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Talleyrand-Périgord, geb. 12. März 1811, seit dem Tod seiner Mutter, der Herzogin von Kurland (gest. 19. Sept. 1862), Herzog von Sagan; sein
Bruder ist Alexandre Edmond, Marquis von Talleyrand-Périgord, geb. 15. Dez. 1813, durch Zession seines Vaters Herzog von Dino und seit dem
Tod seiner Mutter Besitzer der Herrschaft Deutsch-Wartenberg in Schlesien, die er 1879 an den ehemaligen preußischen
Minister Friedenthal verkaufte. Der Gründer der dritten Linie war Louis Marie Anne, 1788 französischer Gesandter zu Neapel; dessen
vierter Bruder, Alexandre Angélique, geb. 16. Okt. 1736, widmete sich dem geistlichen Stand, ward 1777 Erzbischof von Reims und
mußte 1791 auswandern, begleitete als Beichtvater den nachmaligen König Ludwig XVIII. nach Mitau und später
nach England. Nach der Restauration wurde er zum Pair, 1817 zum Erzbischof von Paris und Kardinal erhoben. In dieser Stellung übte
er großen Einfluß auf die Gestaltung der kirchlichen Verhältnisse, starb jedoch schon 20. Nov. 1821. Chef der dritten
Linie ist jetzt Charles Angélique, Graf von Talleyrand-Périgord, geb. 8. Nov. 1821, er war 1862 bis 1864 französischer Gesandter zu
Berlin, 1864-69 in Petersburg.
(spr. tall'rang-perigör), Charles Maurice, Prinz von Talleyrand-Périgord, Fürst von Benevent, berühmter Diplomat,
geb. 13. Febr. 1754 zu Paris, wurde, obschon erstgeborner Sohn, wegen einer Fußlähmung zum geistlichen Stand
bestimmt. 1780 ward er zum Generalagenten des Klerus in Frankreich und 1788 zum Bischof von Autun ernannt. Als Mitglied der Nationalversammlung
von 1789 stimmte er 19. Juni 1789 für die Vereinigung des geistlichen Standes mit dem dritten, ward 16. Febr. 1790 Präsident, trug
auf feste Besoldung der Geistlichkeit, Abschaffung der Zehnten, Verkauf der geistlichen Güter und Einführung
gleichen Maßes und Gewichts in ganz Frankreich an und entwarf einen freisinnigen Unterrichtsplan.
Beim Bundesfest 14. Juli 1790 hielt er auf dem Marsfeld das Hochamt am Altar des Vaterlandes, leistete als einer der ersten den
Eid auf die Konstitution und weihte die ersten konstitutionellen Priester. Infolge davon vom Papst Pius VI. 1791 mit
dem Bann belegt, legte er sein Bistum nieder. 1792 des Royalismus verdächtigt, entfloh er nach Nordamerika, wo er Handelsgeschäfte
trieb. Nach dem Sturz der Schreckensherrschaft kehrte er 1795 zurück. Nach dem Staatsstreich vom 18. Fructidor (1797) übernahm
er auf kurze Zeit das Ministerium des Auswärtigen. Er schloß sich jetzt Bonaparte an, half diesem nach seiner Rückkehr von
Italien beim Staatsstreich vom 18. Brumaire (1799), übernahm das Portefeuille des Auswärtigen und war seitdem Napoleons kluger
diplomatischer Ratgeber.
Die Friedensunterhandlungen von Lüneville, Amiens, Preßburg, Posen und Tilsit leitete er vornehmlich; auch
das Konkordat, durch welches 1802 der Katholizismus in Frankreich wiederhergestellt ward, war größtenteils sein Werk. Zum
Dank dafür entband ihn Papst Pius VII. von den geistlichen Weihen und erteilte seiner Zivilehe mit Madame Grant die kirchliche
Legitimation. Nach Errichtung des Kaiserthrons ernannte ihn Napoleon zum Großkämmerer von Frankreich und 1806 zum
souveränen Fürsten von Benevent.
Zwar erhob ihn Napoleon noch im August 1807 zum Vizegroßwahlherrn (vice-grand-électeur) und nahm ihn 1808 mit nach Bayonne
und Erfurt; doch war Talleyrand-Périgord gegen die unaufhörlichen Eroberungskriege, fiel deshalb in Ungnade, verlor seinen Ministerposten und
zog sich 1808 auf sein Landgut Valençay zurück. Nach der Katastrophe in Rußland
trat er in geheime Unterhandlungen
mit den Bourbonen und betrieb nach dem Einrücken der Verbündeten in Frankreich ihre Restauration.
Als Ludwig XVIII. die Regierung angetreten, wurde Talleyrand-Périgord zum Fürsten, Pair, Oberkammerherrn und Minister des Auswärtigen ernannt.
Die glänzendsten Triumphe diplomatischer Kunst feierte er auf dem Kongreß zu Wien, wo er sich durch das
von ihm erfundene Prinzip der Legitimität zum Mittelpunkt aller Verhandlungen machte. Mit außerordentlicher Gewandtheit verwirrte
er die Interessen der Mächte und ermüdete den Kongreß, um ihn desto sicherer zu beherrschen und für Frankreich die möglichst
größten Vorteile zu erlangen.
Schon hatte er 5. Jan. 1815 Österreich und England für ein geheimes Bündnis mit Frankreich gegen Rußland
und Preußen gewonnen, als Napoleons Rückkehr diesen Umtrieben ein Ende machte. Ein Versuch Napoleons, Talleyrand-Périgord wieder für sich zu
gewinnen, mißlang, und als jener darauf den Fürsten in die Acht erklärte, rächte sich dieser dadurch, daß
er die Ächtung Napoleons bei den Verbündeten aufs eifrigste betrieb. Nach der zweiten Restauration übernahm Talleyrand-Périgord aufs neue
das Portefeuille der auswärtigen Angelegenheiten zugleich mit der Präsidentschaft im Ministerium, legte aber sein Amt noch
vor dem zweiten Pariser Frieden nieder, da die reaktionäre Hofpartei ihn als Revolutionär verabscheute und bekämpfte.
Der König beider Sizilien schenkte ihm 1816 das Fürstentum Dino; doch übertrug Talleyrand-Périgord den Titel eines Herzogs von Dino schon 1827 auf
seinen Neffen, den Herzog Edmond, der ihn seinem zweiten Sohn, Alexandre Edmond, vererbte. Nach Karls X. Thronbesteigung (1824)
zog sich Talleyrand-Périgord nach Valençay zurück. In der letzten Zeit der Restauration gehörte er in der Pairskammer
zur Opposition und war auch an der Julirevolution nicht unbeteiligt. Er riet, um seine Meinung befragt, Ludwig Philipp zur Annahme
der Krone.
Auch ging er als Botschafter nach London, wo er eine Verständigung über die griechische und belgische Frage zu stande brachte.
Die Unterzeichnung der Quadrupelallianz 1834, durch welche zunächst im europäischen Westen das konstitutionelle
Prinzip aufrecht erhalten werden sollte, war sein letztes diplomatisches Werk. Er lebte fortan zurückgezogen in Valençay,
wo er 17. Mai 1838 starb. Sein Geist und sein schlagfertiger, feiner Witz in der Unterhaltung, seine kurze, treffende Ausdrucksweise
sind berühmt.
Eine Menge glücklicher Wendungen werden von ihm überliefert und sind geflügelte Worte geworden. Die bekannteste (freilich
nicht zuerst von Talleyrand-Périgord herrührende) ist, daß dem Menschen die Sprache gegeben sei, um seine Gedanken zu verbergen. Sehr bequem,
verstand er vortrefflich die Kunst, andre für sich arbeiten zu lassen. Egoist im höchsten Grad, war er,
von der Sucht nach Gold abgesehen, fast ohne alle Leidenschaften, verstand es aber vortrefflich, andrer Leidenschaften für sich
auszubeuten. Sein auf 18 Mill. Frank sich belaufendes Vermögen vermachte er größtenteils seiner Nichte, der Herzogin von Dino.
Von seinen hinterlassenen Memoiren ist bisher nur ein Auszug (»Extraits des mémoires du prince Talleyrand-Périgord«, Par.
1838, 2 Bde.) veröffentlicht. Seine Korrespondenz mit Ludwig XVIII. während des Wiener Kongresses gab Pallain (Par. 1881, 2 Bde.;
deutsch von Bailleu, Leipz. 1887),
»Lettres inédites de à Napoléon 1800-1809« (Par. 1889) Bertrand und die »Correspondance
diplomatique de Talleyrand-Périgord La mission de à Londres en 1792« Pallain (das. 1889) heraus.
Vgl. Pichot, Souvenirs
intimes sur Talleyrand-Périgord (Par. 1870).