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O. Drude (Berghaus, Physikalischer Atlas) [* 2] die Vereinigten Staaten [* 3] in acht Gebiete ein. Das Gebiet der kanadischen Seewälder umgreift den ganzen Nordosten und zeichnet sich durch seine Wälder mit Tsuga, Ulmen und Walnußbäumen aus. Südlich von ihm liegt das Gebiet von Carolina und Florida, mit Kieferwaldungen, immergrünen Eichen und Palmetto. Westlich von beiden liegen die Prärien (s. d.). Südwestlich schließen sich an diese Prärien die Steppen von Arizona an, denen der riesige Säulenkaktus (Cereus) ihren Charakter verleiht. Im Felsengebirge und der Sierra Nevada sind die Waldungen durch das Vorkommen der Pinus ponderosa ausgezeichnet.
Zwischen beiden Gebirgszügen liegt das Gebiet des Großen Beckens, mit Gesträuch von Artemisia tridentata. Im fernen Nordwesten tritt das Gebiet der Thlinkitwälder, mit Picea sitchensis, der Douglas- und andrer Kiefern in das Gebiet der Vereinigten Staaten über. Endlich liegt südlich davon das Gebiet von Kalifornien, berühmt durch seine Mammutbäume aus der Familie der Sequoja. Weiteres über die Pflanzen- und Tierwelt s. Amerika, [* 4] S. 470-474.
Bevölkerungsverhältnisse.
Die sogen. Zensusbevölkerung (d. h. die Bevölkerung [* 5] ohne die in Stämmen lebenden Indianer und ohne Alaska) ist 1790-1880 von 3,929,214 auf 50,155,783 Seelen gestiegen.
Jahr | Bevölkerung | Weiße | Farbige |
---|---|---|---|
1790 | 3929214 | 3172006 | 757208 |
1810 | 7239881 | 5862073 | 1377808 |
1830 | 12866020 | 10537378 | 2328642 |
1850 | 23191876 | 19553068 | 3638808 |
1860 | 31443321 | 26922537 | 4441830 |
1880 | 50155783 | 43402970 | 6580793 |
Im J. 1885 schätzte man die Bevölkerung auf 58 Mill., jetzt (1889) beträgt sie wohl nahe an 70 Mill. Das Wachstum betrug 1840-50: 36 Proz., 1850-60: 36, 1860-70 aber nur 23 und 1870-80: 30 Proz. 1850-80 hat die weiße Bevölkerung 61 Proz. zugenommen, die farbige aber nur 48 Proz., wobei allerdings zu beachten ist, daß nur die weiße Bevölkerung durch die Einwanderung neuen Zuwachs erhält. Ohne diese Einwanderung würde sie der Zahl nach ungünstiger stehen, als in der That der Fall ist.
Allerdings kamen 1880 (nach nicht sehr zuverlässigen Erhebungen) auf je 1000 Farbige 17,28 Todesfälle, auf dieselbe Zahl Weißer aber nur 14,74. Es beweist dies aber nur, daß bei der thatsächlich festgestellten farbigen Bevölkerung die Geburtsziffer sehr hoch sein muß. Daß der natürliche Zuwachs der Bevölkerung unter den Weißen ein geringer ist, beweisen die Erhebungen in Massachusetts, Connecticut und Rhode-Island. In diesen Staaten kamen 1870-80 auf 1000 Lebende 25 Geburten und 19 Todesfälle, und zwar ist die Zahl der Geburten unter den gebornen Amerikanern viel geringer als unter den zugewanderten. Daß der Überschuß der Geburten abnimmt, scheint daraus hervorzugehen, daß 1850 noch 5,56, 1880 aber nur 5,04 Köpfe auf die Familie kamen. Am geringsten war das Wachstum 1870-80 in Neuengland (1,39 Proz. jährlich), am raschesten in den Territorien (7,65 Proz.).
Die Einwanderung spielt in den Vereinigten Staaten eine große Rolle, hat aber erst seit den 40er Jahren größere Dimensionen angenommen. In den Jahren 1790-1880 wanderten 10,748,684 Menschen ein, 1881-85: 2,832,566, 1886: 334,203, 1887: 490,109, 1888: 546,889. Schon 1841-50 war der jährliche Durchschnitt der Einwanderer 171,325; er stieg 1851-60 auf 259,821, fiel aber 1861-70 auf 246,675, um 1871-80 abermals auf 294,469 und 1880-85 gar auf 566,513 Köpfe pro Jahr zu steigen.
In dem einzigen Jahr 1882 kamen 730,349 Menschen in den Vereinigten Staaten an! Daß diese gewaltige Zunahme der Einwanderung ernste Besorgnisse erregte, war um so weniger zu verwundern, als unter den Einwanderern zahlreiche verarmte und nicht länger arbeitsfähige Menschen waren, deren man sich in Europa [* 6] auf diese Weise zu entledigen suchte. Man erhebt daher seit einiger Zeit von allen Einwanderern eine Kopfsteuer von 1 Dollar und erlaubt arbeitsunfähigen Individuen oder solchen, die sich bereits in Europa kontraktlich verpflichtet haben, zu einem gewissen Lohn zu arbeiten, überhaupt nicht, zu landen.
Was insbesondere die chinesische Einwanderung betrifft, so hat man dieselbe 1882 auf zehn Jahre verboten. Unter den 13,298,042 Einwanderern, die 1821-85 in den Vereinigten Staaten ankamen, waren dem Geburtsland nach: 5,552,368 Briten (3,190,007 Irländer, 1,299,984 Engländer), 4,054,640 Deutsche, [* 7] 1,047,080 aus Britisch-Amerika, 675,895 Schweden [* 8] und Norweger, 340,802 Franzosen, 288,784 Chinesen, 238,298 Österreicher, 196,629 Italiener, 141,504 Schweizer, 150,099 Russen, 102,952 Dänen etc. Im ganzen Gebiet der Union kommen nur 5,5 Einwohner auf das QKilometer, aber selbst in den am dichteten bevölkerten Neuenglandstaaten ist die Bevölkerung kaum dichter als im Deutschen Reich (Rhode-Island 86, Massachusetts 83, Deutsches Reich 84). Der Schwerpunkt [* 9] der Bevölkerung wandelt immer weiter nach W. Bis 1820 lag derselbe noch in der Nähe von Baltimore, [* 10] aber 1880 nicht fern von Cincinnati. Auf 1000 Einwohner männlichen Geschlechts kamen 1870: 978, 1880 aber nur 965 weibliche, offenbar als Folge lebhafterer Einwanderung. Den Altersklassen nach verteilt sich die Bevölkerung wie folgt:
1870 | 1880 | |
---|---|---|
0-20 Jahre alt | 49.7 Proz. | 50.3 Proz. |
20-60 " " | 45.4 " | 44.9 " |
über 60 " " | 4.9 " | 4.8 " |
Der Bewegung der Bevölkerung haben wir bereits oben gedacht. Außerdem mag erwähnt sein, daß 1880 von 1000 Todesfällen 147 auf Rechnung der Atmungsorgane kamen, 115 kamen auf Auszehrung, 114 auf Nervenkrankheiten, 88 auf Diarrhöe und 52 auf Diphtheritis. Man zählte 1880: 91,997 Irre, 76,895 Blödsinnige, 48,920 Blinde und 33,878 Taubstumme.
Im J. 1880 wohnten 11,318,547 Menschen in den Städten. Städte von über 50,000 Einwohnern gab es 1880: 35, unter denen die bedeutendsten waren: New York (1,206,299, mit seinen Vorstädten aber 2,240000), Philadelphia [* 11] (847,170), Brooklyn (566,663), Chicago (503,185), Boston [* 12] (369,832), St. Louis (350,518), Baltimore (332,313), Cincinnati (255,139), San Francisco (233,959) u. New Orleans (216,090). Den Beschäftigungen nach teilt sich die über 10 Jahre alte Bevölkerung wie folgt:
Personen | Prozentsatz | ||
---|---|---|---|
1880 | 1870 | 1880 | |
Landwirtschaft | 7680493 | 47.4 | 44.2 |
Gewerbe und Bergbau | 3837112 | 21.7 | 22.0 |
Handel und Verkehr | 1810256 | 21.4 | 10.4 |
Persönliche Dienstleistungen | 4074238 | 9.5 | 23.4 |
Zusammen: | 17402099 | 100.0 | 100.0 |
Hierzu ist zu bemerken, daß unter persönlichen Dienstleistungen außer Ärzten, Lehrern, Geistlichen u. dgl. nicht nur Dienstboten, sondern auch Tagelöhner (labourers) im allgemeinen eingeschlossen sind. Unter obiger Gesamtzahl sind 2,557,157 Personen weiblichen Geschlechts eingeschlossen. ¶
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Nach dem Geburtsland zählte man 1880: 43,475,840 Eingeborne der Vereinigten Staaten und 6,679,947 Ausländer (13,31 Proz.). Von den Ausländern waren 1,966,742 Deutsche, 1,854,571 Iren, 717,084 britische Amerikaner, 662,676 Engländer, 194,337 Schweden, 181,729 Norweger, 170,136 Schotten, 135,550 Österreicher und Ungarn, [* 14] 106,971 Franzosen, 104,541 Chinesen, 88,621 Schweizer, 83,302 Walliser (aus Wales) und 64,196 Dänen. Demnach wiegt das germanische Element entschieden vor.
Weiterhin wurden durch den Zensus festgestellt, daß 6,298,447 geborne Amerikaner die Kinder im Ausland geborner Eltern waren und weitere 1,911,098 einen im Ausland gebornen Vater oder eine dort geborne Mutter hatten. Sehr unregelmäßig sind die Ausländer über die verschiedenen Staaten verteilt. Am zahlreichsten, im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung, sind sie in den nordwestlichen Staaten (Dakota, Minnesota und Wisconsin) und im fernen Westen; auch sind sie zahlreicher in den großen Städten als auf dem platten Land. Namentlich gilt dies von den Polen (Juden?) und Iren. Im Durchschnitt sind unter je 1000 Bewohnern eines Staats 674 Eingeborne des Staats, 193 andre Amerikaner und 133 Ausländer, in andern Worten, von je 1000 gebornen Amerikanern wohnen nur 754 in dem Staat ihrer Geburt. Die Amerikaner sind daher ein reges Wandervolk und wechseln ihren Wohnsitz häufiger, als dies in Europa der Fall ist. (In Deutschland [* 15] leben 900 pro 1000 in der Provinz, bez. dem Staat ihrer Geburt.) Der Rasse nach unterschied man:
1870 | 1880 | Zuwachs 1870-80 Proz. | |
---|---|---|---|
Weiße | 33589377 | 43402970 | 29 |
Farbige | 4880009 | 6580793 | 35* |
Chinesen | 63254 | 105465 | 67 |
Japaner | - | 148 | - |
Indianer | 25731 | 66407 | - |
* Dieser Zuwachs wird mit Recht bezweifelt. Man nimmt an, daß 1870 zahlreiche »Farbige« den Zählern entgingen.
Die Zahl der Indianer im Gebiet der Union (aber ohne Alaska) schätzte man 1880 auf 322,534 Seelen, von denen 76,895 im Indianergebiet angesiedelt waren, 179,232 aber noch in Stämmen leben. (Weiteres über die Verteilung der Farbigen und Indianer auf die einzelnen Staaten etc. ist aus der Tabelle, S. 106, ersichtlich.) Diese Urbevölkerung des Landes ist durch die eingewanderte germanische Rasse gegenwärtig in einem großen Teil des Gebiets gänzlich verdrängt oder ausgerottet.
Allerdings gibt es keinen Staat der Union, in welchem Indianer nicht angetroffen würden, aber abgesehen vom Indianergebiet gab es bereits 1880 nur acht Staaten und Territorien, in welchen sie 5 Proz. der Bevölkerung ausmachten, und nur in sieben Staaten und fünf Territorien betrug ihre Zahl über 5000 Köpfe. Nur wenige unter ihnen befinden sich noch im Besitz des Landes ihrer Voreltern. Schritt um Schritt hat man sie gezwungen, große Ländereien, allerdings gegen Entschädigung, an die vordringenden Ansiedler abzutreten, und hat ihnen als Teilentschädigung sogenannte Reservationen angewiesen.
Allerdings, im W. und namentlich jenseit der Felsengebirge gibt es noch zahlreiche in Stämmen hausende Indianer, und diese könnten den Ansiedlern gefährlich werden, wenn sie nicht durch zahlreiche Militärposten im Zaum gehalten würden. Anzuerkennen ist das ehrliche Bestreben der amerikanischen Regierung, die Indianer an ein seßhaftes Leben zu gewöhnen, und sie hat in dieser Beziehung trotz ihrer oft nichtswürdigen Beamten, welche die Indianer um die ihnen zukommenden Naturalien und Zahlungen betrügen, entschiedene Erfolge zu verzeichnen.
Gegenwärtig gibt es 66 Indianeragenturen, von denen die noch in Stämmen lebenden 291,553 Indianer abhängen, während 66,407 Indianer bereits volle Bürgerrechte genießen. Die jährlichen Zahlungen an die Indianer belaufen sich auf 6 Mill. Doll. (vgl. Amerika, S. 475; Indianer und Indianergebiet). Die Farbigen (d. h. Neger, Mulatten und ihre Nachkommen) sind in den ehemaligen Sklavenstaaten am häufigsten, bilden aber nur in Südcarolina, Mississippi und Louisiana die Mehrzahl. 1860 zählte man 4,441,830 Farbige, worunter 3,359,760 Sklaven waren. Im Lauf des Bürgerkriegs hat man sie sämtlich emanzipiert, ohne ihren ehemaligen Herren die geringste Entschädigung zu gewähren, und bereits 1870 gab man ihnen trotz ihres Mangels an Bildung und zum Schaden des Gemeinwesens sogar das politische Stimmrecht. Folge war, daß sie in mehreren Staaten die politische Macht an sich rissen oder sie politischen Abenteurern aus dem Norden, [* 16] den sogen. Schnappsäcklern (carpet-baggers), in die Hände spielten. Gerade in den Nordstaaten, wo man am meisten von den Menschenrechten der Schwarzen redete, wird ihnen gesellschaftliche Gleichberechtigung nur selten zugestanden.
Das spezifische Anglo-Amerikanertum ist am reinsten vertreten in den Neuenglandstaaten, die noch großenteils von Nachkommen der englischen Puritaner bewohnt sind. Die Neuengländer, die Yankees, sind ein ganz eigentümlicher Menschenschlag und bilden eine Art Geburts- und Geldaristokratie, die auf alle übrigen Amerikaner vornehm und voll Selbstgefühl herabblickt. Jeder einzelne dünkt sich das souveräne Volk der Vereinigten Staaten zu repräsentieren.
Dabei ist er haushälterisch, auf Erwerb unablässig bedacht, ein ausgeprägter Geschäftsmann von praktischem Sinn, scharfem Verstand und ungemeiner Energie, der in der Wahl der Mittel nicht sehr bedenklich ist, wenn es gilt, »Geld zu machen«. Im Umgang ist der Yankee ernst und wenig mitteilsam, von geradem, kurz angebundenem Wesen, das in Europa leicht als Unhöflichkeit und Unanständigkeit erscheint. An seiner Ehre sehr empfindlich, greift er bei Beleidigungen, ohne viel Worte zu machen, zur Selbsthilfe. Er liebt seine Heimat, doch hängt er nicht an ihr, sondern sucht sich eine neue, wenn er seine Lage dadurch verbessern zu können glaubt. In politischer Hinsicht wacht der Yankee mit größter Eifersucht über Aufrechterhaltung seiner republikanischen Freiheit, wozu freilich die allgemein herrschende Titelsucht einen wunderlichen Gegensatz bildet.
Das Äußere des echten Amerikaners charakterisiert sich durch hagere, schlanke Leibesform, blasse Gesichtsfarbe und frühzeitige Entwickelung in leiblicher wie geistiger Beziehung, aber auch durch frühe Wiederabnahme seiner Kräfte. Er ist gut gewachsen, muskulös und kräftig, das Gesicht [* 17] ohne hervorstechende Züge, doch ernst, scharf und sich gleichbleibend. Das weibliche Geschlecht besitzt in der Jugend eine ungemeine Zartheit und Anmut und zeichnet sich durch freies, dabei würdiges und angenehmes Benehmen aus; doch schon mit den 20er Jahren nimmt die Anmut rasch ab. Wesentlich verschieden von dem des eigentlichen Yankees ist der Charakter des mit romanischen Elementen versetzten Südländers. Derselbe ist weniger arbeitsam, weniger ausschließlich auf das Nützliche gerichtet, dabei gastfrei, tapfer und oft ¶