die im polnischen Reich zunehmende Anarchie machte sich auch in Westpreußen geltend durch Verwahrlosung des Ackerbaues, der Straßen und
der Schulbildung. Nur die Städte bewahrten ihre deutsche Kultur und ihre Selbständigkeit, wenn auch mitunter rohe Gewaltthaten
Polens, wie das Thorner Blutbad (s. Thorn), vorfielen; Danzigs Handel kamen sogar die wirtschaftlichen Zustände
des polnischen Hinterlandes, das von Danzig rücksichtslos ausgebeutet ward, in gewissem Sinn zu gute.
Dennoch war das Land von seiner frühern Blüte unter der Ordensherrschaft gänzlich herabgekommen, als es 1772 durch die
erste polnische Teilung an Preußen fiel; nur Danzig und Thorn blieben damals polnisch, wurden zwar 1793 auch preußisch,
waren aber 1807-13 wieder von Westpreußen getrennt. Westpreußen ward von Friedrich d. Gr. in mehrere Kammerdepartements geteilt und in wenigen
Jahren durch Regulierung der Weichselniederung, Anpflanzungen und Errichtung von Schulen bedeutend gehoben. 1824 ward Westpreußen mit
Ostpreußen zu Einer Provinz, dem Königreich Preußen, vereinigt und in zwei Regierungsbezirke geteilt.
Doch vermochte diese Vereinigung auch unter einem so trefflichen Oberpräsidenten wie v. Schön die durch
die lange Trennung bewirkten Gegensätze in politischer und wirtschaftlicher Beziehung nicht auszugleichen. Westpreußen glaubte sich
stets hinter Ostpreußen, welches der führende Teil schien, zurückgesetzt und wünschte die Trennung, welche auch trotz
des Widerspruchs Ostpreußens durch Gesetz vom erfolgte und ins Leben trat.
Vgl. Pawlowski,
Die Provinz Westpreußen in ihrer geschichtlichen etc. Entwickelung (Danz. 1878);
Schmitt, Die Provinz Westpreußen (Thorn 1879);
Lohmeyer, Geschichte
von Ost- und Westpreußen (2. Aufl., Gotha 1884).
vanTiellandt, Willem Hendrik Jakob, Baron van, niederländ. Historiker und Bibliograph, geb. im
Haag, widmete sich dem Studium der Geschichte und Litteratur und wurde 1807 zum Historiographen des Unionsordens und Adjunkten
beim Reichsarchiv ernannt. Nach der Vereinigung Hollands mit Frankreich seiner Stellen enthoben, lebte er seitdem in Zurückgezogenheit
bis 1813, wo er eifrigen Anteil an der Wiederherstellung der Unabhängigkeit seines Vaterlandes nahm, wurde Mitglied der Ritterschaft
der Provinz Holland und später von derselben zum Abgeordneten am Reichstag ernannt.
Seit 1842 Kurator der königlichen Bibliothek, starb er Von seinen Schriften sind hervorzuheben: »Sur l'invention
et les premiers progrès de la typographie« (1809) und »Esquisse
des progrès de l'imprimerie dans les Pays-Bas pendant les XV., XVI. et XVII. siècles« (1829),
worin er Leiden die erste Idee
zum Bücherdruck mit beweglichen Lettern vindizierte;
dann »Recherches sur la langue nationale de la majeure partie du royaume
des Pays-Bas« (1830).
Seine besonders an Handschriften und ersten Drucken reiche Bibliothek, sein Münzkabinett
und seine Sammlung von ägyptischen, griechischen und römischen Altertümern wurden nach seinem Tod Staatseigentum.
bedeutende Moor- und Fehnkolonie im preuß. Regierungsbezirk Aurich, Kreis Leer, durch einen Kanal mit
der Leda verbunden, hat eine evangelische und eine kath. Kirche, bedeutende Landwirtschaft, Torfstich, Schiffahrt
u. (1885) 2728 Ew.
Kaisertum (abendländisches Reich), der Teil des großen
römischen Reichs, welcher bei der nach Theodosius
d. Gr. 395 eingetretenen Teilung des Reichs Honorius anheimfiel, Italien, Gallien, Britannien, Spanien, Afrika, Dalmatien, Noricum,
Pannonien und Rätien umfaßte und 476 von Odoaker in Besitz genommen wurde; der letzte weströmische Kaiser
war Romulus Augustulus (s. Römisches Reich, S. 949). Am 25. Dez. 800 ward es von Karl d. Gr. erneuert, 962 wieder von dem deutschen
König Otto I., seit welchem es »Heiliges römisches Reich deutscher Nation« hieß; es bestand bis 1806.
[* ] Gesamtname für die russ. Gouvernements Grodno, Kowno, Minsk, Mohilew, Podolien, Wolhynien,
Wilna und Witebsk, welche ehemals zu Polen gehörten, infolge der Teilungen dieses Reichs an Rußland kamen und insgesamt einen
Flächenraum von 420,323,7 qkm (7633,5 QM.)
mit (1885) 12,774,369 Einw. umfassen. S. Karte »Polen und
[* ] Westrußland«.
(abgekürzt Va.), nordamerikan. Freistaat, grenzt an Ohio, Pennsylvanien, Maryland, Virginia und Kentucky. Der
östliche Teil des Staats besteht aus teilweise dicht bewaldeten, fast nirgends kahlen Höhenzügen, welche bis 808 m ansteigen
und sich nach NW. zum Ohio verflachen. Der Ohio bildet 480 km weit die Grenze und empfängt hier den Guyandotte
und die beiden Kanawha. Der Nordosten des Staats liegt im Gebiet des Potomac. Westvirginia ist ein gesegnetes Land, denn nicht nur eignet
sich sein Boden fast überall für Ackerbau und Viehzucht, sondern es besitzt auch ungeheure Schätze an Eisen, Steinkohlen, Petroleum,
Salzquellen, die verschiedensten Metalle und wertvolle Bausteine. Westvirginia hat ein Areal von 64,178 qkm (1165,5
QM.) und (1880) 618,457 Einw., worunter
nur 25,886 Farbige.
Die öffentlichen Schulen wurden 1886 von 172,257 Kindern besucht, aber noch immer können 18,3 Proz. der über 10 Jahre
alten Weißen und 55 Proz. der Neger nicht schreiben. Die Landwirtschaft beschäftigt 61, die Industrie 15 Proz.
der Bevölkerung. Nur 5,353,500 Hektar waren 1880 landwirtschaftlich benutzt. Gebaut wurden Mais, Weizen, Hafer, Kartoffeln und
Tabak. An Vieh zählte man 1889: 139,664 Pferde, 9799 Maultiere, 460,112 Rinder, 484,432 Schafe und 454,417 Schweine.
Das Mineralreich liefert namentlich Steinkohlen (1887: 4,8 Mill. Ton.), Eisen (1887: 82,300 T.), Salz und
etwas Petroleum. Es gab 1880: 2375 gewerbliche Anstalten mit 14,311 Arbeitern und einem Produktionswert von 23 Mill. Doll.
Am wichtigsten waren die 20 Eisen- und Stahlwerke (4021 Arbeiter, Wert 6 Mill. Doll.), die 472 Getreidemühlen, die 487 Sägemühlen,
die 173 Lederfabriken und die 4 Glashütten. An Eisenbahnen hat der Staat (1880) 2092 km. Die gesetzgebende Gewalt
ruht in den Händen eines Senats (26 Mitglieder) und eines Abgeordnetenhauses (65 Mitglieder).
Der Gouverneur sowie andre höhere Beamte werden vierjährlich vom Volke gewählt, und nur die Richter des obersten Gerichtshofs
bleiben 12 Jahre im Amte. Die Revenue belief sich 1886 auf 1,167,515 Doll. Eine Staatsschuld besteht nicht,
denn der Staat weigert sich, die vor seiner Trennung von Virginia gemeinsam eingegangenen Verpflichtungen anzuerkennen. Dagegen
betrugen bereits 1880 die Gemeindeschulden 1,513,434 Doll. Hauptstadt ist (seit 1885) Charleston. Westvirginia trennte sich 1861 vom
östlichen Virginia, welches sich den Konföderierten anschloß, und wurde als eigner Staat in
die Union aufgenommen.