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zweiarmige Ill in drei Teile geteilt, hat elf Thore u. durch die engen, unregelmäßigen Straßen ein altertümliches Aussehen. Ein neuer Stadtteil, im NO. liegend und aus dem durch Hinausschieben der Festungswerke gewonnenen Terrain errichtet, ist bereits stark bebaut. Von öffentlichen Plätzen verdienen Erwähnung: der Kléberplatz mit dem ehernen Standbild Klébers, der Gutenbergplatz mit der Statue Gutenbergs (von David d'Angers), der Broglieplatz, der Schloßplatz etc. Außer den genannten Denkmälern sind noch zu nennen: das Denkmal des Generals Desaix hinter dem Theater [* 2] und das Denkmal des Präfekten Lezay-Marnesia auf einer Rheininsel.
Unter den zu gottesdienstlichen Zwecken bestimmten Gebäuden (7 evangelische, eine reformierte und 6 kath. Kirchen und eine Synagoge) ist das katholische Münster [* 3] ein Meisterstück altdeutscher Baukunst, [* 4] 110 m lang, 41 m breit, im Mittelschiff 30 m hoch. Den Grundstein zu dem gegenwärtigen Bau legte 1015 Bischof Werner; 1277 begann unter Bischof Konrad von Lichtenstein Erwin von Steinbach den Bau der Fassade und der Türme, den nach seinem Tod (1318) sein Sohn Johannes (bis 1339) fortsetzte und Hans Hültz aus Köln [* 5] 1439 zum Abschluß brachte.
Aber nur der nördliche Turm [* 6] (142 m hoch) erreichte seine Vollendung, der südliche wurde bloß bis zur Plattform gebracht. Das Münster vereinigt fast alle Baustile des Mittelalters: spätromanisch sind Krypte, Chor u. Querschiff, selbst ein Teil des untern Schiffs;
weiterhin findet ein Übergang zum gotischen Spitzbogen statt, der in der Fassade bis zur Vollendung gedieh.
Von vorzüglicher Schönheit ist das Hauptportal mit zahlreichen Statuen u. einer großen Fensterrose [* 7] (50 m im Umfang). Noch sind die herrlichen Glasmalereien aus dem 14. und 15. Jahrh., die Kanzel, ein Meisterwerk von Johann Hammerer (1486), die vortreffliche Orgel von Silbermann und die berühmte astronomische Uhr [* 8] von Schwilgué (1839-42 neuhergestellt) hervorzuheben (vgl. Strobel, Das Münster in S., 13. Aufl., Straßb. 1874; Kraus, Straßburger Münsterbüchlein, das. 1877). Von den evangelischen Kirchen verdienen die Neue Kirche (an Stelle der alten, 1870 eingeäscherten neuerbaut) und die Thomaskirche (13. u. 14. Jahrh.) mit dem Denkmal des Marschalls Moritz von Sachsen [* 9] (von Pigalle) Erwähnung.
Hervorragende Gebäude sind ferner: der neue Kaiserpalast, das Schloß (ehemals bischöfliche Residenz, später Universität, jetzt Universitäts- und Landesbibliothek), das Stadthaus und das Theater am Broglieplatz (beide nach der Einäscherung von 1870 neuerbaut), der Statthalterpalast, das neue Universitätsgebäude, das Bezirkspräsidium, das Landgerichtsgebäude, das Offizierkasino, das Aubettegebäude am Kléberplatz, das Gebäude der Lebensversicherungsgesellschaft Germania, [* 10] das Bürgerhospital, die Manteuffelkaserne, der Zentralbahnhof, die Westmarkthalle etc. Die Bevölkerung [* 11] beläuft sich (1885) mit der 10,523 Mann starken Garnison (Infanterieregimenter Nr. 105, 126, 132 und 138, je 2 Infanteriebataillone Nr. 99 und 137, ein Ulanenregiment Nr. 15, ein Feldartillerieregiment Nr. 15, ein Fußartillerieregiment Nr. 10 und ein Pionierbataillon Nr. 15) auf 111,987 Seelen, darunter 52,306 Evangelische, 55,406 Katholiken, 363 andre Christen u. 3767 Juden.
Der Staatsangehörigkeit nach waren 68,993 Elsaß-Lothringer, 40,103 andre Reichsangehörige u. 2891 Ausländer. Die Industrie ist bedeutend und in fortdauernder Steigerung begriffen. S. hat Fabriken für Maschinen, Meterwaren, Tabak, [* 12] musikalische Instrumente (Pianinos, Orgeln), Wachstuch, Tapeten, Schokolade, Teigwaren, Senf, Öfen, [* 13] Papier, Leder, Möbel, [* 14] Bürsten, Hüte, Chemikalien, Seife, Wagen, künstliche Blumen und Federn, Strohhüte, Handschuhe, Bijouteriewaren etc. Bekannt sind die Gänseleberpasteten und die Bierbrauereien von S. Ferner gibt es Wollspinnereien, Gerbereien, Färbereien, Buchdruckereien, große Mühlwerke etc., auch hat S. eine große Artilleriewerkstätte.
Der lebhafte Handel, unterstützt durch eine Handelskammer und eine Reichsbankhauptstelle wie durch andre Geldinstitute, durch das verzweigte Eisenbahnnetz (S. ist Knotenpunkt der Eisenbahnen S.-Weißenburg, S.-Deutsch-Avricourt, S.-Kehl, S.-Schiltigheim, S.-Königshofen, S.-Basel, S.-Rothau und S.-Lauterburg), durch vortreffliche Landstraßen, durch die schiffbare Ill, den Ill-, Rhein-Rhône- und Rhein-Marnekanal und durch eine Pferdebahn, welche die innern Stadtteile mit den Vororten verbindet, ist besonders bedeutend in Steinkohlen, Kolonial- und Lederwaren, Papier, Tabak, Eisen, [* 15] Getreide, [* 16] Wein, Holz, [* 17] Gänseleberpasteten, Sauerkraut, Schinken, Hopfen, [* 18] Gartengewächsen der verschiedensten Art etc. An Bildungs- und andern ähnlichen Anstalten hat S. die 1872 neugegründete Kaiser Wilhelms-Universität (Sommersemester 1888: 828 Studierende), die neue Universitäts- und Landesbibliothek mit ca. 600,000 Bänden (größtenteils durch freiwillige Gaben entstanden und zum Ersatz für die in der Nacht vom 24. zum verbrannte Stadtbibliothek bestimmt), ferner ein protestantisches Gymnasium (1538 gegründet), ein Lyceum (katholisches Gymnasium, verbunden mit Realgymnasialabteilung), 2 Realschulen, eine höhere katholische Schule, ein Priesterseminar, ein evangelisches Schullehrer- und ein evangelisches Lehrerinnenseminar, 2 Taubstummenanstalten, ein Konservatorium, ein Kunstmuseum, ein Kunstgewerbemuseum, ein Naturalienkabinett, ein Stadttheater, eine Bezirksfindel- und Waisenanstalt, zahlreiche Sammlungen etc. In S. erscheinen fünf Zeitungen.
Die städtischen Behörden zählen 36 Gemeinderatsmitglieder. Sonst ist S. Sitz des kaiserlichen Statthalters, des Ministeriums und der höchsten Landesbehörden für Elsaß-Lothringen, [* 19] des Bezirkspräsidenten für Unterelsaß, einer Polizeidirektion für den Stadt- und einer Kreisdirektion für den Landkreis S., eines katholischen Bischofs, des Oberkonsistoriums für die Kirche Augsburgischer Konfession und des jüdischen Konsistoriums, eines Land- und eines Handelsgerichts, eines Bergreviers etc. An Militärbehörden befinden sich dort: das Generalkommando des 15. Armeekorps, die Kommandos der 31. und 33. Division, der 61. und 66. Infanterie-, der 31. Kavallerie- und der 15. Feldartilleriebrigade, die 3. Ingenieur-, eine Artilleriedepot- und die 10. Festungsinspektion, ein Gouverneur, ein Stadtkommandant etc.
Die Festungswerke, deren Anlage 1682-84 von Vauban mit der auf der Ostseite der Stadt liegenden fünfeckigen Citadelle begonnen wurde, haben seit 1870 eine bedeutende Erweiterung und Verstärkung [* 20] erfahren. Ein Teil der Befestigung ist im NO. hinausgerückt, und 13 Forts, 4-8 km vom Mittelpunkt der Stadt entfernt, krönen die umliegenden Höhen, 3 davon auf der badischen Seite des Rheins bei Kehl. Die Stärke [* 21] der Werke wird dadurch noch bedeutend erhöht, daß durch die Ill und den Rhein-Rhônekanal ein großer Teil der Umgegend von S. unter Wasser
[* 1]
^[Abb.:
Wappen
[* 22] von Straßburg.]
[* 23]
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gesetzt werden kann. Die Umgebung der Stadt (s. die Karte) ist zwar flach, gleicht aber ihrer Fruchtbarkeit halber einem großen Garten. [* 25] Die außerhalb der Umwallung liegenden Orte: Rupprechtsau, Neudorf, Neuhof, Königshofen und Grünenberg sind der Stadt einverleibt. - Zum Landgerichtsbezirk S. gehören die 14 Amtsgerichte zu Benfeld, Bischweiler, [* 26] Brumath, Hagenau, [* 27] Hochfelden, Illkirch, Lauterburg, Niederbronn, Schiltigheim, S., Sulz unterm Wald, Truchtersheim, Weißenburg [* 28] und Wörth. [* 29]
[Geschichte.]
Unter der Regierung des Kaisers Augustus entstand auf der Stelle des heutigen S. eine städtische Ansiedelung, Argentoratum, welche der achten Legion als Standquartier diente. Durch den großen Sieg bei S. 357 über die Alemannen rettete Kaiser Julian die Rheingrenze, doch schon um 406 fiel das Elsaß jenem germanischen Volksstamm zu. Damals ging die Stadt in Flammen auf, ward aber bald neu erbaut und in der Karolingerzeit durch die Neustadt [* 30] im W. vergrößert.
Hier schwuren 14. Febr. 842 Ludwig der Deutsche [* 31] und Karl der Kahle den Eid gegenseitiger Treue, der in altromanischer und altdeutscher Sprache [* 32] erhalten ist. Seit der Begründung des Bistums (s. unten) hob sich die Bedeutung der Stadt; doch blieb sie noch lange Eigentum des Bischofs, der den Schultheißen ernannte. Wie andre bischöfliche Städte, wußte sich auch S. allmählich größere Selbständigkeit zu verschaffen: an die Stelle der bischöflichen Ministerialen trat ein aus der Bürgerschaft hervorgehender Rat, und die Richter der Stadt, die Consules, sprachen vom Bischof unabhängig Recht.
Aber die Reichsfreiheit hat erst Philipp von Schwaben S. verliehen und Bischof Heinrich III. von Stahleck (1245-60) anerkannt. Sein Nachfolger Walther von Geroldseck ward 1262, als er die Stadt wieder unterwerfen wollte, bei Oberhausbergen geschlagen. Für die hohe Blüte [* 33] Straßburgs in dieser Zeit zeugen nicht nur Namen wie Gottfried von S., Meister Eckard, Johannes Tauler, sondern vor allem das Münster (über dessen Entstehung s. oben). Der Familienhaß zweier Adelsgeschlechter führte 1332 zur Aufnahme der Zünfte in den Rat, zu den bisherigen vier Stadtmeistern trat zugleich als Vertreter der Handwerker ein auf Lebenszeit gewählter Ammeister.
Die Stadt schloß sich 1381 dem Städtebund zu Speier [* 34] an und leistete ein Jahrhundert später den Schweizern gegen Karl den Kühnen bei Granson und Nancy [* 35] erfolgreiche Unterstützung. In S. hat der Mainzer Gutenberg die erste Druckerpresse aufgestellt, hier haben einige Jahrzehnte später die Dichter Sebastian Brant und Thomas Murner sowie der Humanist Wimpfeling gewirkt. Die Bedeutung der Stadt war damals weit größer, als man nach ihrer geringen Bevölkerung (um 1475 nur 20,700 Seelen) erwarten sollte.
Die Reformation fand früh Eingang, besonders infolge des rastlosen Eifers Martin Butzers, der 1523 in S. eine Zuflucht fand. Doch erst nach Abschaffung der Messe 1529 kann die Stadt als protestantisch gelten. In der gefährlichen Zeit der religiösen Streitigkeiten und Fehden hatte sie einen vorzüglichen Führer in dem gelehrten und welterfahrenen Jakob Sturm (s. d.), welcher ihr z. B. nach dem Schmalkaldischen Krieg einen billigen Frieden vom Kaiser erwirkte.
Durch ihn wurde S. auch eine Stätte der Wissenschaft, besonders als der Philolog Johannes Sturm sich hier niederließ. Ihm gegenüber vertrat das deutsch-volkstümliche Element in der Litteratur der Straßburger Johann Fischart. Für ihren Rücktritt von der Union belohnte Kaiser Ferdinand II. die Stadt 1621 mit der Errichtung der Universität. Während des Dreißigjährigen Kriegs ersparte die auf reichsstädtischer Tradition beruhende und durch innere Parteiungen geförderte Neutralitätspolitik S. viel Elend. Im Westfälischen Frieden blieb es dem Reich erhalten.
Ludwig XIV. ließ 1680 durch die Reunionskammer in Breisach den Spruch fällen, daß S. für die der Krone Frankreich gehörenden, aber noch in städtischem Besitz befindlichen Vogteien von Wasselen, Barr und Illkirchen dem König den Huldigungseid zu leisten habe. Die Stadt wagte keine ablehnende Antwort zu erteilen, nur seitens des Reichs wurden Verhandlungen eröffnet; aber Ludwig XIV. sandte 1681 mitten im Frieden Louvois mit 30,000 Mann gegen das wehrlose S. Nicht der Verrat einzelner Ratsmitglieder, wie das Volk meinte, nicht die Ränke des bestochenen Bischofs Egon von Fürstenberg, sondern die Erkenntnis der Aussichtslosigkeit jeglichen Widerstandes führte 30. Sept. die Übergabe der Stadt herbei.
Der Friede von Ryswyk 1697 bestätigte diese Annexion, und auch der von Utrecht [* 36] änderte nichts daran, nachdem Deutschland [* 37] einmal versäumt hatte, die Zeit der Ohnmacht Frankreichs (1710) zur Wiedererwerbung Straßburgs zu benutzen. Hier begünstigte die neue Regierung mit Erfolg die Ausbreitung des katholischen Bekenntnisses, vermochte aber nicht, der Stadt ihr deutsches Wesen zu rauben. Für dessen Erhaltung sorgte besonders die Universität, an welcher der Theolog Spener, die Sprachforscher Scherz und Oberlin und der Historiker Schöpflin lehrten.
Die französische Revolution zertrümmerte die Vorrechte der alten deutschen Reichsstadt; an die Spitze trat ein Maire, ihm standen zur Seite 17 Munizipalräte und 36 Notabeln, welche alle aus unmittelbaren Volkswahlen hervorgingen. Nach dem Fall des Königtums blieb der Stadt die Schreckensherrschaft nicht erspart; auch hier wurde 1793 ein Revolutionstribunal eingerichtet, dem der deutsche Emigrant Eulogius Schneider vorstand. Erst unter dem ersten Kaiserreich schwanden die partikularistischen Neigungen, welche noch das 18. Jahrh. kennzeichnen. S., das Napoleon I. die Wiederherstellung seiner in den Revolutionsstürmen verfallenen Universität zu danken hatte, ward wirklich eine französische Stadt. Der Versuch Ludwig Napoleons sich hier von der Garnison zum Kaiser ausrufen zu lassen, mißlang.
Am begann die Einschließung der Stadt durch General v. Werder, den Befehlshaber der badischen Division. Die hartnäckige Verteidigung durch den Kommandanten, General Uhrich, und die Beschießung des unbefestigten Kehl veranlaßten v. Werder zu einem Bombardement (24.-27. Aug.), welches die kostbare Bibliothek zerstörte und den Turm des Münsters beschädigte. Doch da die Beschießung kein Resultat hatte, schritt der deutsche Befehlshaber zur regelrechten Belagerung. Am 12. Sept. war die dritte Parallele [* 38] fertig; schon war Bresche in den Hauptwall geschossen und alles zu einem Sturm vorbereitet, als 27. Sept. die Festung [* 39] kapitulierte.
Die Besatzung (noch 17,000 Mann) wurde kriegsgefangen, 1200 Kanonen und zahlreiches Kriegsmaterial wurden eine Beute der Sieger (s. Plan der Belagerung von S. bei Artikel »Festungskrieg«). Die deutschfeindliche Haltung der Stadtbehörde in S. veranlaßte die kaiserliche Regierung, den Bürgermeister Lauth seines Amtes zu entsetzen und den Gemeinderat, dessen überwiegende Mehrheit sich gegen diese Maßregel aussprach, zunächst auf zwei Monate, dann auf ein Jahr zu suspendieren. Mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Magistrats wurde der Polizeidirektor Back betraut, unter welchem das ¶