sah sich durch den allgemeinen Widerstand der privilegierten Stände gegen Turgots neue Edikte, betreffend die Aufhebung der
Wegfronen und Zünfte, genötigt, seinen Minister im Mai 1776 plötzlich zu entlassen. Turgot widmete sich fortan nur wissenschaftlichen
Arbeiten und starb 8. März 1781 in Paris. Seine »Œuvres« veröffentlichten Dupont de Nemours (Par. 1808-11, 9 Bde.)
und Daire (das. 1844, 2 Bde.).
Vgl. Batbie, Turgot, philosophe, économiste et administrateur (Par. 1861);
Tissot, Turgot, sa vie,
son administration, ses ouvrages (das. 1862);
Mastier, Turgot, sa vie et sa doctrine (das. 1862);
Foncin, Essai sur le ministère
de Turgot (das. 1877);
Jobez, La France sous Louis XVI, Bd. 1: Turgot (das.
1877);
Neymarck, et ses doctrines (das. 1885, 2 Bde.);
kleine Biographien vonL. Say (das. 1888) und Robineau (das. 1889).
(ital. Torino), ital. Provinz, umfaßt den nordwestlichen Teil von Piemont, grenzt östlich an die Provinzen Novara
und Alessandria, südlich an Cuneo, westlich an Frankreich, nördlich an die Schweiz (Kanton Wallis)
und hat ein Areal
von 10,535, nach Strelbitsky 10,452 qkm (189,8 QM.). Das Land
ist zum größten Teil gebirgig und wird von den Kottischen, Grajischen und Penninischen Alpen nebst ihren Ausläufern durchzogen.
An der Grenze gegen die Schweiz erheben sich die Hochgipfel des Montblanc, Matterhorn und Monte Rosa.
Die zahlreichen Thäler münden alle in die bei Turin auf 12 km verengerte Ebene des Po, der von hier an schiffbar wird und
den Pellice mit Clusone, die Chisola, Dora Riparia, Stura und Dora Baltea aufnimmt. Die Bevölkerung belief sich 1881 auf 1,029,214
Einw. Der Boden ist namentlich in der Poebene höchst fruchtbar und liefert Weizen (1887: 761,000 hl), Mais
(692,000 hl), Flachs, Hanf, Kastanien, Wein (333,691 hl) etc. Von Bedeutung ist auch die Viehzucht (1881 zählte man 288,042 Stück
Rindvieh, 154,792 Schafe, 54,825 Ziegen); die Seidenzucht lieferte 1887: 1,3 Mill. kg Kokons. Das Mineralreich
bietet Eisen, Blei, Kupfer, Silber, Kobalt, Marmor, Salz etc. Die Industrie ist namentlich durch Seidenspinnereien u. -Zwirnereien,
Seidenwebereien, Schaf- u. Baumwollmanufakturen, Papierfabriken, Gerbereien und sonstige Lederverarbeitung, Fabriken für Kerzen,
Seife, Chemikalien, metallurgische Produkte, Ziegel, Glas- u. Thonwaren u. a. vertreten. Die Provinz zerfällt in fünf Kreise: Aosta,
Ivrea, Pinerolo, Susa und Turin.
(Augusta Taurinorum), Hauptstadt der gleichnamigen ital. Provinz, bis 1861 Hauptstadt des Königreichs Sardinien
und bis 1865 des Königreichs Italien, liegt 239 m ü. M., in einer herrlichen, ostwärts von den Höhen der montferratischen
Berge begrenzten Ebene. Die Lage ist für kriegerischen wie friedlichen Verkehr hervorragend günstig, denn es geht
hier die obere piemontesische Ebene mit den dort vereinigten Straßen durch die Verengerung von Turin in die mittlere und untere
Poebene über, so daß hier der Verkehr zwischen beiden Ebenen, den das Bergland von Montferrat sonst hindern würde, vermittelt
wird.
Der Po wird hier durch Aufnahme der Dora Riparia schiffbar, in deren Thal die beiden wichtigen Alpenstraßen
von Savoyen über den Mont Cenis (jetzt Eisenbahn) und aus der Dauphiné über den Mont Genèvre vereinigt auf Turin gehen, das damit
zu einem wichtigen Straßenknoten und Schlüssel der gangbarsten Pässe über die Westalpen wird. Selbst die Straßen über
den Großen und Kleinen Bernhard im Dora Baltea-Thal aufwärts lassen sich noch von aus beherrschen. So hat
Turin als natürlicher Mittelpunkt des ganzen obern Pogebiets in der Kriegsgeschichte, bis 1801 auch als starke Festung, eine große
Rolle gespielt (s. unten, Geschichte).
Dank seiner Lage und dem durch die Mont Cenis-Bahn mächtig gewachsenen Verkehr, hat es die Verlegung der
Hauptstadt leicht verwunden und ist in hoffnungsvollem Aufschwung begriffen. Außer dieser Bahn vereinigen sich hier die Linien
über Novara nach Mailand, über Alessandria nach Genua und Piacenza, über Brà nach Savona, nach Cuneo, Pinerolo, Rivoli, Lanzo, Rivarolo,
über Ivrea nach Aosta, Biella, Arona. Die reizende Lage und die regelmäßige Bauart machen Turin zu einer der
schönsten Städte Italiens. Es zerfällt in sieben Stadtteile (Dora, Moncenisio, Monviso, Po, Borgo San Salvatore, Borgo Po und
Borgo Dora) und hat langgedehnte, breite und gerade Straßen und weite, stattliche Plätze.
Die ehemaligen Festungswerke sind zu schönen Spaziergängen umgewandelt. Die schönsten Straßen sind
die Via di Po, die Via di Roma, die Via Garibaldi und der Corso Vittorio Emmanuele. Unter den 40 Plätzen zeichnen sich aus: die
Piazza Castello, rings von Hallen umgeben;
die Piazza Carlo Alberto;
die Piazza Carlo Felice (mit hübschen Anlagen versehen);
die große, 1825 angelegte Piazza Vittorio Emmanuele, welche sich bis zu der 1801 unter Napoleon I. erbauten
großen steinernen Pobrücke hinzieht;
die Piazza del Palazzo di Città, die Piazza dello Statuto mit dem Denkmal für den Bau
des Mont Cenis-Tunnels und die Piazza Cavour (mit Anlagen).
Die hervorragenden Monumentalbauten sind nicht die Kirchen, sondern
die Paläste, welche mit Ausnahme des Palazzo Madama auf der Piazza Castello (von 1416) meist einer spätern
Zeit angehören (17. und 18. Jahrh.). Dazu gehören das königliche Schloß auf der Nordseite der Piazza Castello (1660 erbaut),
mit den Reiterstatuen von Kastor und Pollux und dem Reiterbild des Herzogs Viktor Amadeus I. (im Vestibül),
der königlichen Bibliothek (50,000 Bände, 2000 Manuskripte), einer reichen Sammlung von Handzeichnungen (über 20,000 Stück)
und Münzen, der berühmten königlichen Rüstkammer (armeria reale), einem schönen Schloßgarten und, hieran anstoßend,
einem zoologischen Garten;
der Palazzo Carignano (von 1680), ehemals Sitz des Parlaments, jetzt der Gemeinde gehörig;
der Palast
der Akademie der Wissenschaften (früher Jesuitenkollegium, 1678 von P. Guarini erbaut);
das Universitätsgebäude
(von 1713), das Stadthaus (von 1665), der Palazzo delle due Torri, das Teatro regio (von 1738) und das Teatro Carignano (von
1787), wozu neuerdings der Zentralbahnhof (1865-68 von Mazzucchetti erbaut), die Galleria Industriale und mehrere kleinere
Theater hinzugekommen sind.
Unter den 40 Kirchen von Turin zeichnen sich aus: die Kathedrale San Giovanni, ein
Renaissancebau mit der schwarzmarmornen Grabkapelle del Sudario (1657-1694 von Guarini erbaut);
die Kirchen Beata Vergine della
Consolazione (1679 ausgeführt), San Filippo (1714 vollendet), Corpus Domini (von 1753), die Kuppelkirche San Massimo, die Rotunde
Gran Madre di Dio (1818-49 erbaut) und die protestantische Kirche (tempio Valdese, 1851 erbaut).
Turin ist außerordentlich
reich an Denkmälern, welche das savoyische Haus, die Staatsmänner und großen Geister
des Landes verherrlichen. Dazu gehören: das Reiterbild Emanuel Philiberts auf der Piazza San Carlo (von Marochetti, 1838);
das
Denkmal Amadeus' VI. auf der Piazza Palazzo di Città;
die Marmorstatuen des Prinzen Eugen von Savoyen und des Prinzen Ferdinand (1858)
vor dem Rathaus;
die der Könige Karl Albert und Viktor Emanuel in der Vorhalle des Rathauses;
ferner auf der
Piazza Carlo Alberto die Reiterstatue Karl Alberts (von Marochetti, 1861);
auf der Piazza Carignano das Denkmal Giobertis (von
Albertoni, 1860);
auf der Piazza Carlo Felice die Statue d'Azeglios (von Balzico, 1873);
auf der Piazza Carlo Emmanuele II. das
große Denkmal Cavours (von Dupré, 1873);
ferner Statuen von Lagrange, Brofferio, Cassini, Micca (des Retters
der Stadt 1706), Pepe, Bava, Balbo, Manin, des Herzogs Ferdinand von Genua u. a.
Die Zahl der Bewohner beträgt (1881) 230,183, mit dem Gemeindebezirk 252,832. Die Industrie hat in der neuern Zeit erhebliche
Fortschritte gemacht, besonders in der Fabrikation von Seidenstoffen und Tapeten; außerdem bestehen Fabriken
für Bijouteriewaren, Möbel, Pianofortes, Maschinen, Liköre, Leder, Handschuhe und andre Lederarbeiten, Tuch, Zündhölzchen, Papier,
Tabak u. a. Zur Förderung der Industrie und des Handels besitzt die Stadt eine Sparkasse, 10 Bankinstitute, 25 Aktiengesellschaften
u. a. Für den Verkehr sorgen die oben erwähnten Eisenbahnen, mehrere Pferdebahnen und Dampftramways und
die Poschiffahrt.
Unter den Bildungsanstalten der Stadt behauptet den ersten Rang die 1412 gegründete Universität (250 Lehrer, über 2100 Studierende,
nächst der Universität in Neapel die größte Frequenz in Italien) mit vier Fakultäten und einer Bibliothek von 225,000 Bänden
nebst zahlreichen Manuskripten. Sie ist auch mit allen notwendigen Museen und Instituten ziemlich gut versehen.
Andre Bildungsinstitute sind: eine Ingenieurschule, ein Seminar, ein Lyceum, ein Lycealgymnasium, 2 Gymnasien, ein Gewerbeinstitut,
die Kriegsschule, eine Artillerie- und Genieschule, eine Militärakademie, 4 technische Schulen, eine Tierarzneischule etc.;
ferner die Akademie der Wissenschaften (1759 gegründet) mit wertvoller Bibliothek (40,000 Bände) u. Altertumsmuseum, eine
medizinisch-chirurgische Akademie mit Bibliothek (20,000 Bände), eine Akademie der schönen Künste (Albertina), ein Kunstverein,
ein Industriemuseum (welches auch Gewerbeschullehrer heranbildet), eins der reichsten Staatsarchive in Europa (mit Urkunden
der Karolinger), eine Gemäldesammlung (über 500 Nummern, darunter Gemälde von P. Veronese, Raffael, van Dyck, Memling u. a.),
ein städtisches Museum, ein Museum der Renaissance (1863 als Synagoge erbaut), zahlreiche Gesellschaften
und Vereine. Turin besitzt ferner eine bedeutende Anzahl gut dotierter Wohlthätigkeitsanstalten verschiedenster Art
und ist der Sitz des Präfekten, eines Erzbischofs, eines Kassationshofs, eines Appell- und Assisenhofs, eines Zivil- und Korrektionstribunals,
einer Finanzintendanz, eines Generalkommandos, einer Handelskammer und eines Handelstribunals sowie eines
deutschen Konsuls.
Unter den öffentlichen Spaziergängen sind namentlich der Nuovo Giardino pubblico, woran sich der botanische
Garten und das malerische Castel del Valentino anschließen, und von wo eine Kettenbrücke aufs rechte Ufer des Po führt, der
Schloßgarten mit dem zoologischen Garten und der Giardino di Città anzuführen. Der schönste Punkt der
weitern Umgegend ist die 678 m hoch gelegene, seit 1884 durch eine Drahtseilbahn zugängliche
prachtvolle Klosterkirche La
Superga mit der königlichen Familiengruft und herrlicher Aussicht auf die Alpen.
Geschichte. Turin war im Altertum unter dem Namen Taurasia Hauptort der gallischen Taurini, wurde 218 v. Chr. von Hannibal erobert
und erhielt unter Augustus eine römische Kolonie und den Namen Augusta Taurinorum. Die Langobarden, in deren
Besitz die Stadt um 570 n. Chr. kam, ließen sie durch Herzöge verwalten. In der Folge bemächtigten sich die Markgrafen von
Susa der Herrschaft, und nach deren Aussterben (um 1060) folgte das Haus Savoyen. Venedig u. Genua schlossen 1381 unter
Vermittelung des Herzogs Amadeus von Savoyen in Turin Frieden. 1506 von den Franzosen erobert, blieb Turin in deren Besitz bis 1562. Damals
erhielt es Herzog Philibert zurück, machte es zu seiner Residenz und erbaute 1567 die Citadelle. 1640 nahmen die Franzosen unter
Harcourt Turin nach 17tägiger Belagerung ein. Am 29. Aug. 1696 wurde hier der Separatfriede
zwischen Savoyen und Frankreich geschlossen.
Von den Franzosen unter dem Herzog von Orléans belagert, ward Turin durch den Sieg der Kaiserlichen unter Prinz Eugen 7. Sept. 1706 befreit. 1798 von
den Franzosen eingenommen, ward es 25. Mai 1799 von den Österreichern und Russen unter Suworow wieder befreit.
Nach der Schlacht bei Marengo (1800) kam Turin aufs neue in die Gewalt der Franzosen und blieb in derselben als Hauptstadt des Podepartements,
bis es, seiner Befestigungswerke bis auf die Citadelle beraubt, 1814 durch den Pariser Frieden dem König von Sardinien zurückgegeben
ward und nun wieder Residenz und Hauptstadt wurde. Es blieb dies, bis infolge der sogen. Septemberkonvention
(15. Sept. 1864) die Residenz und der Sitz der Zentralbehörden des Reichs im Mai 1865 nach der neuen Hauptstadt Italiens, Florenz,
verlegt wurde. Nach dem Bekanntwerden der Septemberkonvention kam es 20.-22. Sept. 1864 zu einem blutigen
Aufruhr, der nur durch Waffengewalt unterdrückt werden konnte.
Vgl. Promis, Storia dell' antica Torino (Tur. 1869);
Cibrario,
Storia di Torino (das. 1847, 2 Bde., für
das Mittelalter);
Borbonese, Torino illustrata e descritta (das. 1884).