(internationales
Recht,
Jus internationale,
Jus gentium,
Jus belli et pacis, franz.
Droit international,
Droit
des gens, engl.
Law of nations,
International law, ital. Diritto internazionale), Inbegriff der Rechtsgrundsätze,
welche im
Verkehr souveräner
Staaten untereinander Geltung beanspruchen. Insoweit diese
Normen lediglich aus der
Natur der wechselseitigen
Verhältnisse der
Staaten überhaupt gefolgert werden, also auf subjektive rechtsphilosophische
Anschauung zurückzuführen
sind, spricht man von allgemeinem oder philosophischem Völkerrecht, während man diejenigen Rechtsgrundsätze, welche
auf vertragsmäßigem übereinkommen bestimmter einzelner
Staaten oder doch auf feststehendem
Gebrauch
im
Verkehr dieser
Staaten untereinander beruhen, als praktisches oder positives Völkerrecht bezeichnet.
Praktisches europäisches Völkerrecht insbesondere werden diejenigen Rechtsregeln genannt, welche die
Staaten und zwar zunächst die
christlichen
Staaten der europäischen
Völkerschaften sowie der von ihnen beherrschten und kolonisierten
Länder andrerWeltteile
verpflichten. Seit dem
PariserFrieden von 1856 ist auch die Türkei
[* 6] in das sogen. europäische
Konzert mit aufgenommen, während
die nordamerikanische
Union sich nicht unbedingt an jene
Normen bindet und namentlich den
Abmachungen der europäischen
Staaten
über die
Kaperei nicht beigetreten ist.
Auch die
Handels- undSchiffahrtsverträge sowie die internationalen
Post- und Telegraphenverträge der
Neuzeit, namentlich der Weltpostvereinsvertrag, auch
die
Verträge über den
Schutz des
Urheberrechts (s. d.) gehören hierher.
Insofern, als es in Ansehung der völkerrechtlichen
Normen an einer gemeinsamen richterlichen
Autorität fehlt, welche deren
Erzwingbarkeit garantiert, ist dem Völkerrecht vielfach der
Charakter eines eigentlichen
Rechts abgesprochen worden;
die praktische Anwendbarkeit des Völkerrechts hängt eben zumeist von den Machtverhältnissen der beteiligten
Staaten ab.
Um so beachtenswerter ist es daher, daß
man in neuerer Zeit wiederholt in Streitigkeiten völkerrechtlicher
Natur die
Entscheidung
eines
Schiedsgerichts angerufen hat (s.
Schiedsrichter). Auch eine Kodifikation des Völkerrechts wird angestrebt, zu welcher
schon von
Bentham angeregt und von
Bluntschli in seinem Werk »Das moderne Völkerrecht der zivilisierten
Staaten, als Rechtsbuch dargestellt« (3. Aufl.,
Nördling. 1878) ein wertvoller Beitrag geliefert worden ist. In neuerer Zeit
haben sich namentlich zwei Vereinigungen die
Pflege und Fortbildung des Völkerrechts mit großem Erfolg zur Aufgabe gemacht:
derVerein fürReform und Kodifikation des Völkerrechts
(Association pour la réforme et la codification
de droit des gens) und das
Institut für Völkerrecht
(Institut de droit internationale), welch letzteres aus der erstgedachten
Gesellschaft
hervorgegangen ist.
Der
Verein fürReform und Kodifikation des Völkerrechts setzt sich aus Rechtsgelehrten, Staatsmännern,
Publizisten und Geschäftsleuten
zusammen und hält in der
Regel alljährlich seinen
Kongreß ab. Diese
Körperschaft hat sich namentlich um das internationale
Privatrecht, zumal um das
Seerecht, große
Verdienste erworben. Ebenso ist das
Institut für Völkerrecht eine unabhängige internationale
Gesellschaft, welche alljährlich ihre
Sitzung abhält. An dieser nehmen die wirklichen Mitglieder
(Membres effectifs) mit
Stimmrecht teil.
Dazu kommen aber noch sogen.
Associés, welchen nur eine beratende
Stimme zusteht. Zu solchen Mitarbeitern werden namentlich
Männer berufen, die durch Spezialkenntnisse dem
Institut nützen können. Die
Verhandlungen werden in der in
Brüssel
[* 11] erscheinenden
»Revue de droit international« und auszugsweise im »Annuaire«
(»Jahrbuch«) des
Instituts veröffentlicht. Von besonderer Wichtigkeit war namentlich der 1880 in
Oxford
[* 12] abgehaltene
Kongreß, auf welchem ein von
Gustav Moynier in Genf,
[* 13] dem
Präsidenten der
InternationalenGesellschaft zur
Pflege im
Feld
verwundeter
Krieger, ausgearbeitetes Handbüchlein
(»Manuel«) des
Kriegsrechts (Lois de
la guerre sur terre) zur
Annahme gelangte,
welches allerdings nur wissenschaftlichen Wert beanspruchen kann. Dasselbe gilt von dem auf den
Kongressen
in
Turin,
[* 14]
München
[* 15] und
Heidelberg
[* 16] festgestellten
»Règlement international des prises maritimes« (veröffentlicht im »Annuaire«
für das Jahr 1888), in welchem das
Prisen- und Seebeuterecht behandelt ist.
Seinem
Inhalt nach zerfällt das in öffentliches Völkerrecht, d. h. das
Recht unabhängiger
Staaten in ihrem
Verkehr als
Staaten, und in das internationale
Privatrecht, worunter man die Rechtsgrundsätze versteht, nach welchen bei der
Kollision
der
Gesetze verschiedener
Staaten in Bezug auf die privaten Rechtsverhältnisse ihrer
Unterthanen zu verfahren ist. Zu dem öffentlichen
oder eigentlichen Völkerrecht gehören insbesondere: die
Normen über Unabhängigkeit,
Gleichheit und Selbsterhaltung der einzelnen
Staaten, ferner das
Recht der völkerrechtlichen
Ehre, das
Vertrags- und
Gesandtschaftsrecht, die
Grundsätze
über die Staatsvertretung nach außen, über
Krieg und
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