Tourn.
(Mistel),
Gattung aus der
Familie der
Loranthaceen, kleine, grüne Schmarotzersträucher mit dichotomen,
gegliederten
Ästen, einfachen, gegenständigen Blättern, diözischen oder monözischen
Blüten in kleinen, wenigblütigen,
end- und achselständigen
Köpfchen (selten einzeln) und ein- bis dreisamiger Beerenfrucht. Etwa 30
Arten. Viscum albumL.
(Eichen-,
Leimmistel,
Kluster, heiliges
Kreuzholz), mit 30-90
cm hohem
Stengel,
[* 7] länglichen, stumpfen, lederartigen Blättern, zu 3-5 beisammenstehenden,
diözischen, gelblichgrünen
Blüten und weißen
Beeren, schmarotzt auf
ca. 30 europäischen
Laub- und
Nadelhölzern, wobei die
eigentliche, parallel dem
Ast verlaufende Längswurzel immer in der
Rinde bleibt und ihre Senker ins
Holz
[* 8] schickt.
Die
Mistel findet sich am häufigsten auf Apfel- und
Birnbäumen,
Pappeln,
Weißtannen, sehr selten auf
Eichen.
Sie wird durch
Vögel,
[* 9] besonders
Drosseln, welche die
Beeren fressen und die
Samen
[* 10] im
Kot auf andre
Bäume absetzen, verbreitet.
Die
Mistel hat durch ihr abweichendes Vorkommen und Aussehen früh einen besondern
Ruf undKultus erlangt.
Ihre gegabelten, im
Winter goldgrün berindeten
Zweige gaben das Vorbild der goldenen Zauberrute (virgula aurea s. divina),
von welcher die
Sage von der
Wünschelrute (s. d.) abstammt.
Die Chaldäer nannten ihre
Göttin der
Unterwelt Nin-gis-zida, d. h. die
Dame des magischen
Stabes, der die
Pforten der
Erde sprengt,
ihre
Schätze bloßlegt und den
Menschen den Weg dahin öffnet.
Daher muß
Äneas (bei Vergil) sich das »goldene
Reis« verschaffen, um in die
Unterwelt einzudringen und es der
Persephone
[* 11] zu überreichen. Mitten im
Wald, hoch auf
Bäumen, sucht
er das »wie die
Mistel im winterlichen
Wald« schimmernde
Reis mit den klirrenden Blättern. Natürlich bedarf
Hermes-Merkur desselben Gabelzweigs, um sich die
Pforten der
Unterwelt zu öffnen, wenn er die
Toten hinab geleitet, und mit
Recht übersetzten daher altdeutsche Glossarien das
WortCaduceus
[* 12] mit Wunciligerta, d. h.
Wünschelrute, wie ja beide gabelästig
gedacht wurden.
Genau so wie
Homer und Vergil von jenem Zwieselstab sagen, daß er
Reichtum verleiht, »Schlummer gibt und
enthebt und vom
Tod selbst die
Augen entsiegelt«, hält
Odin, der nordische
Merkur
[* 13] und
Erbe seines Wünschelhutes und
Stabes, in
seiner
Hand
[* 14] den
»Wunsch«, die
Reif- oder Winterrute, mit der er
Brunhilde und die gesamte
Natur in den Todesschlaf versenkt, bis
Siegfried (die Frühlingssonne) kommt, den Eispanzer zerschneidet und die Schlafende wach küßt.
Diese in der
Edda so oft erwähnte Winterrute ist offenbar identisch mit dem Mistilteinn der
Edda, jenem
Zweig, mit welchem
der blinde Wintergott
(Höder) den lichten
Sonnen- und Sommergott
(Balder) niederstreckt.
Aber wie der Gabelstab des
Merkur »Schlummer gibt und enthebt«,
so ist der
Gabelzweig der
Mistel auch das
Symbol der Wiederbelebung der erloschenen Sonnenkraft, die in ihm allein lebendig bleibt, daher
die allheilende und belebende
Kraft
[* 15] desselben gegen alle Übel. Am
Tag von
Balders Neugeburt, wenn die größte Sonnenschwäche
vorüber ist, am
Julfest oder zu
Neujahr, sammelte man feierlich die Allheilende, um alle
Räume während
der Festzeit damit zu schmücken und zu weihen.
Ähnliche Naturdeutungen und mythologische Beziehungen haben unzweifelhaft auch zu der außerordentlichen Verehrung
Anlaß
gegeben, in welcher die
Mistel bei den keltischen
Stämmen stand.
IhrePriester, die
Druiden, berichtet
Plinius, kennen nichts
Heiligeres als die
Mistel und denBaum, auf dem sie wächst, namentlich wenn es eine Wintereiche
(Quercus
robur) ist. Man findet die
Mistel jedoch nur selten auf derselben; sobald man sie aber gefunden hat, wird sie mit großer
Feierlichkeit eingeholt, vorzugsweise am sechsten
Tag nach dem
Neumond, mit welchem
Tag die
Kelten ihre
Monate, Jahre und 30jährigen
Perioden beginnen.
Nachdem darauf unter dem
Baum die gehörigen
Opfer und Festmahlzeiten veranstaltet worden, besteigt ein weiß gekleideter
Druide
den
Baum, schneidet mit einer goldenen
Sichel die
Mistel ab und wirft sie in den weißen
Mantel. Nach
Plinius war der Hauptsammeltag
für die
Mistel das Neujahrsfest, und in
Frankreich hat sich noch hier und da die
Sitte erhalten, daß
Kinder
am
Silvester oder
Neujahr mit einem Mistelbusch von
Haus zu
Haus laufen und mit dem
Ruf: »Aguillanneuf« ! (entstanden aus: an
gui l'an neuf!) Eßwaren und
Geschenke verlangen. In
Deutschland
[* 16] scheint der
Ruf »Guthyl« und das Neujahrs-"Anklopfen" mit grünen
Ruten dem zu entsprechen. In
England hängt man an vielen
Orten zu
Weihnachten an die Stubendecken und über
die
Thüren Mistelbüsche, und alte
Schriften, in denen das Mistelholz, weil es den nordischen Gottessohn tötete, dem ehemals
gabelig dargestellten
Kreuz
[* 17]
Christi verglichen wird, machen wahrscheinlich, daß die
Kirche, wie in so vielen
Fällen, darin Duldung übte und das Mistelholz als »heiliges
Kreuzholz« anerkannte.
SchonPlinius erzählt uns, daß man die
Mistel insbesondere gegen
Fallsucht anwendete, und bis in die neuesten
Zeiten hat sie
für ein Spezifikum gegen
Epilepsie gegolten, ist aber jetzt völlig außer
Gebrauch. Zahllose Abhandlungen und
Dissertationen
haben sich mit der
Frage beschäftigt, ob unter der
Eichenmistel nicht vielmehr die
Riemenblume
(Loranthus
europaeus) zu verstehen sei, da diese in
Italien
[* 18] noch heute auf
Eichen häufig vorkommt und Visco quercini im
Volk heißt. Die
Alten bezeichneten
Mistel und
Riemenblume mit demselben
Namen (Ixia), unterschieden aber die immergrüne von der winterkahlen;
als die
Mistel der
Druiden und
Germanen kann nur die erstere gelten. Dagegen bezieht sich das klassische
Sprichwort von der Misteldrossel (turdus ipse sibi malum cacat) auf die letztere, denn nur aus Loranthusbeeren bereitet man
Vogelleim.
(spr. wísche-), 1)
Markt im ungar.
KomitatPest und Dampfschiffstation am rechten Donauufer, oberhalb
Waitzen,
mit (1881) 1331 meist deutschen Einwohnern, vielen
Villen, einem Sanatorium und den
¶
mehr
Ruinen einer jetzt teilweise restaurierten Königsburg, welche besonders zu MatthiasCorvinus' Zeit mit vielen Prachtbauten
geschmückt war.
Vgl. Viktorin, Visegrád einst und jetzt (Pest 1873). -