sich in ältern
Zeiten selbst in Staatsangelegenheiten nach den Aussagen ihrer
Priester (s.
Orakel). Außerdem galten noch insbesondere
der unterirdische
Zeus
[* 2] von
Dodona,
Herakles,
[* 3]
Orpheus,
[* 4]
Trophonios und
Äskulap als Vorherverkündigungen gebende
Gottheiten,
Melampus
als ein vergötterter
Ahn einer Prophetenfamilie. Nicht selten waren
Frauen, die man durch betäubende Erdgase in eine
Art
Delirium versetzte, die Verkünderinnen der Zukunft, wie denn bei Griechen und
Römern die Prophetengabe als eine Art heiligen
Wahnsinns dargestellt wurde, z. B. von
Platon und
Cicero.
Die
Römer
[* 5] erhoben ein von den
Etruskern ererbtes und demjenigen der Chaldäer außerordentlich ähnliches Weissagungssystem
zum Regierungsmittel des
Volkes.
Ihre meist ausEtrurien herbeigerufenen und auf
Grund ausführlicher etrurischer
Schriften ihr
Amt versehenden
Augurn (s. d.) und
Haruspices (s. d.) waren lange Zeit Staatsbeamte; ihre Weissagungen aus dem
Flug und dem Fressen der
Vögel,
[* 6] aus den
Eingeweiden der geschlachteten Opfertiere, aus den
Blitzen und andern Naturerscheinungen
waren öffentliche Kultushandlungen.
Noch in späterer Zeit, als das Ansehen dieser Weissager von
Amts wegen sehr gesunken war, vermißten einzelne
Gewalthaber das bequeme
Mittel, den
Sinn des
Volkes zu lenken, und
KaiserClaudius führte einen Senatsbeschluß herbei, der eine
Wiederbelebung dieses Kultuszweigs beabsichtigte.
In den spätern
Zeiten wurde die Privatpraxis durch Chaldäer und
Juden geübt.
Die germanischen und keltischen
Völker legten die
Kraft
[* 7] der Weissagung vornehmlich den
Frauen (den
Alrunen, s. d.)
bei, von denen
Tacitus zwei, die
Velleda und Aurinia, wegen ihres großen
Rufs namentlich aufführt, wie auch bei
Römern und
Griechen einzelne
Beispiele vorkommen, z. B.
Kassandra etc. In
Skandinavien waren die Priesterinnen ganz besonders Weissagerinnen;
die
Kunst war anfangs bei den
Vanen, kam aber durch
Freyja zu den
Asen.
Die Skandinavier unternahmen kein wichtiges
Geschäft, ohne eine Weissagung erhalten zu haben, und die
Sitte blieb auch, als sich das
Christentum unter ihnen verbreitet hatte, obgleich sie mit
Strafen bedroht ward. Die germanischen
Stämme legten außerdem besondern
Wert auf Vorzeichen aus Tierbegegnungen (s.
Angang), auf das
Werfen des
Loses (s. d.) und auf
Ordalien (s. d.).
Auch die
Zweikämpfe gehörten dahin, die man bei
Ausbruch eines
Kriegs zwischen einem Stammesgenossen und einem Gefangenen
der feindlichen
Partei anstellte, und nach deren
Ausgang man auf den des Hauptkampfes schloß.
Die ältere Theologenschule legte denn auch auf die biblischen Prophezeiungen ein großes
Gewicht, die
jüngere weist ihnen ihre
Stelle neben den
Wundern an und behandelt sie von demselben
Gesichtspunkt. Die in
Europa
[* 12] auftauchenden
Zigeuner brachten die Wahrsagerei in neuen Schwung, und unter den gemeinen Leuten hat sich der
Glaube daran bis heute
erhalten.
Hierher gehören auch die Vorzeichen von Todesfällen durchAhnungen, das
Zweite Gesicht, das Sichdoppeltsehen,
das
Kartenschlagen, das
Wahrsagen aus dem Kaffeesatz, durch
Punktieren etc. Nirgends aber gibt man mehr auf diese
Kunst als bei
den heidnischen Völkern aller
Länder und
Zonen; die Wahrsager sind zugleich die
Priester und Zauberer (Schamanen, s.
Schamanismus),
und ihr Wirkungskreis ist hier um so größer, da die geistig tief stehenden
Menschen alle für sie unerklärbaren
Andeutungen für Weissagungen halten.
Vgl. Bouché-Leclercq,Histoire de la divination dans l'antiquité (Par. 1879-81, 4 Bde.);
Lenormant, La divination chez les Chaldéens (das. 1875), und die Litteratur bei
ArtikelMagie.
Die von ihm auf
NicolaisWunsch übernommene Fortsetzung von dessen
»Bibliothek der schönen
Wissenschaften« wurde bald nach
dem Erscheinen des 5.
Bandes unterbrochen durch eine
Reise, die Weiße 1759 mit seinem Zögling nach
Paris
[* 19] machen
mußte, wo ihn eifriger Theaterbesuch zu erneuter dramatischer
Produktion reizte. Nach seiner Heimkehr zu
Ostern 1760 löste
sich das
Verhältnis zu seinem Zögling. Der Dichter verweilte zunächst eine Zeitlang als
Gesellschafter des
GrafenSchulenburg
zu
Burgscheidungen inThüringen und trat dann 1761 die ihm durch vornehme Gönnerschaft erwirkte
Stelle
eines Kreissteuereinnehmers in
Leipzig an, in welcher er bis zu seinem
Tod verblieb. Während seines Aufenthalts bei dem
Grafen¶
mehr
Schulenburg waren die Tragödien: »Crispus«, »Mustapha und Zeangir«, »Rosamunde«, die Lustspiele: »Die Haushälterin«, »Der
Mißtrauische gegen sich selbst« und die »Neue Weiberschule« sowie eine Übersetzung des Tyrtäos und die »Amazonenlieder«
(1760) entstanden. Nach Antritt seines Steueramtes verfaßte Weiße noch eine Reihe von Tragödien und Komödien und die von Hiller
komponierten Singspiele: »Lottchen am Hof«,
[* 21] »Die Jagd«, »Die Liebe auf dem Land« und »Der Erntekranz«.
Für sein eignes Haus hatte er seit 1765 »Lieder für Kinder« gedichtet, die ungemeinen Beifall fanden. In gleichem Maß ward
solcher der pädagogischen ZeitschriftWeißes:
[* 22] »Der Kinderfreund« (1776-82, 4 Bde.)
zu teil, welcher sich der »Briefwechsel der Familie des Kinderfreunds« (1783-92, 12 Bde.) anschloß.
Diese letztern Veröffentlichungen steigerten WeißesPopularität zu einer seltenen Höhe, ähnlich der frühern Gellerts; sie
riefen einen massenhaften Briefwechsel nach allen Gegenden Deutschlands
[* 23] hervor, den Weiße, in pädagogischen Angelegenheiten
um Rat angegangen, mit unablässigem Eifer führte.
Seit 1790 wohnte er auf dem ihm als Erbteil zugefallenen Rittergut Stötteritz. Er starb Weißes
vielseitige schriftstellerische Thätigkeit war an sich in keiner Weise bedeutend, hat aber mittelbar, besonders auf dem dramatischen
Gebiet, einen erheblichen und zum Teil wohlthätigen Einfluß ausgeübt. Freilich kam er als Dramatiker nur wenige Schritte
über die nüchterne Nachahmung der französischen Korrektheit und Rhetorik hinaus; aber selbst Lessing,
welcher in der »Dramaturgie« den beschränkten Standpunkt und die Äußerlichkeit Weißes energisch betonte, mochte ihm nicht
alles Verdienst um die Hebung
[* 24] der deutschen Bühne absprechen.
WeißesLyrik ist bei aller Gewandtheit trivial, am meisten die einst hoch gerühmten »Kinderlieder«, deren Altklugheit
mit echter Kinderpoesie auch nicht einen Blutstropfen gemein hat. Minder verfehlt sind die sonstigen pädagogischen Schriften
des Dichters, und nicht ohne Grund hat Weißes »Kinderfreund« sowie dessen Fortsetzung lange Zeit hindurch
sich populär erhalten. Seine »Selbstbiographie« erschien Leipzig 1807.
Von seinen Arbeiten sind hervorzuheben: »Geschichte der kursächsischen Staaten« (Leipz. 1802-12, 7 Bde.;
Bd. 5-7 auch u. d. T.:
»Neueste Geschichte des KönigreichsSachsen
[* 30] seit dem PragerFrieden«);
»Lehrbuch des sächsischen Staatsrechts« (das. 1824-27, 2 Bde.).
Auch redigierte er das »Museum für die sächsische Geschichte, Litteratur und Staatskunde« (Leipz. 1794-96, 3 Bde.),
fortgesetzt als »NeuesMuseum für die sächsische Litteratur und Statistik« (1800-1807, 4 Bde.).
3) ChristianHermann, Philosoph, Sohn des vorigen, geb. zu Leipzig, studierte daselbst, schloß
sich der Hegelschen Philosophie an, welche er später mit dem theistischen Element der Schellingschen positiven Philosophie
versetzte,
wurde mit I. H. ^[ImmanuelHermann] Fichte
[* 31] (s. d. 2) einer der Gründer der neuen Theistenschule, 1846 ordentlicher
Professor der Philosophie an der Universität seiner Vaterstadt, wo er starb. Seine sehr zahlreichen
Arbeiten erstreckten sich vornehmlich auf das ästhetische und religionsphilosophische, die spätesten auch auf das Gebiet
der Evangelienkritik. Zu den erstern gehören sein der (dialektischen) Form nach streng im Hegelschen Geist entwickeltes,
dem (theistisch gefärbten) Inhalt nach, von demselben sich losmachendes »System der Ästhetik als Wissenschaft
von der Idee der Schönheit« (Leipz. 1830, 2 Bde.;
das 1872 von Seydel unter demselben Titel herausgegebene Buch enthält Weißes letzte Kollegienhefte) und die nach seinem Tod
von R. Seydel gesammelten, teilweise höchst geistreichen »KleinenSchriften zur Ästhetik« (das. 1867) sowie die
»Kritik und Erläuterung des Goetheschen Faust« (das. 1837). Seine religionsphilosophischen Ideen entwickelte Weiße in den Schriften:
»Die Idee der Gottheit« (Dresd. 1833);