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Industrie lehnt sich an Viehzucht und [* 2] Landbau an, und namentlich sind die großartigen Saladeros oder Pökelanstalten (z. B. in Fray Bentos, s. d.) von Bedeutung. Durch seine Lage den Ausfluß [* 3] des La Plata beherrschend, ist das Land von kommerzieller, maritimer und strategischer Wichtigkeit. Als Ausfuhrhafen für das ganze Gebiet des La Plata ist Montevideo [* 4] ein nicht zu verachtender Rival von Buenos Ayres [* 5] geworden. Im J. 1886 betrug die Einfuhr Uruguays 20,194,655 Pesos, die Ausfuhr 23,811,986 Pesos, bestehend aus Häuten (7,171,000 Pesos), Pökelfleisch, Fleisch u. Fleischextrakt (5,907,000), Wolle (5,747,000), Talg (1,990,000), Vieh, Weizenmehl, Knochen, [* 6] Horn, Schafspelzen etc. An diesem Handel beteiligt sich in erster Linie England, dann Frankreich, Deutschland, [* 7] Brasilien, [* 8] Spanien, [* 9] die Vereinigten Staaten [* 10] und Italien. [* 11]
Eisenbahnen standen 1887: 556 km im Betrieb, Telegraphen [* 12] 1870 km. Die Post beförderte 1886: 11,417,597 Gegenstände. Landesmünze ist der Peso, in 100 Centenas eingeteilt;
47 Pesos sind = 10 Pfd. Sterl. = 204 Mk. Maße und Gewichte sind gesetzlich die französischen;
außerdem sind noch im Gebrauch die Vara = 0,859 m, die Cuadra zu 100 Varas und die Legua zu 6000 Varas = 5154 m;
die Suerta de Estancia = 1992 Hektar;
die Pipe zu 6 Barrils oder 192 Frascos (Flaschen) = 455 Lit.;
die Fanega für trockne Sachen = 137,3 L., für Mais = 274,5 L.;
das Quintal zu 4 Arrobas oder 100 Pfd. = 45 kg;
die Pesada für trockne Häute = 40 Pfd., für nasse Häute = 75 Pfd.
Die Unabhängigkeit der Republik wurde durch den Vertrag von Montevideo von Brasilien anerkannt und die Verfassung derselben proklamiert. Die gesetzgebende Gewalt wird ausgeübt durch einen Senat von 18 Mitgliedern, die auf sechs Jahre indirekt gewählt werden, und durch ein Abgeordnetenhaus (jetzt 46 Mitglieder), welches alle drei Jahre direkt gewählt wird. Stimmrecht hat jeder männliche Bürger, der lesen und schreiben kann. Während der Vertagung des Parlaments wird die Staatsverwaltung durch einen »ständigen Ausschuß« von zwei Senatoren und fünf Abgeordneten überwacht.
Die vollziehende Gewalt ruht in den Händen eines Präsidenten, der auf vier Jahre gewählt wird und erst nach Ablauf [* 13] weiterer vier Jahre wieder wählbar ist. Ihm zur Seite steht ein Kabinett von fünf Ministern. Die richterliche Gewalt wird durch einen hohen Gerichtshof von drei Mitgliedern, Gerichten erster Instanz und Friedensrichtern ausgeübt. Kriminalverbrechen werden durch Geschworne abgeurteilt. Der Code Napoleon ist als Gesetzbuch eingeführt. Die Verwaltungsbehörden (Juntas) der 18 Departements sind von der Zentralregierung fast unabhängig.
Hauptstadt ist Montevideo. Die Staatseinnahme fließt wesentlich aus Zöllen und der Einkommensteuer und betrug 1888: 14,739,000 Pesos, wogegen sich die Staatsausgabe auf 13,382,800 Pesos belief. Die Staatsschuld wurde durch ein Übereinkommen mit den Gläubigern reguliert und betrug 1887: 72,205,722 Pesos, wovon 10,995,300 Pfd. St. (52 Mill. Pesos) auf die unifizierte Schuld kamen. Die stehende Armee besteht aus 5 Regimentern Reiterei, 2 Regimentern Artillerie und 3 Bataillonen Schützen und zählt 3446 Mann.
Außerdem gibt es eine bewaffnete Polizei von 3200 Mann und eine Nationalgarde von 20,000 Mann. Die Flotte beschränkt sich auf 3 kleine Dampfer und 3 Kanonenboote. Das Wappen [* 14] der Republik besteht aus einem von einer Sonne [* 15] gekrönten ovalen Schild, [* 16] der in vier Felder geteilt ist. Die obern Felder enthalten rechts eine Wage [* 17] auf blauem Grund, links den Cerro de Montevideo auf silbernem Felde; die untern rechts ein ungesäumtes Pferd [* 18] auf blauem Grund, links einen Stier auf Silbergrund. Die Flagge besteht aus vier horizontalen blauen Streifen in weißem Feld, mit einer Sonne im obern Winkel, [* 19] zur Seite des Flaggenstocks (s. Tafel »Flaggen [* 20] I«). [* 21]
Geschichte.
Uruguay [* 22] gehörte seit der Errichtung des spanischen Vizekönigreichs Buenos Ayres zu diesem und führte den Namen Banda Oriental (»Ostseite«),
bildete aber einen ewigen Zankapfel zwischen den Spaniern und Portugiesen, welche durch Uruguay einen dem Handel von Buenos Ayres sehr schädlichen Schleichhandel trieben. Als Buenos Ayres vom Mutterland abfiel und ein Bürgerkrieg ausbrach, besetzte die portugiesische Regierung von Brasilien Anfang 1817 Montevideo und vereinigte 1821 die Banda Oriental unter dem Namen cisplatinische Provinz mit Brasilien. Argentinien erklärte deswegen an Brasilien den Krieg; doch vermittelte Großbritannien [* 23] den Frieden zwischen Brasilien und La Plata zu Rio de Janeiro [* 24] wodurch die Provinz Montevideo zu einem unabhängigen Staat erhoben wurde.
Nachdem die im September 1829 von einem Kongreß zu Montevideo beschlossene Konstitution von den Schutzmächten England und Brasilien gutgeheißen worden, wurde sie als Verfassung der Republica oriental del Uruguay beschworen und der General Fructuosa Rivera als Präsident gewählt. Am übernahm General Manuel Oribe die Präsidentschaft, ward jedoch schon im Oktober 1838 von Rivera gestürzt. In den nun folgenden Parteikämpfen stand auf der einen Seite Rivera, gestützt auf die Liberalen, auf der andern Seite Oribe, Repräsentant der großen Grundbesitzer (Estanceros).
Riveras Anhänger hießen Colorados (die Roten), die Anhänger Oribes Blanquillos (die Weißen). Die vom Diktator Rosas aus Buenos Ayres vertriebenen Unitarier boten Rivera ihre Dienste [* 25] an, welcher ihnen dafür die Mitwirkung zum Sturz Rosas' versprach, und ebenso unterstützte Frankreich Montevideo gegen Buenos Ayres. Oribe wandte sich dagegen um Hilfe an Rosas, der diese Wirren um so mehr begünstigte, als der aufblühende Handelsverkehr Uruguays den von Buenos Ayres beeinträchtigte.
Rivera erlitt im März 1845 und im Januar 1847 entscheidende Niederlagen und mußte den Oberbefehl der Armee seinem Feind Pacheco überlassen. Durch einen Präliminarvertrag vom wurde zwischen den drei Staaten Uruguay, Brasilien und Entre Rios eine Tripelallianz geschlossen, und Urquiza rückte nun mit Truppen von Entre Rios und Corrientes, Graf Caxias mit einem brasilischen Korps 20. Juli Uruguay ein. Oribe mußte 2. Sept. die Belagerung von Montevideo nach mehr als achtjähriger Dauer (seit 1843) aufgeben und wurde 3. Okt. bei Las Piedras geschlagen. Am 8. Okt. zog Urquiza als Oberbefehlshaber der Bundesarmee in Montevideo ein; doch war Oribes Partei in Montevideo so zahlreich, daß sie bei der Präsidentenwahl im März 1852 ihren Kandidaten Juan Francisco Giro durchsetzte. Derselbe ward jedoch schon im September 1853 gestürzt, und eine provisorische Triumviralregierung, gebildet aus den Generalen Rivera und Lavalleja und dem Obersten Flores, trat ans Staatsruder. Am starb Rivera, und Benancio Flores wurde 12. März von der Kammer zum Präsidenten der Republik (bis gewählt. Infolge dieser Revolution ließ Brasilien 4000 Mann Pacifikationstruppen ins Land einrücken. Indessen hatten ¶
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sich die Colorados, welchen Flores die Präsidentschaft verdankte, in zwei Parteien gespalten, von denen die mächtigere sich gegen ihn erklärte. Seine Lage wurde noch schwieriger, als im August 1855 Oribe wieder erschien. Der Kampf wurde unter Vermittelung der Gesandten Frankreichs, Englands und Spaniens nur dadurch vermieden, daß Flores 9. Sept. abdankte und Manuel Bustamente bis zum März 1856 an seine Stelle trat. Flores und Oribe vereinigten sich nun zur Aufrechterhaltung der Verfassung u. Unterstützung der verfassungsmäßigen Behörden, worauf die brasilischen Truppen Uruguay räumten. Da 1864 keine Präsidentenwahl zu stande kam, so trat der zeitherige Vizepräsident Aguirre die Präsidentschaft provisorisch an. Dieser wies Entschädigungsansprüche Brasiliens zurück, da der Diktator von Paraguay, Lopez, die Partei der Weißen zu unterstützen versprach und Brasilien den Krieg erklärte.
Hierauf rückten im Oktober 1864 brasilische Truppen in Uruguay ein, und 6. Dez. griffen die Truppen des Generals Flores, von der brasilischen Flotte unterstützt, die Stadt Paysandu an und eroberten sie in Gemeinschaft mit der brasilischen Invasionsarmee Der nach dem Rücktritt Aguirres (15. Jan.) vom Kongreß mit der höchsten Gewalt betraute Senator Vilalba schloß 20. Febr. mit Flores in La Union einen Friedensvertrag, dem zufolge letzterer als Gefe del Gobernio provisorio in Montevideo einzog. Derselbe ging sofort ein Bündnis mit Brasilien gegen Paraguay ein, dem im Mai auch die Argentinische Republik [* 27] beitrat. Der Krieg verlief jedoch nicht so glücklich und rasch, wie die Verbündeten erwartet hatten (s. Paraguay, S. 704). Das Kontingent von Uruguay wurde fast aufgerieben, und Flores überließ, wie die Argentinische Republik, Brasilien allein die Last des Kriegs. Im Innern suchte er die Parteien zu versöhnen und geordnete Zustände herzustellen, jedoch ohne Erfolg. Am ward Flores auf der Fahrt in das Gouvernementshaus von vier Blanquillos ermordet.
Der Aufstand, welcher mit dieser Blutthat eingeleitet werden sollte, mißlang jedoch, und die Rädelsführer wurden noch an demselben Tag standrechtlich erschossen. Der Senat ernannte nun den Bruder des Ermordeten, Manuel Flores, zum provisorischen Präsidenten und, als dieser und 21 andre angesehene Anhänger des Ermordeten 22. Febr. plötzlich gestorben waren, den bisherigen Kriegsminister, General Lorenzo Battle, einen gemäßigten Colorado, welcher 1. März definitiv zur Präsidentschaft berufen wurde. Am folgte Thomas Gomensoro als Präsident, auf diesen José Ellauri.
Dieser wurde vertrieben, und Varela trat an seine Stelle. Alle diese Machthaber bereicherten sich in schamloser Weise aus den Staatseinkünften, und wenn sie selbst davor zurückscheuten, so wurden sie von ihren Genossen (compadres), denen sie ihr Amt verdankten, gezwungen, es ihnen zu gestatten, oder gestürzt. Handel und Wandel stockten, die Landwirtschaft verfiel, und die Staatskassen waren stets leer. Im April 1875 beschloß daher die Legislative, die Zinsen der Staatsschuld nicht zu bezahlen. Im März 1876 wurde Varela wieder gestürzt vom Obersten Latorre, der mit diktatorischer Gewalt bekleidet ward.
Derselbe herrschte, auch nachdem er sich im Februar 1879 zum konstitutionellen Präsidenten hatte wählen lassen, durchaus despotisch und vernichtete seine Gegner mit rücksichtsloser Grausamkeit, stellte aber wenigstens für einige Zeit den innern Frieden her und machte dem Unwesen der habsüchtigen Abenteurer (caudillos) ein Ende. Doch dankte er plötzlich ab und ging nach Brasilien aus Furcht vor der Entdeckung großer Unterschleife in den Staatskassen.
Ihm folgte Vidal als Präsident, der 1882 von dem rohen General Santos verdrängt wurde. Derselbe schlug einen Einfall von Aufständischen aus Argentinien bei Quebracho zurück und ward bis zum Präsidenten gewählt, dankte indes, nachdem er das Land genügend ausgeplündert hatte, schon im November 1886 ab und hatte den General Tajes zum Nachfolger.
Vgl. T. Vaillant, La República Oriental del Uruguay (Montevideo 1873);
Diaz, Notice historique et statistique sur la République Orientale de l'U. (Par. 1878);
»The Republic of Uruguay« (hrsg. vom Generalkonsul in London, [* 28] 1886),
van Bruyssel, La République orientale de l'U. (Brüssel [* 29] 1889);
die Veröffentlichungen der »Direccion de Estadistica general«; Sommer-Geiser, Lebensbilder aus dem Staat Uruguay (Basel [* 30] 1861);
Woysch, Mitteilungen über das soziale und kirchliche Leben in der Republik Uruguay (Berl. 1864);
Franckenberg, Politische Verhältnisse der Republik Uruguay (Buenos Ayres u. Köln [* 31] 1866);
Mulhall, Handbook of the River Plate Republics (5. Aufl., Lond. 1885);
de Maria, Compendio de la historia de la Republica Oriental Uruguay (Montevideo 1864);
F. Bauza, Historia de la dominacion española en el Uruguay (das. 1880).