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Nach dem Geburtsland zählte man 1880: 43,475,840 Eingeborne der Vereinigten Staaten [* 2] und 6,679,947 Ausländer (13,31 Proz.). Von den Ausländern waren 1,966,742 Deutsche, [* 3] 1,854,571 Iren, 717,084 britische Amerikaner, 662,676 Engländer, 194,337 Schweden, [* 4] 181,729 Norweger, 170,136 Schotten, 135,550 Österreicher und Ungarn, [* 5] 106,971 Franzosen, 104,541 Chinesen, 88,621 Schweizer, 83,302 Walliser (aus Wales) und 64,196 Dänen. Demnach wiegt das germanische Element entschieden vor.
Weiterhin wurden durch den Zensus festgestellt, daß 6,298,447 geborne Amerikaner die Kinder im Ausland geborner Eltern waren und weitere 1,911,098 einen im Ausland gebornen Vater oder eine dort geborne Mutter hatten. Sehr unregelmäßig sind die Ausländer über die verschiedenen Staaten verteilt. Am zahlreichsten, im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung, sind sie in den nordwestlichen Staaten (Dakota, Minnesota und Wisconsin) und im fernen Westen; auch sind sie zahlreicher in den großen Städten als auf dem platten Land. Namentlich gilt dies von den Polen (Juden?) und Iren. Im Durchschnitt sind unter je 1000 Bewohnern eines Staats 674 Eingeborne des Staats, 193 andre Amerikaner und 133 Ausländer, in andern Worten, von je 1000 gebornen Amerikanern wohnen nur 754 in dem Staat ihrer Geburt. Die Amerikaner sind daher ein reges Wandervolk und wechseln ihren Wohnsitz häufiger, als dies in Europa [* 6] der Fall ist. (In Deutschland [* 7] leben 900 pro 1000 in der Provinz, bez. dem Staat ihrer Geburt.) Der Rasse nach unterschied man:
1870 | 1880 | Zuwachs 1870-80 Proz. | |
---|---|---|---|
Weiße | 33589377 | 43402970 | 29 |
Farbige | 4880009 | 6580793 | 35* |
Chinesen | 63254 | 105465 | 67 |
Japaner | - | 148 | - |
Indianer | 25731 | 66407 | - |
* Dieser Zuwachs wird mit Recht bezweifelt. Man nimmt an, daß 1870 zahlreiche »Farbige« den Zählern entgingen.
Die Zahl der Indianer im Gebiet der Union (aber ohne Alaska) schätzte man 1880 auf 322,534 Seelen, von denen 76,895 im Indianergebiet angesiedelt waren, 179,232 aber noch in Stämmen leben. (Weiteres über die Verteilung der Farbigen und Indianer auf die einzelnen Staaten etc. ist aus der Tabelle, S. 106, ersichtlich.) Diese Urbevölkerung des Landes ist durch die eingewanderte germanische Rasse gegenwärtig in einem großen Teil des Gebiets gänzlich verdrängt oder ausgerottet.
Allerdings gibt es keinen Staat der Union, in welchem Indianer nicht angetroffen würden, aber abgesehen vom Indianergebiet gab es bereits 1880 nur acht Staaten und Territorien, in welchen sie 5 Proz. der Bevölkerung [* 8] ausmachten, und nur in sieben Staaten und fünf Territorien betrug ihre Zahl über 5000 Köpfe. Nur wenige unter ihnen befinden sich noch im Besitz des Landes ihrer Voreltern. Schritt um Schritt hat man sie gezwungen, große Ländereien, allerdings gegen Entschädigung, an die vordringenden Ansiedler abzutreten, und hat ihnen als Teilentschädigung sogenannte Reservationen angewiesen.
Allerdings, im W. und namentlich jenseit der Felsengebirge gibt es noch zahlreiche in Stämmen hausende Indianer, und diese könnten den Ansiedlern gefährlich werden, wenn sie nicht durch zahlreiche Militärposten im Zaum gehalten würden. Anzuerkennen ist das ehrliche Bestreben der amerikanischen Regierung, die Indianer an ein seßhaftes Leben zu gewöhnen, und sie hat in dieser Beziehung trotz ihrer oft nichtswürdigen Beamten, welche die Indianer um die ihnen zukommenden Naturalien und Zahlungen betrügen, entschiedene Erfolge zu verzeichnen.
Gegenwärtig gibt es 66 Indianeragenturen, von denen die noch in Stämmen lebenden 291,553 Indianer abhängen, während 66,407 Indianer bereits volle Bürgerrechte genießen. Die jährlichen Zahlungen an die Indianer belaufen sich auf 6 Mill. Doll. (vgl. Amerika, [* 9] S. 475; Indianer und Indianergebiet). Die Farbigen (d. h. Neger, Mulatten und ihre Nachkommen) sind in den ehemaligen Sklavenstaaten am häufigsten, bilden aber nur in Südcarolina, Mississippi und Louisiana die Mehrzahl. 1860 zählte man 4,441,830 Farbige, worunter 3,359,760 Sklaven waren. Im Lauf des Bürgerkriegs hat man sie sämtlich emanzipiert, ohne ihren ehemaligen Herren die geringste Entschädigung zu gewähren, und bereits 1870 gab man ihnen trotz ihres Mangels an Bildung und zum Schaden des Gemeinwesens sogar das politische Stimmrecht. Folge war, daß sie in mehreren Staaten die politische Macht an sich rissen oder sie politischen Abenteurern aus dem Norden, [* 10] den sogen. Schnappsäcklern (carpet-baggers), in die Hände spielten. Gerade in den Nordstaaten, wo man am meisten von den Menschenrechten der Schwarzen redete, wird ihnen gesellschaftliche Gleichberechtigung nur selten zugestanden.
Das spezifische Anglo-Amerikanertum ist am reinsten vertreten in den Neuenglandstaaten, die noch großenteils von Nachkommen der englischen Puritaner bewohnt sind. Die Neuengländer, die Yankees, sind ein ganz eigentümlicher Menschenschlag und bilden eine Art Geburts- und Geldaristokratie, die auf alle übrigen Amerikaner vornehm und voll Selbstgefühl herabblickt. Jeder einzelne dünkt sich das souveräne Volk der Vereinigten Staaten zu repräsentieren.
Dabei ist er haushälterisch, auf Erwerb unablässig bedacht, ein ausgeprägter Geschäftsmann von praktischem Sinn, scharfem Verstand und ungemeiner Energie, der in der Wahl der Mittel nicht sehr bedenklich ist, wenn es gilt, »Geld zu machen«. Im Umgang ist der Yankee ernst und wenig mitteilsam, von geradem, kurz angebundenem Wesen, das in Europa leicht als Unhöflichkeit und Unanständigkeit erscheint. An seiner Ehre sehr empfindlich, greift er bei Beleidigungen, ohne viel Worte zu machen, zur Selbsthilfe. Er liebt seine Heimat, doch hängt er nicht an ihr, sondern sucht sich eine neue, wenn er seine Lage dadurch verbessern zu können glaubt. In politischer Hinsicht wacht der Yankee mit größter Eifersucht über Aufrechterhaltung seiner republikanischen Freiheit, wozu freilich die allgemein herrschende Titelsucht einen wunderlichen Gegensatz bildet.
Das Äußere des echten Amerikaners charakterisiert sich durch hagere, schlanke Leibesform, blasse Gesichtsfarbe und frühzeitige Entwickelung in leiblicher wie geistiger Beziehung, aber auch durch frühe Wiederabnahme seiner Kräfte. Er ist gut gewachsen, muskulös und kräftig, das Gesicht [* 11] ohne hervorstechende Züge, doch ernst, scharf und sich gleichbleibend. Das weibliche Geschlecht besitzt in der Jugend eine ungemeine Zartheit und Anmut und zeichnet sich durch freies, dabei würdiges und angenehmes Benehmen aus; doch schon mit den 20er Jahren nimmt die Anmut rasch ab. Wesentlich verschieden von dem des eigentlichen Yankees ist der Charakter des mit romanischen Elementen versetzten Südländers. Derselbe ist weniger arbeitsam, weniger ausschließlich auf das Nützliche gerichtet, dabei gastfrei, tapfer und oft ¶
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wahrhaft ritterlich, aber auch aufbrausend, kleinlich-empfindlich und zur Selbsthilfe geneigt. Der gesellschaftliche Ton ist im S. freier und ansprechender als im N. Die Deutschen bilden in geistiger und materieller Beziehung einen wichtigen Faktor der Bevölkerung, und da sie unablässig frischen Zuzug aus der Heimat erhalten und ihre Muttersprache pflegen, so werden sie sich wohl noch auf lange Zeit ihre Eigentümlichkeiten bewahren. Sie sitzen am dichtesten in Pennsylvanien (wo sie bei Gründung der Union die Mehrheit bildeten), in New York und in den westlichen Staaten (Illinois, Ohio, Wisconsin und Missouri), leben meist als Ackerbauer auf dem platten Land, sind aber auch zahlreich in allen größern Städten.
Ein schlimmes Element der Bevölkerung sind die katholischen Iren, die meist blindlings ihren Geistlichen oder Parteiführern folgen. Sie nehmen meist untergeordnete Stellen ein, und bei einiger Bildung werfen sie sich auf Politik und Ämterjagd. Die Engländer und Schotten sowie die Skandinavier bilden hingegen sehr achtbare Teile der Bevölkerung. Diese Verteilung der Rassen hat den verschiedenen Teilen der Union einen eigentümlichen Charakter aufgedrückt. Im NO. liegen die Neuengland- und Yankeestaaten, mit einer aus den bürgerlichen Kreisen Englands abstammenden Bevölkerung, mit hoch entwickelter Fabrikindustrie und den größten Städten.
In den mittlern und nordwestlichen Staaten ist die Bevölkerung mehr gemischt und enthält namentlich deutsche Elemente. Dort spielt noch immer die Landwirtschaft die Hauptrolle. Der ferne Westen endlich ist das Gebiet der Edelmetalle und der Abenteurer jeder Art, wenn auch die Zeit, wo Fallensteller (trappers), gefolgt von squatters, welche die ersten Äcker urbar machten, und von nach Gold [* 13] dürstenden prospectors, diese Gegenden durchzogen, fast verschwunden ist. Endlich hat der Süden durch die lange anhaltende Sklaverei seinen Charakter erhalten, und seine weißen Bewohner stammen wenigstens teilweise von adligen Geschlechtern Altenglands und französischen Einwanderern ab. Diese Gruppierung erklärt zugleich die Vorliebe des industriellen Nordostens für das Schutzzollsystem, während die Acker- und Plantagenbau treibenden West- und Südländer mehr dem Freihandel zuneigen.
Geistige Kultur.
Für die geistige Kultur und namentlich für das Schulwesen ist in den Vereinigten Staaten viel geschehen, vom Staat sowohl als von Privaten; doch bleibt noch immer viel zu thun übrig, und mit unserm deutschen Schulwesen hält es einen Vergleich jedenfalls nicht aus. Die Bundesregierung überläßt die Leitung des öffentlichen Unterrichts den Einzelstaaten, hat aber den 36. Teil aller Staatsländereien (für jede Township eine Sektion) für Schulzwecke reserviert.
Außerdem hat die Mehrzahl der Staaten Schulfonds gegründet, und für Schulzwecke werden sowohl Steuern als auch Schulgelder erhoben. Schulzwang besteht nur in einigen Staaten, trotzdem waren die Volksschulen 1886/87 von 11,805,660 Kindern besucht (durchschnittlich anwesend waren aber nur 7,571,416!, und die Schulen bleiben sechs Monate des Jahrs geschlossen). Der Unterhalt dieser Schulen kostete 1886/87: 115 Mill. Dollar. In ihnen wird in der Regel nur Lesen, Schreiben, Rechnen und etwas Geographie gelehrt;
aber was der Amerikaner in der Schule nicht lernt, das eignet er sich im praktischen Leben an.
Für Neger bestehen besondere Schulen. Der Unterricht wird vielfach ganz unerfahrenen Kräften anvertraut, was man schon daraus ersieht, daß 1880 der durchschnittliche Jahresgehalt eines Lehrers nur 236 Doll. betrug! Am besten waren die Lehrer bezahlt in Nevada (672 Doll.) und Massachusetts (532 Doll.), am schlechtesten in Alabama (84 Doll.). An Privatschulen (Academies, Seminaries) für wohlhabendere Leute zählte man 1887: 1521 mit 8533 Lehrern und 157,826 Schülern. Von der über zehn Jahre alten weißen Bevölkerung waren 1880: 9,4 Proz. des Schreibens unkundig (12 Proz. der Ausländer, 8,7 Proz. der gebornen Amerikaner), und von den stimmberechtigten Schwarzen konnten gar 70 Proz. nicht schreiben.
An der Spitze der Bildungsanstalten stehen die sogen. Universities oder Colleges, von denen eine Anzahl auf Staatskosten unterhalten werden, die Mehrzahl aber Stiftungen oder von religiösen Genossenschaften unterhaltene Anstalten sind. Die bedeutendsten unter ihnen sind nach dem Muster der englischen Universitäten eingerichtet, doch wird das Utilitätsprinzip in ihnen bevorzugt. Die älteste und angesehenste der amerikanischen Universitäten ist die Harvard University bei Cambridge in Massachusetts (1636 gegründet); ihr zunächst im Rang steht Yale College in Connecticut.
Die 361 Colleges und Universitäten hatten 1886: 5266 Lehrer und 70,024 Studenten (darunter fast der vierte Teil weiblichen Geschlechts). Ihnen reihen sich zahlreiche Spezialschulen an, in welchen Ärzte, Advokaten, Landwirte, Geistliche und Lehrer herangebildet werden. Wissenschaftliche Vereine bestehen in fast allen größern Städten. In weitern Kreisen bekannt ist namentlich die Smithsonian Institution (s. Smithson). Unter den öffentlichen Bibliotheken, deren es 1885 nach amtlichem Ausweis im ganzen 5338 mit 20,622,076 Bänden gab, sind 47 mit über 50,000 Banden.
Die größten sind die Kongreßbibliothek, die der Harvard University und die Boston-Bibliothek. Einen ganz wesentlichen Einfluß auf die Bildung des Volkes übt die Presse [* 14] aus. Im J. 1880 erschienen 11,314 Zeitungen und Zeitschriften in einer Auflage von 31,779,686 Exemplaren. Von ihnen befaßten sich 8863 mit Politik, 553 mit Religion, 284 mit Handel; 10,515 erschienen in englischer Sprache, [* 15] 641 in deutscher, 49 in skandinavischer, 41 in französischer.
Die Verfassung der Union hebt in ihrem ersten Zusatzartikel ausdrücklich hervor, daß sie keine Staatsreligion oder Staatskirche kenne oder anerkenne. Auch eine Eidesformel, in der die Gottheit zum Zeugen angerufen wird, kennt das Gesetz nicht, und in den öffentlichen Schulen bildet »Religion« keinen Unterrichtsgegenstand. In dem Sektenwesen schließen sich die Vereinigten Staaten eng an England an (vgl. Anglikanische Kirche, S. 577 f.); aber auch eigentümliche Sekten, wie Shakers und Mormonen (s. d.), sind hier entstanden.
Überhaupt gab es 1880: 86,132 protestantische und 5975 kath. Kirchen mit 77,230 Geistlichen, aber 1887 soll es 132,435 Kirchen gegeben haben mit 91,911 Geistlichen und 16,018,977 erwachsenen Gemeindemitgliedern. Unter den in 45 Sekten gespaltenen Protestanten waren die Methodisten (4,532,658 Mitglieder) und die Baptisten (3,727,028) die zahlreichsten. Einflußreich, aber mehr durch Intelligenz als durch ihre Zahl, sind die Unitarier (s. d.). Die Lutheraner (meist Deutsche und deren Nachkommen) zählen kaum 1 Mill. Anhänger. Die Katholiken (unter 11 Erzbischöfen) scheinen trotz des stetigen Zuzugs aus Irland nicht an Boden zu gewinnen, behaupten aber, einen Anhang von 7 Mill. Köpfen zu haben. Die Zahl der Juden ist gering. Die Mehrzahl der Indianer ist noch heidnisch, und mit den Chinesen sind auch Buddhisten ins Land gekommen. Diese ¶