Graul (»Die Unterscheidungslehren
der verschiedenen christlichen Bekenntnisse«, 11. Aufl., Leipz.
1884) und namentlich der katholische Theolog
Möhler (s. d.), dessen Werk eine große
Reihe protestantischer Entgegnungen,
besonders vonNitzsch und
Baur, hervorgerufen und das
Interesse an der katholisch-protestantischen Streitsache neu belebt hat,
während die hierher gehörigen Untersuchungen von Matth.
Schneckenburger (s. d.) neue
Bahnen für das Verständnis der innerprotestantischen
Lehrgegensätze eröffnet haben.
Bücher,Schriften,
durch welche eine
Kirche den
Glauben, an dessen
Bekenntnis ihre Mitglieder sich teils untereinander
erkennen, teils von andern religiösen
Genossenschaften unterscheiden, urkundlich bezeugt.
Schon die alte
katholische Kirche
legte ihren Taufbekenntnissen den aus der Mysteriensprache entlehnten
NamenSymbol bei, da ja auch die
Taufe als
ein
Mysterium galt. Die theologischen Streitigkeiten des 4. und der folgenden
Jahrhunderte mußten die Zahl der
Symbole noch
erhöhen, und dreien von ihnen, dem sogen.
Apostolischen (s. d.), dem Nicäisch-Konstantinopolitanischen (s. d.)
und dem sogen. Athanasianischen (s. d.), verschafften
als sogen. allgemeinen oder ökumenischen
Symbolen die weltliche Macht der
Kaiser und das Ansehen der
Konzile
absolute Geltung in der
Kirche.
Die
Reformatoren des 16. Jahrh. haben diese allgemeinsten Grundlagen der christlich-katholischen
Weltanschauung nicht angetastet; zugleich machte sich jedoch das
Bedürfnis geltend, ein gemeinsames
Bekenntnis des evangelischen
Glaubens abzulegen und die Unterscheidungslehren, welche zur Trennung von der römischen
Kirche geführt hatten, klar und bestimmt
hinzustellen.
In den auf
LuthersTod folgenden theologischen Streitigkeiten wurde das Unterschreiben derselben insbesondere
für die
Geistlichen obligatorisch, namentlich seit 1580 beim Erscheinen des
Konkordienbuchs von den sich dazu bekennenden
Fürsten und
Ständen bestimmt ausgesprochen worden war, daß bei der darin enthaltenen
Lehre
[* 14] allenthalben beharrt werden sollte.
Gleichwohl tauchte schon im 17. Jahrh. der
Gedanke auf, daß die Verpflichtung auf s. B. eine unevangelische
Beschränkung der
Glaubens- und
Gewissensfreiheit sei; das folgende
Jahrhundert regte die
Frage an, ob man die
Geistlichen auf
sie verpflichten solle, nicht »weil« (quia),
sondern »inwiefern« (quatenus) sie mit der
Heiligen Schrift übereinstimmten,
und mit der letztern
Formel behalf sich namentlich der
Rationalismus. In unserm
Jahrhundert gewann der
Grundsatz,
daß sich die
Geistlichen streng an die
Lehrformen der symbolischen
Bücher zu halten hätten (Symbolzwang), besonders in Norddeutschland
neue Geltung. Selbst wo, wie in
Preußen,
[* 15] die
Union herrscht, will man doch bald in der
Augsburgischen Konfession, bald
in dem sogen. Apostolikum eine unantastbare
Autorität erkennen, ohne welche eine die
Gemüter der
Gemeinden verwirrende Lehrwillkür
einreißen müsse.
Die Gegner des Symbolzwanges machen geltend, daß derselbe den
Protestantismus im
Prinzip bedrohe und durch Aufhebung der
Lehrfreiheit
(s. d.) den Fortschritt in der
Wissenschaft beeinträchtige; sie wollen daher den protestantischenGeistlichen
nur eine pietätvolle, von pädagogischem
Takt geleitete Berücksichtigung der symbolischen
Bücher und ihres Lehrgehalts zur
Pflicht gemacht wissen.
Fast bei allen kirchlichen Streitigkeiten der neuern Zeit stand die
Frage des Symbolzwangs im
Vordergrund.