übertroffen. Seltene
Beispiele, wie ein deutscher Kaiserkrönungsmantel, zeugen noch heute von der
Höhe der damaligen S.
Mit der geistigen
Bildung kam auch die
Kunst des Stickens in weltliche
Hände. Erst in
England, später aber in
Burgund erreichte
sie im 14. Jahrh. die höchste
Ausbildung und ist seitdem langsam bis auf unsre Zeit ganz in
Verfall geraten,
wo auch sie an der allgemeinen
Hebung
[* 2] des
Kunstgewerbes ihren
Anteil erhielt und jetzt eine verständnisvolle
Pflege, zum Teil
durch größere
Ateliers
(Bessert-Nettelbeck in
Berlin),
[* 3] findet.
Die S. verziert nicht nur, sondern sie bedeckt oft den ihr zu
Grunde gelegten
Stoff ganz; man könnte danach
Weiß- und Buntstickerei unterscheiden, wenngleich auch bei der letztern zuweilen der
Grund frei stehen bleibt. Die Buntstickerei
kann entweder auf einen dichten
Grund, auf
Leinwand,
Tuch,
Seide,
[* 4]
Leder, oder auf einen eigens dazu gefertigten, siebartig durchlöcherten
Stoff,
Kanevas, aus
Hanf,
Leinen,
Baumwolle,
[* 5] auch
Seide aufgesetzt sein. Auf
Kanevas werden hauptsächlich der
gewöhnliche
Kreuzstich und seine
Abarten (Gobelinstich, Webstich) ausgeführt sowie der sehr feine Petitpoint-Stich, welcher
sehr zarte, mosaikartige Bildnerei ermöglicht.
Weniger mühsam als der letztere, aber besser als der
Kreuzstich zur figürlichen
Darstellung geeignet ist der
Plattstich, mit
dem die mittelalterlichen
Arbeiten fast durchgängig auf dichtem
Grund gefertigt sind. Während der
Petitpoint-Stich
nur mit Seidenfäden hergestellt wird, verwendet man für die andern Sticharten gewöhnlich gefärbte
Wolle, wenn auch bei
ihnen
Seide, Goldfäden und sogar zeitweise mit eingenähte
Perlen nicht ausgeschlossen sind.
AndreArten der S. sind: der
Kettenstich,
bei welchem jeder
Stich doppelt gemacht wird, indem der
Faden
[* 6] von unten nach
oben und durch dasselbe
Loch
wieder zurückgeht, so eine
Schleife bildend, durch welche er, nachdem er durch ein neues
Loch wieder nach
oben gekommen, gezogen
wird;
der
Steppstich, bei welchem auf der untern Seite des
Stoffes ein langer
Stich gemacht wird, auf der obern Seite um die
Hälfte der
Ausdehnung
[* 7] desselben wieder zurückgegriffen wird, so daß auf der untern Seite jeder
Stich
doppelt so lang ist wie
oben;
Noch andre
Arten des
Stichs (Flechtenstich, Doppelstich,
Gitterstich, maurischer, spanischer
Stich) sind bei Lipperheide,
Muster altitalienischer
Leinenstickerei (Berl. 1881-85, 2 Bde.),
beschrieben. Die Art der im
Mittelalter hochberühmten
Goldstickerei, die so wunderbare
Wirkung hervorbrachte,
wie man sie noch an den in
Wien
[* 8] aufbewahrten sogen. burgundischen Gewändern aus dem 15. Jahrh.
sieht, ist technisch sehr von der unsrigen verschieden. Während jetzt die Goldfäden wie andre
Fäden behandelt werden, legte
man sie früher parallel nebeneinander und nähte sie mit Überfangstichen fest.
Auf den so erst gebildeten
Grund wurde nun mit
Plattstich die eigentliche S. gesetzt, durch welche das
Gold
[* 9] hindurchschimmerte
(Reliefstickerei). Die heutige
Gold- und
Silber-Kannetillestickerei nähert sich schon der Perlenstickerei. Dieses reihenweise
Aufnähen billiger Glasperlen hat dadurch, daß es den
Grundstoff schwer und unbiegsam macht, viel zum
Verfall der
Kunst beigetragen. Für den künstlerischen Wert ist allemal die
Vorzeichnung des
Musters wichtig, die jetzt selten
die
Erfindung des Verfertigers einer S. ist.
Die Herstellung der
Muster ist dagegen zum besondern Industriezweig der
Dessinateure oder Musterzeichner geworden. Eine eigne
Art
der S. ist noch das Tamburieren, das nicht mit der
Nähnadel, sondern mit dem Häkelhaken geschieht,
wie auf den Handrücken feiner
Glaceehandschuhe.
Ferner werden jetzt feine Lederwaren, namentlich in
Amerika,
[* 10] sehr zart durch
auf der
Nähmaschine
[* 11] hergestellten
Steppstich verziert. Die Weißstickerei, abgesehen von der Namenstickerei, dem
Zeichnen der
Wäsche, beschränkt sich auf
Verzierung der Wäsche und des Tischzeugs in
Leinwand oder
Baumwolle (deshalb
auch
Leinenstickerei genannt).
In der sogen. französischen Weißstickerei herrscht mehr der
Plattstich, in der englischen der
durchbrochene Arbeit liefernde
Bindlochstich vor; doch kommen bei beiden noch der Languettenstich und verschiedene Phantasiestiche zur Anwendung. Die venezianische
Weißstickerei, bei der stellenweise der
Grund nach der
Arbeit entfernt wird, so daß die durchbrochenen
Stellen durch feine Fadenverschlingungen gefüllt werden, streift schon nahe an die Spitzennäherei.
Vgl. die bei den
ArtikelnHandarbeiten und
Spitzen angeführte Litteratur, insbesondere
die Musterbücher von H.
Sibmacher (dazu noch: Kreuzstichmuster, 36 Tafeln der
Ausgabe von 1604, Berl. 1885), und Drahan, Stickmuster
(Wien 1873);
»Original-Stickmuster der
Renaissance« (2. Aufl., das. 1880);
Fröhlich:
Neue farbige Kreuzstichmuster (Berl. 1888),
NeueBorden (das. 1888), Allerlei
Gedanken in
Vorlagen für das Besticken
und Bemalen unsrer Geräte (das. 1888).
[* 1] von
JosuaHeilmann 1829 erfundene Vorrichtung zur Herstellung von
Stickereien auf
Geweben. Die
Figuren entstehen
hierbei dadurch, daß die
Fäden an den
[* 1]
Figurenrändern mittels
Nadeln
[* 15] so durch das
Gewebe
[* 16] gesteckt und durchgezogen
werden, daß sie nach und nach auf der
Fläche das
Muster erhaben bilden, z. B. indem
[* 1]
(Fig. 1) der
Faden den durch die
Zahlen
1-10 angedeuteten Verlauf nimmt, 1-2
oben, 2-3 unten, 3-4
oben u. s. f. Die Heilmannsche S., welche bis heute keine wesentliche
Abänderung erfahren hat, ahmt die
Handarbeit genau nach und besteht in der Hauptsache aus drei Teilen,
nämlich einem
Rahmen, an welchem das mit
Stickerei zu versehende
Zeug ausgespannt wird, den
Nadeln und einem
Apparat, welcher
die
Nadel ergreift, durchs
Zeug sticht und mit dem
Faden durchzieht, also die
Hand
[* 17] des Arbeiters ersetzt. Bei der S. ist nun
aber der
Rahmen nicht, wie beim Handsticken, horizontal feststehend, sondern beweglich und zwar so, daß
das
Zeug immer in einer vertikalen
Ebene bleibt, während die
Nadeln nur eine horizontale
Bewegung machen. Wenn also eine
Nadel
durch das
Zeug an einer
Stelle, z. B.
Punkt 1 der
[* 1]
Fig. 1, durchgegangen ist, so wird der
Rahmen so bewegt,
daß die
Nadel beim Zurückstechen den nächsten
Punkt, z. B.
Punkt 2 der
[* 1]
Fig. 1,
trifft. Die S. arbeitet mit einer großen Anzahl Nadeln, welche in zwei horizontale Reihen so verteilt sind, daß auf dem Zeuge
gleichzeitig zwei kongruente Stickereien an zwei verschiedenen Stellen gebildet werden. Dazu ist es nötig, daß der Rahmen
stets parallel verschoben wird. Zu dem Zweck liegt der vertikale Stickrahmen A
[* 18]
(Fig. 2) mit zwei runden
Schienen a auf Rollen
[* 19] b, welche wieder in einem Rahmen c sitzen, der sich mit Schneiden auf das gegabelte Ende eines Hebels d
stützt, welcher in
[* 18]
Fig. 2 abgebrochen gezeichnet ist, jedoch sich in Wirklichkeit über den Drehpunkt
d' fortsetzt und am Ende ein Gegengewicht trägt.
Die Gegengewichte beider Hebel
[* 20] halten dem Rahmen mit den darauf befindlichen Walzen e, e1, e2, e3 und dem aufgespannten
Zeug das Gleichgewicht.
[* 21] Da nun außerdem der Rahmen unten an zwei Stellen durch vertikale Schlitze f geführt und oben durch zwei
Zapfen
[* 22] g des Gestells, welche zwischen Gleitschienen h des Rahmens stecken, gehalten wird, so läßt sich
derselbe in horizontaler und vertikaler Richtung so verschieben, daß er in einer vertikalen Ebene bleibt, und daß auch jede
in ihm liegende Linie ihrer ursprünglichen Lage parallel bleibt. An dem Rahmen sind nun vier Walzen e, e1, e2, e3 in
Zapfen drehbar angebracht, wovon jede mit einem Sperrrad versehen ist, in welches je eine Sperrklinke
(e' e'1, e'2, e'3) eingreift. Je zwei Walzen (e und e1, e2 und e3) dienen zur Aufspannung je eines Zeugstücks
kk' parallel zu dem Rahmen, während die Sperrklinken die Rückdrehung verhindern. Ist auf jedem Stück eine horizontale Reihe
nebeneinander liegender Figuren fertig gestickt, so zieht man das Zeug von e auf e1 und von e2 auf e3 ein Stück weiter.
Wenn man daher den Punkt V festhält und den Punkt VI
die Kontur irgend einer
[* 18]
Figur umfahren läßt, so wird dabei Punkt IV eine
dieser ähnliche
[* 18]
Figur verkleinert beschreiben. Der Punkt V ist nun an dem Gestell der S. drehbar befestigt, während im Punkt
IV ein am Rahmen A befindlicher Zapfen angebracht ist. Da sich aber der Rahmen A so verschiebt, daß jede
Linie in ihm ihrer ursprünglichen Lage parallel bleibt, so wird, wenn PunktVI an einer vergrößerten
[* 18]
Figur des Stickmusters
entlang geführt wird, jeder Punkt des Rahmens, also auch des aufgespannten Zeugs, dieselbe
[* 18]
Figur in (gewöhnlich
sechsfach) verkleinertem Maßstab beschreiben. An dem Stickmuster sind die einzeln Fadenlagen durch Linien, die Nadelstiche
durch Punkte angedeutet, der Arbeiter rückt einen in VI befestigten spitzen Stift zwischen je zwei Nadelstichen von einem Punkt
auf den nächstfolgenden, so daß jeder Punkt des Zeugs in derselben Richtung um eine verkleinerte Strebe
verschoben wird, die der wirklichen Größe des Musters entspricht.
Die Nadeln werden durch jedes der beiden Zeugstücke in je einer horizontalen Reihe von 50-75 Stück hin- und hergestochen.
Dazu sind sie mit zwei Spitzen und einem in der Mitte sitzenden Öhr durch das der Faden gezogen ist, versehen
und werden auf jeder Seite von Zangen erfaßt, durchgezogen, dann wieder nach Verschiebung des Rahmens rückwärts eingestochen,
losgelassen und von der auf der andern Seite dagegen geführten Zange
[* 25] ergriffen und durchgezogen etc. Diese Zangen sitzen auf
jeder Seite in zwei horizontalen Reihen an je einem mit Rollenll' auf Schienenm m des Untergestells C gegen
das Zeug zu bewegenden Gestell B B'. Dasselbe besteht aus einem Wagen n n' von der Breite
[* 26] des Zeugs mit Schildern o o', welche
oben und unten prismatische Schienenp p' tragen. An diesen sind die Zeuge mit ihren festliegenden Schenkeln q q' befestigt,
welche an ihrer dem Zeug zugekehrten Seite eine kleine Platte mit einem konischen Loch zum Einführen der Nadeln haben. Die Nadel
wird so weit eingeschoben, daß sie gegen einen kleien Vorsprung stößt. Während sie nun in einer kleinen Rille liegt, wird
der bewegliche Backen r r' der Zange dagegen gedrückt. Dies geschieht in folgender Weise: Der Schwanz der
beweglichen Zangenschenkel steht fortwährend unter