. Die Aufsammlung und Abführung aller Abfallstoffe und Niederschläge geschieht in dem Donaukanal und zwar teilweise direkt, teilweise durch den Ottakringer und Alsbach, welche beide im Stadtgebiet Wiens überwölbt und in Kanäle umgewandelt sind.
Aus sanitären Rücksichten wurde jede direkte Kanaleinmündung in den Wienfluß aufgehoben und sind parallel mit demselben an beiden Ufern Kanäle erbaut worden, welche alle einmündenden Seitenkanäle aufnehmen und direkt in den Donaukanal leiten. Um auch vom Donaukanal die Abfallstoffe abzuhalten, ist die Ausführung solcher parallelen Sammelkanäle zu beiden Ufern des Donaukanals projektiert. Die Gesamtlänge der Straßenkanäle beträgt 378, jene der Hauskanäle 475 km. Bis auf die neueste Zeit bestanden sieben Friedhöfe in Wien (darunter ein protestantischer mit hübscher kleiner Kirche im byzantinischen Stil von Hansen und ein israelitischer). Da dieselben aber bei der rasch anwachsenden Bevölkerung nicht mehr genügten, wurde seit 1870 von der Kommune ein neuer großer Zentralfriedhof zur Beerdigung der Verstorbenen sämtlicher Konfessionen [* 18] an der Reichsstraße nach Ungarn [* 19] zwischen Simmering und Klein-Schwechat angelegt, welcher mit der Stadt durch die Pferdebahn und den Eisenbahnflügel der Staatseisenbahn in Verbindung steht. Derselbe enthält in einer besondern Abteilung die Ehrengräber berühmter Männer (Beethoven, Mozart und Schubert, der Maler Makart und Amerling, des Mineralogen Mohs, des Kunstforschers Eitelberger, des Erbauers der Semmeringbahn, Ghega, des Parlamentariers Mühlfeld, der Generale John, Heß und Uchatius).
Unterrichts- und Bildungswesen.
An Unterrichtsanstalten ist Wien reich. Voran steht die von Rudolf IV. 1365 gestiftete Universität, nach Prag [* 20] die älteste in Österreich [* 21] und Deutschland [* 22] und nach Paris [* 23] die am stärksten besuchte der Erde, mit 350 Professoren und Dozenten und gegen 6000 Studierenden. Sie bildet namentlich mit ihrer berühmten medizinischen Schule einen Anziehungspunkt auch für ausländische Studierende. Seit einigen Jahren ist sie mit Ausnahme der medizinischen Fakultät in dem monumentalen, von Ferstel errichteten Gebäude (s. oben) untergebracht.
Die wichtigsten Institute, Sammlungen und sonstigen Hilfsmittel der Universität sind: die im neuen Universitätsgebäude befindliche Bibliothek von 340,000 Bänden;
die Sternwarte, [* 24] in einem Neubau auf der Türkenschanze;
das philologische, das historische, das archäologisch-epigraphische, das mathematische, das pädagogische, das rechts- und staatswissenschaftliche Seminar;
das orientalische Institut;
das Institut für österreichische Geschichtsforschung;
der botanische Garten [* 25] mit Museum am Rennweg;
das naturhistorische Museum, aus einer zoologischen und mineralogischen Sammlung bestehend;
das zootomische Institut;
die Zentralanstalt für Meteorologie und Erdmagnetismus (auf einer Anhöhe bei Heiligenstadt);
die drei chemischen Laboratorien;
das physikalische Institut;
das geographische Institut;
das geologische Museum;
die paläontologische Sammlung;
das pflanzenphysiologische Institut;
das physikalisch-chemische Laboratorium; [* 26]
die neue anatomische Anstalt in der Währinger Straße und das dazugehörige anatomische Museum (über 8000 Präparate);
das pathologisch-anatomische Museum im allgemeinen Krankenhaus;
das physiologische, das pathologisch-chemische, das embryologische und das gerichtlich-medizinische Institut;
zwei histologische Institute;
das Institut für experimentelle Pathologie;
die Lehrkanzel für Hygieine;
die pharmakologische Sammlung;
19 gleichfalls mit Sammlungen versehene Kliniken u. a. Andre wissenschaftliche Anstalten mit dem Rang von Hochschulen sind: die technische Hochschule (1815 eröffnet), mit 4 Fachschulen, 91 Lehrern und 800 Studierenden, reichhaltigen Sammlungen von ¶