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St.
Markuskirche, stehen drei große
Masten (pili) mit bronzenen
Fußgestellen von
Al.
Leopardi (1505), zur
Erinnerung an die von
Venedig
[* 2] eroberten
Reiche
Cypern,
[* 3] Kanda und
Morea, deren
Banner sie einst trugen. An der
Ecke des Markusplatzes
und der
Piazzetta erhebt
sich der 117 vollendete, aber später veränderte, 98,6 m hohe viereckige
Glockenturm (campanile di
San Marco), einen
Engel als
Windfahne auf der
Spitze tragend und eine weite Aussicht über die Stadt
und ihre Umgebung bis zu den
Bergen
[* 4]
Istriens darbietend.
Unten lehnt sich an denselben ein kleiner, zierlicher Vorbau an, die Loggetta, eine mit Bronzewerken und
Reliefs reich ausgestattete
Marmorhalle (von Jac.
Sansovino 1540 erbaut). Zwei Seiten des Markusplatzes
und die eine der
Piazzetta
sind von den
Prokurazien eingeschlossen. Die Alten
Prokurazien (15. Jahrh.) an der Nordseite des Marktplatzes
, ehemals
Wohnungen
der
Prokuratoren von
San Marco (jetzt Privatwohnungen), enthalten im Erdgeschoß
Arkaden mit Kaufläden und Kaffeehäusern,
im zweiten und dritten
Stock schöne korinthische Bogenstellungen. Hieran schließt sich östlich der 1498 erbaute, 189 restaurierte
Uhrturm (in Frührenaissance, mit Marmorfassade und interessantem Uhrwerk) an. Die auf der entgegengesetzten Seite befindlichen
Neuen
Prokurazien, unten ebenfalls mit
Arkaden, bestehen aus der 1536 von
Sansovino mit der
Fassade gegen die
Piazzetta zu erbauten
alten
Bibliothek von
San Marco (s. Tafel
»Baukunst
[* 5] XII«,
[* 6] Fig. 3) mit zwei
Geschossen, dorischen und ionischen
Säulen
[* 7] und
Pilastern, reichgeschmücktem
Fries und einer
Fülle von
Ornamenten sowie den 1584 von
Scamozzi begonnenen eigentlichen
Procurazie nuove und dienen als königlicher
Palast. An die
Bibliothek schließt sich an der Seeseite das 1536 von
Sansovino
ausgeführte ehemalige Münzgebäude an.
[Kirchliche Bauwerke.]
Unter den Kirchen ist die berühmteste die St. Markuskirche, 976-1071 im byzantinisch romanischen Stil erbaut. Die Sage läßt hier den Leichnam des Evangelisten Markus ruhen, welcher 828 aus Alexandria hierher gebracht worden sein soll. Die Kirche hat eine prächtige Hauptfassade mit fünf breiten Portalen und bunten Mosaiken auf Goldgrund, eine Vorhalle mit Mosaiken und den Gräbern vieler Dogen, über 500 Säulen, künstlerisch ausgeführte Bronzethüren, fünf große Halbkuppeln und ist im Innern 76,5 m lang und 52 m breit.
Der Fußboden ist von alter Marmormosaik und die Kirche reich an Statuen und andern Skulpturen, Mosaiken und sonstigen Kostbarkeiten. Erwähnenswert ist besonders die Pala d'oro, ein goldener, mit Gemmen [* 8] besetzter und mit trefflichen Emailmalereien geschmückter Altarvorsatz aus dem 11. Jahrh. Über dem Hauptportal prangen die vier antiken Rosse aus vergoldeter Bronze, [* 9] welche 1204 aus dem eroberten Konstantinopel [* 10] nach Venedig, von den Franzosen 1797 nach Paris [* 11] und 1815 wieder an ihre jetzige Stelle gebracht wurden (vgl. Ongania, La Basilica di San Marco, Vened. 1878-86, 681 Tafeln, Text von Boito u. a.). Von den übrigen Kirchen sind hervorzuheben: San Francesco della Vigna, 1534-80 von Sansovino und Palladio (von diesem die Fassade) erbaut, mit der schönen, von den Lombardi aufgeführten Kapelle Giustiniani, Gemälden von P. Veronese, Bellini, Skulpturen von Vittoria u. a.;
San Giacomo, die älteste, ursprünglich um 520 erbaute Kirche Venedigs bei der Rialtobrücke;
San Giorgio Maggiore, auf der gleichnamigen Insel, eine Kuppelkirche aus weißlichem Marmor, das Innere von Palladio, die Fassade von Jacopo Santafelice um 1600 erbaut, mit Gemälden von Bassano, Tintoretto u. a. und Glockenturm;
San Giovanni Crisostomo, im Renaissancestil 1489 erbaut, mit Gemälden von Bellini, Sebastiano del Piombo u. a.;
San Giovanni e
Paolo, eine imposante gotische
Kirche, 1246-1430 für die
Dominikaner erbaut, Gruftkirche
der
Dogen, mit interessantem Renaissanceportal und zahlreichen Grabmälern der
Dogen, unter welken die von
Pietro Mocenigo,
Mich. Morosini,
Andrea Vendramin,
Marco
Corner, Giov. Mocenigo u. a. als hervorragende Kunstwerke zu
erwähnen sind (auf dem Platz
vor der
Kirche befindet sich das eherne Reiterstandbild des Condottiere
Bart.
Colleoni, von
Andrea
del
Verrocchio 1496 errichtet);
San Giovanni Elemosinario von 1527, mit Gemälden von Tizian, Pordenone u. a.;
Santa Maria Assunta dei Gesuiti aus dem 18. Jahrh., im Innern ganz mit Marmor ausgekleidet;
Santa Maria del Carmine von 1290, mit Gemälden von Tintoretto u. a.;
Santa Maria della Saltue ^[richtig: Salute], eine Kuppelkirche von imposanter Wirkung (1631-87 von Longhena erbaut, mit Gemälden von Tizian u. a.);
Madonna dell' Orto, ein seit 1850 restaurierter gotischer Bau aus dem 15. Jahrh., mit schön dekorierter Fassade, Gemälden von Cima, Palma Vecchio, Tintoretto (der hier begraben liegt) u. a.;
Santa Maria Gloriosa al Frari, 1250-80 im frühgotischen Stil erbaut, mit den Grabmälern von Tizian (1852 auf Kosten des Kaisers von Österreich [* 12] ausgeführt), Canova, der Dogen Foscari, Nic. Tron, Giov. Pesaro, des Admirals Pesaro u. a., Altarbildern von Tizian, Bellini u. a.;
San Pietro di Castello, 1594-1807 Patriarchatskirche;
Il Redentore auf der Insel Giudecca, der vorzüglichste Kirchenbau von Palladio (1577);
San Rocco aus dem 15. Jahrh., mit Gemälden von Tizian, Tintoretto u. a. und dem daran stoßenden, 1550 ausgeführten Versammlungshaus der gleichnamigen Brüderschaft (Scuola di San Rocco), mit prunkvoller Renaissancefassade und in den Sälen im Innern mit 56 kolossalen biblischen Gemälden von Tintoretto;
San Salvatore, vollendet 1534, mit Gemälden von Tizian, Dogendenkmälern etc.;
San Sebastiano von 1506, mit Decken und Altarbildern sowie dem Grabmal von Paolo Veronese;
Santo Stefano [* 13] aus dem 14. Jahrh., im gotischen Stil, mit schönen Grabmonumenten;
San Zaccaria, ein den Übergang von der Gotik zur Renaissance bezeichnender Bau von 1457 bis 1515 (s. Tafel »Baukunst XII«, [* 6] Fig. 2), mit dem Grabmal des Al. Vittoria, Gemälden von Bellini u. a. Auch die Griechen, Armenier (s. San Lazaro) und Evangelischen haben je eine Kirche, die Juden sieben Synagogen.
[Paläste etc.]
Unter den weltlichen Gebäuden steht obenan der Dogenpalast (Palazzo ducale) Derselbe ist seit seiner Gründung (809) fünfmal zerstört worden; der jetzige Bau wurde im maurisch gotischen Stil nach dem Entwurf von Filippo Calendario im 14. Jahrh. begonnen und im 15. und 16. Jahrh. fortgesetzt. Er enthält im Erdgeschoß eine offene Halle [* 14] mit kurzen Säulen, eleganten verschiedenartigen Kapitälen und weiten Spitzbogen, darüber eine Loggia als Zwischengeschoß mit doppelter Spitzbogenzahl, endlich den gewaltigen, von wenigen gotischen Fenstern durchbrochenen, mit abwechselnd weißen und roten Marmorplatten bekleideten Oberbau. In dem von prächtigen Fassaden umschlossenen, mit zwei ehernen Brunnen [* 15] geschmückten Hof [* 16] erhebt sich die marmorne Riesentreppe (scala dei giganti), so benannt nach den riesigen Bildsäulen des Mars [* 17] und Neptun, die sie zieren. Sie bildet den Haupteingang in das Innere des Palastes; auf ihrer obersten Stufe ¶
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wurden die Dogen gekrönt. Unter den elf ungeheuren Sälen des Palastes, die sämtlich mit Meisterstücken italienischer Maler (P. Veronese, Tizian, Tintoretto u. a.) prangen, ist der Saal des Großen Rats, welcher gegenwärtig zur Aufbewahrung der großen Bibliothek von St. Markus dient, der prachtvollste. Andre Säle enthalten die Antiken und die Münzsammlung. Noch zeigt man hier aus der Zeit der Republik die Staatsgefängnisse und die sogen. Seufzerbrücke (ponte dei sospiri), die in ein besonderes, durch den Kanal [* 19] vom Dogenpalast getrenntes Staatsgefängnis führte. - Das Arsenal im südöstlichen Teil der Stadt (1104 gegründet, 1304 umgebaut und später mehrfach erweitert) nimmt eine ganze Insel ein, umfaßt Schiffswerften, Bassins, Magazine für Vorräte aller Art, Seiler- und Zimmerwerkstätten, Ankerschmieden, Kanonengießereien, eine Waffensammlung, verschiedene Denkmäler, Trophäen etc. und ist mit Mauern und Festungswerken umgeben.
In der Blütezeit Venedigs war es der Stolz der Republik und beschäftigte 16,000 (jetzt gegen 2000) Arbeiter. An dem triumphbogenartigen, 1460 erbauten Portal stehen vier antike marmorne Löwen, [* 20] welche 1687 vom Piräeus bei Athen [* 21] hierher kamen. Von den sechs Theatern ist das Operntheater Fenice, 1836 umgebaut, eins der größten (es faßt 3000 Zuschauer) in Italien. [* 22] Unter den sonstigen öffentlichen Gebäuden und den zahlreichen Palästen der alten venezianischen Adelsfamilien, die meist am Canale Grande liegen, sind hervorzuheben: der Palazzo Vendramin-Calergi, der edelste und schönste aller Paläste, von 1481;
die reichgeschmückte Cà d'oro (s. beide Tafel »Wohnhaus [* 23] II«); [* 24]
der Palazzo Emo (Treves), mit den Marmorstatuen des Hektor und Aias von Canova;
der Palazzo Corner della Cà grande, ein Prachtbau von Sansovino (1532);
Palazzo Pisani;
Palazzo Grimani, mit klassischer Fassade (1550);
Palazzo Manin (jetzt Nationalbankfiliale), mit Renaissancefassade von Sansovino;
Palazzo Contarini-Fasan, mit ausgezeichneter Spitzbogenarchitektur;
Palazzo Dario, Foscari, Contarini delle Figure, Corner-Spinelli, Franchetti, Pesaro;
das Rathaus, bestehend aus den Palazzi Farsetti und Loredan;
der Fondaco dei Tedeschi, ein im 13. Jahrh. errichtetes, 1505 umgebautes Kaufhaus der Deutschen;
der Fondaco dei Turchi (10. Jahrh., im 17. Jahrh. den türkischen Kaufleuten überlassen, 1880 im ursprünglichen Stil neugebaut, mit dem Museo civico) u. a.
[Bevölkerung, Erwerbszweige.]
Die Zahl der Einwohner (zur Zeit der Blüte [* 25] der Stadt 190,000) betrug Ende 1881: 129,445 (als Gemeinde 132,826). Die Industrie umfaßt vor allem die seit alters her berühmte, gegenwärtig aber start reduzierte Glasindustrie (namentlich in Perlen, Email, Mosaik, verschiedenen Kurzwaren und Spiegeln), dann die Fabrikation von Seidenwaren (Brokatstoffen u. a.), Spitzen, Kunstmöbeln, Gold- und Silberwaren, Leder und Lederarbeiten, Handschuhen, künstlichen Blumen, Seifen und Schiffbau.
Hierzu sind in neuester Zeit eine Baumwollspinnerei u. -Weberei, Dampfmühlen, eine große Fabrik für Waggons und Maschinen und eine Fabrik für Sprenggeschosse hinzugekommen. Der einst so blühende Handel Venedigs ist durch die Entdeckung von Amerika [* 26] und die Auffindung des Seewegs um Afrika [* 27] nach Ostindien [* 28] zu einem bloßen Schattenbild seiner alten Größe herabgesunken (1420 besaß die Republik noch 330 Handelsschiffe mit 26,000 Matrosen, 1886 belief sich die Handelsmarine des Seebezirks von Venedig auf 853 Schiffe, [* 29] fast ausschließlich Segelboote, mit 31,519 Ton. Tragfähigkeit und einer Bemannung von 11,488 Personen); aber auch in seinem Verfall hat Venedig infolge seiner günstigen Lage, seines trefflichen Hafens, seines Fluß und Kanalsystems und seiner Eisenbahnverbindungen noch einen bedeutenden Geschäftsumsatz.
Der Landhandel geht nach Mittel- und Westeuropa, vor allem nach dem nördlichen Italien, nach Tirol, [* 30] der Schweiz [* 31] und mittels der Brennerbahn nach Süddeutschland. Der Küstenhandel unterhält einen regen Verkehr mit den Handelsplätzen beider Gestade des Adriatischen und zum Teil auch des Mittelländischen Meers, vor allem mit Triest. [* 32] Hierzu kommt der Seeverkehr mit den britischen, den belgischen, holländischen und deutschen Häfen, mit den Häfen der Levante, des Schwarzen Meers, Ägyptens und des übrigen Nordafrika, Ostindiens u. Chinas, Nord- und Südamerikas etc. Doch bildet der Mangel direkter überseeischer Dampferverbindungen ein Haupthindernis eines größern Aufschwungs der Handels- und Schiffahrtsverhältnisse Venedigs. In neuerer Zeit wurde ein Dock, [* 33] dann die Stazione marittima am Westende der Stadt, zur Ermöglichung des Umladens von den Dampfern unmittelbar auf die Eisenbahn, eröffnet, welche Anlagen freilich erhebliche Mängel aufweisen.
Neue Magazine sowie ein Freilager für den Transithandel (Punto franco) sind im Bau. Als Hafen dient der Teil der Lagune vor der Riva degli Schiavoni, von wo die Schiffe gewöhnlich durch den Porto di Malamocco, nur weniger tief gehende durch den nähern Porto di Lido aus-, bez. einfahren. Die Kommunikation mit dem Festland erfolgt durch die Eisenbahn, welche einerseits über Padua [* 34] nach Verona [* 35] und Mailand, [* 36] nach Bologna, Ancona [* 37] und Florenz, [* 38] nach Tirol und Süddeutschland, anderseits über Udine nach Triest und nach Pontebba führt. Der Handel der Stadt Venedig umfaßte 1887 in der Einfuhr einen Wert von 27,2 Mill. Lire (davon 132 zur See, 95,2 zu Land), in der Ausfuhr 186,8 Mill. Lire (54,3 zur See, 132,5 zu Land). Die Hauptartikel des Warenverkehrs von Venedig sind in der Einfuhr und Ausfuhr (Wert in Millionen Lire):
Artikel | Einfuhr | Ausfuhr |
---|---|---|
Rohstoffe für Spinnereien | 16.4 | 15.5 |
Wein u. Branntwein | 17.2 | 8.4 |
Rohseide | 6.1 | 6.2 |
Kolonialwaren | 9.0 | 8.8 |
Brennholz u. Kohlen | 11.6 | 6.0 |
Fische | 3.7 | 2.9 |
Früchte | 5.9 | 5.7 |
Getreide und Mehl | 29.6 | 26.4 |
Glaswaren | 1.6 | 9.6 |
Hanf | 7.3 | 7.1 |
Häute und Felle | 5.8 | 6.3 |
Bauholz | 4.8 | 4.4 |
Käse | 4.8 | 3.5 |
Garne und Gewebe | 26.4 | 20.1 |
Medizinalien | 4.5 | 3.3 |
Metalle | 14.9 | 8.0 |
Öl | 19.4 | 15.9 |
Farbstoffe | 1.2 | 0.6 |
Papier und Bücher | 2.6 | 1.3 |
Schlachtvieh | 9.3 | 2.0 |
Tabak | 2.2 | 2.3 |
Wachs und Wachswaren | 1.1 | 4.1 |
Der Schiffsverkehr umfaßte 1887 im Einlauf 3618 beladene Schiffe mit 985,054 Ton. (darunter 1107 Dampfer mit 819,880 T.), im Auslauf 3539 beladene Schiffe mit 953,186 T. (darunter 1078 Dampfer mit 79,516 T.). Am stärksten war die englische, hiernach die italienische, dann die österreichisch-ungarische, deutsche und griechische Flagge vertreten. Hinsichtlich der Richtung des Schiffsverkehrs war derselbe am stärksten mit italienischen, dann mit österreichisch-ungarischen und britischen Häfen. Unter sämtlichen Hafenplätzen Italiens [* 39] rangiert Venedig hinsichtlich des Tonnengehalts aller ein- und ausgelaufenen Schiffe (1,984,813 Ton.) an sechster Stelle und wird hierin nur von Genua, [* 40] Neapel, [* 41] Livorno, [* 42] Palermo [* 43] und Messina [* 44] überragt. Im Seebezirk von Venedig (7 Häfen) ist nur noch der Hafen von Chioggia von Bedeutung. ¶