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Südamerikaner, 4041 Engländer, d. h. meistens Schwarze von den westindischen Inseln, 3237 Italiener, 1171 Deutsche etc.). In den Territorien leben noch zahlreiche unabhängige Indianer (Indios bravos), meist Kariben. Staatskirche ist die römisch-katholische, doch sind andre Religionen geduldet. Seit 1870 besteht zwar Schulzwang, aber trotzdem wurden 1884 die meist von der Bundesregierung unterhaltenen Schulen und höhern Lehranstalten erst von 98,428 Schülern besucht. Es gab damals 2 Universitäten, eine polytechnische Schule, 5 Lehrerseminare, 33 höhere Spulen (Colegios) und 1794 Volksschulen.
Die materielle Thätigkeit der Bevölkerung ist durch die physikalische Beschaffenheit des Landes bedingt, welches in eine Zone des Ackerbaues, eine Zone der Weiden (Llanos) und eine Zone der Urwälder zerfällt. Außer den für den eignen Bedarf gebauten Hauptnahrungsgewächsen in der heißen und gemäßigten Zone (Mais, Kassawa, Banane, Pisang, Weizen und Kartoffel) sind die wichtigsten Erzeugnisse: Kaffee, von vorzüglicher Qualität, Kakao, der hier einheimisch ist, und Zuckerrohr, daneben Baumwolle, Tabak und Indigo.
Überhaupt waren 1884: 345,000 Hektar bebaut, deren Ertrag man auf 28 Mill. Bolivares schätzte. An Vieh zählte man 1883: 2,926,733 Rinder, 3,490,563 Ziegen und Schafe, 291,603 Pferde, 906,467 Maultiere und Esel und 976,500 Schweine. Die Mineralschätze des Landes sind bedeutend, aber abgesehen von den Goldgruben von Yuruari (s. d.) und der von einer englischen Gesellschaft bebauten Kupfermine von Aroa sind dieselben meist vernachlässigt. Dies gilt selbst von den Kohlenlagern.
Indes liefern die Salinen an der Küste (Araya) Salz und eine Lagune bei Luganilla auch Natron (Urao). Überhaupt hatten die Bergbauprodukte 1884 einen Wert von 22,3 Mill. Bolivares (davon Gold 16,2 Mill.). Hinsichtlich der Fabrik- und Manufakturthätigkeit steht Venezuela weit hinter andern Ländern zurück, doch gibt es in Carácas Buchdruckereien, Maschinen- und Möbelfabriken, Seifenfabriken, und Stickereien in Blumen aus Federn werden geliefert. Der Handel hat sich in jüngerer Zeit bedeutend gehoben, doch fehlt es immer noch an Kunststraßen.
Die erste Eisenbahn (von Tucacas nach den Kupfergruben von Aroa) wurde 1877 eröffnet. Im J. 1886 waren 164 km Eisenbahnen im Betrieb, 434 km im Bau; die Telegraphenleitungen hatten eine Länge von 4462 km, und die 162 Postämter beförderten 2,734,573 Gegenstände. Die Handelsflotte besteht (1883) aus 2492 Schiffen von 24,924 Ton. Gehalt, darunter 20 kleine Dampfschiffe. Der auswärtige Handel wird zum größten Teil durch die Häfen La Guaira, Puerto Cabello, Ciudad Bolivar (am Orinoko) und Maracaibo vermittelt und fast ausschließlich durch Fremde, unter denen die Deutschen die erste Stelle einnehmen.
Die Einfuhr besteht vornehmlich aus Weizenmehl, Eisen- und Baumwollwaren, Modewaren, Glas und Porzellan, Maschinen, Papier, Wein, Bier, Droguen und erreichte 1886 einen Wert von 47,168,277 Bolivares, wovon 15,3 Mill. aus den Vereinigten Staaten, 9,7 aus England, 8,9 Mill. aus Deutschland. Die Ausfuhr hatte im gleichen Jahr einen Wert von 82,304,289 Bolivares, u. bei derselben nimmt Deutschland die vornehmste Stelle ein. Hauptartikel derselben waren: Kaffee (35,733,423 Bolivares), Gold (20,036,043), Kakao (8,447,986), Häute (6,573,058), Silbermünzen (4,442,707), Kupfererze (2,902,150 Bolivares), ferner Sabadillsamen, Baumwolle, Zucker, Farbstoffe u. dgl. Den Küstenhandel schätzte man 1884 auf 59,6 Mill. Bolivares. Französische Münzen, Maße und Gewichte sind seit die gesetzlich allein gültigen, und der Bolivar ist gleich 1 Frank. Der Peso venezolano (kurz Venezolano) = 100 Centavos = 5 Frank.
Staatsverfassung. Venezuela war nach Auflösung der vormaligen Republik Columbia bis zum Jahr 1863 eine in Provinzen geteilte Republik. Nach dem Sieg der Föderalisten über die Unitarier (1863) ward in eine Bundesrepublik umgewandelt und durch die Urverfassung vom März 1864 konsolidiert. Der zunächst siegreiche Versuch der Unitarier (1868), die Regierungsgewalt an sich zu reißen, wurde schließlich durch den Diktator und spätern Präsidenten Guzman Blanco vereitelt. Venezuela besteht seit April 1881 aus acht vereinigten Staaten (s. oben) und gewissen von der Bundesregierung verwalteten Territorien.
An der Spitze der Exekutivgewalt steht ein Präsident, dessen Amtsdauer (durch die Verfassung vom auf zwei Jahre festgesetzt ist. Ihm zur Seite stehen ein Ministerium von sieben Mitgliedern und (seit 1879) ein alle zwei Jahre vom Kongreß gewählter Beirat von 16 Mitgliedern. Diesem Beirat steht die Wahl des Präsidenten aus seiner Mitte zu. Der Kongreß umfaßt einen Senat und ein Abgeordnetenhaus. Die Senatoren werden von den gesetzgebenden Körpern der einzelnen Staaten gewählt, während die Abgeordneten aus allgemeiner Volkswahl hervorgehen.
Senatoren sowohl als Abgeordnete werden auf vier Jahre gewählt. Jeder der acht Staaten hat seine eigne Exekutive, Legislative und Gerichtsgewalt. Die Bundeseinnahmen beliefen sich 1887/88 auf 27,695,000 Bolivares (aus Zöllen 19,425,000), die Ausgaben auf 27,695,000 Bolivares. Die Bundesschuld belief sich auf 106,301,945 Bolivares. Übrigens hat Venezuela jahrelang seinen Gläubigern keine Zinsen gezahlt. Die stehende Armee besteht aus 6 Bataillonen Infanterie, einem Zug (54 Mann) Kavallerie und einer Kompanie Artillerie, zusammen etwa 2000 Mann. Bürger sind übrigens vom 18. bis 45. Jahr verpflichtet, in der Miliz zu dienen. An Kriegsschiffen besitzt Venezuela 3 Dampfer, eine Goelette und ein Schulschiff. Die venezolanische Flagge hat drei Farben in horizontalen Streifen: Gelb, Blau und Rot (s. Tafel »Flaggen I«). [* ]
[Geschichte.]
Die Küste von Venezuela ward 1498 von Kolumbus entdeckt und 1499 von Vespucci und Hojeda nach einem auf Pfählen erbauten Dorf bei dem jetzigen Coro Venezuela (»Kleinvenedig«) benannt. Doch hieß es auch (im Gegensatz zu den neuentdeckten Inseln) Tierra Firma oder Castilla del Oro (»goldenes Kastilien«). 1528 ward es von Karl Venezuela dem reichen Augsburger Bankhaus Welser zum Pfand für seine Schulden als span. Lehen abgetreten, aber von diesem durch rohe Landsknechte unter Ambrosius Alfinger schrecklich bedrückt und ausgesogen, so daß der Kaiser 1545 es wieder an sich nahm und 1550 das spanische Generalkapitanat Carácas daraus bildete.
Bereits 1810 sagte sich Venezuela von dem Mutterland los und proklamierte seine Unabhängigkeit als Konföderation von Venezuela. Zweimal, 1811 und 1814, ward es von den Spaniern wieder unterworfen, zweimal von Bolivar (s. d.) wieder befreit und durch die Verfassung vom mit Neugranada und Quito zu dem Bundesstaat Kolumbien (s. d.) vereinigt, von dem sich Venezuela aber 1830 wieder losriß, um fortan einen selbständigen Staat in Form einer in mehrere Provinzen geteilten Republik zu bilden. Der erste Präsident der neuen Republik Venezuela war José Antonio Paëz, dessen Thätigkeit vornehmlich die Erhaltung von Ruhe und Ordnung, zuzuschreiben war. Der zweite Präsident war
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(seit 1835) Vargas, dem Paëz 1839 wieder folgte. Unter Carlos Soublette wurde eine Reform der Verfassung vom bewirkt und durch den Madrider Vertrag vom die Unabhängigkeit der Republik Venezuela von Spanien anerkannt. Mit Ausnahme eines kurzen Bürgerkriegs 1835 genoß die Republik innern Frieden; 1846 aber brach ein Rassenkrieg zwischen der weißen und farbigen Bevölkerung aus, den Paëz, mit diktatorischer Gewalt versehen, zwar unterdrückte, infolge dessen aber durch Paëz' Einfluß José Tadeo Monagas Präsident ward.
Derselbe verfuhr jedoch äußerst willkürlich, ließ, als sich herausstellte, daß die Mehrheit im Kongreß gegen ihn zu stimmen beabsichtigte, die Abgeordneten unter Blutvergießen auseinander treiben, nahm den edlen Paëz, der ein Pronunciamiento gegen den Präsidenten erließ, gefangen und zwang denselben, im Juli 1850 das Land zu verlassen und sich nach New York zurückzuziehen. Am trat Gregorio Monagas, der Bruder des abgetretenen Präsidenten, an die Spitze des Staats.
Schon 25. Mai brach indessen eine förmliche Revolution gegen die sogen. Dynastie Monagas aus, und 7. Juni erklärte sich Cumaná für unabhängig von Venezuela und für eine Föderativregierung, der sich nun die Provinzen Coro, Maracaibo und Margarita anschlossen. Es gelang jedoch den energischen Maßregeln Monagas', mit Hilfe der Liberalen oder Föderalisten den Aufstand der Oligarchen (Konservativen) zu unterdrücken. Zur Präsidentschaft wurde 1855 wieder Tadeo Monagas gewählt. Zu Anfang März 1858 erhob der General Juliano Castro in Valencia die Fahne des Aufstandes, der sich schnell über Puerto Cabello, Cumaná und Barquisimeto verbreitete.
Schon 12. März bedrohte Castro Carácas; doch kam es zu keinem Blutvergießen, da der Präsident Monagas sich zur Abdankung bequemte. Castro zog darauf 18. März in Caracas ein und errichtete eine provisorische Regierung, an deren Spitze er selbst trat. Auf 5. Juli wurde ein Nationalkonvent nach Valencia berufen, um dem Land eine neue Konstitution zu geben, welche verkündigt wurde, aber den Zwiespalt zwischen den Parteien nicht beendigte. Bald brachen neue Unruhen aus. Im August ward General Castro gestürzt und auf dem im April 1860 zusammentretenden Kongreß Tovar zum Präsidenten, Gual zum Vizepräsidenten gewählt.
Aber schon im August veranlaßten die Föderalisten neue Unruhen, und nachdem Tovar die Präsidentschaft niedergelegt hatte, ward im August 1860 Paëz als Diktator ausgerufen. Da die Föderalisten auch jetzt noch bei ihrem Widerstand gegen die neue Regierung beharrten, so dauerte der Bürgerkrieg fort. Am kam endlich zu Cocha bei Carácas zwischen den Föderalisten und der Regierungspartei ein Friedensvertrag zu stande, wonach aus jeder Provinz vier (von jeder Partei zwei) Repräsentanten zur Wahl eines neuen Präsidenten einberufen werden sollten.
Nachdem Paëz infolge dieser Konvention zurückgetreten, versammelten sich diese Repräsentanten zu Vittoria und erwählten den General Falcon, das Haupt der Föderalisten, zum provisorischen Präsidenten, den General Blanco aber zum Vizepräsidenten. Falcon zog 24. Juli Carácas ein, berief zur Einsetzung einer legalen Regierung auf 10. Dez. eine Konstituierende Versammlung, welche die neue Föderativverfassung vom ausarbeitete, durch welche in einen Staatenbund (Vereinigte Staaten von Venezuela) verwandelt wurde, und ward auf dem Kongreß in Caracas im März 1865 wieder zum Präsidenten erwählt. Venezuela hatte nun einige Jahre Ruhe, ohne jedoch die Zerrüttung seiner Finanzen beseitigen zu können. Im Februar 1868 brach wieder eine weitverzweigte Revolution auf Anstiften der Unitarier oder Konservativen aus, welche Falcon veranlaßte, aus Carácas zu fliehen. Im Juli bemächtigte sich der aufständische General Monagas der Hauptstadt Carácas und wurde 4. Okt. zum Präsidenten gewählt, starb aber schon 18. Nov. An seine Stelle trat vorläufig der General Pulgar.
Der Bürgerkrieg schwankte, das Land schrecklich verwüstend, unentschieden hin und her, bis der General Antonio Guzman Blanco, ein Anhänger der föderalistischen Partei, nach wechselvollen Kämpfen im April 1870 sich in der Hauptstadt Carácas zum provisorischen Präsidenten der Republik erklärte. Guzman Blanco ward auf die Zeit vom (bis dahin hatte er diktatorische Gewalt ausgeübt) bis zum Präsidenten der Republik erwählt. 1874 ward eine neue Verfassung vereinbart.
Der neue Präsident führte ein kräftiges Regiment. Wenn er auch der durch die ungeheure, auf leichtsinnige Art kontrahierte Schuldenlast verursachten Finanznot nicht ganz abhelfen konnte, so begann er doch die Zinsen der auswärtigen Schuld, die viele Jahre gar nicht entrichtet worden waren, wieder zu bezahlen, trat den Anmaßungen der Geistlichkeit mit Energie entgegen, hob 1874 die Klöster auf, ließ durch den Kongreß sogar die Konstituierung einer Nationalkirche von Venezuela beschließen und beendigte den Konflikt mit den Niederlanden, deren Schiffen er die Häfen von Venezuela wegen des von Curassao aus betriebenen Schmuggels verboten hatte, auf ehrenvolle Weise.
Ihm folgte General Alcantara und nach dessen Tod (November 1878) provisorisch der Präsident des höchsten Bundesgerichts, Jacinto Gutierrez. Darauf ward der Unitarier General Valera zum Präsidenten gewählt, aber schon im Februar 1879 von den Föderalisten gestürzt, die im Mai Guzman Blanco zum Präsidenten erhoben. Blanco regierte bis 1884 und nach der kurzen Präsidentschaft des Generals Crespo (1884-86) wieder bis August 1887, worauf er die Präsidentschaft an Lopez abgab und die Gesandtschaft in Paris übernahm. 1888 ward Rojas Paul zum Präsidenten erwählt.
Vgl. Wappäus, Die Republiken von Südamerika, Abt. 1 (Götting. 1843);
M. Tejera, Mapa de los Estados Unidos de Venezuela (Par. 1876);
Derselbe, Venezuela pintoresca (1877, 2 Bde.) und Compendio de la historia de Venezuela (1875);
Spence, The land of Bolivar (Lond. 1877);
Sachs, Aus den Llanos (Leipz. 1878);
»Statistischer Jahresbericht über die Vereinigten Staaten von Venezuela« (offiziell, Carácas 1887);
Cazeneuve und Harani, Les États-Unis de Venezuela (Par. 1888);
Sievers, Venezuela (Hamb. 1888);
Baralt und Urbaneja, Historia de Venezuela, 1498-1831 (Carácas 1865);
Oviedo y Banor, Historia de la conquista y poblacion de la provincia de Venezuela (Madr. 1885, 2 Bde.).