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Traubensorten erhält man dagegen viel geringern Wein, welcher durch allerlei Künsteleien (Schmierereien) genießbar gemacht zu werden pflegt. Derartigen nicht zu billigenden heimlichen Manipulationen steht eine rationelle Weinverbesserung gegenüber, welche mit unschädlichen Mitteln den Wein oder Most in der Weise verbessert, daß man ein wohlschmeckenderes und der Gesundheit zuträglicheres (weil z. B. nicht übermäßig saures) Getränk erhält. Ein auf solche Weise erhaltener guter Kunstwein ist schlechtem Naturwein weit vorzuziehen, und es ist durchaus ungerechtfertigt, rationelle Wein- und Mostverbesserung anders zu beurteilen als die allgemein übliche Verbesserung andrer Nahrungs- und Genußmittel. Das Vorurteil gegen Kunstweine wird meist direkt oder indirekt durch Fabrikanten und Händler genährt, welche fürchten, die als Naturwein in den Handel gebrachten Produkte heimlicher Schmierereien durch wohlschmeckende gesunde Kunstweine verdrängt zu sehen.
Sehr allgemein werden die Weine verschnitten, d. h. dunkle werden mit hellen, zu alte mit jungen, leichte mit schweren, alkoholreiche, dicke mit leichten, feurigen Weinen vermischt, um ein Produkt zu erhalten, welches an Güte den Wert der einzelnen zur Mischung benutzten Weine übertrifft. In Frankreich werden auch Weine mit zu geringem Alkoholgehalt mit fuselfreiem Spiritus [* 2] verschnitten, den nach längerm Lagern des Weins auch eine geübte Zunge nicht mehr erkennt.
Junger Wein wird anhaltend erwärmt (gefeuert), um ihm die Eigenschaften alten Weins zu geben. Umgekehrt wird Wein stark abgekühlt (glaciert), wobei sich fast reines Eis, [* 3] Weinstein, Eiweißsubstanzen, Farbstoff etc., die sich sonst erst in Flaschen und Gebinden allmählich ablagern würden, sofort ausscheiden und der Wein kräftiger, feuriger, alkoholreicher wird. Das Glacieren wird mit Kältemischungen und Zentrifugalmaschinen zur Trennung des Eises ausgeführt.
Kühlt man Most mit Hilfe von Kältemischungen auf -16° ab und entfernt das Eis, so erhält man einen konzentrierten Most und aus diesem einen Wein, welcher sich den Ausleseweinen besserer Jahrgänge anreiht. In neuerer Zeit wird saurer Wein mit Glycerin versetzt (1-3 Volumprozent), um die Säure zu verdecken und dem Wein mehr Körper zu geben, ihn vollmundiger zu machen (Scheelisieren). Beim Alkoholisieren des Mostes mischt man Most von mindestens 20 Proz. Zuckergehalt vor Eintritt der Gärung mit ca. 10 Proz. Spiritus und behandelt ihn wie gewöhnlich.
Der Wein kann in 1,5-2 Jahren fertig, d. h. noch süß, hell und dauerhaft, in Flaschen füllbar, sein. Nach Chaptals Vorschlag neutralisiert man einen Teil der Säure in zu saurem Most mit kohlensaurem Kalk u. setzt die noch erforderliche Menge Zucker [* 4] zu. Dies Chaptalisieren ist noch gegenwärtig beim Burgunderwein gebräuchlich. Rationeller ist das Gallisieren. Man sondert die völlig reifen besten Trauben von den minder guten, bereitet aus erstern einen reinen Naturwein, verdünnt aber den sauren Most aus den geringern Trauben mit Wasser bis auf den normalen Säuregehalt und fügt den noch fehlenden Zucker hinzu.
Der Most muß im Hektoliter 0,6 kg Säure und 24 kg Zucker enthalten. Man gewinnt hierbei einen vortrefflichen Tischwein neben Boukettweinen und überdies eine bedeutende Vermehrung der Ausbeute. In der Regel benutzt man gegenwärtig Traubenzucker, doch verdient vielleicht reiner Rohrzucker den Vorzug. Unreiner, nicht kristallisierter Traubenzucker ist jedenfalls verwerflich. Das Gallisieren gestattet selbst in schlechten Jahren, konstant guten Wein zu gewinnen.
Die gallisierten Weine erfordern nur ein Jahr hindurch Aufmerksamkeit und Behandlung und sind haltbarer als Naturweine. Die Möglichkeit der Verdünnung des Mostes beruht darauf, daß die Beeren hinreichend boukettbildende Stoffe für eine bedeutend größere Quantität Wein enthalten. Dieser Gehalt wird aber erst beim Pétiotisieren vollständig ausgenutzt. Man läßt bei Darstellung von Rotweinen zunächst die Maische gären, schöpft den Jungwein ab, gießt eine gleiche Quantität Zuckerwasser (aus Rohrzucker) von dem Gehalt, welchen der Traubensaft besaß, auf die Treber, läßt bei etwas erhöhter Temperatur gären, zieht wieder ab und wiederholt das Verfahren ein zweites und drittes Mal.
Sämtliche Weine werden dann gemischt und nach längerer Zeit der Säure und Gerbstoffgehalt kontrolliert und nötigen Falls durch Zusatz von Weinsäure u. Tannin korrigiert. Auch färbt man die Weine, wenn nötig, mit Malven, Heidelbeeren, Holunderbeeren, Farbhölzern, Anilinfarben etc. In Frankreich stellt man nach diesem Verfahren die großen Massen billiger Bordeauxweine her, und es wird allgemein zugegeben, daß die pétiotisierten Weine sehr feurig, schön von Farbe, sehr würzig und boukettreich, haltbar und leicht zu behandeln sind.
Von der ersten Gärung an gerechnet, werden sie in vier Monaten flaschenreif. Sie erreichen selbstverständlich niemals die edlen hochfeinen Naturweine, welche in guten Jahren aus reinem Most gewonnen werden; aber sie bilden ein sehr absatzfähiges Getränk, welches viel besser ist als der Wein, den man aus dem verwendeten Most ohne Hilfe der Kunst gewonnen haben würde. Zur Bereitung der schweren südlichen Weine wird ein Teil des Mostes eingekocht und dann mit dem übrigen Most vermischt.
Sehr allgemein benutzt man in Frankreich den Gips, [* 5] um die Farbe des Weins zu verbessern, ihn zu klären und haltbar zu machen. Man bestreut die Trauben beim Keltern mit gebranntem Gips oder setzt diesen beim Beginn der Gärung oder als Schönungsmittel dem fertigen Wein zu. Der Gips scheint in der That in der angegebenen Weise zu wirken, er setzt sich indes mit den Bestandteilen des Weins in weinsauren Kalk, der sich ausscheidet, und saures weinsaures Kali um. Letzteres Salz [* 6] bleibt im W. gelöst, und da es schwerlich günstig auf den Organismus des Trinkers wirkt, so ist das Gipsen des Weins verwerflich.
Behandlung. Weinsorten etc., Produktion.
Die Weine unterliegen, namentlich bald nach der Gärung, mancherlei Veränderungen, welche ihre Qualität verringern oder sie gänzlich unbrauchbar machen. Gerbsäurearme Weine, besonders zu früh auf Flaschen gefüllte, werden leicht schleimig, dickflüssig, fadenziehend (Zäh- oder Langwerden), wobei Zucker zersetzt wird. Diese Krankheit verschwindet bisweilen bei kräftigen Weinen von selbst oder beim Schütteln mit Luft oder bei erneuter Gärung nach Zusatz von Zucker.
Man verhütet sie durch Zusatz von ca. 15 g Tannin auf 230 Lit. Wein Alkoholarme Weine werden bei hoher Temperatur und Luftzutritt leicht essigsauer; bei Beginn dieser Krankheit ist es ratsam, durch Zuckerzusatz von neuem Gärung hervorzurufen; Imprägnieren mit schwefliger Säure kann die Essigbildung einige Zeit verzögern, aber nicht völlig hindern. Rotweine werden bisweilen bei hohem Alter und Temperaturerhöhung bitter; durch 0,25-0,5 g gelöschten Kalk pro Liter soll der bittere Stoff fällbar sein. Alkoholarme Weine bedecken sich auf der Oberfläche mit einer weißen Schimmelhaut (Kahm) als Vorbote des Sauerwerdens. Aus dem Faß [* 7] entfernt man den Kahm durch Einfüllen von Wein mittels eines langen Rohrs, bis die Haut [* 8] vollständig ¶
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herausgespült ist. Nötigen Falls gießt man den Wein durch Leinwand. Beim Abstehen (Umschlagen) verschwinden der Alkohol und die Säure, der Wein wird dunkler, fade, dann trübe und übelriechend; im Beginn der Krankheit hilft ein kleiner Zusatz von Ätherschwefelsäure. Faßgeschmack (Faß- oder Schimmelgeruch) wird durch anbrüchige Dauben oder in dumpfigen Kellern hervorgebracht und durch Schütteln mit Olivenöl und frisch ausgeglühter Holzkohle beseitigt, wobei freilich ein großer Teil des Bouketts verloren geht.
Man vermeidet diese Krankheiten des Weins durch rationelle Behandlung desselben und wendet zur Heilung eine große Zahl von Mitteln an, welche, aus der Empirie hervorgegangen, im besten Fall nichts schaden. Erst seitdem man weiß, daß fast alle Erkrankungen des Weins auf der Anwesenheit von Organismen beruhen, hat man im Pasteurisieren (Pastrieren) das wirksamste Konservierungsmittel entdeckt. Dasselbe besteht darin, daß man den gesunden oder kranken Wein kurze Zeit einer seiner Beschaffenheit angemessenen höhern Temperatur aussetzt, um die Organismen zu töten.
Haben letztere dem Wein bereits geschadet, so erhält er freilich durch das Pasteurisieren seine ursprüngliche gute Beschaffenheit auch nicht wieder. Pasteurisierter Wein ist vollkommen haltbar, erträgt jeden Temperaturwechsel, Reisen in tropische Gegenden, kann aber wieder erkranken, wenn schädlichen Organismen Zutritt gewährt wird. Man kann jeden Wein pasteurisieren, er gewinnt viel eher durch das Erhitzen, als daß Geschmack und Boukett leiden. Schwache junge Weine erhitzt man auf 60-65°, alle übrigen auf 55° und zwar in Flaschen oder Fässern in eigentümlichen Apparaten. Auch Salicylsäure (0,02-0,06 g auf eine Flasche) [* 10] eignet sich zum Konservieren des Weins.
Der Most schlechter oder mittlerer Weinjahre enthält im Verhältnis zum vorhandenen Zucker immer eine genügende Menge eiweißartiger Körper zur Hefebildung und vergärt daher vollständig, so daß in dem fertigen Jungwein oft kaum noch eine Spur von Zucker zu finden ist. In sehr zuckerreichem Most dagegen findet der Hefepilz schließlich keine eiweißartige Nahrung mehr, und überdies hört die Gärung auch bei Gegenwart von Zucker auf, sobald der Alkoholgehalt auf 12-14 Proz. angewachsen ist.
Man unterscheidet danach trockne Weine, in denen der Zuckergehalt vollständig vergoren ist, und süße Weine, in denen ein Teil des Zuckers aus den angegebenen Gründen erhalten ist. Manche süße Weine verdanken indes ihren Zuckergehalt auch einem Zusatz von Zucker, eingekochtem Most oder Vermischen des Mostes mit 20 Proz. Alkohol. Dicksaftige, süße Weine heißen Likörweine. Nach der Farbe unterscheidet man Weiß- und Rotweine, hellroten Schiller und rötlichen Bleichart. Junger Wein heißt im ersten Jahr Most, dann grüner Wein; abgelagerter Wein heißt Firnewein. An Alkohol und Extraktivstoffen reiche Weine haben Körper, an Alkohol und ätherischen Stoffen reiche Weine heißen schwer.
Der Wein enthält außer Wasser, der kaum verminderten freien Säure des Mostes und gewissen, nicht näher bekannten Extraktivstoffen Reste von Zucker (meist Fruchtzucker), Farbstoff (Önocyanin in den Rotweinen, veränderte Extraktiv- und Gerbstoffe in den Weißweinen) und Spuren von Fett, Reste von Proteinkörpern, mehr oder weniger Gerbsäure, Gummi, Pektinkörper und Salze. Zu diesen aus dem Moste stammenden Bestandteilen gesellen sich als Gärungsprodukte Alkohol, geringe Mengen von Butyl- und Propylalkohol, zusammengesetzte Äther (Önanthäther etc.), Glycerin, Bernsteinsäure, Essigsäure, vielleicht auch Milchsäure, größere oder geringere Mengen Kohlensäure etc. Der Alkoholgehalt beträgt bei Pfälzer Weinen 7-9,5, Frankenweinen 8-10, Rheinweinen 6-13, meist 9-10, Ungarweinen 9-11, roten französischen Weinen 9-14, badischen Weinen 9,8-11,5, Champagner 9-12, Jeres 17, Madeira, [* 11] Portwein, Marsala 15-24 Volumprozente. An Zucker enthalten französische Rotweine 0,5, Rheinweine 3,6-8,6 Proz.; die Süßigkeit der Weine rührt aber auch vom Glycerin her, von welchem z. B. in österreichischen Weinen 2,6 Proz. vorkommen.
Mit zunehmendem Alter verschwindet das Glycerin allmählich, und dadurch werden die Weine mager; auch durch eine eigentümliche Gummiart (Önanthin, 0,3-1,1 Proz.) erhält der Wein eine gewisse Konsistenz (Körper). Der Extraktgehalt (Verdampfungsrückstand) beträgt bei Rheinweinen 4,2-10,6, Pfälzer Weinen 1,9-10,7, Frankenweinen 1,1 bis 7,2, österreichischen Weinen 2,25-2,64 Proz. Der Säuregehalt beträgt bei österreichischen Weinen 0,47 bis 0,7, französischen 0,46-0,84, deutschen 0,053-0,82, spanischen 0,36-0,63, portugiesischen 0,40-0,67, ungarischen 0,57-0,72, sizilischen 0,33-0,55 Proz. Der Gehalt an Weinsäure schwankt zwischen 0,2 u. 0,7 Proz. Gerbsäure findet sich am reichlichsten in schwer gedeckten Bordeauxweinen und Portwein. Der Aschengehalt (Kali, Kalk, Magnesia, Natron, Eisen, [* 12] Schwefelsäure, [* 13] Phosphorsäure, Chlor) beträgt bei Rheinwein 0,19, Ungarwein 0,18, Portwein 0,24, Madeira 0,25 Proz.
Über die Zusammensetzung einiger Weine vgl. folgende Tabelle:
Spez. Gewicht | Alkohol Volumenprozente | Extrakt Proz. | Zucker Proz. | Weinsäure Proz. | Asche Proz. | |
---|---|---|---|---|---|---|
Pisport, 1848er | 0.998 | 10.8 | 2,226 | 0.520 | 0.583 | 0.203 |
Rüdesheim, 1848er | 0.996 | 11.4 | 2,450 | 0.425 | 0.519 | 0.179 |
Johannisberg, 1842er | 0.992 | 10.0 | 2,059 | 0.416 | 0.514 | 0.120 |
Aßmannshausen, 1857er | 0.993 | 10.4 | 2,675 | - | 0.427 | 0.212 |
Oberingelheim, 1866er | 0.999 | 10.22 | 3,876 | - | 0.510 | 0.247 |
Walportsheimer Berg, 1865er | 0.993 | 11.12 | 3,025 | 0.077 | 0.514 | 0.200 |
Forster Auslese, 1848er | 0.996 | 11.4 | 2,464 | 0.630 | 0.484 | 0.133 |
Leistenwein, 1871er | 0.993 | 11.02 | - | 0.011 | 0.660 | 0.171 |
Vöslauer Goldeck, Kabinett | 0.993 | 10,281 | 2,534 | - | 0.592 | 0.258 |
Pauillac-Beycheville, 1865er | 0.995 | 9,055 | 2,534 | - | 0.637 | 0.198 |
St.-Julien, 1865er | 0.995 | 9,281 | 2,546 | - | 0.637 | 0.228 |
- | ||||||
Malaga | 1,069 | 13.20 | 14.40 | 9.90 | - | - |
Madeira | 0.994 | 18.00 | 5.51 | - | 0.37 | 0.428 |
Sherry | 0.991 | 20.70 | 3.71 | 1.66 | 0.464 | 0.479 |
Portwein | 0.996 | 20.10 | 4.30 | 2.79 | 0.439 | 0.278 |
Tokayer | 1,007 | 16.67 | 8.13 | 11.36 | 0.481 | - |
Champagner | - | 13.60 | 11.1 | - | - | - |
Der Weingeruch, welchen man bei jedem Wein wahrnimmt, wird durch den sogen. Önanthäther, ein Gemisch verschiedener Stoffe, namentlich von Kapryl- und Kaprinsäureäther, hervorgebracht. Über die das Boukett (Blume) bildenden Stoffe ist wegen der höchst geringen Menge, welche sich davon im W. findet (am meisten in sauren Rhein- und Moselweinen), so gut wie nichts bekannt; sehr wahrscheinlich spielen auch hier zusammengesetzte Äther, die sich wohl großenteils bei der zweiten und Lagergärung bilden, und vielleicht Fermentöle die Hauptrolle. In sehr alten Weinen entwickelt sich ein eigentümlicher Geruch (Jufteln), welcher durch Acetal hervorgebracht wird, wenigstens durch Zusatz von sehr wenig ¶