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werden die Blätter entweder gleich zerschnitten, gestampft, gemahlen, gesiebt, oder vorher in Karotten geformt. Letztere sind 30 cm und darüber lange, nach beiden Enden verjüngte Rollen [* 2] von gebeizten Blättern in einer festen Umwickelung von Bindfaden; man läßt sie längere Zeit lagern und erzielt dadurch eine eigentümliche Nachgärung, welche wesentlich zur Verbesserung des Schnupftabaks beiträgt. Um die kostspielige Arbeit des Karottierens zu ersparen, preßt man die Blätter auch nur in Kisten zusammen und läßt sie darin gären. Zum Zerreiben der Karotte dient die Rapiermaschine, welche ein gröbliches Pulver, Rapé, liefert. Man benutzt aber auch Stampfen, und die mehlförmigen Sorten werden nach dem Trocknen auf Tabaksmühlen erzeugt. Kautabak wird in der Regel aus schwerstem Virginiatabak dargestellt, den man nach dem Fermentieren und nach dem Behandeln mit verschiedenen Saucen in fingerdicke Rollen spinnt und preßt.
Die Wirkung der unveränderten Tabaksblätter beruht auf dem Gehalt an Nikotin; große Dosen töten unter klonischen Zuckungen, bei enormen Dosen tritt der Tod sehr schnell ohne Konvulsionen unter allgemeiner hochgradigster Muskelschwäche und Bewegungslosigkeit ein. In den zubereiteten Tabaksblättern ist der Nikotingehalt oft auf ein Minimum vermindert, und beim Rauchen kommt das Nikotin nicht oder kaum in Betracht. Die ersten Versuche des Tabaksrauchens haben in der Regel Ekel, Übelkeit, Angst, Beklommenheit, kalten Schweiß, Muskelzittern, Schwindel, Neigung zur Ohnmacht, nicht selten Erbrechen und Diarrhöe zur Folge.
Wer sich an das Tabaksrauchen gewöhnt hat, empfindet dabei eine angenehme Erregung, ein Gefühl allgemeiner Behaglichkeit, unter dessen Einfluß die Funktionen des Verdauungsapparats befördert werden. Gleichwohl widerstehen Tabaksraucher dem Hunger besser als Nichtraucher. Auch scheint mäßiges Rauchen ohne jeden schädlichen Einfluß zu sein. Anhaltendes starkes Rauchen stört dagegen die Verdauung, mindert den Appetit, versetzt die Schleimhaut des Rachens, auch wohl die des Kehlkopfs, in den Zustand eines chronischen Katarrhs und erzeugt in geschlossenen Räumen leichte chronische Augenentzündung.
Bisweilen treten aber auch schwere Symptome auf, welche indes fast stets bei gänzlicher Enthaltsamkeit wieder verschwinden. Das Schnupfen bringt weniger Allgemeinerscheinungen hervor, nur beeinträchtigt es meist den Geruchs- und Geschmackssinn und erzeugt auch chronischen Rachenkatarrh. Dagegen werden, namentlich aus Nordamerika, [* 3] heftige Krankheitssymptome als Folge des Tabakskauens geschildert, vor allen hochgradige Verdauungsstörungen und vielfach psychische Alterationen, tiefe geistige Verstimmung und Willensschwäche. In Tabaksfabriken haben sich keine Störungen bei den Arbeitern gezeigt, welche als Folge des Tabaks aufzufassen wären.
Produktion und Verbrauch.
Die außereuropäischen Tabaksexporte betrugen in den Jahren 1883-85 pro Jahr:
Kilogr. | Kilogr. | ||
---|---|---|---|
Vereinigte Staaten | 109193700 | Kolumbien | 2250000 |
Türkei | 32000000 | Puerto Rico | 1757900 |
Brasilien | 23485000 | China | 1557900 |
Niederl.-Ostindien | 19878900 | Japan | 1531100 |
Philippinen | 7452800 | Paraguay | 1413500 |
Britisch-Ostindien | 7259300 | Peru | 400000 |
Cuba | 5909900 | Mexiko | 350000 |
San Domingo | 4832600 | Venezuela | 286000 |
Algerien | 4092700 | - | |
Persien | 2600000 | Zusammen: | 226251300 |
Berechnet man die Differenz zwischen Produktion und Export für die Vereinigten Staaten [* 4] mit nur 100 Mill. kg, für Japan [* 5] mit 40, für Britisch-Ostindien mit 160, für Algerien [* 6] mit 4 Mill. kg, so ergibt dies, ohne Persien [* 7] zu berücksichtigen, eine Jahreserzeugung von 530 Mill. kg, welche aber der Wirklichkeit bei weitem nicht entspricht, da sie den Lokalverbrauch aller in dieser Berechnung nicht genannten Länder unberücksichtigt läßt. Die europäische Tabaksproduktion (Rohtabak) betrug:
Kilogr. | ||
---|---|---|
Österreich-Ungarn | 1885 | 80752900 |
Rußland | 1885 | 51024000 |
Deutsches Reich | 1884-85 | 47193000 |
Frankreich | 1884 | 16262800 |
Griechenland | 1883 | 7680000 |
Italien | 1884 | 6017900 |
Belgien | 1884 | 4713800 |
Rumänien | Mittelernte | 3000000 |
Niederlande | 1884 | 2976500 |
Bulgarien | Schätzung | 2320000 |
Schweiz | 1885 | 2000000 |
Serbien | Schätzung | 1500000 |
Bosnien-Herzegowina | Mittelernte | 600000 |
Finnland | Mittelernte | 200000 |
Zusammen: | 226240900 |
Hiernach ergibt sich eine Gesamtproduktion von mindestens 756 Mill. kg ohne Berechnung des eignen Konsums des größten Teils der orientalischen, westindischen, süd- und mittelamerikanischen und afrikanischen Völkerschaften. Der Tabaksverbrauch pro Kopf und Jahr in Kilogrammen beträgt: Vereinigte Staaten 2,3, Niederlande [* 8] 2,9, Belgien [* 9] 2,0, Schweiz [* 10] 2,2, Österreich-Ungarn [* 11] 2,1, Deutschland [* 12] 1,5, Schweden [* 13] 0,8, Großbritannien [* 14] 0,6, Norwegen 1,15, Rußland 0,6 (?), Frankreich 0,95, Italien [* 15] 0,6, Dänemark [* 16] 1,6. In Deutschland wird am meisten Tabak [* 17] in der oberrheinischen Ebene und den unmittelbar daran grenzenden Hügelgegenden gebaut.
Auf dieses Gebiet, welchem die Tabaksländereien der bayrischen Pfalz, Badens, Hessens und Elsaß-Lothringens angehören, entfallen 70 Proz. des ganzen deutschen Tabakslandes. Als einzelne Teile desselben lassen sich wiederum die badische und bayrische Pfalz mit dem südlichen Teil der hessischen Provinz Starkenburg als die hauptsächlichste Tabaksgegend Deutschlands [* 18] (40,8 Proz.), ferner der Tabaksbezirk des badischen Oberlandes, (13,3 Proz.) und endlich westlich von diesem jenseit des Rheins das elsässische Tabaksland (14,4 Proz. des gesamten deutschen Tabakslandes) unterscheiden.
Von den übrigen 30 Proz. kommen auf das rechtsrheinische Bayern, [* 19] das noch in der Gegend von Nürnberg [* 20] und Hof [* 21] einen Tabaksbezirk von einigem Umfang hat, 3,1 Proz., auf das Königreich Württemberg [* 22] 0,9 Proz. und auf das ganze nördlich von Mainz [* 23] gelegene Deutschland wenig mehr als ein Viertel des deutschen Tabakslandes. Hier hat der Tabaksbau nur in der Ukermark und deren nördlicher und östlicher Fortsetzung gegen das Haff und die Oder sowie an der obern Oder in der Gegend von Breslau [* 24] und in der Weichselniederung einige Bedeutung; in allen übrigen Gegenden tritt diese Kultur nur sporadisch auf. Das ukermärkische Tabaksland, das bedeutendste in Norddeutschland, umfaßt 12,3 Proz. des gesamten deutschen Tabakslandes. 1871 brachten 22,673 Hektar 717,907 Ztr. in trocknen Blättern, 1887 wurden auf 21,465 Hektar 817,386 Ztr. geerntet (1904 kg auf 1 Hektar), davon entfallen auf Baden [* 25] 305,548, Preußen [* 26] 221,424, Bayern 133,590, Elsaß-Lothringen [* 27] 100,912, Hessen [* 28] 28,436, Württemberg 12,128 Ztr. 1888 waren nur 18,130 Hektar mit Tabak bepflanzt. Die ¶
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Einfuhr betrug 1887 von Tabak 41,915, von Tabaksfabrikaten 1249, die Ausfuhr 920, resp. 1398 Ton.
Geschichtliches.
Über das Alter des Tabaksrauchens in China, wo man Nicotiana chinensis Fisch. benutzt, ist nichts Sicheres bekannt. Nach Europa [* 30] gelangte die erste Nachricht vom Tabak durch Kolumbus, welcher 1492 die Eingebornen von Guanahani cylinderförmige Rollen von Tabaksblättern, mit einem Maisblatt umwickelt, rauchen sah. Fra Romano Pane, den Kolumbus auf Haïti [* 31] zurückgelassen hatte, machte 1496 Mitteilungen über die Tabakspflanze an Petrus Martyr, und durch diesen gelangte dieselbe 1511 nach Europa.
Die Eingebornen auf Haïti rauchten den Tabak als zusammengerollte Blätter oder zerschnitten aus langen Röhren. [* 32] Diese, nach andern die Maisblattrollen, sollen Tabacos geheißen haben, nach andern soll der Name Tabak von der Insel Tobago oder von der Provinz Tabasco in Mittelamerika herrühren. Eine genaue Beschreibung der Pflanze gab 1525 Gonzalo Hernandez de Oviedo y Valdes, Statthalter von San Domingo. Später pries der spanische Arzt und Botaniker Nicolas Menardes in seinem 1571 zu Sevilla [* 33] erschienenen Buch über Westindien [* 34] den Tabak als Heilpflanze, und nun ward derselbe als Arznei- und Wunderkraut kultiviert. So auch von Jean Nicot, französischem Gesandten in Portugal, [* 35] der 1560 Tabakssamen nach Paris [* 36] schickte; ihm zu Ehren benannte Linné die Gattung.
Kurze Zeit nachher erhielt auch Konrad Geßner indirekt von Occo in Augsburg [* 37] das Kraut und erkannte es durch Vergleichung mit einer Abbildung, welche ihm Aretius in Bern [* 38] nach von letzterm selbst aus Samen [* 39] gezogenen Pflanzen entworfen hatte. Geßner machte in Deutschland zuerst auf den Tabak und seine medizinischen Eigenschaften aufmerksam. Das Tabaksschnupfen wurde in Frankreich unter Franz II. üblich, zu Sevilla in Spanien entstand gleichzeitig eine Schnupftabaksfabrik, welche den Spaniol lieferte. 1636 führten spanische Geistliche das Schnupfen in Rom [* 40] ein, gegen welches Urban VIII. eine Bulle erließ, die erst 1724 wieder aufgehoben wurde. 1657 gab Venedig [* 41] Fabrikation und Verschleiß des Schnupftabaks in Pacht.
Das Tabaksrauchen wurde durch spanische Matrosen und englische Kolonisten nach Europa importiert und zwar durch erstere schon um die Mitte des 16. Jahrh. nach Spanien aus Westindien, durch letztere 1586 nach England aus Virginia. In Nordamerika scheint das Rauchen ebenfalls seit uralter Zeit gebräuchlich gewesen zu sein; bei den Indianern galt es als ein der Sonne [* 42] und dem großen Geist gebrachtes Opfer; als Raleigh Virginia entdeckte, war der Tabaksbau bei den dortigen Eingebornen ganz allgemein verbreitet.
Gegen Ende des 16. Jahrh. war das Rauchen in Spanien, Portugal, England, Holland, 1605 auch in Konstantinopel, [* 43] Ägypten [* 44] und Indien bekannt, und weltliche und geistliche Mächte eiferten vergebens gegen die weitere Verbreitung desselben. 1622 brachten englische und holländische Truppen das Tabaksrauchen nach dem Rhein und Main, von wo es durch den Dreißigjährigen Krieg bald in andre Teile Deutschlands gelangte. Jakob I. von England belegte zuerst den Tabakshandel mit hohen Steuern. 1616 wurde der erste Tabak in Holland gebaut, wenig später in England, 1659 in Wasungen, 1676 in Brandenburg [* 45] und 1697 in der Pfalz und in Hessen. Schnupfen und Kauen des Tabaks sind europäische Erfindungen. Da man sich anfangs scheute, öffentlich zu rauchen, so entstanden in Frankreich, zunächst in Paris, besondere Lokale, die Tabagies, für die Freunde des Tabaks, und in Deutschland wurde dieser Name bis zur Mitte des 19. Jahrh. ganz allgemein für öffentliche Lokale gebraucht. Bis 1848 war das Rauchen auf den Straßen in den meisten Ländern Europas verboten. Vgl. Tabakssteuer.
Vgl. Tiedemann, Geschichte des Tabaks (Frankf. 1854);
Babo, Der Tabaksbau (3. Aufl., Berl. 1882);
Nessler, Der Tabak, seine Bestandteile etc. (Mannh. 1867);
Schmidt, Fabrikation von Schnupf- und Kautabak (Berl. 1870);
Fries, Anleitung zum Anbau, zur Trocknung und Fermentation des Tabaks (3. Aufl., Stuttg. 1870);
Wagner, Handbuch der Tabaks- und Zigarrenfabrikation (5. Aufl., Weim. 1888);
Becker, Die Fabrikation des Tabaks (2. Aufl., Norden [* 46] 1883);
Lock, Tobacco; growing, curing and manufacturing (Lond. 1886);
Fairholt, Tobacco, it's history and associations (das. 1875);
Fermond, Monographie du tabac (Par. 1857);
Knoblauch, Deutschlands Tabaksbau und -Ernte (Berl. 1878);
»Statistik des Deutschen Reichs«, Bd. 42: »Tabakbau, Tabakfabrikation etc. im Deutschen Reich« (das. 1880);
Meyer, Aus der Havanna (5. Aufl., Norden 1884);
Jolly, Études hygiéniques et médicales sur le tabac (Par. 1865);
Derselbe, Le [* 47] tabac et l'absinthe (das. 1875);
Dornblüth, Die chronische Tabaksvergiftung (Leipz. 1878);
Hare, The physiological and pathological effects of the use of tobacco (Lond. 1886);
Stinde, Das Rauchen (2. Aufl., Berl. 1887);
Keibel, Wie sollen wir rauchen? (das. 1887);
»Deutsche [* 48] Tabakszeitung« (Berl., seit 1868);
Bragge, Bibliotheca nicotiana (Lond. 1880).