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frischem Fleisch, Häuten, Heu, Stroh und andern der Behaftung mit Ansteckungsstoffen verdächtigen Gegenständen bestehen können. Da die bei den Schlachttieren vorkommenden Viehseuchen am meisten aus Rußland eingeschleppt werden, so ist die Überwachung der langgedehnten russisch-preußischen und österreichischen Landesgrenze für Deutschland [* 2] die wichtigste Abwehrmaßregel. England, welches 1865 von der Rinderpest schwer heimgesucht war, gestattet die Zulassung von Rindvieh aus Deutschland nur unter der Bedingung, daß dasselbe in bestimmten Häfen gelandet und daselbst geschlachtet wird. Da hiermit eine Wertverminderung des Mastviehs verbunden ist, so bemühte sich die deutsche Reichsverwaltung, durch Verschärfung der Abwehrmaßregeln gegen Rußland und Österreich [* 3] ein größeres Vertrauen des Auslandes und die Bewilligung der bedingungslosen Einführung von Rindvieh nach England zurückzugewinnen.
Indes wurde bis jetzt nur für Schleswig-Holstein [* 4] während der Herbstmonate zur Überführung des gemästeten Weideviehs eine geringe Begünstigung zugestanden. Zum Schutz gegen die Rinderpest hat der Bundesrat des Deutschen Reichs jede Einfuhr von Rindvieh über die russisch-deutsche, resp. österreichisch-deutsche Grenze verboten. Nur der Handel mit Arbeitsvieh ist im Grenzverkehr zwischen Österreich und Sachsen, [* 5] resp. Österreich und Bayern [* 6] unter ausreichenden Kontrollmaßregeln gestattet. Da infolge dieser Verbote die Preise des Rindviehs im Ausland bedeutend niedriger stehen als im Inland, so kann der Schmuggelhandel nur mit den schärfsten Strafandrohungen und durch zahlreiche Grenzwachen verhindert werden.
Indes läßt sich nicht verkennen, daß der inländische Viehbestand für den Bedarf der Bevölkerung [* 7] an Fleischnahrung vollkommen ausreicht, und daß den großen Interessen der Viehzucht und [* 8] Viehhaltung ein öfterer Wechsel in der Anordnung und Aufhebung der Vieheinfuhrverbote sehr nachteilig ist. Hinsichtlich der übrigen Viehseuchen gilt der Grundsatz, daß die Vieheinfuhr nur für eine kurze Zeit, solange eine erhebliche Gefahr besteht, untersagt wird. Die Maßregeln zur Unterdrückung der Viehseuchen im Inland erstrecken sich auf die Anzeigepflicht;
die sachverständige Feststellung der Krankheit;
die tierärztliche Überwachung der Viehmärkte;
die Sperre des Stalles, des Gehöfts, des Ortes oder der Feldmark, selbst einer ganzen Provinz (wie bei der Rinderpest) gegen die Ausfuhr von Vieh;
die Impfung [* 9] (nur bei den Schafpocken);
die Tötung von krankem und verdächtigem Vieh;
die unschädliche Beseitigung der Kadaver;
die Desinfektion [* 10] und bezüglich der Rinderpest, der Lungenseuche und der Rotzkrankheit auch die Entschädigung der auf polizeiliche Anordnung getöteten Tiere.
Hiernach liefert die Gesetzgebung den Behörden ausreichende Mittel, um die Seuchen zum Erlöschen zu bringen. Da die Viehseuchen, mit Ausnahme des Milzbrandes, sich nur durch Ansteckung verbreiten, so ist die frühzeitige Anzeige von dem Ausbruch einer Seuche oder einer verdächtigen Krankheit und die sofortige Einleitung der Schutzmaßregeln durchaus erforderlich. Daher hat das preußische Ausführungsgesetz vom zum Reichsviehseuchengesetz mit Recht die Ausführung der Vorschriften den Ortspolizeibehörden überwiesen.
Bei der Rinderpest hat das Bundes- (Reichs-) Gesetz vom die sofortige Tötung aller kranken und auch aller der stattgehabten Ansteckung verdächtigen Tiere vorgeschrieben, um die Seuche im Interesse der Gegend, deren Verkehr durch die Schutzmaßregeln sehr beschränkt wird, mit möglichster Schnelligkeit zum Erlöschen zu bringen. Für alles wegen Rinderpest getötete Vieh wird der durch unparteiische Taxatoren zu ermittelnde volle Wert dem betreffenden Besitzer aus der Reichskasse vergütet.
Letztere trägt auch die bedeutenden Kosten der Desinfektion. Für die Unterdrückung der Lungenseuche und der Rotzkrankheit hat das deutsche Reichsviehseuchengesetz die Entschädigung der auf polizeiliche Anordnung getöteten Tiere grundsätzlich angeordnet. Die getöteten lungenseuchekranken Rinder [* 11] werden mit vier Fünfteln und die getöteten rotzkranken Pferde [* 12] mit drei Vierteln des durch Abschätzung ermittelten gemeinen Wertes entschädigt. Verdächtige Tiere, welche auf polizeiliche Anordnung getötet und bei der Sektion für gesund befunden werden, sind vom Staat zum vollen Wert zu ersetzen.
Von wesentlicher Bedeutung für die erfolgreiche Ausführung der Viehseuchengesetze ist die Mitwirkung einer genügenden Zahl tüchtiger Tierärzte. Die Staatsverwaltungen haben deshalb in der neuern Zeit dem tierärztlichen Unterrichtswesen eine größere Fürsorge gewidmet und Vorschriften erlassen, welche eine gründliche technische Bildung der Tierärzte gewährleisten.
Vgl. Beyer, Viehseuchengesetze (2. Aufl., Berl. 1886);
Wengler, Die Viehseuchengesetzgebung Deutschlands [* 13] (das. 1881).