»La
Bible enfin expliquée« (1776) etc. Im
Februar 1778 besuchte der Vierundachtzigjährige noch einmal
Paris,
[* 2] wo er mit
Ehrenbezeigungen
überhäuft wurde, aber, vielleicht infolge der dadurch veranlaßten Aufregung, in eine
Krankheit verfiel
und starb.
Die
Geistlichkeit in
Paris verweigerte ihm ein kirchliches
Begräbnis, und der
Abbé Mignot, der ihn in der
Abtei von Scellières beigesetzt hatte, ward sogar bestraft. 1791 wurden seine Gebeine auf Volksbeschluß im
Panthéon beigesetzt.
Die 100jährige Wiederkehr seines Todestags wurde 1878 inParis mit
Pomp und in zahlreichen Festschriften
gefeiert.
war
Philosoph im französischen
Sinn, Geschichtschreiber, dramatischer und Romandichter. Seine sogen. philosophischen
Schriften bestreiten wirkliche oder vermeinte
Irrtümer oder
Vorurteile oft mit kaustischer, unwiderstehlicher
Schärfe, oft
mit witzelnder Unkunde, oder sie tragen bald mit ermüdender
Breite,
[* 3] bald mit absprechender
Kürze den
Locke-CondillacschenSensualismus und
Eudämonismus mit stetem
Kampf gegen das
Christentum vor. Seine historischen
Darstellungen
ermangeln, bei trefflicher
Anordnung des
Stoffs und höchst geistreicher und ansprechender
Darstellung, doch der
Wahrheit und
Genauigkeit. Er war bei der wundersamsten
Fülle von Kenntnissen ungründlich und oberflächlich, und wo nicht seine Unkunde
zu Irrtümern führte, da thaten es seine lebhafte
Phantasie und sein
Haß gegen
Christentum und
Kirche.
Ein Meisterstück romanhafter Geschichtschreibung ist die
»Histoire de
Charles XII«; auch der »Essai sur l'histoire générale
et sur les mœurs et l'esprit des nations depuis
Charlemagne« ist reich an glänzenden
Aperçus. Wertvoll besonders durch Reichhaltigkeit
desStoffs und anziehende
Darstellung ist auch der
»Précis du siècle de
Louis XV« (1768). Als Dichter exzellierte
Voltaire vor allem im
Epigramm; sonst hat er weder in der
Lyrik (am allerwenigsten in der
Ode) noch in der
EpikGroßes geleistet.
SeinEpos »La
Henriade« ist eine in wohllautenden
Alexandrinern und mit glänzenden
Deklamationen und
Sentenzen
reich ausgestattete, kalte historische
Darstellung, die alles epischen
Geistes ermangelt, und »La
Pucelle« ist ein in sittlicher
Beziehung höchst verwerfliches, wenn auch in poetischer Hinsicht jenes weit überstrahlendes Gedicht. Dagegen sind seine
kleinen, meist satirisch gehaltenen
Romane und
Erzählungen (»Zadig«, »Micromégas«,
»Candide«, »Jeannot et Colin«,
»L'ingénu«, »La
princesse de
Babylone« etc.) ausgezeichnete Leistungen, eine wunderbare Mischung von
Ernst und
Scherz, bezaubernder Leichtigkeit
und Anschaulichkeit der
Darstellung.
Trotz des großen Fleißes, den Voltaire auf seine
Tragödien verwandte, und trotz seiner wunderbaren Produktivität hat er doch
seine großen klassischen
Muster,
Corneille und
Racine, nicht erreicht. Mehrmals versuchte er es auf
Grund
seiner
Begeisterung für
Shakespeare, dem französischen
Drama mehr
Bewegung und
Freiheit zu geben; immer aber scheiterte
er an
dem
Widerstand des
Publikums, dessen Beifall
er nicht entbehren konnte. Auch seine
Stücke leiden unter dem
Zwang der klassischen
Regeln; auch bei ihm ersetzt Schilderung die
Handlung, glänzendeRhetorik die Charakterzeichnung; am schwächsten
aber ist sein
Stil. Im
Lustspiel, für welches sich seine so mächtige
Individualität nicht eignete, hat er seinen größten
Erfolg mit dem
»Enfant prodigue« davongetragen. - »Den großen
Widerspruch seines
Lebens zwischen seinem bedeutenden
Talent und
seinem ursprünglich kleinen und selbstsüchtigen
Naturell hat Voltaire nie gelöst.
Geist und
Bildung lassen
ihn für die hohen und idealen
Zwecke der Menschheit kämpfen; aber sein persönlicher
Charakter zeigt die niedrigsten und
kleinlichsten
Schwächen, welche die menschliche
Natur entstellen. Er ist eitel, gewinnsüchtig und unwahr. Seine
Angriffe gegen
die römische
Kirche, ja gegen das
Christentum sind leidenschaftlich, gehässig und frech und treten um
so greller hervor bei der Leichtigkeit, mit der er sich um seines Vorteils willen an den kirchlichen
Handlungen beteiligte.
Seine Streitschriften sind fast immer
Pasquille, sein
Kampf gegen andre Schriftsteller meist persönliche
Rache; er erlaubt
sich
Mittel, welche nur die
Wirkung im
Auge
[* 4] haben und es mit der
Wahrheit niemals genau nehmen. Überall,
wo es ihm ersprießlich dünkt, verleugnet er frech seine
Bücher, statt ehrlich und mannhaft für sie einzustehen. In seiner
Beurteilung
Voltaires begnügt sich
Strauß
[* 5] (s. unten) nicht mit der
Lösung, wie sie
Friedrich d. Gr. versucht: das
Talent von
dem
Charakter zu trennen, allesLicht
[* 6] auf das erstere, allen
Schatten
[* 7] auf den letztern fallen zu lassen;
zu bedauern, daß ein so großer
Geist ein so kleiner
Mensch gewesen sei. Er versucht die
Lösung in der
Weise, daß er in den
geschichtlichen Zusammenhang hineinstellt,
dem er angehört. In diesem
Sinn erscheinen seine Fehler teils als
natürliche
Wirkungen seiner Zeit und ihrer Verbildung, teils sogar als
Mittel zu ihrer Umbildung. Nicht sind sie etwa darum
keine persönlichen Fehler gewesen. Auch hat Voltaire unter ihnen am meisten gelitten. Er lebte selten im Vollgefühl
seiner
Kraft,
[* 8] seines Wirkens, seines
Wertes; die meiste Zeit seines
Lebens war er in der
Pein um untergeordnete,
oft ganz unwürdige
Zwecke befangen. Er ist nur so weit glücklich gewesen, als er gut gewesen ist.« (Pfundheller.) Von den
zahlreichen
Ausgaben seiner Werke, von denen einen beträchtlichen Teil seine ausgedehnte und interessante, bis ins höchste
Alter fortgeführte
Korrespondenz ausmacht, erwähnen wir nur die vonBeaumarchais,
Condorcet und Decroix
(Kehl 1785 bis 1789, 70 Bde.), die vortreffliche von Beuchot,
dem Bibliographen
Voltaires (das. 1829-41, 72 Bde.),
ferner die von
Furne (1835-38, 13 Bde.),
Barré (1856-59, 20 Bde.),
Hachette (1859-62, 40 Bde.),
Didot (1859, 13 Bde.),
Garnier
(1878-85, 52 Bde.). Die deutschen Übersetzungen von
Mylius u. a. (Berl. 1783-91, 29 Bde.),
Gleich,
Hell u. a. (Leipz. 1825-30, 30 Bde.)
sind unvollständig und nicht besonders gelungen; eine Auswahl in 5
Bänden besorgte
Ellissen (das. 1854). Briefwechsel: »Voltaire et
le président de
Brosses« (hrsg. v. Foisset, 2. Aufl.
1858);
»Lettres inédites« (hrsg. von Carayol, 2. Aufl.
1857);
à
Ferney« (Briefwechsel mit der Herzogin von Gotha,
[* 9] hrsg. von
Bavoux, 2. Aufl. 1865);
»Lettres inédites sur la tolérance« (hrsg. von
Coquerel, 1863).
Vgl.
Bungener, Voltaire et son temps (2. Aufl., Par. 1851, 2 Bde.);
Maynard, Voltaire, sa vie et ses œuvres (das. 1867, 2 Bde.);