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halbzivilisierte Völker, z. B. die Eingebornen Australiens, Neuguineas, die Fidschiinsulaner, die Aino auf den Kurilen und die Feuerländer, huldigen einem Brauch, den man den Frauenraub (s. d.) nennt, und der von einigen neuern Forschern für ein Überbleibsel der Übergangsepoche aus dem Zustand der Weibergemeinschaft (s. Mutterrecht) zu dem der Einzelehe, die ursprünglich wie ein Raub an der Gesellschaft betrachtet worden wäre, angesehen wird. Wo dagegen das Weib durch Kauf in das Eigentum des Mannes übergeht, kann es von letzterm auf einen Rechtsnachfolger übertragen werden; bei den Kariben Venezuelas wie im äquatorialen Westafrika erbt der älteste Sohn alle Frauen seines abgeschiedenen Vaters mit einziger Ausnahme der leiblichen Mutter.
Die Kaffern befragen beim Brautkauf die Neigung der Erwählten gar nicht; die Abiponer in Südamerika [* 2] dagegen machen den Kauf rückgängig, wenn das Mädchen nicht einwilligt. Auch die Deutschen hatten ursprünglich die Sitte des Frauenkaufs, durch welchen das Weib unter die Vormundschaft des Mannes geriet; dieser Rechtsakt hieß Mundkauf; wo der Islam herrscht, muß noch heutigestags die Frau gekauft werden. Wo die Sitte oder das religiöse Gesetz die Vielweiberei (s. Polygamie) gestattet, befindet sich zumeist die Frau in einer niedern Stellung.
Eine besondere Rechtsstellung genießt das Weib bei einer Anzahl Völkerschaften insofern, als sie alle Familienrechte nicht vom Vater, sondern von der Mutter ableiten;
bei den Negern der Goldküste, den Australiern, den Eingebornen von Neuseeland, der Fidschiinseln [* 3] und auf dem Marshall-Archipel wird Stand, Kaste oder Rang lediglich von der Mutter ererbt;
solche Familiensatzung, die auch in Amerika [* 4] weit verbreitet ist, heißt Gynäkokratie (»Weiberherrschaft«),
besser das Mutterrecht (s. d.);
eine Gewalt über die Männer ist keineswegs damit verbunden.
Im Altertum war die soziale Stellung des Weibes in vieler Beziehung eine ganz andre als heutzutage. Bei den Hebräern bewohnte die Frau im patriarchalischen Zeitalter zwar eine besondere Abteilung des Nomadenzelts, besorgte aber, selbst unverschleiert, alle häuslichen Geschäfte und war auch den Fremden sichtbar. Erst später, als man in größern Gesellschaften lebte, deren Glieder [* 5] nicht alle zu einer Verwandtschaft gehörten, änderte sich das Verhältnis des Weibes zum Haus.
Allerdings lebten auch damals die Weiber der niedern Stände mit den Männern vermischt und nahmen an allem teil; vornehmere dagegen bewohnten einen besondern Harem (s. d.), wurden von Eunuchen streng bewacht und durften bloß bei Gastmählern und an Volksfesten im Kreis [* 6] der Männer erscheinen. Ihre Beschäftigungen bestanden in Arbeiten für die Familie und in Besorgung des Hauswesens. Übrigens ehrte die Frauen Kinderreichtum, und die Mutter, welche ihrem Gatten einen Sohn geboren hatte, hielt sich für eine Bevorzugte des Himmels.
Nach Herodot verrichteten die ägyptischen Weiber auch Geschäfte außer dem Haus, besorgten Kauf und Verkauf, mußten den Acker bebauen u. dgl., während die Männer daheim spannen, webten etc. Vermutlich war dies jedoch nur bei den niedern Ständen der Fall, wogegen die vornehmern nach orientalischer Sitte nur des Willens der Männer gewärtig waren, da das Hauswesen durch Sklaven versehen wurde. In Griechenland [* 7] waren die Weiber in der ältesten Zeit fast nicht besser gestellt als Sklavinnen, denn sie wurden durch Kauf oder durch Raub erlangt, weshalb auch mehrere die Gunst ihres Gebieters teilten. Zu Haus waren sie in die engen Grenzen [* 8] des Gynäkeions eingeschlossen, und wenn sie ausgingen, mußten sie verschleiert sein und einen treuen Diener des Herrn als Begleiter bei sich haben.
Noch strenger wurden die Jungfrauen in dem Parthenon und die Witwen gehalten. Doch hatte sich schon zu Homers Zeit viel in den Verhältnissen der Frauen zum Hausherrn geändert, denn die Weiber hatten zwar ihre besondere Wohnung, aber gleich hinter dem Mannessaal, von wo aus sie denselben übersehen konnten; auch teilten sie mit dem Hausherrn den Tisch, außer wenn Gäste bei dem Mann speisten. Ebenso nahmen sie an Opfern teil, hielten Prozessionen, verschönerten die Feste durch Tänze und durften sogar in den Versammlungen der Ältesten des Volkes erscheinen.
Ihre gewöhnlichen Beschäftigungen bezogen sich auf die Verwaltung des Hauswesens; ferner waren ihre Aufgaben die Erziehung der Kinder, das Weben, [* 9] Spinnen [* 10] und Wirken, während die häusliche Arbeit, wie Mahlen, Backen, Kochen, Wassertragen, Waschen u. dgl., den Mägden anheimfiel. Freier und besser wurde die Lage der Weiber, als sie nicht mehr geraubtes und gekauftes Gut waren, sondern dem Mann von den Eltern mit einem Brautschatz übergeben wurden. Dennoch war der Frau nie die Wahl nach ihrem Herzen vergönnt, sondern sie folgte dem Willen des Vaters. In Sparta, wo der Mann dem Haus weniger angehörte, war die Stellung der Frauen eine freiere und ihre Herrschaft im Haus eine allgemein anerkannte. In Athen [* 11] dagegen galt der Mann als Herr und gebietendes Oberhaupt des Hauses; schon die Jungfrauen standen unter sorgfältiger Aufsicht, und ihre Aufseher hatten nicht bloß ihre Keuschheit zu bewachen, sondern auch ihren Verstand und ihr Herz zu bilden.
Edle Jungfrauen, besonders in Athen, wurden auch von andern Lehrern in der Dichtkunst, Philosophie, Malerei etc. unterrichtet. In dem Maß aber, wie in Athen die Frauen mehr und mehr Freiheit erlangten, riß auch unter ihnen eine immer größer werdende Sittenverderbnis ein, und zur Zeit des Peloponnesischen Kriegs fingen einzelne sogar an, in der Politik eine Rolle zu spielen (vgl. Hetären). Als sich seit Alexander d. Gr. die verweichlichten Männer immer mehr von den Staatsangelegenheiten zurückzogen, bekamen die Weiber mehr Einfluß; Luxus und Langeweile machten sie an den vielen neuentstandenen Höfen mächtig, und dies wirkte auch auf den Zustand der Weiber in allen Ländern ein, welche von jenen Dynastien abhingen.
Von allen übrigen Griechinnen unterschieden sich, vornehmlich seit Lykurgs Verfassung, die Spartanerinnen. Gleich den Jünglingen, mußten in Sparta die Mädchen sich im Laufen, Wurfspieß- und Diskoswerfen üben, auf die Jagd gehen und bei Festen tanzen, und dieser Erziehung mag es zuzuschreiben sein, daß die spartanischen Weiber für rauh, stolz und anmaßend galten, obgleich dadurch auch ihr Hang zu unregelmäßigen Begierden geschwächt wurde, indem das frühzeitig ihnen eingeflößte Ehrgefühl ihren Geist über die Sinnlichkeit erhob. Da die spartanischen Frauen ohne allen Umgang mit Fremden blieben, weil diese im Land nicht geduldet wurden, so hatten sie ebensowenig Gelegenheit, ihre rauhen Seiten abzuschleifen, wie dazu, verweichlicht zu werden. Erst später riß auch unter ihnen große Sittenlosigkeit ein. Bei den Römern war die Lage der Frauen im ganzen besser als bei den Griechen; sie lebten nicht eingeschlossen, waren nicht von den Männergesellschaften abgesondert, konnten frei gehen, wohin sie wollten, u. dgl.; aber ihr eignes Gefühl ließ sie, solange Sitteneinfalt in Rom [* 12] herrschte, ¶
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eingezogen leben, und Sittsamkeit war ihr größter Schmuck. Es war dies offenbar die Folge ihrer sozialen Anerkennung als alleinige und ebenbürtige Genossin des Mannes, die sich im Altertum erst bei den Römern verwirklichte. Zur Erinnerung an Thaten einzelner Weiber, wie die Vermittelung zwischen Römern und Sabinern, die That der Clölia, die Errettung Roms durch Veturia, die Aufopferung der Kleinodien bei der Eroberung Roms durch die Gallier etc., wurden mehrere die Frauen ehrende Anordnungen vom Senat getroffen.
Eigentümlich war dem römischen Leben die hohe Achtung der Frauenwürde, sowohl im jungfräulichen Stand, in welchem den Vestalinnen die höchsten, fast königlichen Vorrechte eingeräumt wurden, als in der Familie, wo sie zuerst als Erzieherinnen der Söhne und Töchter auftreten und in glänzenden Beispielen, wie die Mutter Coriolans, der Gracchen u. a., eine große Macht über ihre Söhne offenbaren, und endlich als Matronen, deren gesellschaftliche Stellung viele Vorzüge einschloß.
Dennoch war das Weib ursprünglich rechtlich unselbständig und blieb es auch. Es konnte niemals, selbst nicht in Privatangelegenheiten, ohne Kurator handeln, und als Ehefrau trat die Frau zu ihrem Mann ganz in das Verhältnis, in dem sie früher zu ihrem Vater gestanden hatte. Der nach Karthagos und Korinths Zerstörung einreißende Luxus änderte das Verhältnis der Weiber sehr zu ihren gunsten, noch mehr die Zeit der Kaiser; je weibischer die Männer wurden, desto selbständiger und von den Männern unabhängiger wurden die Frauen.
Schon gegen das Ende der Republik begann aber völlige Sittenverderbnis derselben; sie überließen sich, das böse Beispiel der Männer nachahmend, nicht nur der schamlosesten Frechheit, sondern es wurden auch die unnatürlichsten Mordthaten, die blutigsten Entwürfe gegen das Vaterland oft von Weibern geleitet, wie die berüchtigten Namen einer Livia, Julia, Agrippina, Poppäa, Messalina, Faustina beweisen. In größter Achtung standen die Weiber bei den Galliern.
Sie versöhnten oft Heere, die miteinander den Kampf beginnen wollten, und schlichteten Privatstreitigkeiten, obgleich, wie bei den Römern, der Mann volle Gewalt über die Frau hatte. Auch bei den Germanen standen die Frauen in besonderer Schätzung; das Volk legte ihnen, wie Tacitus sagt, »etwas Göttliches« bei. Sie wohnten nach patriarchalischer Weise mit Männern vermischt. Ihre Keuschheit betrachteten sie als ihren höchsten Schmuck, der meist die Brautgabe war, welche sie ihren Männern mitbrachten. Im Haus waren die Frauen Stellvertreterinnen der Männer; ihnen lag die Leitung der ganzen Wirtschaft ob, sie verteilten die Arbeiten unter Knechte und Mägde und sorgten mit denselben für den Tisch und die Kleidung der Männer. Im Krieg begleiteten die Weiber mit ihren Kindern die Männer, feuerten, auf der Wagenburg stehend, die Männer zur Tapferkeit an, pflegten die Verwundeten, erfrischten die Streiter und fochten selbst an ihrer Seite mit, und wenn alle Hoffnung auf Rettung verloren, so ermordeten sie sich häufig selbst, nachdem sie ihre Kinder erwürgt hatten, um sie nicht in fremde Sklaverei geraten zu lassen.
Deshalb hielt der deutsche Mann auch sein Weib hoch; nur selten hatte er zwei oder mehrere, und zwar war dies meist nur der Fall bei Fürsten, die sich mit andern mächtigen Stämmen verbinden wollten. Ein Hauptbeweis der Stellung des weiblichen Geschlechts liegt darin, daß das Wergeld bei dem Mord einer Frau verhältnismäßig sehr groß war. Auch nahmen die Frauen an allen öffentlichen Ergötzlichkeiten teil, wurden bei den wichtigsten öffentlichen Angelegenheiten zu Rate gezogen und standen überhaupt in dem Ruf, die Gabe der Weissagung zu besitzen (vgl. Velleda).
Die Stellung der Frau im altdeutschen Recht folgt aus ihrer Unterordnung unter die Geschlechtsvormundschaft: ihrem Vater oder, nach Eingehung der Ehe, ihrem Mann steht ein Tötungs-, ein Züchtigungs-, ein Verkaufsrecht zu.
Später hört das Recht, die Mündel in die Knechtschaft zu verkaufen, sowie das Tötungsrecht (bei Unkeuschheit) auf;
die Frau tritt in die Vermögensfähigkeit ein, doch nur solange sie unverheiratet ist.
Vor der Ehe fand zwischen Bewerber und Vater (als Vormund) der Brautkauf statt, bei dem ein Handgeld (später ein Ring) zum Zeichen des gültigen Vertragsschlusses gezahlt wurde (Verlobung); die Erfüllung dieses Vertrags ist die Trauung (später die kirchliche).
Eine höhere Stellung in der Familie und dann auch in der Gesellschaft und im Staat kam in Wirklichkeit erst mit dem Christentum zum Durchbruch, indem namentlich unter dem Einfluß des Marienkultus die Vorurteile und die Mißachtung schwanden und einer gerechtern Wertschätzung des Weibes als Trägerin milder Sitten Platz machten. Zwar hatten schon, wie oben gesagt, die Germanen im W. etwas Göttliches gefunden, und ihre Achtung grenzte an Verehrung. Allein das Christentum gab dem Weib in der menschlichen Gesellschaft seinen rechten Wert und stellte überall, wo es Eingang fand, die Frau wenigstens vor Gott dem Mann gleich. So blieb denn auch noch im Mittelalter hohe Achtung der Frauen ein hervorstechender Charakterzug der Völker germanischen Stammes.
Sie zu schützen, war ein nicht geringer Teil der Ritterpflicht, und Beleidigung gegen Frauen zog Unehre und Verlust der ritterlichen Würde nach sich. Die romanischen Völker achteten ursprünglich das Weib nur gering; später wurde es in ritterlicher Sentimentalität bei ihnen fast unsittlich vergöttert. Der durch die Mauren und Franzosen verbreitete chevalereske Minnedienst (Chevalerie), der nur zu oft die Grenzen des Erlaubten überschritt, fand in Deutschland [* 14] und England einen wenig empfänglichen Boden.
Mit dem Emporblühen des gesunden Bürgertums trat alsdann das Weib von der Prunkhöhe des Rittertums in die ihm angemessene Häuslichkeit zurück. Daher fand die von Frankreich aus im 17. und 18. Jahrh. sich verbreitende Galanterie (s. d.), jenes unwahre Gemisch von Eitelkeit und Frivolität, in Deutschland keinen Anklang. Die vornehmern deutschen Frauen erreichten denn auch im 18. Jahrh. ihre französischen Vorbilder weder in ihren geistigen Koketterien noch in Intrigen und in sittlicher Verdorbenheit, wogegen den deutschen Bürgerfrauen von je ein sittiges und züchtiges Wesen nachgerühmt wurde. In sozialer Hinsicht ist den Frauen bei allen zivilisierten Nationen gegenwärtig eine Gleichberechtigung mit dem männlichen Geschlecht zugestanden, und nur ihre Rechtsmündigkeit sowie ihre Stellung im Staat pflegt in den Gesetzen noch beschränkt zu sein (s. Frauenfrage).
Vgl. Virey, Das Weib, physiologisch, moralisch und litterarisch dargestellt (deutsch, Leipz. 1827);
Thulié, La femme (Par. 1885);
Corre, La mère et l'enfant dans les races humaines (das. 1882);
Ploß, Das Weib (2. Aufl. von Bartels, Leipz. 1888);
J. ^[Jules] Michelet, Die Frau (deutsch, 2. Aufl., das. 1875);
Virchow, Über die Erziehung des Weibes für seinen Beruf (Berl. 1865);
Weinhold, Die deutschen Frauen im Mittelalter (2. Aufl., Wien [* 15] 1882);
Klemm, Die Frauen, kulturgeschichtliche Schilderungen (Dresd. 1854 ¶