sechs Personen. Die Behandlung muß mit energischem Ausblutenlassen der Wunde durch tiefe Einschnitte und aufgesetzte Schröpfköpfe,
Ätzungen der Wunde mit Alkalien und rauchender Salpetersäure beginnen. Kleinere, vielfach zerfleischte Glieder sind zu amputieren.
Außerdem ist eine umsichtige, beruhigende psychische Behandlung unendlich wichtiger als alle Arzneien. In der Diät ändere
man wenig und lasse nur die bei jeder Wunde schädlichen Dinge vermeiden.
Gegen die Krankheit selbst sind allerlei Mittel empfohlen worden, die sich aber als nutzlos erwiesen haben. Man beschränkt
sich daher auf Morphiumeinspritzungen und Chloroformeinatmungen, sucht bei Wutanfällen zu verhindern, daß der Kranke sich
oder andern schaden kann, und wendet dabei möglichst geringen Zwang an. Alles, was den Kranken erregen
könnte, namentlich auch das Aufdringen von Flüssigkeiten, ist zu vermeiden. Als Ersatz des Getränks sind nasse Brotkrume,
Apfelsinenscheiben, Eisstückchen, Klystiere zu empfehlen, doch nur dann, wenn sie keine Krämpfe erregen. In neuerer Zeit
hat Pasteur auf theoretische Annahmen hin ein Impfverfahren ersonnen, welches die Empfänglichkeit für
das unbekannte Wutgift selbst bei schon gebissenen Personen beseitigen soll und bei Tieren, auch in mehreren Fällen bei Menschen
erprobt wurde. Er arbeitet mit dem getrockneten Rückenmark tollwutkranker Kaninchen und benutzt dies zu präventiven Impfungen.
Dabei erreichte er, daß ein geschütztes Tier ohne Schaden mit solchem frischen Rückenmark geimpft werden
konnte, welches bei ungeschützten Tieren in sieben Tagen Tollwut erzeugte. Thatsache ist, daß alle Personen, welche Pasteur geimpft
hat, die Impfung ohne Schaden ertrugen, und daß keine derselben, obwohl sie von verdächtigen Hunden gebissen worden waren,
an Tollwut erkrankte. Ein Urteil über den wahren Wert dieser Impfungen läßt sich aber bis jetzt nicht fällen,
denn erstens ist die Methode nicht frei von erheblichen Einwänden, ferner ist bei mehreren der geimpften Personen sehr zweifelhaft,
ob der Hund, welcher sie biß, wirklich an Tollwut litt, endlich lehrt die Erfahrung, daß viele Menschen, welche von unzweifelhaft
wutkranken Tieren gebissen wurden, niemals an Tollwut erkranken.
Vgl. Johnen, Die Wutkrankheit (Düren 1874);
Zürn, Die Wutkrankheit der Hunde (Leipz. 1876);
Rueff, Die Hundswut (Stuttg. 1876);
Fleischer, Die Tollwutkrankheit (Elbing 1887);
Reder, Die Hundswut (in der »Deutschen Chirurgie«, Stuttg. 1879);
Billings, Fourteen days with Pasteur (New York 1886).
Distriktshauptstadt in der ital. Provinz Udine, im Gebirge nahe dem Tagliamento, mit Ringmauern,
stattlicher Kirche, altem Schloß und (1881) 1658 Einw.;
einer der regenreichsten Orte Europas (jährlich 2437 mm).
ungar. Komitat, am rechten Donauufer, wird südlich vom Komitat Baranya, westlich von Sümeg, nördlich von Veszprim
und Weißenburg und östlich von der Donau begrenzt, ist 3643 qkm (66,17 QM.) groß, eben und
sehr fruchtbar, im W. bergig und hügelig, in den östlichen Teilen dagegen morastig. Das Komitat, welches der Sárviz (mit
dem Sárviz- oder Palatinalkanal) und seine Nebenflüsse Kapos und Sió durchströmen, erzeugt viel Getreide, Wein, Obst, Tabak
etc. Ausgedehnte Wiesen und Hutweiden begünstigen die Viehzucht; in der Donau wird beträchtlicher Hausenfang
betrieben. Die Einwohner (1881: 234,643) sind meist Ungarn und katholisch. Sitz des Komitats ist Szegszárd. Der Markt an der
Donau, hat ein Kastell, eine Dampfschiffstation und (1881) 7723
Einw.
Vgl. »Beschreibung der Herrschaft Tolna« (Wien 1885).
1) Bezirksstadt in der span. Provinz Guipuzcoa, an der Bahnlinie Madrid-Irun, mit Papier-,
Waffen- und Wollzeugfabriken, Zink- und Bleigruben und (1878) 7488 Einw. -
(Sula Briss.), Gattung aus der Ordnung der Schwimmvögel und der Familie der Tölpel (Sulidae), schlank gebaute Vögel
mit langem, geradem, an den Seiten komprimiertem, sehr starkem und in eine wenig herabgekrümmte Spitze
ausgehendem Schnabel, sehr langen Flügeln, langem, keilförmigem Schwanz, niedrigen, stämmigen Füßen, nacktem Gesicht und
nackter Kehle. Der Tölpel (weißer Seerabe, Bassansgans, Sula bassana Gray), 98 cm lang, 190 cm breit, mit Ausnahme der braunschwarzen
Schwingen erster Ordnung weiß, auf Oberkopf und Hinterhals gelblich überflogen, mit gelben Augen, bläulichem
Schnabel, grünen Füßen und schwarzer, nackter Kehlhaut, bewohnt alle nördlichen Meere vom Wendekreis bis zum 70.° nördl.
Br., kommt vereinzelt in die Nähe Norddeutschlands, Hollands und Frankreichs, ist aber am häufigsten auf Island, den Färöern,
Orkaden und Hebriden, an der amerikanischen Küste und im nördlichen Teil des Stillen Ozeans, fliegt vortrefflich,
schwimmt wenig, ruht nachts auf Felsen an der Küste, ist auf dem Land sehr unbeholfen und fast hilflos. Andern Vögeln gegenüber
ist er zänkisch und bissig. Er erbeutet seine Nahrung, indem er auf das Wasser herabstürzt und dabei taucht. Die
Tölpel sammeln sich zur Brutzeit auf Inseln in unzähligen Scharen, nisten dicht nebeneinander und legen nur je ein weißes Ei.
Die Jungen werden gegessen, nach Edinburg auf den Markt gebracht, auch eingesalzen.
1) Peter Andrejewitsch, Graf, hervorragender Diplomat in der Zeit Peters d. Gr., geb. 1645, hielt sich, um das
Seewesen zu studieren, 1698 in Italien auf, wirkte als Gesandter längere Zeit in der Türkei, setzte 1717 die Auslieferung
des auf österreichisches Gebiet geflüchteten Zarewitsch Alexei durch und nahm während der Regierung Katharinas I. die erste
Stelle neben Menschikow ein, dessen Opfer er wurde; 1727 geheimer Umtriebe angeklagt, wurde er in den äußersten
Norden des europäischen Rußland verbannt, wo er 1729 starb.
2) Peter Alexandrowitsch, Graf, russ. Feldherr und Diplomat, geb. 1761, focht unter Suworow gegen die Türken und Polen, befehligte 1805 das
russische Landungskorps in Norddeutschland, führte 1813 ein Korps in Bennigsens Armee, nahm an der Belagerung von Dresden
teil und erzwang dann Hamburgs Übergabe. Zum General der Infanterie ernannt, erhielt er nach Nikolaus' Thronbesteigung die Leitung
der Militärkolonien und 1831 den Oberbefehl über das Reserveheer, mit welchem er die Polen schlug. Er starb 1844 in Moskau
als Präsident des Departements für die Militärangelegenheiten im Reichsrat.
3) Alexei Konstantinowitsch, Graf, der bedeutendste russ. Dramatiker der Neuzeit, zugleich ausgezeichneter
Lyriker und Epiker, geb. zu St. Petersburg, verbrachte seine Jugend meist in Kleinrußland, wo ihn die schöne Natur
sowie die eigentümlichen Sitten und die reiche historische Vergangenheit des Volkes mächtig anregten. Schon als Kind lernte
er, von seinem Oheim A. Perowskij bei seinen Reisen ins Ausland stets mitgenommen, Welt und Menschen kennen
und hatte sich unter anderm auch des Wohlgefallens Goethes zu erfreuen, der dem
mehr
phantasievollen Knaben eine große Zukunft prophezeite. Nach Beendigung der häuslichen Erziehung studierte er in Moskau und
übernahm nach Vollendung seiner Studien einen kleinen Posten bei einer russischen Gesandtschaft in Deutschland. Die diplomatische
Karriere sagte ihm jedoch nicht zu; schon nach kurzer Zeit jenen Posten aufgebend, begab er sich auf Reisen
nach Deutschland, Frankreich und Italien und begann nach seiner Rückkehr seine litterarische Thätigkeit.
Seine ersten Versuche bestanden in lyrischen Gedichten, die durch das in ihnen ausgesprochene tiefe Gefühl, durch die originellen
Wendungen, die Frische und Schönheit der Naturschilderungen und die innige Liebe zum Volk große Beachtung fanden. Dem allgemeinen
patriotischen Aufschwung folgend, trat Tolstoi während des Krimkriegs 1853-56 in das aktive Heer, zog sich
aber sofort nach Beendigung des Feldzugs wieder ins Privatleben zurück, um auf seinen Gütern in der Nähe von St. Petersburg
und im Gouvernement Tschernigow ganz der Dichtung zu leben. Er starb in der Blüte seiner Kraft »Tolstoi war
ein großer, originaler Dichter, eine tief humane Natur«, heißt es von ihm in einem von Turgenjew geschriebenen Nekrolog.
Neben vielen lyrischen Gedichten (in Auswahl mit denen Nekrassows deutsch von Jessen, Petersb. 1881),
von denen manche in glücklichster
Weise den Ton des Volksliedes treffen, müssen in erster Reihe genannt werden die epischen Erzählungen: »Die
Sünderin« (1858) u. »Der Drache« (1875);
der vortreffliche historische Roman »Fürst Serebrennyi« (deutsch, Berl. 1882),
das
Drama »Don Juan«, eine interessante, durchaus originale Variation des bekannten Stoffes, und die dramatische Trilogie: »Der Tod
Iwans des Schrecklichen«, »Zar Fjodor Joannowitsch« u. »Zar Boris« (1876).
Eine vollständige Sammlung seiner
lyrischen und epischen Dichtungen erschien 1878.
4) Leo Nikolajewitsch, Graf, russ. Romanschriftsteller, geb. 28. Aug. (a. St.) 1828 im Gouvernement Tula auf der Besitzung seines
Vaters, Jasnaja Poljana, erhielt daselbst eine gute häusliche Erziehung und bezog 1843 die Universität Kasan, um dort orientalische
Sprachen zu studieren. Es zog ihn jedoch wieder zurück in die Einsamkeit und Stille des Dorfs, so daß er
die Universität, die Studien aufgebend, bald verließ; dort bildete er sich als Autodidakt weiter aus.
Bei einer Reise in den Kaukasus fand er am militärischen Leben Gefallen und trat plötzlich 1851 in das Heer
ein. Man nahm ihn als Offizier in die 4. Batterie der 20. Artilleriebrigade am Terek auf, wo er bis zum Beginn des türkischen
Kriegs (1853) blieb. Während desselben befand er sich bei der Donauarmee des Fürsten Gortschakow, beteiligte sich am Gefecht
an der Tschernaja und erhielt 1855 das Kommando über eine Gebirgsbatterie. Nach Beendigung des Kriegs nahm
er seinen Abschied, hielt sich mehrere Jahre abwechselnd in St. Petersburg und Moskau auf und zog sich endlich 1861 wieder auf
sein väterliches Gut Jasnaja Poljana zurück, wo er seitdem in größter Zurückgezogenheit lebte.
Durch seine beiden großartigen Romane: »Krieg und Frieden« (1865-68, 4 Bde.) und
»Anna Karenin« (1875-78, 3 Bde.), von denen der erstere
die Zeit der Napoleonischen Kriege behandelt, der andre in der russischen Gegenwart spielt, hat sich Tolstoi einen Ehrenplatz
in der modernen russischen Litteratur erworben. Er ist ein vortrefflicher Erzähler, der die echte epische Ruhe besitzt und
die Sprache meisterhaft handhabt. Außer den genannten Romanen sind als bedeutsame Werke noch zu verzeichnen
(seit Anfang der 50er
Jahre): »Kindheit und Jugend«, »Die Kosaken«, »Kriegsgeschichten«, »Sebastopoler Erzählungen« (während
des Kriegs geschrieben),
»Polikuschka«, »Familienglück«;
die Skizze »Der Tod des Iwan Iljitsch« (deutsch in »Tolstois neue Erzählungen«, Leipz. 1887);
das dramatische Sittengemälde
»Die Macht der Finsternis« (deutsch von Scholz, Berl. 1887) u. a. In den letzten Jahren ist Tolstoi mehr und
mehr einem religiösen Mystizismus anheimgefallen, wie z. B. sein Aufsehen erregendes Buch »Worin besteht mein Glaube« (deutsch
von Sophie Behr, Leipz. 1885) zeigt.
Gesamtausgaben seiner meist auch ins Deutsche übersetzten Werke erschienen 1880 und 1887. Sonst
ist Tolstoi noch auf dem Gebiet der Volkspädagogik, auch litterarisch, thätig gewesen.
5) Dimitri Andrejewitsch, Graf, russ. Staatsmann, geb. 1823, ward beim Marineministerium
angestellt, 1865 Oberprokurator des heiligen Synod und 1866 Minister der Volksaufklärung. Er zeigte sich als ein fanatischer
Vorkämpfer des orthodoxen Russentums. Die mitunter gewaltsame Bekehrung der Griechisch-Unierten zur russischen
Staatskirche, die Unterordnung der Katholiken Rußlands unter das römisch-katholische Kollegium in Petersburg, die Russifizierung
der polnischen Schulen waren sein Werk. Im Unterrichtswesen begünstigte er den Klassizismus, machte sich aber durch seine
Feindschaft gegen die Volksschule und seine kleinliche Bevormundung der Universitäten verhaßt und erhielt daher 1880 unter
Loris-Melikow seine Entlassung. Auf Betrieb Katkows ernannte ihn Kaiser Alexander 1882 zum Präsidenten der Akademie der Wissenschaften
und 1883 zum Minister des Innern. Er leitete dies Amt ganz im Geiste des Zaren streng reaktionär und starb in Petersburg.
Er schrieb eine Geschichte der Finanzen Rußlands bis Katharina II. (1847) und »Le catholicisme romain
en Russie« (1863-64); von dem letztern Werk erschien 1877 eine russische Bearbeitung.