Geschichte der Webkunst. (Hierzu Tafel »Weberei«.)
Die Webkunst findet sich schon auf den ersten Stufen aller Kultur und zwar bereits vor der Kenntnis der Metalle. Gewisse Geräte
des diluvialen Menschen zeigen Ornamente, deren Motive der textilen Kunst entnommen sind. Gewebe aus neolithischen Pfahlbauten
sind offenbar auf einem Webstuhl hergestellt. Man hat auch aus dieser Periode Gewebe mit Fransen und Quastenfransen,
façonniertes und Dickstoffgewebe gefunden. Wahrscheinlich wurden diese Gewebe bemalt. Webgewichte, Schiffchen etc. sind mehrfach
gefunden worden.
In der Bronzezeit fertigte man Kleidungsstücke aus Wolle und namentlich auch geköperte Gewebe. Die alten Kulturvölker, insbesondere
die Ägypter, übten die Weberei schon frühzeitig, wie wir aus ägyptischen Papyrusrollen wissen, und
in den Grabkammern der Pyramiden und an andern Orten sind Reste von gewebten Gewändern gefunden worden, welche von einer hohen
Entwickelung der Webkunst zeugen
[* ]
(Fig. 1 und Tafel »Ornamente l«,
[* ]
Fig. 9 u. 10), wobei Weberei und Stickerei oft verbunden sind.
Seit ca. 1500 v. Chr. gewannen die Assyrer und später die Babylonier durch ihre Gewebe, besonders durch
ihre Teppiche, welche von den handeltreibenden Phönikern weit verbreitet wurden, die Herrschaft auf dem Gebiet der alten
Textilindustrie und behaupteten sie durch ihre Nachkommen und die angrenzenden Völker, Kleinasiaten, Perser und Araber, bis
zum 13. Jahrh. n. Chr. Auch die Weberei der Griechen reicht bis in die ersten Anfänge ihrer Kultur hinauf.
In den Homerischen Gedichten bildet die Weberei für den Bedarf an Kleidungsstücken und Decken die Hauptbeschäftigung der Frauen,
und in der geschichtlichen Zeit wurde die Weberei, besonders für Kultuszwecke (Götter- und Priestergewänder), zu höchster
Kunstfertigkeit gebracht.
Nach der Überlieferung wetteiferte die Bildweberei der Griechen mit der Malerei. Altgriechische Gewebeüberreste aus der Zeit
vom 5. Jahrh. v. Chr. bis zur spätern römischen Kaiserzeit sind in Gräbern Südrußlands gefunden worden. Die höchste Stufe
technischer Vollendung erreichte die antike Weberei durch den Luxus der römischen Kaiserzeit, dessen Raffinement durch
ägyptische und spanische Linnengewebe, durch indische und chinesische Seidenstoffe und durch die durchsichtigen Florgewebe
von Kos und Amorgos befriedigt wurde.
Aus spätrömischer Zeit sind uns mehrere kostbare Gewebe erhalten. Eine Probe gibt
[* ]
Fig. 2, eine Darstellung der Dioskuren auf
einem Stoff in der Servatiuskirche zu Maastricht. Bei den alten Germanen war die Leinweberei ebenfalls seit
den ältesten Zeiten ein Hauptzweig der Hausindustrie, und frühzeitig regte sich auch der Trieb, die Leinengespinste durch
bunte Stickereien zu verzieren. Im frühen Mittelalter und in der romanischen Kunstperiode beherrschte die Webkunst des Orients
den Weltmarkt.
Sassanidische, sarazenische und byzantinische Seiden- und Wollengewebe mit ihrer Ornamentik und reichen
Färbung gaben die Stoffe zu den Prunkgewändern der Kaiser, Fürsten, Ritter und der hohen Geistlichkeit
[* ]
(Fig. 3 u. 4), wozu
sich später der ebenfalls aus Byzanz, resp. aus dem Orient nach Westeuropa gebrachte Samt gesellte. Aus dem Orient übernahm
die europäische Webkunst, welche seit dem 12. Jahrh. mit der orientalischen
zu wetteifern begann, auch die hauptsächlichsten ornamentalen Muster, besonders das Granatapfelmuster (s. d. und
[* ]
Fig. 7).
Mit dem Aufblühen der europäischen Weberei, welche sich so kräftig entwickelte, daß man z. B. in Augsburg um die Mitte
des 15. Jahrh. schon
700 zünftige Weber zählte, unter ihnen die später zu größtem Reichtum gelangten
Fugger (s. d.), wurde das orientalische Dekorationssystem den Stilgesetzen
der Gotik
[* ]
(Fig. 6-8), der Renaissance und ihrer Ausläufer
[* ]
(Fig. 9, 11-13) angepaßt, bis im Beginn des 18. Jahrh.
die chinesische und japanische Weberei, insbesondere in Seidenstoffen, von Einfluß auf die europäische wurde, welcher in der
neuesten Zeit noch gewachsen ist
[* ]
(Fig. 14, 15, 19, 20, 24). Über die besondern
Zweige der Weberei, Teppich- und Gobelinweberei, s. die Artikel Teppiche, Tapeten und Gobelins (dazu
[* ]
Fig. 10, 16, 21, 22). Über
die indische Weberei s. Shawls und Kaschmir.
Was die geschichtliche Entwickelung der Webwerkzeuge betrifft, so scheint die ursprüngliche Form des
Webstuhls mit vertikaler Kette schon sehr früh verlassen zu sein, wogegen der einfache Leinwandstuhl mit horizontaler Kette
sich bis heute erhalten hat. Die wesentlichste Umgestaltung erfuhr erst die Weberei durch die Einführung der mechanischen
Webstühle. Der Gedanke, Webstühle durch mechanische Kombination ihrer Bestandteile dergestalt zu betreiben, daß die bewegende
Kraft an Einem Punkt angreift, ist schon vor langer Zeit ausgeführt worden.
Die Bandmühlen, auf welchen 20 und mehr Bänder gleichzeitig gewebt werden, sind die ältesten Maschinen der Art und schon
seit dem 16. Jahrh. bekannt. Der älteste Entwurf eines mechanischen Webstuhls wurde 1678 von de Genne in London angegeben,
gedieh aber nicht zur Ausführung. 1745 erfand Vaucanson eine Webmaschine, welche nicht minder erfolglos blieb, und fast 40 Jahre
später (1784) machte Cartwright den Versuch, einen Kraftstuhl zu bauen; doch brachte er erst 1787 eine Maschine zu stande, für
welche er vom Parlament belohnt wurde.
Horrocks in Stockport nahm 1803 und 1805 Patente für den von ihm konstruierten Kraftstuhl und verbesserte
denselben 1813 so weit, daß er anfing, eine Rolle in der Baumwollmanufaktur zu spielen. Von 1822 an ergriff Roberts in Manchester
die Angelegenheit und förderte sie endlich zum erwünschten Ziel. Anfangs dienten die Kraftstühle nur zum Weben glatter Stoffe;
bald aber wurden sie so weit vervollkommt, daß sie auch für Musterweberei benutzt und mit der 1808 von Jacquard erfundenen
Maschine verbunden werden konnten.
Vgl. White, Praktisches Lehrbuch der Hand- und Maschinenweberei (deutsch von Wieck, Leipz.
1847);
Weise, Handbuch für Weber (Burgstädt 1862);
Voigt, Die Weberei (3. Aufl., Weim. 1882);
Beyssell u.
Feldges, Lehrbuch der Weberei (Berl. 1863);
Knorr, Die Elemente der Weberei (Chemn. 1872);
Ölsner, Die deutsche Webschule (6.
Aufl., Meerane 1884, mit Supplement: »Webmaterialienkunde«, 1884);
Reiser u. Spennrath, Handbuch der Weberei (Berl. 1885 ff.);
Schams, Theorie der Schaftweberei (Dresd. 1888);
Lembcke, Mechanische Webstühle (Braunschw. 1886, mit Fortsetzungen 1888);
Derselbe, Die Vorbereitungsmaschinen in der mechanischen Weberei (Leipz. 1877);
1) Ernst Heinrich, berühmter Physiolog und Anatom, geb. zu Wittenberg als Sohn des bekannten Theologen Michael Weber daselbst,
studierte in Wittenberg u. Leipzig, wurde 1818 daselbst Professor der vergleichenden und 1821 der menschlichen Anatomie, 1840 auch
der Physiologie und starb daselbst Weber hat sich um die menschliche, die vergleichende
und die mikroskopische Anatomie sowie die Entwickelungsgeschichte der Tiere und die Physiologie, besonders deren physikalische
Seite (Mechanik des Gehens, Druck-, Temperatur- und Ortssinn in der Haut des Menschen etc.), große Verdienste erworben. Seine Hauptarbeiten
sind: »Anatomia comparata nervi sympathici« (Leipz.
1817),
»De aure et auditu hominis et animalium« (das. 1820),
»Tractatus de motu iridis« (das. 1821),
»Wellenlehre«
(das. 1825),
das Ergebnis gemeinschaftlicher Beobachtungen mit seinen Brüdern Wilhelm und Eduard, »Zusätze zur Lehre vom Bau
und von der Verrichtung der Geschlechtsorgane« (das. 1846),
»Die Lehre vom Tastsinn und Gemeingefühl« (Braunschw. 1851) und
»Annotationes anatomicae et physiologicae« (Leipz.
1851). Rosenmüllers »Lehrbuch« und Hildebrands »Handbuch der Anatomie« erhielten durch seine Umarbeitungen einen höhern Wert.
Vgl. Ludwig, E. H. Weber, Gedächtnisrede (Leipz. 1878).
2) Wilhelm Eduard, Physiker, geb. zu Wittenberg, Bruder des vorigen, studierte in Halle Naturwissenschaft, habilitierte
sich daselbst 1827, erhielt schon im nächsten Jahr eine außerordentliche Professur und ward 1831 Professor
der Physik in Göttingen. Infolge seines Protestes gegen die Aufhebung der Verfassung 1837 seines Amtes entsetzt, lebte er als
Privatmann in Göttingen und auf Reisen und folgte 1843 einem Ruf an die Universität Leipzig, kehrte aber 1849 in seine frühere
Stellung nach Göttingen zurück. Weber war noch Student, als er mit seinem Bruder Ernst Heinrich die klassischen Untersuchungen über
»Die Wellenlehre« (Leipz. 1825) herausgab.
Webers weitere Arbeiten betrafen zunächst Probleme der Akustik und damit zusammenhängend solche der Elastizität fester Körper;
hervorragend unter denselben ist seine »Theorie der Zungenpfeifen«. In Göttingen unternahm er mit Gauß
Untersuchungen über den Erdmagnetismus und gab mit demselben die »Resultate aus den Beobachtungen des Magnetischen Vereins von 1836 bis
1841« (Leipz. 1836-43, 6 Bde.
mit 3 Atlanten) heraus. Dieselben enthalten eine große Zahl von Arbeiten Webers über Beobachtungsmethoden und neue Apparate,
über Magnetismus, über Induktion durch den Erdmagnetismus und die unipolare Induktion.
In den Beobachtungen für 1840 führte Weber zum erstenmal das absolute elektromagnetische Strommaß ein und gab dessen
Vergleichung mit dem gebräuchlichen chemischen Strommaß. Eine Frucht der gemeinsamen Arbeit von Gauß und Weber war auch der
erste schon 1833 ausgeführte und zur Korrespondenz zwischen der Sternwarte und dem physikalischen Laboratorium
benutzte elektrische Telegraph. 1846 erschien dann die erste der großen Abhandlungen: »Elektrodynamische Maßbestimmungen«,
in welcher er durch exakte Messungen das Fundamentalgesetz der Elektrodynamik prüfte, sein elektrisches Grundgesetz aufstellte
und aus demselben die Gesetze der Induktion ableitete.
In der zweiten Abhandlung mit dem Zusatz »insbesondere Widerstandsmessungen«
führte er das System der absoluten Maße der Stromstärke, der elektromotorischen Kraft durch und gab Methoden zur Messung des
Widerstandes in
absolutem Maß. Diese Weberschen absoluten Strommaße hat der Pariser Elektrikerkongreß 1881 auch für die elektrotechnische
Praxis adoptiert. In der dritten Abhandlung entwickelte Weber die Theorie des Magnetismus und Diamagnetismus,
in der vierten, gemeinschaftlich mit R. Kohlrausch gearbeiteten, wurde die Vergleichung der absoluten elektromagnetischen
und mechanischen Strommaße durchgeführt. Die fünfte (Leipz. 1864) beschäftigte sich mit dem
Problem der elektrischen Schwingungen.
In den 1871 und 1877 erschienenen Abhandlungen beteiligte sich an der von Helmholtz hervorgerufenen Diskussion über das Webersche
elektrische Grundgesetz, indem er die Einwürfe, welche Helmholtz gegen dasselbe, speziell gegen die Unvereinbarkeit
desselben mit dem Prinzip von der Erhaltung der Energie, erhob, widerlegte. Andre Arbeiten Webers betreffen die »Anwendung der
magnetischen Induktion auf Messung der Inklination mit dem Magnetometer« (Gött. 1853) und »Galvanometrie«
(das. 1862). Im Verein mit seinem jüngern Bruder, Eduard Friedrich (s. Weber 3), gab er die wichtigen Untersuchungen
über die »Mechanik der menschlichen Gehwerkzeuge« heraus. 1887 wurde er zum Wirklichen Geheimen Rat ernannt.
3) Eduard Friedrich, Physiolog, Bruder der vorigen, geb. zu Wittenberg, studierte in Leipzig und Halle, praktizierte
dann in Halle als Assistenzarzt an der Klinik von Krukenberg, in Naumburg und Göttingen, wo er mit seinem
Bruder Eduard die »Mechanik der menschlichen Gehwerkzeuge« (Göttingen 1836) bearbeitete, und folgte 1835 einem Ruf als Prosektor
nach Leipzig, wo er starb. Durch seine Abhandlung »Muskelbewegung« in Wagners »Handwörterbuch der Physiologie« eröffnete
er in diesem Teil der Wissenschaft neue Bahnen.
4) Karl Otto, Mediziner, geb. zu Frankfurt a. M., studierte in Bonn, habilitierte sich 1853 als Privatdozent der Chirurgie,
wurde 1857 zum außerordentlichen Professor ernannt, erhielt 1862 die außerordentliche Professur der pathologischen Anatomie,
folgte 1865 einem Ruf als Professor der Chirurgie nach Heidelberg und starb Bahnbrechend auf
dem Gebiet der chirurgischen Pathologie, schrieb er: »Die Knochengeschwülste in anatomischer und praktischer Beziehung« (Bonn
1856);
»Chirurgische Erfahrungen und Untersuchungen« (Berl. 1859);
auch mehrere Beiträge zu Pitha und Billroths »Handbuch
der allgemeinen und speziellen Chirurgie«.
[Geschichtschreiber.]
5) Karl von, verdienter Forscher auf dem Gebiet der sächsischen Geschichte, geb. zu
Dresden, Sohn des Kirchenrechtslehrers Karl Gottlieb von Weber, studierte die Rechte, ward schon 1839 Appellationsgerichtsrat, wurde 1843 zum
Ministerialrat und Geheimen Referendar beim Gesamtministerium und 1849 zum Direktor des Hauptstaatsarchivs in Dresden ernannt
und widmete seine Muße Forschungen auf dem Gebiet der sächsischen Geschichte, als deren Resultate erschienen:
»Maria Antonia Walpurgis, Kurfürstin von Sachsen« (Dresd. 1857, 2 Bde.);
»Aus vier Jahrhunderten« (Leipz. 1857, 2 Bde.;
neue Folge 1861, 2 Bde.);
»Moritz, Graf von Sachsen, Marschall von Frankreich« (das. 1863);
»Anna, Kurfürstin zu Sachsen« (das.
1865);
seit 1861 gab er das »Archiv für sächsische Geschichte« heraus. Er starb
6) Georg, namhafter Geschichtschreiber, geb. zu Bergzabern in der Pfalz, widmete sich dem Studium der Philologie und
Geschichte, ward
mehr
Professor an der höhern Bürgerschule zu Heidelberg, war 1848-72 Direktor derselben und starb Seine Hauptwerke sind:
»Geschichtliche Darstellung des Calvinismus im Verhältnis zum Staat« (Heidelb. 1836);
»Geschichte der Kirchenreformation in
Großbritannien« (neue Ausg., Leipz. 1856, 2 Bde.);
»Lehrbuch der Weltgeschichte« (20. Aufl., Heidelb.
1888, 2 Bde.);
»Weltgeschichte in übersichtlicher Darstellung« (20. Aufl., Leipz. 1889);
»Allgemeine Weltgeschichte mit besonderer
Berücksichtigung des Geistes und Kulturlebens der Völker« (das. 1857-80, 15 Bde.; 2. Aufl. 1882 ff.),
ein treffliches Werk;
»Geschichte der deutschen Litteratur« (11. Aufl.,
das. 1880);
»Geschichte des Volks Israel und der Entstehung des Christentums« (mit Holtzmann, das. 1867, 2 Bde.);
»Zur Geschichte des Reformationszeitalters« (das.
1874);
»Fr. Christ. Schlosser« (das. 1876);
»Mein Leben und Bildungsgang« (das. 1883);
»Heidelberger Erinnerungen« (Stuttg. 1886);
»Geschichtsbilder aus verschiedenen Ländern und Zeitaltern« (Leipz. 1886);
»Jugendeindrücke und Erlebnisse« (das. 1887).
[Philologen etc.]
7) Wilhelm Ernst, Pädagog, geb. zu Weimar, studierte in Leipzig Philologie, wurde 1817 Professor
der alten Litteratur zu Chur in Graubünden,
1819 Oberlehrer am Gymnasium zu Wetzlar, 1823 Prorektor und Professor zu Frankfurt a. M. und 1829 Direktor
der gelehrten Schule in Bremen, wo er starb. Von seinen Arbeiten sind hervorzuheben die Übersetzungen
der »Elegischen Dichter der Hellenen in ihren Überresten« (Frankf. a. M. 1826),
der »Griechischen Anthologie« (Stuttg. 1838),
von Horaz' Satiren (das. 1852);
die Biographien des Kaisers Marcus Salvius Otho (Frankf. 1815) und des Horaz (Jena 1844);
»Vorlesungen
zur Ästhetik, vornehmlich in Bezug auf Goethe und Schiller« (Hannov. 1831);
Ȁsthetik aus dem Gesichtspunkt
gebildeter Freunde des Schönen« (Brem. 1834-36, 2 Bde.);
»Goethes Faust« (Halle 1836);
»Goethes Iphigenia und Schillers Tell« (Brem.
1839);
»Schule und Leben«, Vorträge und Abhandlungen (Halle 1837);
»Revision des deutschen Schulwesens« (Frankf. 1847);
»Klassische
Altertumskunde« (Stuttg. 1848).
8) Albrecht, ausgezeichneter Sanskritist und Kenner des indischen Altertums, geb. zu Breslau,
Sohn des Professors der Nationalökonomie, Benedikt Weber (gest. 1848 in Breslau), studierte 1842-45 in Breslau, Bonn und Berlin Sprachwissenschaften,
namentlich Orientalia, machte 1846, mit einem Reisestipendium der Berliner Akademie versehen, eine wissenschaftliche Reise nach
England und Paris, wo er zu Wilson und Mill, zu Burnouf, Reinaud, Mohl u. a. in Beziehungen trat, habilitierte
sich 1848 an der Universität zu Berlin und wurde daselbst 1856 zum außerordentlichen, 1867 zum ordentlichen Professor der
altindischen Sprache und Litteratur ernannt.
Seit 1857 ist er auch Mitglied der Berliner Akademie. Viele wichtige und zum Teil sehr umfangreiche Sanskrittexte sind von Weber zum
erstenmal britisch herausgegeben worden, namentlich der »Weiße Jadschurveda« (Berl. u. Lond.
1849-59, 3 Bde.) und der »Schwarze Jadschurveda« (Leipz. 1871-72, als 11. und 12. Bd.
der »Indischen Studien«),
»Tscharanawyuha, Übersicht über die Schulen der Wedas« (Berl. 1855, im 3. Bd.
der »Indischen Studien«) u. a. In seiner »Indischen Litteraturgeschichte« (Berl. 1852, 2. vermehrte Aufl.
1876; auch ins Englische übersetzt) lieferte er ein höchst wertvolles, mit reichen Litteraturnachweisen ausgestattetes Handbuch.
Sammlungen seiner kleinern Arbeiten, meist kritischen Inhalts, sind die »Indischen Skizzen« (Berl. 1857) und die »Indischen Streifen«
(das. 1868-79, 3 Bde.); die letztern
enthalten Rezensionen über fast alle bedeutenden Werke der drei letzten Dezennien aus dem Gebiet des
Sanskrit und der indischen Altertumskunde.
Seit 1850 gibt Weber mit Unterstützung der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft die Zeitschrift »Indische Studien« heraus (bis
jetzt 17 Bde., Berl. 1850-84),
die außer den oben erwähnten Ausgaben von Sanskrittexten von ihm Abhandlungen über »Die Kastenverhältnisse
in den Brâhmana und Sûtra«, über das »Wedische Opferritual«, dessen bedeutendster
Kenner Weber ist, über die Upanischads, über das Mahâbhâshya u. a. enthält. Wichtige Beiträge zur Kenntnis des
Prâkrit lieferte er in den Abhandlungen: »Über ein Fragment der Bhagavatî« (Berl. 1866-67, in den Abhandlungen der königl.
preuß. Akademie) und über das »Saptaçatakam des Hâla« (Leipz. 1870; vollständige Ausg.,
das. 1881). Von seinen sonstigen in den Abhandlungen und Monatsberichten der Berliner Akademie erschienenen Abhandlungen sind
namentlich die über die Nakshatras, die aus Babylon entlehnten Sternbilder des Mondes bei den Indern (1860-61) und über die
Entstehung des epischen Gedichts »Râmâyana« (Berl. 1870) hervorzuheben. Selbständige Werke Webers sind
noch das »Verzeichnis der Berliner Sanskrithandschriften« (Berl. 1853; Bd.
2, Abt. 1, 2, das. 1886 bis 1888); Ȇber das Catrunjaya
des Mahâtmyam« (Leipz. 1858) und die Übersetzung des Dramas »Mâlavikâ und Agriwitra« (Berl.
1856). Zahlreiche lexikalische Beiträge, besonders aus dem Gebiet der ältesten Sanskritlitteratur, lieferte er zu dem großen
Petersburger Sanskritwörterbuch.
Dichter und Schriftsteller.
9) Karl Julius, Schriftsteller, geb. zu Langenburg, studierte in Erlangen und Göttingen die Rechte, nahm dann eine
Hofmeisterstelle in der französischen Schweiz an, wo er sich mit der französischen Litteratur und Philosophie vertraut machte,
wurde 1792 Privatsekretär bei dem Grafen von Erbach-Schönberg, 1799 Rat der Regierungskanzlei zu König
im Odenwald und trat 1802 als Hof- und Regierungsrat in Isenburgsche Dienste, um den Erbgrafen auf seinen Reisen zu begleiten.
In Berlin aber entfloh dieser seinem Führer, worauf Weber seinen Abschied nahm und zu Jagsthausen privatisierte.
Von 1820 bis 1824 vertrat er das Oberamt Künzelsau in der württembergischen Ständeversammlung. Er starb in
Kupferzell. Als Schriftsteller trat Weber zuerst auf mit seiner »Möncherei«
(Stuttg. 1818-20, 3 Bde.),
einer Geschichte des Mönchtums, die, obwohl als Geschichtswerk mit wesentlichen Mängeln behaftet,
doch das Gepräge eines eigentümlichen Geistes trägt. Dasselbe gilt von seiner Arbeit »Das Ritterwesen«
(Stuttg. 1822-24, 3 Bde.). Seine
gereiftesten und bekanntesten Werke (Stuttg. 1834-44, 30 Bde.)
sind: »Deutschland, oder Briefe eines in Deutschland reisenden Deutschen« (Stuttg. 1826-28, 3 Bde.; 3. Aufl.,
als »Reisehandbuch« eingerichtet. 1843, 6 Bde.)
und der unvollendete »Demokritos, oder hinterlassene Papiere eines lachenden Philosophen« (das. 1832-1840, 12 Bde.; 8. Aufl. 1870 u.
1888).
10) Beda, historischer und asketischer Schriftsteller und Dichter, geb. zu Lienz im Pusterthal, besuchte das Gymnasium
zu Bozen, studierte zu Innsbruck und, nachdem er im Stift Marienberg im Vintschgau in den Benediktinerorden getreten, noch
mehr
in den Seminaren zu Brixen und Trient. Nach empfangener Priesterweihe ward er 1825 als Professor am Gymnasium zu Meran angestellt; 1848 für
Meran in die Frankfurter Nationalversammlung gewählt, stand er zur Gagernschen Partei. Im August 1849 ward er Domkapitular der
Limburger Diözese und Pfarrer der katholischen Gemeinde zu Frankfurt, wo er starb. Bedeutendes
lyrisches Talent bekunden seine »Lieder aus Tirol« (Stuttg. 1842). Sein Hauptwerk ist »Das Land Tirol« (Innsbr. 1838, 3 Bde.),
von welchem als »Handbuch für Reisende in Tirol« (das. 1842, 2. Aufl. 1853) ein Auszug erschien; der tirolischen Geschichte
gehören »Oswald von Wolkenstein und Friedrich mit der leeren Tasche« (das. 1850) und »Andreas Hofer und das
Jahr 1809« (das. 1852) an. Noch sind das Trauerspiel »Spartacus« (Wien 1846),
»Johanna Maria vom Kreuze und ihre Zeit« (Regensb.
1846, 3. Aufl. 1877),
»Charakterbilder« (Frankf. 1853) und »Kartons aus dem deutschen Kirchenleben« (Mainz 1858) zu erwähnen.
Auch gab er die »Gedichte Oswalds von Wolkenstein« (Innsbr. 1847) heraus. Von seinen asketischen Schriften
fanden namentlich die »Blüten heiliger Liebe und Andacht« (Innsbr. 1845) Verbreitung.
Vgl. Brühl, Beda Weber (Regensb. 1858).
11) Friedrich Wilhelm, Dichter, geb. zu Alshausen in Westfalen, studierte zu Greifswald und Breslau erst Philologie,
dann Medizin, ließ sich, nachdem er längere Reisen in Deutschland, Frankreich und Italien gemacht hatte, 1841 in
dem Kurort Driburg und 1856 als Brunnenarzt im Bad Lippspringe nieder. Seit 1867 privatisiert er zu Thienhausen bei Steinheim
in Westfalen. Außer verschiedenen Übersetzungen (z. B. Tennysons »Enoch Arden«, »Maud«; »Schwedische Lieder« mit Klavierbegleitung)
veröffentlichte er das den Kampf des sächsischen Heidentums gegen das Christentum schildernde Epos »Dreizehnlinden«
(Paderb. 1878, 42. Aufl. 1889),
eine Dichtung von vollendeter Form und ebenso vorzüglichem Inhalt, welche einen außerordentlichen
Erfolg erlebte, sowie einen Band »Gedichte« (das. 1881, 11. Aufl.
1888) und »Marienblumen« (Köln 1885). Weber huldigt in diesen Werken tief religiösen Anschauungen, ohne sich
in Konfessionalismus zu verlieren, obwohl er vielfach von ultramontaner Seite als Parteidichter auf den Schild gehoben wird.
Seit 1861 gehört Weber als Mitglied des Zentrums dem preußischen Abgeordnetenhaus an.
Vgl. Keiter, Friedr. Wilh. Weber (Paderb.
1887).
12) Veit, Schriftsteller, s. Wächter 2).
Maler und Kupferstecher.
13) Friedrich, Kupferstecher, geb. 1813 zu Liestal bei Basel,
erlernte seine Kunst seit 1835 bei Amsler in München und ließ sich dann
in Paris nieder, wo er sich durch eignes Studium weiterbildete und zunächst mehrere Porträte stach, z. B. Lais Corinthiaca
und Bonifacius Amerbach nach Holbein, Holbein nach dem Selbstporträt, die Kaiserin Eugenie nach Winterhalter,
Napoleon mit seinem Sohn in seinem Kabinett nach Steuben, la bella Visconti nach Raffael, dann aber auch nach ältern Meistern
historische und andre Bilder, z. B. die Vierge au linge nach Raffael im Louvre, die Madonna von Lugano nach Luini, die himmlische
und irdische Liebe nach Tizian und die Italienerin am Brunnen nach de Keyser. Seine Stiche sind durch treffliche
Modellierung, treue Wiedergabe des Gesichtsausdrucks und geschickte Behandlung der Stoffe ausgezeichnet. Er starb in
Basel.
14) August, Maler, geb. zu Frankfurt a. M., wo er bei
dem Maler Rosenkranz seine Studien als Landschaftsmaler
begann, die er dann bei dem Hofmaler Schilbach in Darmstadt fortsetzte. Von 1836 bis 1838 war er Schüler des Städelschen
Instituts in Frankfurt. Im Herbst 1838 zog er nach Düsseldorf, wo er noch ein Jahr die Akademie besuchte, später aber selbst
viele Schüler bildete und starb. Webers Landschaften gehören der stilistischen Richtung an,
ihr Hauptreiz beruht in der Schönheit der Linien und Formen, einer möglichst abgerundeten Komposition und einer poetischen
Stimmung der Farbe. Er hat eine große Zahl poetischer Bilder geschaffen, unter denen Mondschein und Abendlandschaften den größten
Beifall fanden. Auch in Zeichnungen und Aquarellen leistete er Vorzügliches. Ebenso hat er sich in der
Lithographie mit Glück versucht. Er war königlicher Professor.
15) Theodor, Maler, geb. zu Leipzig, trat 15jährig in das Atelier des Marinemalers Krause in Berlin, siedelte 1856 nach
Paris über, studierte dort bei Isabey, debütierte im Salon 1861 mit zwei Gemälden: Städteansicht und
Schiffbruch, und blieb bis zum Krieg von 1870 in Paris, von wo er sich nach London begab. 1874 ließ er sich in Brüssel nieder,
nahm aber 1883 seinen Wohnsitz wieder in Paris. Im Gegensatz zu dem skizzenhaften Realismus legt Weber in seinen Marinen und Landschaften
das Hauptgewicht auf solide Malweise und korrekte Zeichnung.
Seine Hauptwerke sind: die Ebbe in Ostende, das belgische Pestschiff zwischen Ostende und Dover, die Ausfahrt der Fischer in Ostende,
die Ankunft des französischen Postdampfers zu Dover, im Hafen zu Vlissingen, Schiffbruch in der Bucht von Douarnenez, Ansicht aus
Tréport, Schiffbruch bei Dieppe, das Schloß der heil. Elisabeth zu Jersey, die letzte Woge, die Ufer der Seine
bei Bougival, die Felsen von Leide im Busen von Douarnenez, Krabbenfischer an den Küsten der Bretagne bei Roscoff, Heringsfischerei
im Kanal, Schiffbruch der englischen Brigg Euphemia bei Tréport (im Museum zu Avignon), das Rettungsboot, die Küste von
Blankenberghe und die Einfahrt in den Hafen von Blankenberghe.
Musiker.
16) Bernhard Anselm, Komponist, geb. zu Mannheim, erhielt seine Ausbildung dort durch den Abt Vogler, dirigierte 1787-90
das Großmannsche Theaterorchester zu Hannover und schloß sich dann wieder an Vogler an, den er auf dessen Reisen durch Deutschland,
Holland und Skandinavien begleitete; um 1793 aber folgte er einem Ruf als Kapellmeister des Nationaltheaters nach Berlin, wo er starb.
Seinen Kompositionen, die meist aus einzelnen Musikstücken zu Schauspielen, z. B. zu Schillers »Tell«, »Braut von Messina« und
»Jungfrau von Orléans«, zu Goethes »Epimenides«, sodann aus einigen Opern (»Deodata«, »Hermann und Thusnelda«)
bestehen, sind gefällige Melodik, formelle Klarheit und Abgerundetheit sowie wirksame Orchestration eigen; jedoch zeigen sie
weder besondern Phantasieschwung noch große Originalität und waren bald nach dem Tod ihres Autors wieder vergessen. Am bekanntesten
wurden seine Gesänge mit Klavierbegleitung und seine melodramatische Komposition von Schillers »Gang nach
dem Eisenhammer«.
17) Gottfried, Musiktheoretiker, geb. zu Freinsheim in Rheinbayern, studierte zu Heidelberg und Göttingen die Rechte,
ward 1804 Fiskal-Prokurator zu Mannheim, daneben Direktor der Kirchenmusik und des musikalischen Konservatoriums, 1814 Tribunalrichter
in Mainz, 1818
mehr
Hofgerichtsrat und Generaladvokat des Kassationshofs zu Darmstadt und 1832 Generalstaatsprokurator. Er starb in Kreuznach.
Obwohl er schon als Jüngling in der Komposition sowie im Klavier-, Flöten- und Violoncellspiel Hervorragendes leistete, widmete
er sich doch später vorwiegend der Musiktheorie und hat sich durch seine Arbeiten auf diesem Gebiet:
»Versuch einer geordneten Theorie der Tonsetzkunst« (Mainz 1817; 3. Aufl., das. 1830-32, 2 Bde.),
in der »Allgemeinen Musiklehre« (3. Aufl., das.
1831) sowie in der 1824 von ihm begründeten Musikzeitung »Cäcilia« einen geachteten Namen erworben. Unter seinen Kompositionen,
welche sich durch Streben nach Einfachheit und ausdrucksvoller Deklamation auszeichnen, befinden sich drei
Messen, ein Tedeum (1812), eine Missa funebris, den Manen der Sieger bei Leipzig von 1813 gewidmet, und eine große Zahl ein- und
mehrstimmiger Gesänge.
18) Karl Maria Friedrich Ernest von, Komponist, wurde zu Eutin in Holstein geboren, wo sein Vater Franz Anton von Weber (der
Oheim von Mozarts Gattin Konstanze) Musikdirektor war. Bald nach der Geburt Karl Marias legte dieser jedoch
seine Stelle nieder, um als Schauspieldirektor die Welt zu durchziehen. 1798, während eines längern Aufenthalts in Salzburg,
starb die Mutter des jungen Weber, die der zarte und kränkliche Knabe über alles geliebt, und nun übernahm
eine Schwester des Vaters mit diesem seine Erziehung.
Alle schon früher angestellten Bemühungen, den Knaben zu etwas Besonderm in der Kunst heranzubilden, waren erfolglos geblieben,
bis er 1796 nach Hildburghausen kam und hier den geregelten Unterricht des Kammermusikus Heuschkel genoß, von welcher Zeit
an sich sein Talent in so überraschender Weise entfaltete, daß sich 1797 der Vater entschloß, den Knaben
der Leitung des damals hochberühmten Kontrapunktisten Michael Haydn in Salzburg zu übergeben. Da jedoch die Strenge dieses
Unterrichts dem ungeduldig strebenden Schüler keineswegs zusagte, so wurde bald darauf der Aufenthalt in Salzburg aufgegeben
und nach München übergesiedelt, wo Weber vom Hoforganisten Kalcher in der Komposition und von Vallesi (Wallishauser)
im Gesang Unterricht erhielt; gleichzeitig beschäftigte er sich auf das eifrigste mit der damals gerade von Senefelder erfundenen
Lithographie, um womöglich seine Kompositionen selbst drucken zu können, und da er, früher schon im Zeichnen und Kupferstechen
geübt, eine wesentliche Verbesserung dieses Verfahrens entdeckt zu haben glaubte, bestimmte er seinen
Vater, mit ihm (1800) nach Freiberg in Sachsen überzusiedeln, wo das hierzu nötige Material bequemer zu beschaffen sein würde.
Das Mechanische dieser Beschäftigung wurde ihm indessen bald zuwider; er wendete sich wieder mit allem Eifer der Tonkunst zu
und komponierte die Oper »Das Waldmädchen«, welche zuerst in Chemnitz, bald darauf in Freiberg
zur Aufführung kam, Weber aber in einen Federstreit mit der Kritik verwickelte, der ihm den Aufenthalt in Freiberg verleidete. 1801 ging
die Familie, um mancherlei geschäftliche Angelegenheiten zu ordnen, wieder nach Salzburg, und hier schrieb Weber unter
Michael Haydns Augen seine zweite Oper: »Peter Schmoll und seine Nachbarn«.
Das nächstfolgende Jahr füllte eine Kunstreise nach Norddeutschland aus. Zu Anfang 1803 begab sich Weber nach Augsburg, wo
sein »Peter Schmoll« gegeben wurde, und im Juni nach Wien. Hier setzte er seine theoretischen Studien unter des Abts Vogler Anleitung
mit Eifer fort, bis er im November 1804 einem Ruf als Theaterkapellmeister
nach Breslau folgte. Bald nach seiner Ankunft begann
er die Komposition der Oper »Rübezahl«, die aber unvollendet blieb, da ihm die Zeit zu eignen Arbeiten spärlich zugemessen
war, er auch in seinem Beruf mit mancherlei Intrigen und Widerwärtigkeiten zu kämpfen hatte. So wurde
von dieser Arbeit nichts weiter bekannt als die Ouvertüre, welche in einer später vorgenommenen Umarbeitung unter dem Titel:
»Ouvertüre zum Beherrscher der Geister« erschien. Im Mai 1806 verließ Weber diesen Wirkungskreis wieder und ging im Herbst als
Kapellmeister (mit dem Titel Musikintendant) nach Karlsruhe in Schlesien an den Hof des Prinzen Eugen von Württemberg.
Doch auch hier sollte seines Bleibens nicht lange sein, denn der Prinz sah sich infolge der Kriegsereignisse genötigt, im
Februar 1807 Theater und Kapelle aufzulösen. Weber, der sich inzwischen zu einem bedeutenden Klaviervirtuosen herangebildet hatte,
versuchte es nun mit einer Kunstreise; da aber auch diese unter den obwaltenden Umständen wenig Ersprießliches
bot, nahm er die vom Prinzen Ludwig, dem Bruder Eugens, ihm angetragene Stelle eines Hofsekretärs bereitwillig an. Mit diesem
kam er nach Stuttgart und schrieb hier die Oper »Sylvana« (eine Umarbeitung der Oper »Das Waldmädchen«),
die Kantate »Der erste
Ton« und mehrere Klavier- und Orchesterstücke. In dieser Stellung verblieb Weber, bis er mit seinem Vater,
der, wie es scheint, ohne sein Verschulden des Unterschleifs angeklagt war, im Februar 1810 des Landes verwiesen wurde. Er
ging nun zunächst nach Mannheim, dann nach Darmstadt, wo er bei Vogler zum zweitenmal Unterricht nahm (in
Gemeinschaft mit Meyerbeer und Gänsbacher), führte in Frankfurt a. M. die »Sylvana« und in Darmstadt sein jüngstes
Werk, die Operette »Abu Hassan«, auf und unternahm hierauf (1811) eine neue Kunstreise, die ihn zuerst nach Norddeutschland,
dann in die Schweiz führte. 1812 kam er wieder nach Deutschland.
Ein längerer Aufenthalt in Berlin brachte ihn mit dem Fürsten Radziwill, mit Tiedge, Brentano und dem Zoologen
Lichtenstein in engern Verkehr. Im Frühjahr d. J. traf ihn die Kunde von dem in Mannheim erfolgten Dahinscheiden seines Vaters.
Weber verließ nun Berlin und folgte zunächst einer Einladung des Herzogs von Gotha, ging sodann auf kürzere
Zeit nach Weimar, wo er mit Goethe und Wieland persönlich bekannt wurde, trat im Neujahrskonzert 1813 in Leipzig als Komponist
und Klavierspieler mit ungemeinem Erfolg auf und schloß für einige Zeit sein Wanderleben, indem er, nach nicht geringen
innern Kämpfen, die Leitung der neuorganisierten Oper in Prag übernahm, in welcher Stellung er auch seine
materiellen Verhältnisse vollständig regeln zu können hoffte. Weber wirkte hier auf das ersprießlichste; in diese
Zeit fällt die Komposition von Körners Freiheitsliedern »Leier und Schwert«, das erste Werk, wodurch Weber seine Popularität anbahnte.
Mißhelligkeiten veranlaßten ihn indessen, schon 1816 aus seinem Prager Wirkungkreis wieder auszuscheiden.
Er machte hierauf abermals eine Kunstreise, und während seines Aufenthalts in Berlin kamen die Unterhandlungen zum Abschluß,
wonach er zur Gründung einer Deutschen Oper nach Dresden berufen wurde. Am trat er diese neue Stellung an und löste
die hiermit verbundene, durch die Gegenpartei von der Italienischen Oper, an deren Spitze der Kapellmeister
Morlacchi, Polledro und der Kirchenkompositeur Schubert standen, äußerst schwierig gemachte Aufgabe aufs glänzendste, ohne
jedoch anfangs an der Stätte seines
mehr
Wirkens diejenige Würdigung zu finden, die ihm an allen andern Orten zu teil ward. Noch 14. Nov. d. J. verheiratete er sich mit
der trefflichen Opernsoubrette Karoline Brandt, die er schon in Prag kennen gelernt hatte, und gründete so nach langem unsteten
Wanderleben seinen häuslichen Herd. Gleichzeitig gelangte er auch in die glänzendste Periode seines künstlerischen
Schaffens: 1818 wurde die »Jubelouvertüre« zum erstenmal aufgeführt, ging
»Preciosa« und 18. Juni d. J. (in Berlin) der »Freischütz« zum erstenmal in Szene.
Diesen Meisterwerken folgten die für Wien komponierte Oper »Euryanthe« und zu London »Oberon«. Obwohl
sich Weber, dessen Gesundheit infolge einer Lungentuberkulose schon seit mehreren Jahren zu schwinden begann, sehr leidend fühlte,
reiste er dennoch zum Einstudieren des »Oberon« nach London. Das dortige Klima wirkte jedoch so nachteilig auf ihn, und seine
Kräfte nahmen mit so reißender Schnelligkeit ab, daß er schon 5. Juni d. J. starb. Die bereits 1821 begonnene
zwölfte Oper des Meisters: »Die drei Pintos«, blieb unvollendet.
Dieselbe kam in einer Bearbeitung von Webers Enkel, Karl v. Weber, mit Musik von Mahler, 1888 in Leipzig zur Aufführung, wo auch
seine Jugendoper »Sylvana« in neuer Musikbearbeitung von Langer (Text von E. Pasqué) 1885 zum erstenmal
über die Bühne ging. Webers Leiche ruhte in der Moorfieldskapelle in London, bis sie 1844 nach Dresden gebracht und in der
Familiengruft auf dem katholischen Friedhof beigesetzt wurde. 1860 wurde dem Meister auf dem Dresdener Theaterplatz auch ein
Denkmal (von Rietschel) errichtet.
Was die Musik Webers vor allem kennzeichnet, ist ein volkstümlicher, echt deutscher Zug
neben Adel der Empfindung,
künstlerischem Takt sowie feinem Sinn für das dramatisch Wirksame und das Charakteristische. Von warmer Begeisterung für nationales
Wesen erfüllt, wußte er die zu seiner Zeit in Blüte stehende, die gleiche Richtung verfolgende romantische Dichtung für seine
musikalisch-dramatischen Zwecke mit solchem Geschick und zugleich mit solcher künstlerischer Gewissenhaftigkeit
zu verwenden, daß er als der vornehmste Repräsentant der deutschen romantischen Oper gelten darf.
Aber nicht nur auf dem Gebiet der dramatischen und der Orchestermusik, deren Ausdrucksfähigkeit er ihren neuen, durch die
Romantik bedingten Aufgaben entsprechend gesteigert hat, sondern auch auf dem des Liedes und der Kammermusik,
namentlich der Klavierkomposition, hat Weber Werke von hoher Bedeutung geschaffen, unter letztern die drei Sonaten in A dur, C dur
und D moll und das Konzertstück in F moll. Auch litterarisch ist Weber vielfach thätig gewesen, so unter anderm in Dresden, wo
er in den ersten Jahren seiner Wirksamkeit es niemals unterließ, die von ihm einstudierten neuen Werke
durch einführende Zeitungsartikel vor der Aufführung dem Verständnis des Publikums näher zu bringen. Seine gesammelten
Arbeiten dieser Art hat Theodor Hell (Dresd. 1828) herausgegeben. In neuester Zeit wurden sie wieder abgedruckt im 3. Bande der
von Max Maria v.
Weber (s. Weber 19) verfaßten Biographie seines Vaters (»K. M. v. ein Lebensbild« Leipz. 1864-66, 3 Bde.).
Sein oben genannter Enkel. Karl v. Weber veröffentlichte »Reisebriefe
von K. M. v. an seine Gattin Karoline« (Leipz. 1886).
Vgl. außerdem Jähns, K. M. v. Weber in seinen Werken Chronologisch-thematisches
Verzeichnis seiner sämtlichen Kompositionen (Berl. 1871);
Derselbe, K. M. v. Weber, eine Lebensskizze (Leipz. 1873);
Reißmann,
K. M. v.
Weber (Berl. 1882).
Verschiedene.
19) Max Maria von, Eisenbahntechniker, Sohn des vorigen, geb. zu Dresden, bildete sich auf der polytechnischen Schule
in Dresden und in den Werkstätten von Borsig in Berlin zum Ingenieur, arbeitete bei verschiedenen Eisenbahnen,
bereiste Deutschland, Belgien, Frankreich und England, arbeitete unter Brunel und Stephenson, besuchte auch Nordafrika und den
hohen Norden Europas und trat 1850 in den sächsischen Staatsdienst. Zuerst Direktor der Staatstelegraphen, wurde er 1852 technisches
Mitglied der Staatseisenbahnverwaltung und später Finanzrat bei der Generaldirektion der Staatseisenbahnen. 1870 folgte
er einem Ruf als vortragender Rat in das Handelsministerium zu Wien und übte bedeutenden Einfluß auf die Neugestaltung des
österreichischen Eisenbahnwesens.
Von 1875 an lebte er als Privatmann in Wien mit wissenschaftlichen Arbeiten beschäftigt, bis er 1878 einem Ruf ins preußische
Handelsministerium folgte. Er starb in Berlin. Weber verband mit technischer Tüchtigkeit auch
hohe wissenschaftliche Ausbildung und administratives Talent. Anfangs bearbeitete er hauptsächlich rein technische Gegenstände
und schrieb unter anderm: »Technik des Eisenbahnbetriebs« (Leipz. 1854): »Schule des Eisenbahnwesens« (4. Aufl., das. 1885;
mehrfach übersetzt);
»Telegraphen- und Signalwesen der Eisenbahnen« (Weim. 1867);
»Stabilität des Gefüges
der Eisenbahngeleise« (das. 1869),
»Portfolio John Cockerills« (Brüssel 1855).
Später ging er, nachdem er zuerst auf die Bedeutung
der sogen. Sekundärbahnen aufmerksam gemacht hatte (»Die Praxis des Baues und Betriebs der Sekundärbahnen mit normaler und
schmaler Spur«, 2. Aufl., Weim. 1873),
mehr zur Behandlung allgemeiner Fragen des Eisenbahn- und Verkehrswesens
über und veröffentlichte eine Reihe dahin gehöriger Arbeiten: »Populäre Erörterungen von Eisenbahn-Zeitfragen« (Wien 1876 bis
1877, 7 Hefte);
»Nationalität und Eisenbahnpolitik« (das. 1876);
»Der staatliche Einfluß auf die Entwickelung der Eisenbahnen
minderer Ordnung« (das. 1878);
»Die Wasserstraßen Nordeuropas« (Leipz. 1881)
u. a. Von seinen Schriften sind noch hervorzuheben: »Ausflug nach dem französischen Nordafrika« (Leipz.
1855);
»Algerien und die Auswanderung dahin« (das. 1854);
»Aus der Welt der Arbeit« (Berl. 1868);
»Schauen und Schaffen«, Skizzen
(2. Aufl., Stuttg. 1879);
ein Romanzencyklus: »Rolands Gralfahrt« (Dresd. 1854),
und eine Biographie seines Vaters (s. oben).
Nach seinem Tod gab M. Jähns heraus »Vom rollenden Flügelrad«, Skizzen und Bilder (mit Biographie, Berl.
1882).
Vgl. Berghaus, M. M. v. Weber (Berl. 1881).
20) Ernst von, Reisender, Bruder von Weber 5.), geb. zu Dresden, besuchte die Bergakademie in Freiberg und die Universität
zu Berlin und bereiste dann Südeuropa, Nordafrika, Syrien, Palästina und Nordamerika. 1871-75 verweilte
Weber auf den Diamantfeldern Südafrikas. Nach seiner Rückkehr nach Europa vertrat Weber eifrig die Kolonisationsfrage, begann
seine Agitation gegen die Vivisektion und begründete zu deren Bekämpfung einen internationalen Verein. Er veröffentlichte:
»Vier Jahre in Afrika« (Leipz. 1878, 2 Bde.);
»Die Erweiterung des deutschen Wirtschaftsgebiets und die Grundlegung zu
überseeischen deutschen Staaten etc.« (das. 1879);
»Die Folterkammern der Wissenschaft«, gegen die Vivisektion (das. 1879),
etc.
21) Johann Jakob, Buchhändler, geb. zu Basel,
bildete sich in verschiedenen
mehr
Buchhandlungen der Schweiz bei Didot in Paris und bei Breitkopf u. Härtel in Leipzig, wo er 1834 ein eignes Geschäft unter seinem
Namen begründete, nachdem er seit 1830 für den Verlag von Bossange das »Pfennig-Magazin« herausgegeben hatte. Die Hauptthätigkeit
Webers richtete sich auf die damals zu einer neuen Blüte erwachende Buchillustration und zwar mit solchem
Erfolg, daß sein Name, besonders durch die von ihm 1843 gegründete »Illustrierte Zeitung«, mit der Geschichte des deutschen
Holzschnitts als eines seiner regsten Förderer für immer verknüpft ist.
Weitere umfassende Unternehmungen waren der »Illustrierte Kalender« (seit 1846) und die noch heute fortgesetzte Sammlung »Illustrierte
Katechismen. Belehrungen aus dem Gebiet der Wissenschaften, Künste und Gewerbe«, von der bis Anfang 1878: 75 Bände
vorlagen. Daneben enthält Webers Verlagskatalog eine glänzende Reihe besonders dramatischer und dramaturgischer sowie kulturhistorischer
Schriften, die auch durch die sorgfältige typographische Ausstattung förderlich wirkten. Seit 1867 bekleidete er die Stellung
eines Konsuls der Schweiz für Leipzig; er starb