Die
Frage nach der Möglichkeit einer Erschöpfung der S. hat namentlich für
England größeres
Interesse. Man nimmt an, daß
das Land noch einen Vorrat von
ca. 146
MilliardenTon. innerhalb der Tiefe von 4000
Fuß besitze; davon sind 90
MilliardenTon. aufgeschlossen, während man 56
Milliarden auf voraussichtlich zu erschließende
Flöze (?) rechnet. Nimmt man an, daß
sich der Kohlenverbrauch in bisheriger
Weise weiter steigern werde, so würden diese
Schätze noch für 250 Jahre ausreichen.
Auch
Deutschland kann seinen
Bedarf noch für
Jahrhunderte decken, dann aber bieten Rußland und andre
Länder
reichlichen
Ersatz, der voraussichtlich durch Herabsetzung der Transportkosten für die europäischen
Länder erreichbar werden
wird. Nicht vor einer geologischen oder technischen, sondern vor einer ökonomischen
Frage werden also die folgenden
Generationen
hinsichtlich des Kohlenbedarfs stehen. - Die Benutzung der S. ist wesentlich eine doppelte: die als Brennmaterial
und die der Gewinnung der Destillate, welch letztere sich in
Leuchtgasfabrikation, Gewinnung des
Teers und seiner
Derivate
etc. gliedert. Untergeordnet ist die Verwendung politurfähiger
Kohlen zu Schmuckgegenständen
(Gagat in
England und
Württemberg),
[* 21] an
Eisenkies
[* 22] und
Asche reicher
Abarten zur Alaungewinnung, der Steinkohlenasche als
Dünger und als Zusatz zumMörtel.
Die Benutzung der S. reicht bei einigen Völkern weit zurück. So sollen die
Chinesen schon frühzeitig ihren Wert erkannt
haben, und in einigen englischen
Gruben hat man Steinwerkzeuge vorgefunden, so daß die Kenntnis der
Kohle älter als die des
Eisens sein würde. Die alten
Deutschen scheinen neben
Holz
[* 23] nur den
Torf als Brennmaterial verwendet zu haben;
es finden sich auch alte Schlackenhalden an der
Ruhr, also in kohlenreicher Gegend, nicht im
Thal,
[* 24] sondern offenbar wegen der
bequemen
Nähe der
Wälder auf Bergesrücken.
Daß die
Römer,
[* 25] als sie als Eroberer
England betraten, die
Kohlen wenigstens an den
Ausstrichen benutzt haben, ist
durch
Funde auf dem
Herd eines römischen
Bades bewiesen. In
Deutschland scheint das
ZwickauerBecken schon von den bergbautreibenden
Sorben benutzt worden zu sein, während die Ausbeutung des belgischen und
AachenerBeckens sich rückwärts bis ins 11., des
Ruhrbeckens bis ins 14. Jahrh. verfolgen läßt. In
England werden schon im 9. Jahrh.
Kohlen als Brennmaterial
urkundlich erwähnt; im 12. Jahrh. sind sie bereits ein wichtiger Handelsartikel, der sich
nicht mehr vom
Markt verdrängen ließ, obgleich mehrere
Edikte ihre Benutzung als luftverpestend verboten.
Paläontologisch wird die S. charakterisiert durch die in keiner andern
Periode erreichte Üppigkeit der
Kryptogamenflora und durch das erstmalige Auftreten von
Reptilien und luftatmenden
Tieren. Sehr häufig ist die mitunter bis
zu 7000 m
Mächtigkeit anschwellende Schichtenfolge den ältern
Formationen in Form flach tellerartiger
Mulden,
Becken oder
Bassins
aufgelagert, deren Zusammenhang und ursprüngliche
Lage allerdings oft durch sekundäre
Störungen
(Verwerfungen)
unterbrochen und verändert worden sind. Das beigegebene
Profil (s. Tafel III) durch einen Teil des
Kohlenfeldes von
Zwickau
[* 33] (Sachsen)
[* 34] soll ein
Bild der allgemeinen Lagerungsverhältnisse geben. Es ist der südwestliche
Flügel einer
Mulde mit einer
Mehrzahl¶
Wo immer alle Glieder
[* 44] der S. entwickelt sind, läßt sich eine Zweiteilung der Formation nach petrographischen
u. paläontologischen Unterschieden nachweisen, deren unteres Glied
[* 45] zur Bildung von Facies neigt, für welche es aber an Übergängen
ineinander nicht mangelt. In Amerika,
[* 46] den meisten BeckenEnglands, in Frankreich, Belgien, am Niederrhein, in Schlesien
[* 47] und Rußland
wird die unterste Abteilung von einem gewöhnlich festen und dichten, mitunter (Rußland) kreideartigen
Kalkstein (Bergkalk, Mountain limestone, Kohlenkalk, metallführender Kalk) gebildet, der reich an organischen Resten meerischen
Ursprungs ist.
Die Kohle ebensowohl als die Eisenerze sind lediglich gelegentliche Begleiter der übrigen Gesteine und, selbst wo sie vorhanden
sind, in so geringer Mächtigkeit gegenüber den Sandsteinen und Schieferthonen entwickelt, daß sie trotz
ihrer großen technischen Wichtigkeit nur als untergeordnete Glieder der produktiven S. bezeichnet werden können. Es ist
deshalb die Benennung »produktiv« für die obere Abteilung keine glückliche,
um so weniger, als neuere Untersuchungen zu beweisen scheinen, daß die nach dieser Bezeichnung vorausgesetzte
ungefähre
Gleichalterigkeit für die wichtigsten Kohlenvorkommnisse nicht besteht, daß vielmehr einige englische sowie
die von Ostrau und Waldenburg
[* 51] dem Kulm, die westfälischen, belgischen, nordfranzösischen und viele englische einer untern
Stufe der obern Abteilung zugerechnet werden müssen, während die Flöze von Pilsen
[* 52] und Zentralfrankreich eine jüngere Periode
derselben Abteilung repräsentieren.
Aber auch diese Abteilung führt an manchen Orten, z. B. Yorkshire, Kentucky, Oberschlesien und namentlich in Rußland (Fusulinenkalk),
Kalksteine mit reichen Resten marinen Charakters. Das Hangende der produktiven S. wird in einigen Gegenden (z. B. im Saargebiet)
von einer Schichtenfolge (Ottweiler Schichten) gebildet, deren innige Verwandtschaft mit höher gelegenen (Cuseler
Schichten, s. Dyasformation) die oben erwähnte Schwierigkeit der Abgrenzung gegen das Rotliegende bedingt.
Die für die Kohle der S. gegebene geographische Verbreitung (s. Steinkohle) stellt natürlich nur einen kleinen Teil derjenigen
der S. dar, insofern als namentlich der Bergkalk über große Horizontalstrecken hin als anstehendes Gestein dominiert. So
nimmt derselbe einen großen Teil des südlichen und mittlern England ein und bildet im Innern mitunter
groteske Bergpartien, an der Küste von Südwales steile Klippen.
[* 53] In Schottland und in einigen Gegenden Englands sind die Facies
der Konglomerate und des Kulms die Unterlage der produktiven S., in Irland fehlt die jüngere Abteilung gänzlich.
In Deutschland tritt Kohlenkalk als unterstes Glied des Aachener (und belgischen) sowie des westfälischen Beckens auf, weniger
und meist durch Kulm vertreten in Schlesien, während in Hessen-Nassau
[* 54] nur die untere Abteilung (Kulm), bei Saarbrücken
[* 55] lediglich
die obere Abteilung vorkommt. In Böhmen fehlt ebenfalls die subkarbonische Formation; dagegen sind in Mähren,
besonders aber in Rußland, auf Spitzbergen, auf den Bäreninseln und in NordamerikaKohlenkalke in großer Verbreitung bekannt.
Die pflanzlichen und tierischen Reste der S. unterliegen einer ähnlichen Trennung wie das Gesteinsmaterial. Die erstern
sind wesentlich auf die Steinkohlenflöze und die sie begleitenden Schieferthone beschränkt, die tierischen Reste an den
Kohlenkalk und den Kulm geknüpft. Die Flora der S. war trotz aller Üppigkeit, wie sie sich in der großartigen
Aufhäufung zu mächtigen Kohlenflözen ausspricht, eine formenarme: es fehlen die höhern Dikotyledonen vollständig, und
auch Koniferen,
[* 56] Palmen
[* 57] und Cykadeen spielen eine untergeordnete Rolle. Der Schwerpunkt
[* 58] des pflanzlichen Lebens lag in den Kryptogamen,
von denen einige Geschlechter in größter Anzahl der Individuen und in später nie wieder erreichten Dimensionen auftreten.
Die Kalamiten (s. Tafel »Steinkohlenformation II«,
[* 41] Fig. 5) haben unter der Flora der Jetztwelt die Schafthalme (Equiseten) zu nächsten Verwandten, und in die gleiche Klasse dürften
auch die zierlichen Rosetten der Annularien
[* 43]
(Fig. 8 und Sphenophyllen gehören. Zu den Lykopodiaceen
[* 59] zählen
die Siegelbäume (Sigillarien,
[* 43]
Fig. 6), die Schuppenbäume (Lepidodendren,
[* 43]
Fig. 2) und vielleicht auch die Cordaites-Arten
[* 43]
(Fig. 3), die jedoch von andern mit mehr Wahrscheinlichkeit den Cykadeen zugezählt werden. Besonders die erstgenannten Angehörigen
einer Familie, welche jetzt fast ausschließlich niedrige, krautartige Pflanzen aufweist, mögen als baumartige
Formen mit ihren Stämmen, welche deutliche, im Quincunx gestellte, bald rhombische, bald sechsseitige Blattnarben tragen, den
Wäldern der S.
¶