mehr
vorüberführt, erhalten worden ist. Durch die Groß-Plehnendorfer Schleuse am Durchbruch bei Neufähr von der Weichsel abgesperrt, befindet sich die Höhenlage des Wassers in diesem Arm fast im Niveau des Ostseespiegels; in die Ostsee geht er bei Neufahrwasser, wo die alte Mündung (die Norderfahrt) jetzt abgedämmt ist u. die See durch einen Kanal [* 2] (die Westerfahrt oder das Neufahrwasser) erreicht wird.
Die Quelle [* 3] des Stroms, dessen Gebiet 191,406 qkm (3476 QM.) umfaßt, sein Eintritt in Preußen [* 4] und seine Mündung liegen fast unter demselben Meridian (18° 50' östl. v. Gr.). Die Stromlänge beträgt 1050 km (nach Strelbitsky nur 960 km), davon kommen auf Westpreußen [* 5] mit Einschluß der Grenzstrecke gegen Posen [* 6] 251 km. Der Wasserspiegel des Stroms liegt an der Mündung der Premsza 245, bei Thorn [* 7] 35, bei Dirschau [* 8] 3 m ü. M. Die Tiefe, im untern Lauf zwischen 2 und 6 m schwankend, im Danziger Hafen 5,6 m betragend, wechselt in den einzelnen Jahren durch die Veränderlichkeit der riesigen Sandmassen ganz bedeutend.
An der Mündung der Premsza wird die Weichsel für kleine, bei Krakau [* 9] für mittlere, bei Sawichost, unterhalb der Mündung des San, für größere Fahrzeuge schiffbar; Seeschiffe gehen bis Danzig [* 10] hinauf. Am Hafenplatz in Thorn kamen 1887 an 1088 Schiffe [* 11] und 44,986 Flöße mit 97,665 Ton. Ladung inkl. Floßholz; es gingen ab 500 Schiffe mit 12,879 T. Ladung. Die Zollgrenze bei Thorn passierten zu Berg 849 Schiffe mit 31,395 T. Ladung, zu Thal [* 12] 1453 Schiffe und 688,764 Flöße mit 785,278 T. Ladung inkl. Floßholz.
Die Groß-Plehnendorfer Schleuse bei Danzig passierten zu Berg 9803 Schiffe und 1111 Flöße mit 171,806 T. Ladung inkl. Floßholz, zu Thal 9732 Schiffe u. 167,708 Flöße mit 296,588 T. Ladung inkl. Floßholz. Haupttransportartikel sind von Thorn aufwärts rohe Baumwolle, [* 13] Steinkohlen, Roh- und Brucheisen und Steine. Im Thalverkehr sind Getreide [* 14] nebst Hülsenfrüchten, Zucker, [* 15] Steine und Holz [* 16] die hauptsächlich zur Verschiffung gelangten Güter. Durch den Bromberger (Netze-) Kanal ist die Weichsel mittelbar mit der Oder in schiffbare Verbindung gesetzt.
Die bedeutendsten Nebenflüsse der Weichsel sind, links: die Premsza, Piliza, Bzura, Brahe, das Schwarzwasser, die Montau, Ferse und die Mottlau mit der Radaune;
rechts: die Sola, Skawa, Raba, der Dunajec, die Wysloka, der San, Wieprz, Bug mit dem Narew und mehreren aus dem südlichen Ostpreußen kommenden Zuflüssen, die Drewenz, Ossa und Liebe oder Alte Nogat.
Die Weichsel bildet eine Menge mehr oder weniger zu Tage liegender Sandbänke, welche sich fast nach jeder Anschwellung des Flusses verändern und die Fahrt sehr beschwerlich machen. Indessen wird an der Regulierung des Stroms eifrig gearbeitet. Zunächst sind durch Gesetz vom eine Reihe von Anlagen, insbesondere die Herstellung eines Durchstichs der Danziger Binnennehrung, angeordnet, deren Kosten auf 20 Mill. Mk. veranschlagt sind. Ferner sind in Rußland Regulierungsarbeiten von Warschau [* 17] bis zur Bugmündung, von Wlozlawsk bis zur preußischen Grenze und von der österreichischen Grenze bis Pulawy in Angriff genommen, deren Kosten auf 5 Mill. Rub. veranschlagt sind.
Überschwemmungen, am größten an den Mündungen der Nebenflüsse, treten jährlich dreimal ein: die erste und gefährlichste im April, welche zwei Wochen und länger andauert, die zweite um Johannis, die dritte vier Wochen später. Die mittlere Zeit des Zufrierens der Weichsel ist um Warschau der 24. Dez., die der Befreiung vom Eis der [* 18] 7. März. Infolge des Eisganges erfolgten im Dezember 1876 und März 1888 verheerende Durchbrüche, welche die Niederung zwischen der Nogat, dem Elbingfluß und der Fahrstraße nach Marienburg [* 19] der Überflutung preisgaben. An Fahrzeugen auf der Weichsel unterscheidet man: Schunen (350 Doppelztr. tragend), Dubassen (300 Doppelztr.) und Galeeren (225 Doppelztr.), Patelken und Wittinnen, die alle flach und ohne Masten sind und in der Regel nach ihrer Ausladung zerschlagen und verkauft werden;
ferner in Preußen einmastige Berlinen oder Berlinken und Baidaken (von Pulawy bis Thorn fahrend) und zahlreiche Flöße (Tratwen);
Dampfboote bugsieren die flachbodigen eisernen Gabaren.
Der Strom führt einen fetten thonig-lehmigen Schlamm mit sich, der die überschwemmten Striche reichlich düngt und durch eine auf mehrere Jahre bewirkte Fruchtbarkeit in der Regel den Schaden ersetzt, der durch die Überschwemmung verursacht ist, wenn sie nicht zu groß und zerstörend war. Die Weichsel liefert viele und gute Fische. [* 20] Der größte Vorteil aber, den sie Polen gewährt, ist die bequeme Ausfuhr der Landeserzeugnisse an Getreide, Holz etc., die jährlich nach Danzig gebracht und von da ausgeführt werden. Krakau, Iwangorod, Nowogeorgiewsk, Warschau, Thorn und Danzig beherrschen als feste Punkte den Strom; stehende Brücken [* 21] führen in Preußen bei Thorn, Graudenz [* 22] und Dirschau über die Weichsel, bei Marienburg über die Nogat.
Vgl. Brandstäter, Die Weichsel, historisch, topographisch und malerisch (Marienwerd. 1855);