Titel
Weber.
Naturforscher, Mediziner:
1) Ernst Heinrich, berühmter Physiolog und Anatom, geb. zu Wittenberg [* 2] als Sohn des bekannten Theologen Michael Weber daselbst, studierte in Wittenberg u. Leipzig, [* 3] wurde 1818 daselbst Professor der vergleichenden und 1821 der menschlichen Anatomie, 1840 auch der Physiologie und starb daselbst Weber hat sich um die menschliche, die vergleichende und die mikroskopische Anatomie sowie die Entwickelungsgeschichte [* 4] der Tiere und die Physiologie, besonders deren physikalische Seite (Mechanik des Gehens, Druck-, Temperatur- und Ortssinn in der Haut [* 5] des Menschen etc.), große Verdienste erworben. Seine Hauptarbeiten sind: »Anatomia comparata nervi sympathici« (Leipz. 1817),
»De aure et auditu hominis et animalium« (das. 1820),
»Tractatus de motu iridis« (das. 1821),
»Wellenlehre« (das. 1825),
das Ergebnis gemeinschaftlicher Beobachtungen mit seinen Brüdern Wilhelm und Eduard, »Zusätze zur Lehre [* 6] vom Bau und von der Verrichtung der Geschlechtsorgane« (das. 1846),
»Die Lehre vom Tastsinn und Gemeingefühl« (Braunschw. 1851) und »Annotationes anatomicae et physiologicae« (Leipz. 1851). Rosenmüllers »Lehrbuch« und Hildebrands »Handbuch der Anatomie« erhielten durch seine Umarbeitungen einen höhern Wert.
Vgl. Ludwig, E. H. Weber, Gedächtnisrede (Leipz. 1878).
2) Wilhelm Eduard, Physiker, geb. zu Wittenberg, Bruder des vorigen, studierte in Halle [* 7] Naturwissenschaft, habilitierte sich daselbst 1827, erhielt schon im nächsten Jahr eine außerordentliche Professur und ward 1831 Professor der Physik in Göttingen. [* 8] Infolge seines Protestes gegen die Aufhebung der Verfassung 1837 seines Amtes entsetzt, lebte er als Privatmann in Göttingen und auf Reisen und folgte 1843 einem Ruf an die Universität Leipzig, kehrte aber 1849 in seine frühere Stellung nach Göttingen zurück. Weber war noch Student, als er mit seinem Bruder Ernst Heinrich die klassischen Untersuchungen über »Die Wellenlehre« (Leipz. 1825) herausgab.
Webers weitere Arbeiten betrafen zunächst Probleme der Akustik und damit zusammenhängend solche der Elastizität fester Körper; hervorragend unter denselben ist seine »Theorie der Zungenpfeifen«. In Göttingen unternahm er mit Gauß Untersuchungen über den Erdmagnetismus und gab mit demselben die »Resultate aus den Beobachtungen des Magnetischen Vereins von 1836 bis 1841« (Leipz. 1836-43, 6 Bde. mit 3 Atlanten) heraus. Dieselben enthalten eine große Zahl von Arbeiten Webers über Beobachtungsmethoden und neue Apparate, über Magnetismus, [* 9] über Induktion [* 10] durch den Erdmagnetismus und die unipolare Induktion.
In den Beobachtungen für 1840 führte Weber zum erstenmal das absolute elektromagnetische Strommaß ein und gab dessen Vergleichung mit dem gebräuchlichen chemischen Strommaß. Eine Frucht der gemeinsamen Arbeit von Gauß und Weber war auch der erste schon 1833 ausgeführte und zur Korrespondenz zwischen der Sternwarte [* 11] und dem physikalischen Laboratorium [* 12] benutzte elektrische Telegraph. [* 13] 1846 erschien dann die erste der großen Abhandlungen: »Elektrodynamische Maßbestimmungen«, in welcher er durch exakte Messungen das Fundamentalgesetz der Elektrodynamik [* 14] prüfte, sein elektrisches Grundgesetz aufstellte und aus demselben die Gesetze der Induktion ableitete.
In der zweiten Abhandlung mit dem Zusatz »insbesondere Widerstandsmessungen« führte er das System der absoluten Maße der Stromstärke, der elektromotorischen Kraft [* 15] durch und gab Methoden zur Messung des Widerstandes in absolutem Maß. Diese Weberschen absoluten Strommaße hat der Pariser Elektrikerkongreß 1881 auch für die elektrotechnische Praxis adoptiert. In der dritten Abhandlung entwickelte Weber die Theorie des Magnetismus und Diamagnetismus, [* 16] in der vierten, gemeinschaftlich mit R. Kohlrausch gearbeiteten, wurde die Vergleichung der absoluten elektromagnetischen und mechanischen Strommaße durchgeführt. Die fünfte (Leipz. 1864) beschäftigte sich mit dem Problem der elektrischen Schwingungen.
In den 1871 und 1877 erschienenen Abhandlungen beteiligte sich an der von Helmholtz hervorgerufenen Diskussion über das Webersche elektrische Grundgesetz, indem er die Einwürfe, welche Helmholtz gegen dasselbe, speziell gegen die Unvereinbarkeit desselben mit dem Prinzip von der Erhaltung der Energie, erhob, widerlegte. Andre Arbeiten Webers betreffen die »Anwendung der magnetischen Induktion auf Messung der Inklination mit dem Magnetometer« [* 17] (Gött. 1853) und »Galvanometrie« (das. 1862). Im Verein mit seinem jüngern Bruder, Eduard Friedrich (s. Weber 3), gab er die wichtigen Untersuchungen über die »Mechanik der menschlichen Gehwerkzeuge« heraus. 1887 wurde er zum Wirklichen Geheimen Rat ernannt.
3) Eduard Friedrich, Physiolog, Bruder der vorigen, geb. zu Wittenberg, studierte in Leipzig und Halle, praktizierte dann in Halle als Assistenzarzt an der Klinik von Krukenberg, in Naumburg [* 18] und Göttingen, wo er mit seinem Bruder Eduard die »Mechanik der menschlichen Gehwerkzeuge« (Göttingen 1836) bearbeitete, und folgte 1835 einem Ruf als Prosektor nach Leipzig, wo er starb. Durch seine Abhandlung »Muskelbewegung« in Wagners »Handwörterbuch der Physiologie« eröffnete er in diesem Teil der Wissenschaft neue Bahnen.
4) Karl Otto, Mediziner, geb. zu Frankfurt [* 19] a. M., studierte in Bonn, [* 20] habilitierte sich 1853 als Privatdozent der Chirurgie, wurde 1857 zum außerordentlichen Professor ernannt, erhielt 1862 die außerordentliche Professur der pathologischen Anatomie, folgte 1865 einem Ruf als Professor der Chirurgie nach Heidelberg [* 21] und starb Bahnbrechend auf dem Gebiet der chirurgischen Pathologie, schrieb er: »Die Knochengeschwülste in anatomischer und praktischer Beziehung« (Bonn 1856);
»Chirurgische Erfahrungen und Untersuchungen« (Berl. 1859);
auch mehrere Beiträge zu Pitha und Billroths »Handbuch der allgemeinen und speziellen Chirurgie«.
[Geschichtschreiber.]
5) Karl von, verdienter Forscher auf dem Gebiet der sächsischen Geschichte, geb. zu Dresden, [* 22] Sohn des Kirchenrechtslehrers Karl Gottlieb von Weber, studierte die Rechte, ward schon 1839 Appellationsgerichtsrat, wurde 1843 zum Ministerialrat und Geheimen Referendar beim Gesamtministerium und 1849 zum Direktor des Hauptstaatsarchivs in Dresden ernannt und widmete seine Muße Forschungen auf dem Gebiet der sächsischen Geschichte, als deren Resultate erschienen: »Maria Antonia Walpurgis, Kurfürstin von Sachsen« [* 23] (Dresd. 1857, 2 Bde.);
»Aus vier Jahrhunderten« (Leipz. 1857, 2 Bde.; neue Folge 1861, 2 Bde.);
»Moritz, Graf von Sachsen, Marschall von Frankreich« (das. 1863);
»Anna, Kurfürstin zu Sachsen« (das. 1865);
seit 1861 gab er das »Archiv für sächsische Geschichte« heraus. Er starb
6) Georg, namhafter Geschichtschreiber, geb. zu Bergzabern in der Pfalz, widmete sich dem Studium der Philologie und Geschichte, ward ¶
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Professor an der höhern Bürgerschule zu Heidelberg, war 1848-72 Direktor derselben und starb Seine Hauptwerke sind: »Geschichtliche Darstellung des Calvinismus im Verhältnis zum Staat« (Heidelb. 1836);
»Geschichte der Kirchenreformation in Großbritannien« [* 25] (neue Ausg., Leipz. 1856, 2 Bde.);
»Litterarhistorisches Lesebuch« (das. 1851, 3 Tle.);
»Lehrbuch der Weltgeschichte« (20. Aufl., Heidelb. 1888, 2 Bde.);
»Weltgeschichte in übersichtlicher Darstellung« (20. Aufl., Leipz. 1889);
»Allgemeine Weltgeschichte mit besonderer Berücksichtigung des Geistes und Kulturlebens der Völker« (das. 1857-80, 15 Bde.; 2. Aufl. 1882 ff.),
ein treffliches Werk;
»Geschichte der deutschen Litteratur« (11. Aufl., das. 1880);
»Geschichte des Volks Israel und der Entstehung des Christentums« (mit Holtzmann, das. 1867, 2 Bde.);
»Zur Geschichte des Reformationszeitalters« (das. 1874);
»Fr. Christ. Schlosser« (das. 1876);
»Mein Leben und Bildungsgang« (das. 1883);
»Heidelberger Erinnerungen« (Stuttg. 1886);
»Geschichtsbilder aus verschiedenen Ländern und Zeitaltern« (Leipz. 1886);
»Jugendeindrücke und Erlebnisse« (das. 1887).
[Philologen etc.]
7) Wilhelm Ernst, Pädagog, geb. zu Weimar, [* 26] studierte in Leipzig Philologie, wurde 1817 Professor der alten Litteratur zu Chur [* 27] in Graubünden, 1819 Oberlehrer am Gymnasium zu Wetzlar, [* 28] 1823 Prorektor und Professor zu Frankfurt a. M. und 1829 Direktor der gelehrten Schule in Bremen, [* 29] wo er starb. Von seinen Arbeiten sind hervorzuheben die Übersetzungen der »Elegischen Dichter der Hellenen in ihren Überresten« (Frankf. a. M. 1826),
der »Griechischen Anthologie« (Stuttg. 1838),
von Horaz' Satiren (das. 1852);
die Biographien des Kaisers Marcus Salvius Otho (Frankf. 1815) und des Horaz (Jena [* 30] 1844);
»Vorlesungen zur Ästhetik, vornehmlich in Bezug auf Goethe und Schiller« (Hannov. 1831);
»Ästhetik aus dem Gesichtspunkt gebildeter Freunde des Schönen« (Brem. 1834-36, 2 Bde.);
»Goethes Iphigenia und Schillers Tell« (Brem. 1839);
»Schule und Leben«, Vorträge und Abhandlungen (Halle 1837);
»Revision des deutschen Schulwesens« (Frankf. 1847);
»Klassische Altertumskunde« (Stuttg. 1848).
8) Albrecht, ausgezeichneter Sanskritist und Kenner des indischen Altertums, geb. zu Breslau, [* 31] Sohn des Professors der Nationalökonomie, Benedikt Weber (gest. 1848 in Breslau), studierte 1842-45 in Breslau, Bonn und Berlin [* 32] Sprachwissenschaften, namentlich Orientalia, machte 1846, mit einem Reisestipendium der Berliner [* 33] Akademie versehen, eine wissenschaftliche Reise nach England und Paris, [* 34] wo er zu Wilson und Mill, zu Burnouf, Reinaud, Mohl u. a. in Beziehungen trat, habilitierte sich 1848 an der Universität zu Berlin und wurde daselbst 1856 zum außerordentlichen, 1867 zum ordentlichen Professor der altindischen Sprache [* 35] und Litteratur ernannt.
Seit 1857 ist er auch Mitglied der Berliner Akademie. Viele wichtige und zum Teil sehr umfangreiche Sanskrittexte sind von Weber zum erstenmal britisch herausgegeben worden, namentlich der »Weiße Jadschurveda« (Berl. u. Lond. 1849-59, 3 Bde.) und der »Schwarze Jadschurveda« (Leipz. 1871-72, als 11. und 12. Bd. der »Indischen Studien«),
»Tscharanawyuha, Übersicht über die Schulen der Wedas« (Berl. 1855, im 3. Bd. der »Indischen Studien«) u. a. In seiner »Indischen Litteraturgeschichte« (Berl. 1852, 2. vermehrte Aufl. 1876; auch ins Englische [* 36] übersetzt) lieferte er ein höchst wertvolles, mit reichen Litteraturnachweisen ausgestattetes Handbuch. Sammlungen seiner kleinern Arbeiten, meist kritischen Inhalts, sind die »Indischen Skizzen« (Berl. 1857) und die »Indischen Streifen« (das. 1868-79, 3 Bde.); die letztern enthalten Rezensionen über fast alle bedeutenden Werke der drei letzten Dezennien aus dem Gebiet des Sanskrit und der indischen Altertumskunde.
Seit 1850 gibt Weber mit Unterstützung der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft die Zeitschrift »Indische Studien« heraus (bis jetzt 17 Bde., Berl. 1850-84),
die außer den oben erwähnten Ausgaben von Sanskrittexten von ihm Abhandlungen über »Die Kastenverhältnisse in den Brâhmana und Sûtra«, über das »Wedische Opferritual«, dessen bedeutendster Kenner Weber ist, über die Upanischads, über das Mahâbhâshya u. a. enthält. Wichtige Beiträge zur Kenntnis des Prâkrit lieferte er in den Abhandlungen: »Über ein Fragment der Bhagavatî« (Berl. 1866-67, in den Abhandlungen der königl. preuß. Akademie) und über das »Saptaçatakam des Hâla« (Leipz. 1870; vollständige Ausg., das. 1881). Von seinen sonstigen in den Abhandlungen und Monatsberichten der Berliner Akademie erschienenen Abhandlungen sind namentlich die über die Nakshatras, die aus Babylon entlehnten Sternbilder des Mondes bei den Indern (1860-61) und über die Entstehung des epischen Gedichts »Râmâyana« (Berl. 1870) hervorzuheben. Selbständige Werke Webers sind noch das »Verzeichnis der Berliner Sanskrithandschriften« (Berl. 1853; Bd. 2, Abt. 1, 2, das. 1886 bis 1888); »Über das Catrunjaya des Mahâtmyam« (Leipz. 1858) und die Übersetzung des Dramas »Mâlavikâ und Agriwitra« (Berl. 1856). Zahlreiche lexikalische Beiträge, besonders aus dem Gebiet der ältesten Sanskritlitteratur, lieferte er zu dem großen Petersburger Sanskritwörterbuch.
Dichter und Schriftsteller.
9) Karl Julius, Schriftsteller, geb. zu Langenburg, studierte in Erlangen [* 37] und Göttingen die Rechte, nahm dann eine Hofmeisterstelle in der französischen Schweiz [* 38] an, wo er sich mit der französischen Litteratur und Philosophie vertraut machte, wurde 1792 Privatsekretär bei dem Grafen von Erbach-Schönberg, 1799 Rat der Regierungskanzlei zu König im Odenwald und trat 1802 als Hof- und Regierungsrat in Isenburgsche Dienste, [* 39] um den Erbgrafen auf seinen Reisen zu begleiten. In Berlin aber entfloh dieser seinem Führer, worauf Weber seinen Abschied nahm und zu Jagsthausen privatisierte.
Von 1820 bis 1824 vertrat er das Oberamt Künzelsau in der württembergischen Ständeversammlung. Er starb in Kupferzell. Als Schriftsteller trat Weber zuerst auf mit seiner »Möncherei« (Stuttg. 1818-20, 3 Bde.),
einer Geschichte des Mönchtums, die, obwohl als Geschichtswerk mit wesentlichen Mängeln behaftet, doch das Gepräge eines eigentümlichen Geistes trägt. Dasselbe gilt von seiner Arbeit »Das Ritterwesen« (Stuttg. 1822-24, 3 Bde.). Seine gereiftesten und bekanntesten Werke (Stuttg. 1834-44, 30 Bde.) sind: »Deutschland, [* 40] oder Briefe eines in Deutschland reisenden Deutschen« (Stuttg. 1826-28, 3 Bde.; 3. Aufl., als »Reisehandbuch« eingerichtet. 1843, 6 Bde.) und der unvollendete »Demokritos, oder hinterlassene Papiere eines lachenden Philosophen« (das. 1832-1840, 12 Bde.; 8. Aufl. 1870 u. 1888).
10) Beda, historischer und asketischer Schriftsteller und Dichter, geb. zu Lienz im Pusterthal, besuchte das Gymnasium zu Bozen, [* 41] studierte zu Innsbruck [* 42] und, nachdem er im Stift Marienberg im Vintschgau in den Benediktinerorden getreten, noch ¶