zum
Tod Erwählten bloß mit seinem starren
Blick ansah oder sie anblies, um sie sofort auf das Sterbebett zu werfen. Das
Mittelalter
war besonders reich an bildlichen
Darstellungen vom
»Triumph des
Todes«, zu denen
Allegorie und
Sage den
Stoff lieferten (s.
Totentanz).
Eine reiche
Fülle von Totensagen findet man gesammelt bei
Henne-Am Rhyn, Die deutsche Volkssage (2. Aufl.,
Wien
[* 2] 1879).
(Leichenschau), die polizeiliche oder gerichtliche
Besichtigung einer
Leiche. Die erstere, die
Ausstellung
der
Leichen verunglückter
Personen oder von Selbstmördern behufs Rekognoszierung, wurde zuerst in
Paris
[* 3] organisiert, wo man
die
Leichen in der
Morgue öffentlich zur
Schau stellte. InBerlin
[* 4] wurden von 1953
Leichen Erwachsener, welche 1856 bis 1866 in
Polizeigewahrsam gelangten, 10 Proz., von 4314
Leichen, welche 1876-85 ausgestellt wurden, 8,2 Proz. unerkannt
begraben.
In dem in
Berlin 1886 neuerrichteten öffentlichen Leichenschauhaus
[* 5] liegen die
Leichen in gekühlten
Räumen bei 0-2°, welche
durch Glasscheiben von den für das
Publikum bestimmten
Räumen getrennt sind. Das
Haus enthält außerdem
Zimmer für bekannte
Leichen, für
Obduktionen, polizeiliche und gerichtliche Untersuchungen, für den wissenschaftlichen
Unterricht
in der gerichtlichen
Medizin und
Chemie,
Räume zur
Aufbewahrung und zum Verbrennen der
Kleider der
Leichen, Sargmagazin etc. Die
Totenschau zur Feststellung des
Todes wird an solchen
Orten vorgenommen, an welchen die
Polizei die
Ausstellung eines
Totenscheins vom
Arzt fordert; der letztere (Totenbeschauer, Schauarzt) hat sich von dem erfolgten Ableben zu überzeugen
und sein
Urteil über die Todesart abzugeben.
Die Totenschau zur Feststellung der Todesart wird von dem in der
Regel beamteten
Arzt auf polizeiliche oder gerichtliche
Anordnung vorgenommen,
um zu bestimmen,
ob an der
Leiche schon bei bloßer
Besichtigung die Todesart erkannt werden kann (Strangmarke Erhängter etc.),
oder ob dieselbe durch
Sektion ermittelt werden muß. Im letztern
Fall wird die gerichtliche
Obduktion (s. d.) von der Gerichtsbehörde,
nach der deutschen Strafprozeßordnung von der Staatsanwaltschaft, verfügt und von zweiÄrzten ausgeführt,
die über den Befund ein Obduktionsprotokoll
(Fundschein,
Fundbericht,
Visum repertum,
Parere medicum) aufnehmen. Zur Erlangung
einer zuverlässigen
Statistik über die Todesarten, zur Gewinnung der Möglichkeit eines klaren Einblicks in die tödliche
Krankheit, zur Aufdeckung von
Verbrechen, zur
Zerstreuung aller Besorgnisse vor dem Lebendbegrabenwerden ist die allgemeine
Einführung der Totenschau eventuell mit nachfolgender
Sektion dringend wünschenswert,
Vorurteil und falsch verstandene
Pietät haben aber diesen Fortschritt bisher verhindert.
seit dem 14. Jahrh. in
Aufnahme gekommene bildliche
Darstellungen, welche in einer
Reihe von allegorischen
Gruppen unter dem vorherrschenden
Bilde des
Tanzes die
Gewalt des
Todes über das Menschenleben veranschaulichen
sollen. Ursprünglich ward dieser
Stoff zu dramatischer
Dichtung und Schaustellung benutzt und in kurzen, meist vierzeiligen
Wechselreden zwischen dem
Tod und anfangs 24 nach absteigender Rangfolge geordneten
Personen verarbeitet.
Noch erhalten ist der textlose, aber die
Dichtung illustrierende Totentanz in der Abteikirche von La
Chaise-Dieu
in der
Auvergne, dessen erster Ursprung in das 14. Jahrh. hinausreichen mag.
Reime und
Bilder des Totentanzes verpflanzten sich
von
Frankreich aus auch nach
England; die mannigfaltigste und eigentümlichste Behandlung aber ward ihm in
Deutschland
[* 10] zu teil,
wo er mit wechselnden Bildern und
Versen in die Wand- und Büchermalerei überging. Eine
Darstellung in
einer
Kapelle der Marienkirche zu
Lübeck,
[* 11] deren niederdeutsche
Reime teilweise erhalten sind, zeigt den Totentanz noch in seiner einfachsten
Gestalt: 24 menschliche Gestalten,
Geistliche und
Laien in absteigender
Ordnung, von
Papst,
Kaiser,
Kaiserin,
Kardinal, König bis
hinab zu
Klausner,
Bauer,
Jüngling,
Jungfrau,
Kind, und zwischen je zweien derselben eine springende oder
tanzende Todesgestalt als verschrumpfte
Leiche mit umhüllendem Grabtuch; das Ganze durch gegenseitig dargereichte und gefaßte
Hände zu einem einzigen
Reigen verbunden und eine einzelne Todesgestalt pfeifend voranspringend (vgl. »Ausführliche
Beschreibung und Abbildung des Totentanzes in der Marienkirche zu
Lübeck«,
Lüb. 1831). Aus dem 14. Jahrh.
(vielleicht von 1312) rührt der jetzt verwischte im
Kreuzgang des
Klingenthals, eines ehemaligen Frauenklosters der Kleinstadt
Basel
[* 12] (Bilder und
Reime bei
Maßmann:
»Baseler Totentänze«, Stuttg. 1847) her.
Hier ist die Zahl der
Personen um einige neue, aus den niedernStänden genommene vermehrt, auch das Ganze
in einzelne
Paare aufgelöst. Ein andrer wiederholt gedruckter Totentanz mit 37 tanzenden
Paaren (»der doten dantz mit figuren«) zeigt
sowohl in den
Figuren als in den
StrophenNachahmung der erwähnten französischen
Danse Macabre. Seit der Mitte des 15. Jahrh.
werden die
Bilder des Totentanzes immer mehr vervielfältigt, während die
Verse wechseln oder ganz weggelassen
werden, und zuletzt gestalten sich beide,
Bilder und
Verse, völlig neu.
und eigentümlich. Dieses Bildwerk ward bei dem großen Brand von 1701 stark beschädigt, aber wiederhergestellt und auf den
Kirchhof von Neustadt-Dresdenübertragen (abgebildet bei Naumann: »Der Tod in allen seinen Beziehungen«, Dresd. 1844). Von der
BaselerDarstellung abhängig ist das aus dem 15. Jahrh. herrührende Gemälde in der Predigerkirche
zu Straßburg,
[* 15] welches verschiedene Gruppen zeigt, aus deren jeder der Tod seine Opfer zum Tanz holt (abgebildet
bei Edel: »Die NeueKirche in Straßburg«, Straßb. 1825). Aus den Jahren 1470-90 stammt der Totentanz in der Turmhalle der Marienkirche
zu Berlin (hrsg. von W. Lübke, Berl. 1861, und von Th. Prüfer, das. 1876). Einen wirklichen Totentanz malte von 1514 bis 1522 NikolausManuel an die Kirchhofsmauer des Predigerklosters zu Bern,
[* 16] dessen 46 Bilder, die jetzt nur noch in Nachbildungen vorhanden sind, bei
aller Selbständigkeit ebensowohl an den Baseler Totentanz wie an den erwähnten »doten dantz mit figuren«
erinnern.
Eine durchaus neue und künstlerische Gestalt erhielt aber der Totentanz durch H. Holbein
[* 17] d. j. Indem dieser nicht
sowohl veranschaulichen wollte, wie der Tod kein Alter und keinen Stand verschont, sondern vielmehr, wie er mitten hereintritt
in den Beruf und die Lust des Erdenlebens, mußte er von Reigen und tanzenden Paaren absehen und dafür
in sich abgeschlossene Bilder mit dem nötigen Beiwerk, wahre »Imagines mortis«, wie seine für den Holzschnitt bestimmten Zeichnungen
genannt wurden, liefern.
Dieselben erschienen seit 1530 und als Buch seit 1538 in großer Menge und unter verschiedenen Titeln und Kopien (neue Ausg.
von F. Lippmann, Berl. 1879). Holbeins »Initialbuchstaben mit dem Totentanz« wurden
in Nachschnitten von Lödel neu herausgegeben von Ellissen (Götting. 1849). Daraus, daß Hulderich Frölich in seinem 1588 erschienenen
Buch »Zween Todtentäntz, deren der eine zu Bern,
der andre zu Basel
etc.«
dem Totentanz am Predigerkirchhof größtenteils Bilder aus HolbeinsHolzschnitten unterschob und Mechel sie in sein Ende des
vorigen Jahrhunderts erschienenes Werk »Der Totentanz« aufnahm, entstand
der doppelte Irrtum, daß man auch den ältern wirklichen im Predigerkloster für ein Werk Holbeins hielt und des letztern
»Imagines« ebenfalls Totentanz benannte. Im Lauf des 16., 17. und 18. Jahrh. entstanden noch andre Totentänze in Chur
[* 18] (erzbischöflicher
Palast mit Benutzung der Holbeinschen Kompositionen),