auszuüben hat, ist in der
Gerichtsverfassung (s.
Gericht), und wie, d. h. in welcher Form, sie auszuüben ist, im Strafprozeßrecht
bestimmt (s.
Strafprozeß). Die dabei zur Anwendung kommenden Strafnormen bilden den Gegenstand des
Strafrechts (s. d.).
umfassendes
Gesetz über die von der
Staatsgewalt zu ahndenden verbrecherischen
Handlungen und über die
Strafen, welche dieselben nach sich ziehen. Von den einzelnen
Verbrechen handelt der besondere Teil,
während die allgemeinen strafrechtlichen
Grundsätze in dem allgemeinen Teil dargestellt sind. Der allgemeine Teil des deutschen
Strafgesetzbuchs insbesondere handelt im ersten
Abschnitt von den
Strafen, im zweiten vom verbrecherischen
Versuch, im dritten
von der
Teilnahme am Verbrechen und im vierten
Abschnitt von den
Gründen, welche die
Strafe ausschließen oder mildern. Im besondern
Teil sind dann die einzelnen
Verbrechen,
Vergehen und
Übertretungen sowie deren Bestrafung behandelt (s.
Strafrecht).
(Strafverfahren,
Kriminalprozeß, franz. Procédure oder Instruction criminelle), das gerichtliche
Verfahren,
welches in denjenigen
Fällen Platz greift, in denen es sich um die Untersuchung und Bestrafung von
Verbrechen
handelt; auch Bezeichnung für das Strafprozeßrecht, d. h. für die Gesamtheit der Rechtsgrundsätze,
welche jenes
Verfahren normieren. Die Zusammenstellung solcher
Normen in einem ausführlichen
Gesetz wird Strafprozeßordnung
genannt, so die Strafprozeßordnung für das
Deutsche Reich
[* 3] vom die österreichische Strafprozeßordnung vom und
der
Code d'instruction criminelle
Napoleons I. von 1808. Der S. gehört im weitesten
Sinn zum
Strafrecht und wird ebendeswegen
auch als sogen. formales
Strafrecht dem materiellen
Strafrecht (s. d.) gegenübergestellt.
Während der bürgerliche oder
Zivilprozeß, in welchem über Privatstreitigkeiten zu entscheiden ist, ursprünglich von den
Römern dem
Privatrecht zugerechnet wurde und diesem jedenfalls auch heute noch nahesteht, kann über die
ausschließlich öffentlich-rechtliche
Natur des Strafprozesses ein
Zweifel nicht obwalten. Während nämlich die
Mehrzahl der
Privatrechtsansprüche ohne gerichtliche
Hilfe durch freiwillige Leistung von seiten des
Schuldners erfüllt wird, kann der
Strafanspruch des
Staats gegen Übelthäter ohne förmliches
Verfahren niemals verwirklicht werden.
Niemand kann sich unter Verzichtleistung auf den
Prozeß einer öffentlichen
Strafe freiwillig unterwerfen oder auf ein
Strafurteil
des
Richters verzichten, denn die
Rechte, in welche die
Strafe eingreift, sind vom Standpunkt des einzelnen aus unverzichtbar;
eine
Regel, die eine geringfügige Ausnahme bei
Geldbußen nur insoweit erleidet, als bei Polizeiübertretungen der
Schuldige sich einem
Zahlungsbefehl (sogen.
Strafmandat) freiwillig unterwerfen kann.
Der Unterschied zwischen
Zivilprozeß und S. tritt, zusammenhängend mit diesem
Prinzip, auch darin hervor, daß der Strafrichter
der materiellen
Wahrheit in ganz
anderm
Maß bei der
Prüfung der
Thatsachen und der Handhabung der Prozeßregeln nachzustreben
hat, als dies im Zivilverfahren zulässig ist, wo die sogen. formale
Wahrheit eine hervorragende
Rolle
spielt. So ist z. B. im Zivilverfahren der
Wahrhaftigkeit eines den klägerischen Anspruch anerkennenden Beklagten nicht weiter
nachzuforschen, während das
Geständnis eines Angeklagten immer noch einer
Prüfung von seiten des
Richters zu unterwerfen
ist, ehe die
Verurteilung zur
Strafe ausgesprochen werden kann.
Auf den untersten
Stufen staatlicher
Kultur sehen sich diese beiden Grundformen des
Prozesses allerdings sehr ähnlich, weil
das
Verbrechen zunächst als Schadenzufügung aufgefaßt wird und der unmittelbar Verletzte mit der Geltendmachung seiner
Forderungen auch gleichzeitig die staatlichen
Interessen vertritt. Auf dieser
Stufe steht der altgermanische S. mit seinem
Grundsatz:
»Wo kein Ankläger ist, da ist auch kein
Richter«. Die Verwirklichung des staatlichen
Strafrechts ist dabei
von dem Verhalten der
Parteien abhängig (sogen. Privatklageprozeß im engern
Sinn).
Wenn freilich der Sittenverfall um sich greift und
Verbrechen häufig werden, so muß die Anklagethätigkeit
der einzelnen
Staatsbürger als unzulänglich erscheinen. Die gewöhnlichen
Folgen des staatsbürgerlichen
Anklageprozesses
in solchen
Zeiten sind alsdann: zunehmende Straflosigkeit,
Bestechung des Anklägers durch reiche Verbrecher, Erpressungsversuche
durch Androhung einer
Anklage gegen
Unschuldige, die ein gerichtliches
Verfahren fürchten,
Aussetzung von
Prämien oder Denunziantenbelohnungen,
um von
Staats wegen eigennützige
Menschen zur Anklägerschaft anzureizen.
Schon die
Römer
[* 6] hatten, wie auch die
Athener, alle Schattenseiten der staatsbürgerlichen
Anklage in den spätern
Zeiten zu erfahren.
Gleichwohl blieb auch das ältere kirchlich-kanonische
Recht bei dieser
Organisation der Strafverfolgung stehen. Erst im 13. Jahrh.
tritt in dem deutschen auf volkstümlicher
Basis ruhenden
Anklageprozeß ein bemerkenswerter Umschwung
ein.
Schon in den ältesten
Anschauungen der christlichen
Kirche lag nämlich die sittliche Anforderung begründet, daß der
sündige
Christ zur Selbstbeschuldigung im
Beichtstuhl und zur
Reinigung mittels
Buße durch sein
Gewissen verpflichtet sei. In
ihren
Sendgerichten wahrte die
Kirche diese Anzeigepflicht in der Anwendung auf Dritte.
Strafprozeß (geschicht
* 7 Seite 15.360.
Sie hielt in ihrer
Gerichtsbarkeit darauf, daß gewisse stark verdächtigte
Personen sich durch
Eid zu reinigen
hatten von den gegen sie vorliegenden Beschuldigungen (sogen.
Reinigungseid). Diese vereinzelten, übrigens auch schon im
römischen
Recht bemerkbaren Anfänge eines amtlichen Einschreitens wurden nun durch
Innocenz III. seit dem Ende des 12. Jahrh.
auf dem dritten lateranischenKonzil der Anknüpfungspunkt zu einer
Ausbildung des sogen.
Inquisitionsprozesses
(Untersuchungsprozesses). Ursprünglich war dieser
Inquisitionsprozeß als Ausnahme gedacht neben dem Fortbestand des ältern
Anklageverfahrens als der
Regel. Dennoch entsprach das neue
Verfahren so sehr den vorhandenen
¶
mehr
Bedürfnissen, daß es nicht nur in den geistlichen Gerichtshöfen bald herrschend wurde, sondern auch in der weltlichen Justiz
mehr und mehr die Oberhand gewann. Der Richter hatte hiernach von Amts wegen überall einzuschreiten und alle Verhältnisse
der Beschuldigung und Verteidigung kraft seines Amtes zu erforschen. Von bestimmten Rechten der Parteien
konnte somit keine Rede sein. Man unterschied dabei die Generalinquisition als das einleitende Stadium von der Spezialinquisition
als der Untersuchung, die ihre Richtung bereits gegen bestimmte Personen genommen hatte.
Zugleich ward bei der Ketzerinquisition die Heimlichkeit des Verfahrens vorgeschrieben und, unter Anknüpfung an das römische Recht,
die Folter angewendet. So war gegen das Ende des Mittelalters der Inquisitionsprozeß in den kontinentalen
Ländern herrschend geworden, mit ihm die Schriftlichkeit des Verfahrens an Stelle der Mündlichkeit und die Entwickelung eines
Instanzenzugs. Eine Ausnahme machte nur England, wo im Zusammenhang mit dem Schwurgericht (s. d.) sich die altgermanischen
Prozeßeinrichtungen in wesentlichen Stücken erhielten, so daß England noch gegenwärtig der einzige
Kulturstaat ist, in dem sich der alte Anklageprozeß, wenn schon mannigfach modifiziert, bis zur Gegenwart erhalten hat.
Die (peinliche) HalsgerichtsordnungKaiserKarls V. von 1532 (die sogen. Carolina) schloß sich in ihrem strafprozessualischen
Inhalt eng an die bestehenden Verhältnisse der damaligen Zeit an. Sie begünstigte namentlich die
Schriftlichkeit, worin man damals ein Schutzmittel gegen willkürliche Verfolgungen erblicken mußte, und schrieb deswegen
die Zuziehung von Gerichtsschreibern (Aktuaren) als wesentlichen Prozeßorganen vor. Ein hervorragendes Verdienst erwarb sich
die Carolina dadurch, daß sie das in Deutschland
[* 8] völlig zerrüttete Beweisverfahren neu ordnete, indem von ihr eine feste
Beweistheorie aufgestellt wurde.
Niemand sollte ohne ausreichenden, vollen Beweis verurteilt werden. Einen vollen Beweis lieferten aber nur das Geständnis,
die übereinstimmende Aussage mindestens zweier Zeugen oder der richterliche Augenschein, wohingegen eine Verurteilung auf Grund
sogen. Anzeigen oder Indizien ausgeschlossen wurde. Jeder unvollständige, auch der zur Verurteilung nicht genügende Indizienbeweis
konnte jedoch durch peinliche Frage (Folter) ergänzt werden, so daß das auf der Folter abgelegte und hinterher
bestätigte Geständnis die Verurteilung begründete. So gestaltete sich der S. seit der Mitte des 17. Jahrh. in der
Hauptsache für ganz Deutschland zu derjenigen Form des Verfahrens, welche der sächsische JuristCarpzov bezeugt: der reine
Untersuchungsprozeß, daher erstes Einschreiten des Richters, dem die Kriminalpolizei untergeben ist, Voruntersuchungsführung
des Richters im Sinn der durch Zwangsmittel oder Kunstgriffe herbeizuführenden Geständnisse, genaue Aufzeichnung aller Ermittelungen
in den Kriminalakten, nach der Erschöpfung der Beweisaufnahme Aktenschluß, Einforderung einer Verteidigungsschrift in den
schwersten, Zulassung einer solchen in minder schweren Fällen, Versendung der Akten von den Untersuchungsgerichten
(Inquisitoriaten) an das urteilende Gericht, das entweder in der Sache selbst nach Lage der Akten auf Vortrag eines Referenten
endgültig erkennt, oder weitere Beweisaufnahme anordnet, oder die peinliche Frage erkennt. An Rechtsmitteln kennt der Untersuchungsprozeß
nur das der weitern Verteidigung zu gunsten des Inquisiten. Die Urteilsvollstreckung leitet der Untersuchungsrichter.
Die
alte Beweistheorie fand ihren Mittelpunkt in der Folter. Sobald diese (zuerst durch Friedrich d. Gr.) in Deutschland abgeschafft
wurde, was allgemein gegen das Ende des 18. Jahrh. geschah, mußte das Gebäude des Inquisitionsprozesses ins Wanken kommen.
Schon in der Mitte des vorigen Jahrhunderts, zumal nachdem man durch Montesquieu und Voltaire mit den englischen
Einrichtungen bekannt geworden war, bestand auf dem Kontinent eine dem alten S. ungünstige Meinung innerhalb der gebildeten
Klassen.
Längst vor 1848 hatten aber Theorie und Wissenschaft die Notwendigkeit einer durchgreifenden Besserung der
Strafprozeßeinrichtungen dargethan. Das Muster, das man 1848 und in den folgenden Jahren vorzugsweise zu befolgen sich entschloß,
bot der französische Prozeß, der in den linksrheinischen Landesteilen deutscher Staaten aus dem NapoleonischenZeitalter bestehen
geblieben war. Frankreich selbst hatte im ersten Beginn der Revolution 1789 mit der Beseitigung des alten
Strafprozesses Ernst gemacht.
Während das Verfahren selbst den deutschen Zuständen des Strafprozeßrechts sich erheblich näherte, hatte Frankreich aus
dem Mittelalter eine Magistratur ererbt, deren Stellung nachmals von entscheidender Bedeutung und Vorbildlichkeit für den
gesamten europäischen Kontinent werden sollte: die Staatsanwaltschaft (ministère public), hervorgegangen
aus den königlichen Prokuratoren, welche die fiskalischen Interessen der Krone bei den Gerichten wahrzunehmen ursprünglich
bestimmt gewesen waren und nach und nach einen erheblichen Einfluß auf den Gang des
[* 11] Strafprozesses erlangt hatten.
Aus diesen Elementen der königlichen Prozeßvertretung formte die französische Revolution die Staatsbehörde, zu
deren wesentlichen Funktionen die Betreibung der öffentlichen Anklage (action publique), die Sammlung der Belastungsbeweise,
die Vornahme schleuniger, einen Aufschub nicht gestattender Beweiserhebungen, die Vertretung der Anklage im öffentlichen Verfahren,
die Einlegung von Rechtsmitteln und die Vollstreckung der Urteile gehören. Der französische Prozeß, im Code d'instruction criminelle
von 1808 zum Abschluß gekommen, bedeutet den Untersuchungsprozeß mit äußerlicher Anklageform.
Das Wesen des echten Anklageprozesses bedingt nämlich die Annahme des Parteibegriffs und die Gleichheit der Parteirechte. Davon
kann aber nach französischem Recht keine Rede sein. Der Staatsanwalt ist eine Behörde, unabhängig vom Richter, für etwanige
Ausschreitungen der gerichtlichen Disziplin nicht unterworfen, dem Wort nach beauftragt mit der Wahrung
des Gesetzes, ohne Garantien der persönlichen Unabhängigkeit, absetzbar und den Weisungen der Justizminister unterthan, dennoch
aber wiederum in manchen Dingen dem richterlichen Amt bezüglich der Geschäftsführung übergeordnet, wofern er als Organ der
Justizaufsicht thätig zu sein hat. Diesem französischen Muster entsprechend ist denn auch in den deutschen
Gesetzen die öffentliche Anklagebehörde in Deutschland seit 1848
¶