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blutiger Strenge befestigte. Nach seinem Tod (1063) erhielt mit deutscher Hilfe Andreas' Sohn Salomo die Krone, wurde aber 1074 von Belas Sohn Geisa vertrieben. Derselbe ließ sich 1075 krönen, starb jedoch schon 1077 und hatte seinen Bruder Wladislaw zum Nachfolger, welcher 1088 Nordkroatien unterwarf. Ihm folgte sein Neffe Koloman (1095-1114), welcher 1102-12 Dalmatien eroberte, mit dem Papst 1106 ein Konkordat abschloß und treffliche Gesetze über das Grundeigentum, die Finanzen und das Gerichtswesen erließ.
Die Regierungen Stephans II. (1114-31), Belas II., des Blinden (1131-41), und Geisas (1141-61) waren durch äußere Kriege und innere Unruhen bewegt. Nach des letztern Tod folgten durch die Einmischung des griechischen Kaisers Manuel in die stets streitige Thronfolgeordnung längere Wirren, während deren neben Geisas ältestem Sohn, Stephan III. (1161-73), noch zwei Könige existierten, bis endlich Geisas zweiter Sohn, Bela III. (1173 bis 1196), den Thron [* 2] bestieg, der dem griechischen Kaiserreich den Lehnseid leisten mußte; derselbe unterwarf Kroatien und Dalmatien wieder und eroberte Bulgarien [* 3] und Galizien, das fortan der Zankapfel zwischen Ungarn, [* 4] Polen und Rußland blieb.
Sein Nachfolger war sein Sohn Emmerich [* 5] (1196-1204), dann dessen unmündiger Sohn Wladislaw (1204-1205), der aber von Belas III. jüngerm Bruder, Andreas II. (1205-35), verdrängt wurde. Unter diesem, der 1217 einen erfolglosen Kreuzzug unternahm, erzwangen sich der Reichsadel 1222 in der Goldenen Bulle und 1231 auch der Klerus ausgedehnte Rechte und Freiheiten. Unter Bela IV. (1235-70) wurde Ungarn 1241 von den Mongolen furchtbar verwüstet und entvölkert. Daher wurden zahlreiche deutsche und italienische Ansiedler in das Land gezogen und der Bürgerstand durch Vermehrung der Freistädte gehoben. 1244 wurde Bosnien [* 6] der ungarischen Herrschaft gesichert, und nach andern Seiten hin wurden die Grenzen [* 7] Ungarns erweitert. Nach Stephans V. (1270-72) frühem Tod folgte sein unmündiger Sohn, Wladislaw IV., der Kumane, nach dessen Ermordung (1290) Andreas' II. Enkel Andreas III. auf den Thron erhoben wurde. Mit ihm erlosch der Mannsstamm der Arpaden.
Zwar begünstigte ein Teil der ungarischen Stände den Sohn von Andreas' Tochter, Wenzel III. von Böhmen, [* 8] der als Wladislaw V. gekrönt wurde, aber die unhaltbare Krone dem Herzog Otto von Bayern [* 9] überließ. Die Mehrheit wurde aber schließlich für den vom Papst und vom deutschen König begünstigten Karl Robert von Neapel [* 10] aus dem Haus Anjou, der mütterlicherseits mit den Arpaden verwandt war, gewonnen, welcher, wiederholt von seinen Anhängern ausgerufen und gekrönt, 1308 allgemeine Anerkennung fand.
Karl I. Robert (1308-42) führte die abendländischen höfischen Sitten, Pflege der Wissenschaften, geregeltes Gerichtsverfahren u. dgl., aber auch Luxus und Prachtliebe beim Adel ein; auch eroberte er 1314 das venezianische Dalmatien. Nach ihm bestieg sein ältester Sohn, Ludwig I., der Große (1342-82), den Thron, der vorübergehend auch über Neapel herrschte und 1370 zum König von Polen gewählt wurde. Derselbe behauptete und erweiterte in glücklichen Kriegen die äußere Macht des Reichs, vollendete die Bekehrung der Kumanen zum Christentum, regelte das Erbrecht der adligen Güter, gab den Städten eigne Gerichtsbarkeit und Handelsfreiheit und gründete 1367 eine Universität in Fünfkirchen [* 11] sowie zahlreiche Schulen. Er hatte zu seiner Nachfolgerin in Ungarn seine Tochter Maria ernannt, welche sich mit dem Luxemburger Siegmund vermählte.
Die Großen riefen jedoch ihren Vetter, Karl den Kleinen von Neapel, als König aus. Erst nach dessen Ermordung (1386) erlangte Siegmund mehr und mehr Anerkennung und behauptete sich auch nach Marias Tod (1392). Als er aber auf dem Kreuzzug gegen die Türken 1396 bei Nikopolis besiegt wurde, empörten sich die Großen gegen ihn und nahmen ihn 1401 sogar in Ofen gefangen. Da sie sich jedoch über die Wahl eines andern Königs nicht verständigen konnten, ward Siegmund 1404 allgemein als König wieder anerkannt, gab dem Land zur Verteidigung gegen die Türken eine bessere Heeresorganisation und berief 1405 einen Nationalkonvent, zu dem er zum erstenmal Abgeordnete der Städte heranzog, die sich mit dem niedern Adel zur Ständetafel (neben der Magnatentafel der Prälaten und des hohen Adels) vereinigten; er erwarb Kroatien und Dalmatien wieder und brachte auch Bosnien unter ungarische Oberhoheit.
Siegmund, seit 1410 auch Kaiser, starb 1437 ohne männliche Erben und hinterließ seine Reiche Ungarn und Böhmen seinem Schwiegersohn Albrecht von Österreich [* 12] (als deutscher König Albrecht II.), der aber schon 1439 starb. Die ungarischen Stände erkannten nun nicht dessen nachgebornen Sohn Wladislaw Posthumus als König an, sondern beriefen wegen der wachsenden Türkengefahr den polnischen König Wladislaw III. (V.) auf den Thron, der aber schon in der großen Schlacht bei Warna gegen die Türken Sieg und Leben verlor.
Nun wurde Wladislaw (VI.) Posthumus zum König erklärt und der Nationalheld Johann Hunyades, welcher die Türken glänzend besiegt hatte, 1446 zum Gubernator Hungariae oder Reichsverweser ernannt, der zwar 17.-20. Okt. 1448 gegen die Türken die Schlacht auf dem Amselfeld verlor, aber an der Spitze eines Kreuzheers bei Belgrad [* 13] glänzend siegte. Nach Wladislaws Tod (November 1457) wählte der Reichstag zu Pest 1458 Hunyades' Sohn Matthias Corvinus zum König; nur ein kleiner Teil der Großen stellte den Kaiser Friedrich III. als Gegenkönig auf.
Matthias beförderte im Innern Bildung und Wohlstand und focht nicht nur glücklich gegen die Türken, sondern auch gegen den König Georg Podiebrad, an dessen Stelle er sich 1469 in Olmütz [* 14] zum König von Böhmen krönen ließ, und entriß Friedrich III. sein Erbland Niederösterreich. Er starb in Wien, [* 15] worauf der Reichstag die Krone Wladislaw V. (VII.) von Böhmen, aus dem Haus der Jagellonen, übertrug, welcher mit Kaiser Maximilian I. 1415 eine Doppelheirat seiner Kinder Ludwig und Anna mit dessen Enkeln Maria und Ferdinand sowie eine Erbverbrüderung abschloß.
Auf seinen Befehl ward 1512 das erste umfassende Gesetzbuch Ungarns, das Tripartitum, zusammengestellt, das, 1517 von Verböczy vollendet, bis auf die neueste Zeit als Corpus juris hungaricum in Geltung war. Ein Bauernaufstand (der »Kuruzzenkrieg«) wurde 1514 von Johann Zápolya unterdrückt. Wladislaws Sohn Ludwig II. (1516-1526) fiel in der unglücklichen Schlacht bei Mohács gegen Sultan Suleiman H., welcher darauf ganz Ungarn mit seinen Heerscharen überschwemmte.
Ungarn unter den Habsburgern.
Da Ludwig II. keine Nachkommen hinterließ, entstand ein verderblicher Zwist über die Thronfolge. Auf Grund der mit dem Haus Habsburg geschlossenen Erbverbrüderung wählte der Reichstag zu Preßburg [* 16] den Erzherzog Ferdinand von Österreich zum König; Ferdinand wurde, nachdem er 1527 die Verfassung beschworen, zu Stuhlweißenburg [* 17] ¶
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gekrönt. Ein Teil der Großen rief aber Johann Zápolya zum König aus, welcher sich den Türken in die Arme warf. Im Vertrag von Großwardein [* 19] ward so geteilt, daß Zápolya Siebenbürgen und Ungarn jenseit der Theiß, Ferdinand den Nordwesten erhielt, während der mittlere größte Teil des Landes nebst Ofen, wo ein Pascha residierte, im Besitz der Türken verblieb; ja, diese versuchten, von Zápolya und seinem Sohn und Nachfolger unterstützt, immer wieder, ganz Ungarn sich zu unterwerfen; dazu kamen unter Ferdinands Nachfolgern Maximilian II. (1564-76), Rudolf II. (1576-1608), Matthias (1608-19), Ferdinand II. (1619-37) und Ferdinand III. (1637-57) religiöse Streitigkeiten, indem die seit 1561 eingewanderten Jesuiten die trotz aller Bedrückungen zahlreichen Protestanten auszurotten suchten und sie dadurch zu Aufständen reizten. 1604 erhoben sich die Protestanten unter Stephan Bocskay und erzwangen 1606 einen Frieden, in dem die Religionsfreiheit in beschränktem Maß gewährleistet und Bocskay als Fürst von Siebenbürgen anerkannt wurde.
Siebenbürgen behauptete seine Unabhängigkeit auch unter Bethlen Gabor und den Rákóczys und blieb neben der Furcht vor den Türken eine Stütze der Protestanten. Leopold I. (1657-1705) erließ, sowie er einen Vorteil über die Türken errungen hatte, sofort die strengsten Maßregeln gegen die Ketzer in Ungarn. Dies veranlaßte 1665 eine große Magnatenverschwörung gegen die habsburgische Herrschaft, die erst 1671 grausam unterdrückt wurde. Ein neuer Aufstand Emmerich Tökölys wurde von einem Einfall der Türken unter Kara Mustafa unterstützt, der 1683 bis vor Wien vordrang und es belagerte.
Seine Niederlage (12. Sept.) entschied das Schicksal Ungarns: die kaiserlichen Heere drangen siegreich in Ungarn ein, erstürmten 1686 Ofen und machten nach 145jähriger Dauer der Türkenherrschaft daselbst ein Ende. Durch das Blutgericht von Eperies (1687), durch welches Leopold die Siege seiner Feldherren schändete, wurden Hunderte vom protestantischen Adel dem Henker überliefert und dessen Widerstandskraft gebrochen. Hierauf erlangte der Kaiser für sein Haus auf dem Preßburger Reichstag 1687 die Erblichkeit der ungarischen Krone und beseitigte aus der Goldenen Bulle die Klausel wegen des Widerstandsrechts, bestätigte aber im übrigen die alte ungarische Verfassung. Im Frieden von Karlowitz (1699) gaben die Türken ganz Ungarn mit Ausnahme des Banats sowie Siebenbürgen heraus, und nachdem ein neuer Kuruzzenaufstand unter Franz Rákócz von Joseph I. (1605-11) durch den Szatmárer Frieden beendigt worden, erlangte Karl VI. (1711-40) infolge der Siege des Prinzen Eugen im Passarowitzer Frieden 1718 auch das Banat sowie die Kleine Walachei und einen Teil Serbiens mit Belgrad. Letztere Lande gingen allerdings nach einem neuen unbesonnen unternommenen und ungeschickt geführten Türkenkrieg (1737-39) wieder verloren, und die Grenzen Ungarns wurden so festgestellt, wie sie noch heute sind.
Nach Karls Tod bestieg kraft der vom ungarischen Reichstag anerkannten Pragmatischen Sanktion von 1723 seine Tochter Maria Theresia (1740-80) den Thron. In dem Kampf um ihr Erbe erhoben sich die Ungarn begeistert für ihren »König« Maria Theresia und verhalfen ihr zum Sieg. Die Kaiserin widmete daher Ungarn ihre besondere Fürsorge, beschützte die Protestanten, regelte 1765 die Unterthanenverhältnisse durch das Urbarium u. dgl. Joseph II. (1780-90) hob die Leibeigenschaft auf, erließ ein Toleranzedikt, zog die Klöster ein, beseitigte die Vorrechte des Adels, beschränkte den Zunftzwang, vernichtete die Komitatseinteilung, führte das Deutsche [* 20] als Geschäftssprache ein etc. und erbitterte durch rücksichtslose Verletzung der nationalen und Standesvorurteile alle Stände so sehr, daß er, um einem allgemeinen Aufstand vorzubeugen, 28. Jan. 190 mit Ausnahme der beiden ersten Reformen alle Maßregeln zurücknehmen mußte. Auch der neue Türkenkrieg, den er 1788 im Bund mit Rußland unternahm, war erfolglos und verschaffte Ungarn im Frieden von Sistowa nur den Besitz von Alt-Orsova.
Josephs Nachfolger Leopold II. (1790-92) berief sofort zur Versöhnung der Gemüter einen Reichstag (den ersten seit 25 Jahren) nach Ofen. Franz I. (1792-1835) lenkte dagegen wieder ganz in die absolutistischen Bahnen ein und berief Reichstage nur, um sich Geld und Mannschaften für die fortwährenden Kriege gegen Frankreich, welche Ungarn zwar nur vorübergehend berührten, ihm aber große Opfer auflegten, bewilligen zu lassen. Nach wiederhergestelltem Frieden wurde lange kein Reichstag berufen und 1820 eigenmächtig eine neue Rekrutierung angeordnet und die Steuern auf mehr als das Doppelte erhöht.
Erst 1825 trat wieder ein Reichstag zusammen, weil die Ausführung jener Maßregeln auf Widerstand stieß. Der Reichstag bewilligte sofort das geforderte Truppenkontingent und die Erhöhung der Steuern, verlangte aber, daß der König sich verpflichte, ohne Mitwirkung des Reichstags keine Steuern zu erheben und denselben alle drei Jahre einzuberufen. Die Opposition des Reichstags, geführt von Männern wie Széchényi, erstrebte neben einer modernen, wirklich konstitutionellen Verfassung auch nationale Ziele, namentlich offizielle Anerkennung der magyarischen Sprache. [* 21] Zu diesem Zweck ward 1825 eine ungarische Akademie errichtet und das Magyarische von den höhern Ständen als Umgangssprache gewählt.
Die Regierung betrachtete diese Bestrebungen als unschädlich und ließ die Zulassung des Magyarischen als Geschäftssprache zu, widersetzte sich aber entschieden der Forderung liberaler Reformen und beantwortete die liberalen Regungen in der Litteratur und Presse [* 22] mit Einsperrung der Unruhstifter; sie stützte sich hierbei auf eine ziemlich starke konservative Partei unter Graf Aurel Dessewffy, welche für ihre Standesvorrechte und Interessen eintrat. Aus dem Gegensatz dieser konservativen zu der liberalkonservativen Partei unter Széchényi und der eigentlichen Oppositionspartei unter Ludwig Batthyányi und Kossuth entwickelte sich, namentlich seit der Thronbesteigung Ferdinands I. (1835-48), ein lebhafter Parteikampf auf den Reichstagen, durch welchen das Volk politisch aufgeklärt und geschult und der vaterländische Sinn bedeutend gehoben wurde. Die Liberalen errangen Sieg auf Sieg: 1840 den Erlaß einer Amnestie, 1843 die Zulassung Nichtadliger zu den bisher dem Adel vorbehaltenen Ämtern. Den Reichstag von 1847 eröffnete König Ferdinand 12. Nov. mit einer Rede in magyarischer Sprache.
Die ungarische Insurrektion und ihre Folgen.
Als die Februarrevolution von 1848 der liberalen Bewegung in ganz Europa [* 23] einen mächtigen Anstoß gab, trat die Opposition offen mit dem Endziel ihrer Wünsche, einer neuen freisinnigen Konstitution und einem selbständigen ungarischen Ministerium, hervor. Diese Forderungen wurden auf Antrag Kossuths 16. März in einer Adresse an den Kaiser ausgesprochen und nach Überreichung derselben sofort bewilligt. Der Palatin Erzherzog Stephan ward zum Stellvertreter des Kaisers für Ungarn, Batthyányi zum ¶