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sowie die Murinsel als eignes Kronland abgelöst, ferner die Komitate Bács-Bodrog, Torontál, Temes und Krassó als Woiwodschaft Serbien [* 2] und Temeser Banat ausgeschieden und die 1835 zu Ungarn [* 3] geschlagenen Komitate Kraszna, Mittel-Szolnok und Zaránd, der Distrikt Kövár und die Stadt Zilah wieder mit Siebenbürgen vereinigt. Seit 1867 ist indessen Ungarn nicht nur in seinem frühern Umfang wiederhergestellt, sondern demselben auch Siebenbürgen und die Serbisch-Banater Militärgrenze einverleibt.
Kroatien-Slawonien behielt für die innere Verwaltung seine Autonomie mit eigner Gesetzgebung und Landesregierung, an deren Spitze der Ban steht; in Bezug auf Finanzen, Handel, Verkehr und Militärangelegenheiten aber wurde es mit Ungarn unter Wiederherstellung der frühern administrativen Einteilung vereinigt. 1876 erhielten die Gemeinden in Ungarn eine neue Organisation, und auch die administrative Einteilung wurde abgeändert; namentlich wurde Siebenbürgen (s. d.) in 15 neugebildete Komitate eingeteilt und das Gebiet mehrerer ungarischer Komitate geregelt. In Ungarn bestehen seitdem die S. 1001 angeführten 63 Komitate. In kirchlicher Beziehung zerfällt Ungarn in vier römisch-katholische Erzbistümer.
Dem Erzbischof von Gran [* 4] (Fürst-Primas von Ungarn) sind die Bistümer Stuhlweißenburg, [* 5] Fünfkirchen, [* 6] Veszprim, Steinamanger, Raab, [* 7] Neutra, Neusohl und Waitzen, die Erzabtei Martinsberg sowie die griechisch-katholischen Bistümer Munkács und Eperies, dem Erzbischof zu Erlau die Bistümer Rosenau, Zips, Kaschau und Szatmár, dem in Kalocsa die Bistümer Großwardein, [* 8] Csanád und Siebenbürgen, dem von Agram [* 9] die Bistümer Bosnien-Syrmien und Zengg-Modrus sowie das griechisch-katholische Bistum Kreutz untergeordnet.
Die katholische Kirche des griechischen Ritus hat ein Erzbistum zu Karlsburg mit dem Sitz in Blasendorf; diesem unterstehen die Bistümer Großwardein, Lugos und Szamos-Ujvár. Überdies erteilt der König von Ungarn noch 34 Bischofstitel, mit welchen Sitz und Stimme im Oberhaus verbunden sind. In Ungarn gibt es 8600 geistliche Personen und 283 Klöster der römisch-katholischen Kirche sowie über 2600 geistliche Personen und Klöster der griechisch-katholischen Kirche.
Die griechisch-orientalische Kirche serbischer Nationalität hat ein Erzbistum in Karlowitz, mit Bistümern in Ofen, Neusatz, Temesvár, Werschetz, Pakratz und Karlstadt, die griechisch-orientalische Kirche rumänischer Nationalität hingegen ein Erzbistum in Hermannstadt [* 10] mit Bistümern in Arad und Karansebes. Zu beiden Erzbistümern gehören 3600 geistliche Personen. Die evangelische Kirche Helvetischer Konfession zählt vier Superintendenzen in Ungarn und eine in Siebenbürgen; die evangelische Kirche Augsburgischer Konfession ebenfalls vier in Ungarn und eine in Siebenbürgen. Die Unitarier haben einen Bischof in Siebenbürgen.
Ungarn bildet seit 1867 mit Österreich [* 11] die österreichisch-ungarische Monarchie, welche aus zwei unabhängigen und gleichberechtigten Staaten besteht. Jeder der beiden Staaten besitzt seine besondere Verfassung, Legislative und Verwaltung. Beide sind jedoch nicht bloß durch die Person des Monarchen verbunden, sondern haben auch gemeinsame Angelegenheiten. Solche sind: die auswärtigen Angelegenheiten mit Einschluß der diplomatischen und kommerziellen Vertretung im Ausland;
das Kriegswesen und die Kriegsmarine, jedoch mit Ausschluß der Rekrutenbewilligung sowie der Dislozierung und Verpflegung der Armee;
das Finanzwesen rücksichtlich der gemeinsamen Auslagen;
schließlich die Gesetzgebung über Zollwesen und indirekte Steuern sowie die Feststellung des Münzwesens und des Geldfußes.
Die gesetzgebende Gewalt hinsichtlich der gemeinsamen Angelegenheiten wird von zwei, vom österreichischen Reichsrat und ungarischen Reichstag auf ein Jahr gewählten Delegationen ausgeübt, die aus je 60 Mitgliedern bestehen (40 Abgeordneten und 20 Oberhausmitglieder). Der ungarische Reichstag besteht aus der Magnatentafel (Oberhaus) und aus dem Abgeordnetenhaus. Mitglieder des Oberhauses sind: die in Ungarn begüterten großjährigen Erzherzöge, die Erzbischöfe, Bischöfe und einige Äbte und Pröpste, die Reichswürdenträger und Kronhüter, die Obergespäne, der Gouverneur von Fiume [* 12] und die ungarischen Fürsten, Grafen und Barone, endlich zwei kroatisch-slawonische Landtagsdeputierte und 50 vom König auf Lebenszeit ernannte Mitglieder.
Das Abgeordnetenhaus zählt 458 Abgeordnete, wovon einer auf Fiume und 40 auf Kroatien-Slawonien entfallen. Die Munizipien (Komitate und königliche Freistädte) sind in Wahlkreise eingeteilt, deren jeder einen Abgeordneten auf fünf Jahre wählt. Das aktive Wahlrecht beginnt mit dem 20., das passive mit dem 24. Lebensjahr. Der Reichstag wird in Budapest [* 13] abgehalten. Der Präsident und Vizepräsident der Magnatentafel werden vom König ernannt, den Präsidenten und die beiden Vizepräsidenten des Abgeordnetenhauses dagegen wählt dieses selbst auf die fünfjährige Dauer einer Legislatur. Die Abgeordneten bekommen Diäten und Quartiergeld, die Mitglieder der Magnatentafel erhalten keine Diäten. Für Kroatien Slawonien (s. d., S. 240) besteht ein besonderer Landtag.
Die Komitate und größern königlichen Freistädte bilden sogen. Munizipien, an deren Spitze vom König ernannte Obergespäne sowie von den Munizipalausschüssen gewählte Vizegespäne in den Komitaten und Bürgermeister in den Städten stehen. Vertreter der Munizipien sind die Munizipalausschüsse, welche zur Hälfte aus den Höchstbesteuerten (Virilisten), zur Hälfte aus gewählten Mitgliedern bestehen; sie üben das Selbstverwaltungsrecht aus und wählen ihre Administrativbeamten.
Seit 1876 besteht in jedem Munizipium zur Leitung und Überwachung der ganzen Verwaltung ein Verwaltungsausschuß aus 20 teils ernannten, teils gewählten Mitgliedern. Die übrigen Städte und Gemeinden (Städte mit geregeltem Magistrat, Groß- und Kleingemeinden) stehen unter der Aufsicht der Komitate. Jedes Komitat ist in mehrere Stuhlrichteramtsbezirke geteilt. Die Regierung des Landes besteht aus zehn Ministern: Ministerpräsident, Minister des Innern, Finanzminister, Justizminister, Ackerbauminister, Handelsminister, Honvédminister, Minister für Kultus und Unterricht, für Kroatien und Slawonien und Minister bei Sr. Majestät dem König.
Die Rechtspflege ist seit 1867 von den Munizipien und der Administration getrennt, und in den letzten Jahrzehnten sind viele neue Gesetze geschaffen (Wechsel-, Handels- und Strafrecht, Zivil- und Strafprozeß, Konkurs-, Notariats- u. Advokatenordnung etc.). In Ungarn mit Siebenbürgen und Fiume bestehen 380 Bezirks (Einzel-) Gerichte und 65 königliche Gerichtshöfe als Gerichte erster Instanz. In zweiter Instanz fungieren die königlichen Tafeln in Budapest und Maros-Vásárhely; oberste Behörde ist die königliche Kurie (oberster Kassations- und Gerichtshof) in Budapest.
Die Finanzen sind seit 1868 in das Stadium fast völliger Selbständigkeit getreten. Zu den gemeinsamen Ausgaben trägt Ungarn 30, seit Einverleibung ¶
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(Provinzialisierung) der Militärgrenze 32, Österreich aber 70 (68) Proz. bei. Zur Verzinsung und Amortisation der österreichischen Staatsschuld zahlt Ungarn jährlich eine Summe von 30,312,000 Gulden. Trotz der steten Eröffnung neuer Einnahmequellen ist es nicht gelungen, das Defizit zu beseitigen. Einen Überblick über die Finanzen Ungarns gewährt folgende Zusammenstellung (in Millionen Gulden):
Jahr | Einnahmen | Ausgaben | Überschuß + Defiz. - |
---|---|---|---|
1869 | 233.7 | 184.1 | +49.6 |
1874 | 203.0 | 247.3 | -44.3 |
1879 | 222.2 | 256.4 | -34.2 |
1884 | 311.9 | 329.0 | -17.1 |
1885 | 326.0 | 337.9 | -11.9 |
1886 | 329.6 | 343.6 | -14.0 |
1887 | 328.2 | 350.2 | -22.0 |
1888 | 332.6 | 345.0 | -12.4 |
1889 | 350.7 | 356.8 | - 6.1 |
Im J. 1889 entfallen von den Einnahmen auf
Mill. Guld. | |
direkte Steuern | 99.40 |
Indirekte | 39.68 |
Zölle | 0.48 |
Stempel u. Gebühren | 27.64 |
Tabaksmonopol | 46.25 |
Lotto | 2.51 |
Salzmonopol | 15.91 |
Staatsgüter | 2.46 |
Staatswälder | 6.54 |
Montan u. Münzwesen | 15.28 |
Post und Telegraphen | 2.35 |
Ungar. Staatsbahnen | 39.90 |
Von den Ausgaben dagegen auf
Mill. Guld. | |
den königl. Hofstaat | 4.65 |
Reichstagsauslagen | 1.25 |
gemeinsame Auslagen | 23.02 |
Staatsschuldenquote | 132.77 |
Grundentlastung | 19.40 |
Auslagen der Gefälle | 56.70 |
Post und Telegraphen | 9.23 |
Unterrichtswesen | 6.70 |
Justiz | 12.09 |
Honvéds (Landwehr) | 9.81 |
In Ungarn bestehen 14 Finanz-, 3 Berg- und 6 Staatsgüterdirektionen, ferner eine Lottodirektion. Die Staatsschuld beläuft sich (1889) auf 1130, das Staatsvermögen auf 1273 Mill. Guld. Über das Heerwesen vgl. Österreichisch-Ungarische Monarchie, S. 501 f. -
Das Wappen [* 15] Ungarns ist ein mit der (vom Papst Silvester um 1000 dem König Stephan [s. d. 4)] geschenkten) Stephanskrone bedeckter, der Länge nach geteilter Schild, [* 16] rechts mit vier roten und vier weißen Streifen, links im roten Feld mit silbernem Patriarchenkreuz, das aus einer auf dreifachem grünen Hügel ruhenden Krone hervorgeht (s. Tafel »Österreichisch-Ungarische Länderwappen«). [* 17] Die Nationalfarben sind Grün, Weiß, Rot (s. Tafel »Flaggen [* 18] I«). [* 19] Der einzige ungarische Orden [* 20] ist der Stephansorden (s. d. 1).
[Litteratur.]
Vgl. außer den ältern Werken von Chaplovics (Pest 1829) und Fényes (s. d.): Palugyai, Geschichtliche, geographische und statistische Beschreibungen von Ungarn (ungar., das. 1855, 4 Bde.);
J. ^[János] Hunfalvy, Physikalische Geographie des ungarischen Reichs (ungar., das. 1863-65, 3 Bde.);
»Ungarn und Siebenbürgen in malerischen Originalansichten« (Stahlstiche von Rohbock, Text von Hunfalvy, Darmst. 1864, 3 Bde.);
Keleti, Unser Land und sein Volk (ungar., Pest 1871);
Grassauer, Landeskunde von Österreich-Ungarn (Wien [* 21] 1875);
Schwicker, Das Königreich Ungarn (das. 1886);
Kronprinz Rudolf, Österreich-Ungarn in Wort und Bild (das. 1887 ff.);
für die ethnographischen Verhältnisse: Czoernig, Ethnographie [* 22] (das. 1855, 3 Bde.);
P. ^[Pál] Hunfalvy, Ethnographie Ungarns (deutsch von Schwicker, Budapest 1876);
die betreffenden Teile des Sammelwerks »Die Völker Österreich-Ungarns« (Teschen 1881-86) und zwar Bd. 3 (Die Deutschen in Ungarn und Siebenbürgen, von Schwicker), Bd. 5 (Magyaren, von Hunfalvy), Bd. 6 (Rumänen, von Slavici), Bd. 10 (Slowenen, von Suman; Kroaten, von Staré), Bd. 11 (Serben, von Stefanovics), Bd. 12 (Zigeuner, von Schwicker);
Vambéry, Der Ursprung der Magyaren (Leipz. 1882);
Löher, Die Magyaren und andre Ungarn (das. 1874);
ferner Ulbrich, Staatsrecht der österreichisch-ungarischen Monarchie (Freiburg [* 23] 1884);
Schwicker, Statistik von Ungarn (Stuttg. 1876), und die Veröffentlichungen des königlichen ungarischen Statistischen Büreaus; Ditz, Die ungarische Landwirtschaft (Leipz. 1867);
Bedö, Wirtschaftliche Beschreibung der ungarischen Staatsforsten (Pest 1878);
Gutmann, Ungarisches Montanhandbuch (Wien 1881);
M. Wirth, Ungarn und seine Bodenschätze (Frankf. a. M. 1884);
über Kurorte und Heilquellen die Werke von Wachtel (Ödenb. 1859) und Chyzer (Stuttg. 1887);
Heksch, Führer durch Ungarn und seine Nebenländer (Wien 1882).
Karten: Spezialkarte des Königreichs Ungarn (1:144,000 in 140 Blättern, seit 1869);
Steinhauser, Orts- und Straßenkarte des Königreichs Ungarn (1:1,296,000, 1882).
Vgl. auch die bei Österreich, S. 498 angegebenen allgemeinen Werke und Karten.
Geschichte.
Ungarn, das in der Römerzeit die Provinz Pannonien und einen Teil von Dacien bildete, war seit dem Verfall des römischen Reichs das Ziel von Einfällen und dauernden Niederlassungen zahlreicher Völker (Germanen, Hunnen, Slawen, Avaren u. a.), von denen noch beträchtliche Trümmer vorhanden waren, als um 890 die Magyaren (bei den Slawen Ugri, Ungri, bei den Deutschen Ungarn benannt), aus ihren bisherigen Wohnsitzen zwischen Donau und Don von den Petschenegen verdrängt, in Ungarn einfielen und es unter ihrem Herzog Almus und dessen Sohn Arpad 890-898 eroberten.
Die Anfänge christlicher Kultur wurden von dem rohen Volk zerstört, das sein Nomadenleben auch in Ungarn fortsetzte und nach Vernichtung des großmährischen Reichs und nach Zurückdrängung der bayrischen Herrschaft bis an die Enns mit seinen schnellen Reiterscharen auf weiten Raubzügen die Nachbarlande, namentlich Italien [* 24] und Deutschland, [* 25] verwüstete. Erst ihre beiden Niederlagen durch die Deutschen bei Riade (933) und bei Augsburg [* 26] (955) bändigten ihre zügellose Kriegslust und zwangen sie, hinter den Grenzen [* 27] der ihnen entrissenen Ostmark sich zu einem seßhaften Leben zu bequemen.
Arpads Urenkel Geisa (972-997) und dessen Sohn Stephan der Heilige (997 bis 1038) rotteten das Heidentum mit Feuer und Schwert aus und organisierten die christliche Kirche; Stephan nahm den Königstitel an, ließ sich mit der vom Papst geschenkten Krone krönen (1001) und gab dem Reich eine Verfassung, durch welche die Krone im Geschlecht Arpads für erblich erklärt und mit der höchsten richterlichen und vollziehenden Gewalt ausgerüstet, ferner Prälaten, Magnaten (hoher Adel) und niederer Adel als die privilegierten Stände anerkannt, aus den beiden ersten der Reichssenat gebildet und das Land in 72 Komitate (Gespanschaften) geteilt wurde.
Unter Stephans Neffen, dem Sohn seiner Schwester Maria und des venezianischen Dogen Otto Orseolo, König Peter, bewirkte der nationale Haß gegen die Fremdherrschaft des Italieners und gegen das Christentum eine Reaktion des rohen Heidentums; Peter wurde 1041 und nachdem er von Kaiser Heinrich III., der den an seiner Stelle gewählten heidnischen König Aba 1044 besiegte, wieder zurückgeführt und 1045 in Stuhlweißenburg mit Ungarn belehnt worden war, 1046 von neuem vertrieben. Ihm folgte der Arpade Andreas, der das halb vertilgte Christentum aufrichtete und die deutsche Lehnshoheit wieder abschüttelte, aber 1061 von seinem Bruder Bela gestürzt wurde, welcher die aufrührerischen Großen unterdrückte und das Christentum mit ¶