Meist beginnt die
Krankheit sehr allmählich und wird längere Zeit hindurch gar nicht bemerkt. Höchstens fällt es auf,
daß das kranke
Kind manche
Dinge zerbricht und aus der
Hand
[* 4] fallen läßt, daß es nicht stillsitzt etc.
Die Muskelunruhe wird allmählich auffallender, die Ungeschicklichkeiten häufen sich und werden gröber, das
Kind zeigt fast
fortwährend grimassenhafte Verzerrungen des
Gesichts.
Beim ausgebildeten Veitstanz folgen sich die verschiedensten
Bewegungen des
Gesichts, des
Kopfes, der
Arme und
Beine, des
Rumpfes in der mannigfachsten und oft barockstenWeise.
Bei den höhern
Graden des Veitstanzes vermögen die Kranken nicht ruhig auf dem
Stuhl zu sitzen. Auch das Sprechen wird undeutlich.
Feinere Beschäftigungen mit den
Händen sind selbst in leichtern
Fällen unausführbar. Die krankhafte Beweglichkeit wächst
an Heftigkeit und
Ausdehnung,
[* 5] wenn die Kranken auf sich achten, und noch mehr, wenn sie sich beobachtet
wissen. Die Kranken schlafen wegen der fortwährend bestehenden
Bewegungen schwer ein; gelingt es ihnen aber endlich, einzuschlafen,
so hört die Muskelunruhe auf.
Der Verlauf des Veitstanzes ist chronisch. Selten endet die
Krankheitvor der sechsten oder achten
Woche, häufig zieht sie
sich 3-4
Monate lang hin. In ganz einzelnen
Fällen wird sie habituell und dauert durch das ganze
Leben.
Der bei weitem häufigste
Ausgang der
Krankheit ist der in
Genesung. Die Behandlung des Veitstanzes hat wesentlich für Herstellung
von
Ruhe,
Schlaf und gutem Allgemeinbefinden zu sorgen. Sind
Würmer im
Darmkanal vorhanden, so mag man diese vorher durch
Santonin u. dgl. entfernen. Gegen schwerere
Formen des Veitstanzes ist der
Gebrauch von
Arsenik und
Bromkalium, kalte Abreibungen, gymnastische
Bewegungen und
Elektrizität
[* 6] als in vielen
Fällen sehr wirksam empfohlen.
delaFrontera (spr. we-chher),Stadt in der span.
ProvinzCadiz,
[* 7] auf steilem
Felsen über dem
Rio
[* 8] Barbate, hat eine schöne gotische
Kirche,
Bau vonSüdfrüchten und (1878) 11,132 Einw. Südwestlich von der Stadt
an der Mündung des genannten
Flusses liegt der kleine
Hafen Vejer de la Frontera.
große alte Stadt in
Etrurien, auf hohem und steilem
Felsen, an dem kleinen
FlußCremera, 12 Miglien
nördlich von
Rom
[* 9] gelegen, war eine der bedeutendsten unter den zwölf etrurischen Bundesstädten, schon vor
Roms Bestehen
mächtig und bis an das
Meer herrschend. Die
Verfassung war aristokratisch; an der
Spitze stand später ein König, der jedoch
nicht erblich war. Als
Rom mächtiger geworden, geriet es bald mit der Nachbarstadt in
Kampf, der mit wechselndem
Erfolg ein
Jahrhundert dauerte, bis 396
v. Chr. nach zehnjähriger Belagerung Veji von
Camillus erobert, die Einwohner als Sklaven
verkauft und das Gebiet für Staatseigentum erklärt wurde. Seit dieser Zeit war die
Blüte
[* 10] der Stadt für immer gebrochen;
erst in der ersten Kaiserzeit wurden wieder römische
Veteranen an der
Stelle angesiedelt. Die
Stelle, wo
Veji gestanden, liegt nordwestlich der
heutigen
IsolaFarnese; jenseit der
Cremera (heute Marrana della Valca) ist die
Nekropolis
von Veji mit teilweise wohlerhaltenen
Gräbern (besonders
GrottaCampana) aufgedeckt worden.
Vgl.
Dennis, Cities and cemeteries
of
Etruria (2. Aufl., Lond. 1878).
(Vediovis), altitalischer Gott, dessen eigentliche Bedeutung früh abhanden gekommen war. In
Rom hatte er ein
berühmtes Heiligtum in der Einsenkung zwischen den beiden Gipfeln des kapitolinischen
Hügels, wo das sogen.
Asyl des Vejovis und
später sein
Tempel
[* 11] zwischen zwei
Hainen lag. Da sein
Bild einen jugendlichen unbärtigen
Kopf hatte und
ein Bündel
Pfeile in der
Hand trug, glaubte
man in ihm den griechischen
Apollon
[* 12] zu erkennen.
Andre sahen in ihm einen jugendlichen
Jupiter; später identifizierte man ihn mit dem
Gotte der
Unterwelt
(Dis). Wahrscheinlich war er ein Sühngott und damit zugleich
die Zuflucht flüchtiger Verbrecher.
Sein herkömmlicher Festtag war der 7. März, sein
Symbol die
Ziege.
(Velarium lat.
Velum,
Segel), eine meist horizontal ausgespannte
Leinwand, welche in
Räumen mit
Oberlicht, namentlich
in
Ausstellungs- und Gemäldesälen, von der
Decke herabhängt, um das
Licht
[* 20] zu dämpfen, oft auch nur eine
rein dekorative Bestimmung hat und meist mit ornamentalen oder figürlichen
Malereien versehen ist. In unbedeckten
Räumen
(bei Abhaltung von öffentlichen
Schauspielen,
Festen etc.) dient das als
Schutz gegen die
Sonne.
[* 21]
(Velasquez, spr. weláßkeds),Diego (eigentlich
Diego Rodriguez de
Silva Velazquez), span.
Maler, geb. zu
Sevilla,
[* 22] bildete sich anfangs bei
Herrera dem ältern, dann aber, durch dessen Roheit abgestoßen,
bei
Pacheco, dessen Tochter er 1618 heiratete.
Mehr aber als nach ältern
Meistern bildete er sich nach der
Natur und dem lebenden
Modell und entwickelte sich so zum größten Naturalisten der spanischen
Schule, welcher später den
Schwerpunkt
[* 23] seines
Schaffens in der Bildnismalerei fand. Seine ersten Werke sind Einzelfiguren und
Gruppen aus dem Volksleben, unter denen
der Wasserträger von
Sevilla (im Aspleyhouse in
London)
[* 24] das durch unbefangene Natürlichkeit der Auffassung und
Freiheit der
malerischen Behandlung ausgezeichnetste ist, und zwei ebenfalls durchaus naturalistisch aufgefaßte
¶
mehr
religiöse Bilder: die Anbetung der Könige (1619, im Pradomuseum zu Madrid)
[* 26] und die Anbetung der Hirten (in der Nationalgalerie
zu London). Im J. 1622 begab sich Velazquez nach Madrid, um dort Beschäftigung als Hofmaler zu suchen, erreichte aber zunächst nicht
sein Ziel, sondern wurde erst im Frühjahr 1623 auf Veranlassung des Herzogs von Olivarez nach Madrid berufen,
wo er durch ein Reiterbildnis des KönigsPhilipp IV. dessen Gunst gewann und als Hofmaler in den Dienst des Königs
trat. Er erhielt ein Atelier im königlichen Schloß und führte dort im Auftrag des Königs eine große Zahl von Bildnissen
der Mitglieder der königlichen Familie und der Großen des Hofs aus. Am zahlreichsten sind darunter die Porträte
[* 27] des Königs
aus allen Lebensaltern.
Von Bildern andrer Gattung entstanden in dieser ersten MadriderPeriode nur ein Geschichtsbild: die Vertreibung der Mauren, welches
zu Grunde gegangen ist, und das unter dem NamenLos borrachos (die Trinker) bekannte Bild des MadriderMuseums,
welches den jugendlichen Bacchus, Kränze an Zechbrüder aus dem Volk verteilend, darstellt. In der plastischen Kraft
[* 28] der Modellierung
und in der Mannigfaltigkeit der Beleuchtung
[* 29] bezeichnet dieses Bild den Höhepunkt der ersten Periode des Velazquez 1629 ging er nach
Italien, wo er zwar in Venedig
[* 30] Tintoretto, in RomRaffael und Michelangelo studierte, aber die bereits fest
ausgebildete nationale Eigentümlichkeit seines Stils beibehielt. In Italien, wo er bis Anfang 1631 blieb, entstanden unter
andern zwei Geschichtsbilder: die SöhneJakobs bringen diesem Josephs blutigen Rock (im Escorial) und Apollo in der SchmiedeVulkans
(im Museum zu Madrid), letzteres nach WoermannsUrteil »technisch und malerisch zu den gewaltigsten Bildern
dieser Erde« gehörend, und einige landschaftliche Ansichten aus Rom. In Madrid beschäftigte ihn wieder zumeist die Bildnismalerei.
Ende 1648 ging Velazquez zum zweitenmal nach Italien, um im Auftrag des Königs Kunstwerke als Vorbilder für eine in Madrid zu gründende
Kunstakademie anzukaufen. Er blieb bis Juni 1651 in Italien, wo er unter andern das Bildnis des PapstesInnocenz X. (im PalazzoDoria zu Rom), nach BurckhardtsUrteil »das beste Papstporträt des Jahrhunderts«, malte. Nach Madrid zurückgekehrt,
mußte Velazquez wegen der zweiten Heirat des Königs mit MariaAnna von Österreich
[* 32] seine Thätigkeit als Hofmaler noch steigern, fand
daneben aber auch noch die Zeit, seine eignen künstlerischen Neigungen in einem religiösen Bilde, dem
Besuch des heil. AbtesAntonius bei dem heil. EinsiedlerPaulus in der Wüste, und zwei Meisterwerken ersten Ranges, den Teppichwirkerinnen
und dem unter dem NamenLas Meninas (die Hofdamen) bekannten Bild, welches Velazquez, die königliche Familie malend, darstellt (sämtlich
im Museum zu Madrid), zu befriedigen.
Seine aufreibende Thätigkeit im Dienste
[* 33] des Königs zog ihm ein hitziges Fieber zu, an welchem er in Madrid starb.
Velazquez
ist einer der größten Bildnismaler aller Zeiten, welcher den Naturalismus zu einem neben der idealistischen Kunstauffassung
gleichberechtigten Stil erhoben hat, ohne jemals in Manier zu verfallen. Sein höchstes Ziel war auf die
streng objektive Nachahmung der Natur bei geistreicher und individueller Auffassung gerichtet, und deshalb ist sein Stil auf
die ihm geistesverwandte Malerei der zweiten Hälfte des 19. Jahrh. von großem Einfluß geworden.
Seine Malweise hat verschiedene Wandlungen durchgemacht. Von einer kräftig-pastosen, warmen Farbengebung
mit bräunlichen Schatten
[* 34] ausgehend, lernte er allmählich die Einwirkung der freien Luft auf Figuren und Gegenstände kennen
und hüllte schließlich alle Lokalfarben in einen kühlen, grauen Ton, welcher seinen reifsten Schöpfungen das Gepräge gibt.
In seinen letzten Arbeiten löste er die früher verschmolzene Behandlung in lauter einzelne, leicht hingesetzte
Pinselstriche auf, die erst bei der Betrachtung aus größerer Entfernung zu einem einheitlichen Gewebe
[* 35] von geschlossener Harmonie
zusammenwachsen.