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der Nachkommenschaft heißt absteigende Linie (linea descendens) und die in ihr Stehenden Deszendenten (liberi, Busen, Untersippschaft). Der Ausdruck gerade Linie (linea recta) bezeichnet die Verwandtschaft derjenigen Personen, von denen die eine von der andern abstammt. Sind Personen nicht in gerader Linie verwandt, aber von derselben dritten Person abstammend, so liegt Seitenverwandtschaft (Kollateralverwandtschaft, cognatio in linea transversa) vor, und die so verwandten Personen sind Seitenverwandte (collaterales).
Von denselben Eltern erzeugte Blutsverwandte sind vollbürtige leibliche Geschwister (bilaterales); haben sie nur eins von beiden Eltern gemeinschaftlich, so sind sie halbbürtige, Halb- oder Stiefgeschwister (unilaterales) und zwar Consanguinei, wenn sie den Vater, Uterini, wenn sie die Mutter gemeinschaftlich haben. Verwandte, deren Verwandtschaft auf Zeugung (durch Männer) beruht, heißen Agnaten, in altdeutscher Sprache [* 2] Schwertmagen; beruht die Verwandtschaft auf Geburt (durch Weiber), so heißen sie Kognaten, altdeutsch Spillmagen.
Erstgeborne (primogeniti) sind diejenigen, vor welchen die Eltern noch keine Kinder gehabt haben; alle Nachgebornen heißen Secundogeniti. Entferntere Verwandte, nach dem »Sachsenspiegel« von den Geschwisterkindern an, hießen im altdeutschen Recht Magen. [* 3] Die Seitenlinien sind entweder gleiche, wenn jede der Linien, welche in Frage kommen, gleich viele Abstufungen hat (z. B. Geschwisterkinder sind miteinander in gleicher Linie verwandt), oder sie sind ungleiche Linien (z. B. Neffe und Oheim sind in ungleicher Linie verwandt).
Die Nähe der Verwandtschaft bestimmt sich nach der Anzahl der Grade, die zwischen beiden Personen sind, von deren Verwandtschaft die Rede ist. Im römischen Recht werden so viele Grade gezählt als Zeugungen (tot gradus, quot generationes), ein Grundsatz, welcher auch in dem Entwurf eines deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs beibehalten wurde. Hiernach sind Vater und Sohn im ersten, Großvater und Enkel im zweiten Grad gerader Linie, Bruder und Schwester im zweiten, Oheim und Neffe im dritten Grade der Seitenlinie miteinander verwandt.
Bei der kanonischen Verwandtschaftsberechnung (computatio graduum canonica) hat man die Entfernung des Erben, nicht vom Erblasser, sondern vom gemeinschaftlichen Stammvater (Sipp), im Auge, [* 4] nach der altdeutschen Rechtsregel: Je näher dem Sipp, je näher dem Erbe. Das kanonische Recht zählt daher nur die eine Reihe, doch immer die längere, der Zeugungen bis zum gemeinschaftlichen Stammvater, so daß Bruder und Schwester im ersten (nach römischem im zweiten), Oheim und Neffe im zweiten (nach römischem im dritten) Grad verwandt sind. Uneheliche Kinder (s. d.) stehen rechtlich nur zur Mutter und zu deren Verwandten, nicht aber zu ihrem Erzeuger in einem Verwandtschaftsverhältnis. Das Verhältnis des einen zu den Verwandten des andern Ehegatten wird Schwägerschaft (s. d.) genannt. - Natürlich beruhen die hier entwickelten Rechtsgrundsätze auf dem Begriff der Familie (s. d.), wie er in den zivilisierten Staaten maßgebend ist.
Bei zahlreichen unzivilisierten Völkerstämmen aller Erdteile wird dagegen der Vater nicht zur Familie gerechnet, und die Verwandtschaft sowie das darauf beruhende Erbrecht gilt nur in der weiblichen Linie, so daß nicht der leibliche Vater, sondern der Mutterbruder als der nächste Aszendent gilt und von seinem Neffen beerbt wird. Darauf gründen sich dann eigentümliche, uns sehr fremdartig dünkende Bezeichnungen und Verwandtschaftssysteme bei den verschiedensten Völkern. So begrüßt der junge Sandwichinsulaner alle Groß- und Urgroßeltern, -Onkel und -Tanten als Kupuna (Ahne), sämtliche Oheime väterlicher- und mütterlicherseits gleich dem eignen Vater als Makua Kana (d. h. Vater) und die entsprechenden weiblichen Verwandten als Makua Waheena (d. h. Mutter). Ebenso nennt der Vater sämtliche Neffen und Großneffen brüderlicher- und schwesterlicherseits gleich den eignen Söhnen Kaikee Kana (d. h. Sohn). Ähnliche Verwandtschaftsbezeichnungen kehren bei den verschiedensten Naturvölkern wieder.
Vgl. Lubbock, Entstehung der Zivilisation (deutsch, Jena [* 5] 1875);
Morgan, Systems of consanguinity and affinity of the human family (Lond. 1870). -
Über in der Chemie s. Chemische Verwandtschaft. [* 6] - Über Verwandtschaft der Töne vgl. Tonverwandtschaft.