[* 1] (spr. tulóng, Toulon sur
Mer), Arrondissementshauptstadt im franz.
DepartementVar, nächst
Brest
der wichtigste Kriegshafen
Frankreichs,
Festung
[* 10] ersten
Ranges und Hauptstation der französischen Mittelmeerflotte, liegt am
Fuße steil abfallender
Berge im
Grund einer tiefen
Bai des
MittelländischenMeers, deren Eingang südlich durch die
Halbinsel
Cépet geschlossen wird. Die eigentliche alte Stadt mit ihren engen
Straßen hat, seit infolge des
Dekrets
von 1852 die Schanzmauern an der nördlichen Seite demoliert wurden, durch Erweiterung und Verschönerung sehr gewonnen.
Die neue Umfassungsmauer zieht sich nun weiter hinaus und schließt ein neues Stadtviertel mit
breiten
Straßen und schönen
Bauten ein. Die wichtigsten
Straßen sind: derBoulevard, die Bahnhofsavenue, der
CoursLafayette mit Platanenallee,
die
Straße des Chaudronniers u. a. Hervorragende Gebäude sind: die romanische
KathedraleSte.-Marie Majeure (1096 gegründet),
die
Kirchen St.-Louis,
St.-François de
Paule und St.-Pierre, das protestantische
Bethaus
(MaisonPuget), das Stadthaus am
Hafen,
das neue
Theater
[* 11] und das Justizpalais. Toulon zählt (1886) 53,941
(Gemeinde 70,122) Einw. Abgesehen von den
umfangreichen Werkstätten des Marinearsenals (s. unten), gibt es nur wenige industrielle Etablissements;
auch der
Handel ist hauptsächlich auf die Approvisionierung der
Marine beschränkt, weshalb auch der
Verkehr von
Handelsschiffen
ein sehr geringer ist (1887 sind 273 beladene
Schiffe
[* 12] mit 78,672
Ton. eingelaufen). Toulon steht durch die
EisenbahnMarseille-Nizza mit dem französisch-italienischen Verkehrsnetz, dann durch regelmäßige Dampfschiffahrtslinien
mit den Häfen des
Mittelmeers
[* 13] in
Verbindung.
Der
Hafen ist einer der sichersten, welche es gibt, und wird durch zahlreiche
Forts,
Batterien und feste
Türme, welche die umliegenden
Höhen und
Vorgebirge krönen, geschützt; mehrere
Leuchttürme sichern die Einfahrt. Er umfaßt die
Darse
vieille und die
Darse neuve, welche den Kriegshafen bilden, und östlich davon den kleinen Handelshafen, vor welchem ein durch
zwei
Molen zu schützender äußerer
Hafen mit
Docks angelegt werden soll. Zum Kriegshafen gehört das Marinearsenal, welches, 1680 nach
VaubansPlänen erbaut, aus einer
Reihe von Etablissements besteht, welche 270
Hektar einnehmen und 13,000
Arbeiter beschäftigen.
Den Eingang bildet ein monumentales
Thor (von 1738) mit
Statuen von
Mars
[* 14] und
Bellona. Den
Hof
[* 15] des
Arsenals umgeben das große
Magazin
(für die Materialien zum
Bau und zur
Ausrüstung der
Schiffe), die Seilerei, die Eisenguß- und
Hammerwerke, der Uhrpavillon
mit den Gebäuden für die
Direktion, das Marinemuseum mit
Modellen aller
Arten von Fahrzeugen, der Waffensaal,
die Waffenschmiede, Feilerei und Modellkammer. Zwischen dem alten und neuen Hafenbassin des Kriegshafens liegt eine
Insel,
welche durch eine drehbare
Brücke
[* 16] über den Verbindungs-
[* 1]
^[Abb.:
Karte der Umgebung von Toulon. Maasstab 1:150,000]
¶
mehr
kanal mit dem Festland zusammenhängt und drei Docks, das Bagno und das Marinehospital enthält. Das Bagno wurde 1682 unter ColbertsVerwaltung hergestellt und dient jetzt als Depot für die nach Cayenne und Neukaledonien
[* 18] zu deportierenden Verbrecher. An den
Kriegshafen schließt sich westlich, durch den Quai de la Garniture (mit Magazinen) von demselben getrennt,
das Hilfsarsenal von Castigneau mit einem Bassin an, welches mit dem Kriegshafen durch einen Kanal
[* 19] in Verbindung steht.
Dieses Arsenal umfaßt eine Bäckerei, Fleischerei, eine Eisengießerei,
[* 20] Hammerwerke, große Viktualienmagazine und Kohlendepots.
Noch weiter westlich ist das neue Bassin von Missiessy (mit Magazinen) hinzugekommen. In der südöstlichen Vorstadt
Mourillon endlich liegt ein drittes Arsenal, welches große Magazine für Schiffbauholz und Metalle sowie verschiedene Werkstätten
und Schiffbauplätze enthält. Zu den Marine-Etablissements gehört auch das unter Ludwig XIV. erbaute Marinehospital mit naturhistorischem
Kabinett; einen Annex desselben bildet das Hospital von St.-Mandrier auf der Halbinsel Cépet.
Bei letzterm befindet sich ein botanischer Garten
[* 21] und in der Nähe südöstlich eine Pyramide zum Andenken
an den AdmiralLatouche-Tréville und westlich das Quarantänelazarett. Toulon hat ein Lyceum, eine hydrographische Schule, Normalschule,
Sekundärschule für Mädchen, eine Marineartillerieschule, eine Munizipalbibliothek (16,000 Bände), ein Museum, ein Observatorium,
eine Börse, eine Filiale der Bank von Frankreich und ist der Sitz eines Marinepräfekten, eines Marinetribunals,
der Direktion der Marineartillerie, eines Handelsgerichts und mehrerer Konsulate fremder Staaten. In der Vorstadt Mourillon befinden
sich Seebäder. SchönePunkte in der Umgebung sind das Fort Lamalgue mit prächtiger Aussicht, der nördlich aufsteigende BergFaron (521 m), die westlich gelegene Halbinsel Sicié mit der Stadt La Seyne (s. d.), dem hoch gelegenen
alten Ort Six Fours mit uralter Kirche und dem Vorgebirge Sicié mit Wallfahrtskirche, endlich im S. die Halbinsel Cépet (s.
oben). - Toulon bestand schon im Altertum als griechische Kolonie Telonion (Telo Martius), war damals schon ein bedeutender Ort und
namentlich durch seine Färbereien berühmt. Im 10. und 12. Jahrh. litt die Stadt sehr durch Einfälle
der Sarazenen.
Sie teilte dann die Schicksale der Provence. 1524 nahm sie derConnétable von Bourbon und 1536 Karl V. ein. Ludwig XIV. ließ durch
Vauban die Stadt stark befestigen. Während des spanischen Erbfolgekriegs wurde sie 1707 von den
Verbündeten unter dem HerzogViktor Amadeus von Savoyen und dem PrinzenEugen zu Land sowie von der englisch-holländischen Flotte
zur See bombardiert und großenteils in Asche gelegt, aber nicht erobert. 1744 erfochten die Engländer zwischen Toulon und den
Hyèrischen Inseln einen Seesieg über die spanisch-französische Flotte.
Während der ersten französischen Revolution erhob sich die Bevölkerung
[* 22] von im Juli 1793 gegen den Konvent
und übergab, nachdem der Konvent die Stadt geächtet und ein republikanisches Heer sie eingeschlossen hatte, im Einverständnis
mit der Besatzung die Stadt 29. Aug. an die vereinigte englisch-spanische Flotte unter dem AdmiralHood. Darauf ward
sie tapfer verteidigt, aber hauptsächlich infolge der Eroberung des FortsMulgrave durch Bonaparte gelang es den Republikanern,
die Engländer und Spanier zum Abzug zu zwingen. Hierauf rückten die Konventstruppen in die Stadt, und die Konventskommissare
Barras, Fréron und der jüngere Robespierre verhängten über sie ein furchtbares Strafgericht. 3000
Menschen
wurden hingewürgt; die Einwohnerzahl sank von 28,000 auf 7000 herab.
Vgl. Teissier, Histoire des divers agrandissements et
des fortifications de la ville de Toulon (Par. 1874);