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Pflanzen sind aber in den verschiedenen Formationen sehr verschieden, und nur der Umstand, daß erfahrungsmäßig die Holzfaser systematisch weit voneinander entfernter Pflanzenarten doch annähernd gleiche Zusammensetzung hat, erlaubte in der oben angenommenen Allgemeinheit von einem alle mineralischen Brennstoffe umfassenden Verkohlungsprozeß zu sprechen. Die Kohlen des Silurs sind bei dem Fehlen sonstiger Pflanzenreste in dieser Formation vermutlich auf Algen [* 2] zurückzuführen, während im Devon [* 3] schon einige der in der Steinkohlenformation ihre Hauptentwickelung findenden Pflanzen kohlebildend auftreten.
In den jüngern
Formationen wurden
Farne,
[* 4]
Cykadeen und
Koniferen
[* 5] aufgehäuft, und die letztere
Klasse hat neben
Dikotyledonen fast
ausschließlich das
Material der steinkohle
nartigen Tertiärkohlen geliefert. Den
Konsequenzen aus der
Annahme eines langsamen Verkohlungsprozesses entsprechend, sind die Steinkohlen
im allgemeinen ältere
Kohlen als die
Braunkohlen
und werden ihrerseits durch
Anthracit an
Alter übertroffen.
Abweichungen von dieser
Regel lassen sich auf besondere Umstände
zurückführen, welche bald beschleunigend, bald verlangsamend auf den Verlauf des
Prozesses einwirken mußten. So verschafften
starke Schichtenstörungen den sich entwickelnden
Gasen durch Spaltenbildungen einen Ausweg; ein
Gehalt an vitriolisierendem
Eisenkies
[* 6] bildet neben
Eisenvitriol freie
Schwefelsäure,
[* 7] welche verkohlend auf die pflanzliche
Substanz einwirkt, und in demselben
Sinn unterstützt eine
Erhöhung der
Temperatur, wie sie eruptierendes
Gestein hervorbringen kann, den
Prozeß. So ist am
Meißner
in
Hessen
[* 8]
Braunkohle durch einen bedeckenden
Basalt stellenweise in einen stängelig abgesonderten
Anthracit
(Stangenkohle) umgewandelt, und ähnliche
Erscheinungen sind von Salesl bei
Aussig in
Böhmen,
[* 9] von
Mährisch-Ostrau u. a. O. bekannt.
Wurden dagegen die Schichten der betreffenden Formation nicht von jüngern bedeckt, so fehlte ein Haupterfordernis der Einleitung des Verkohlungsprozesses, der hohe Druck. So kommen in den Gouvernements Tula und Kaluga Kohlen vor, welche nach ihren organischen Resten (Stigmaria, Lepidodendron) zweifellos der Steinkohlenformation angehören, während sie der Braunkohle durchaus ähnlich geblieben sind. Die die Kohlen begleitenden Gesteine [* 10] sind in einem ähnlichen unreifen Zustand: statt der Schieferthone sind plastische Thone und Letten entwickelt;
die Sandsteine sind locker, fast lose Sande.
Verbreitung. Produktion. Verbrauch.
Die wichtigsten Kohlenfelder (soweit sie der Steinkohlenformation angehören, der übrigen wurde schon oben Erwähnung gethan) sind in Deutschland, [* 11] von W. nach O. geordnet.
1) das Aachener Becken oder das Doppelbecken an der Worm und Inde, nach Deutschland hereinragende Teile des großen belgischen Beckens;
2) das Saarbecken oder Saarbrückener Becken, an welchem außer Preußen [* 12] auch Bayern [* 13] und Lothringen partizipieren;
3) das westfälische oder Ruhrbecken, zu welchem als äußerste Vorposten nach N. die Kohlenfelder von Ibbenbüren und Piesberg bei Osnabrück [* 14] gehören;
4) und 5) die beiden unbedeutenden Kohlenvorkommnisse von St. Bilt im Elsaß und Berghaupten in Baden; [* 15] 6)-10) die ebenfalls nur kleinen Becken von Ilfeld bei Nordhausen, [* 16] Wettin-Löbejün in der Provinz Sachsen, [* 17] Manebach-Kammerberg in Thüringen, Stockheim bei Koburg [* 18] und Erbendorf in Oberfranken;
11) und 12) im Königreich Sachsen das größere Zwickau-Chemnitzer und das kleinere Plauensche Becken;
13) und 14) die beiden schlesischen Becken, das von Waldenburg [* 19] und das oberschlesische, in dessen Zentrum Königshütte [* 20] gelegen ist. Die relative Wichtigkeit der Kohlenfelder Deutschlands [* 21] erhellt aus der folgenden, auf die Produktion des Jahrs 1873 bezüglichen Tabelle, welche für die Vergleichszwecke auch gegenwärtig noch ausreicht:
Steinkohlenbecken | Zahl der Gruben | Prozent der Gesamtzahl | Produktion in Zentnern | Prozent der Gesamtproduktion | Wert in Mark | Prozent des Gesamtwerts | Arbeiter | Prozent der Gesamtzahl |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Westfälisches Becken | 230 | 42.4 | 328161620 | 45.9 | 180227595 | 45.8 | 80281 | 46.0 |
Oberschlesisches Becken | 132 | 24.3 | 155380208 | 21.8 | 62077491 | 15.8 | 32621 | 18.8 |
Saarbecken | 38 | 7.0 | 96851737 | 13.6 | 79696177 | 20.2 | 24469 | 14.1 |
Zwickau-Plauen | 73 | 13.5 | 63321518 | 8.9 | 38109831 | 9.7 | 16429 | 9.5 |
Waldenburg | 35 | 6.5 | 45876197 | 6.4 | 1042384 | 5.7 | 12298 | 7.5 |
Aachener Becken | 18 | 3.3 | 21037039 | 3.0 | 10788069 | 2.7 | 6078 | |
Stockheim | 6 | 1.1 | 1311879 | 0.2 | 745863 | 0.2 | 683 | 0.4 |
Wettin und Löbejün | 3 | 0.5 | 1045137 | 0.1 | 681429 | 0.2 | 400 | 0.3 |
Ilfeld | 3 | 0.5 | 501095 | 0.1 | 262086 | 0.1 | 215 | 0.2 |
Berghaupten | 3 | 0.5 | 253883 | 0.0 | 192024 | 0.0 | 142 | 0.1 |
Manebach und Kammerberg | 2 | 0.4 | 19831 | 0.0 | 12981 | 0.0 | 36 | 0.0 |
Zusammen: | 543 | 100.0 | 713760144 | 100.0 | 394035930 | 100.0 | 173652 | 100.0 |
Während unter den außerdeutschen
Ländern
Belgien
[* 22] reiche
Kohlenlager im Zusammenhang mit dem
Aachener
Becken besitzt, sind die
französischen
Becken (St.-Etienne,
Creusot,
Autun,
Alais etc.) unbedeutender.
Spanien
[* 23] und
Portugal scheinen
große Vorräte an Steinkohlen
zu bergen, wogegen
Italien
[* 24] und die
Schweiz
[* 25] nur wenige und kleine
Partien der produktiven
Steinkohlenformation
aufzuweisen haben. Im O.
Deutschlands sind in
Böhmen mehrere
Becken
(Kladno,
Rakonitz,
Pilsen)
[* 26] zu verzeichnen, ferner das
Ostrauer
in
Mähren und Österreichisch-Schlesien.
Rußland besitzt außer den oben erwähnten Kohlen der Gouvernements Kaluga und Tula solche am Donez im Süden, am Ural und hoch im N. auf den Bäreninseln und Spitzbergen. Das großbritannische Inselreich hat relativ zu seinem Gesamtgebiet das größte Areal Kohlenfelder. Es verteilen sich dieselben auf eine Anzahl isolierter Becken, unter denen die von Northumberland, Yorkshire, Derbyshire, Südwales und Schottland die wichtigsten sind. Unter den übrigen Erdteilen der Alten Welt ist besonders Asien [* 27] und hier wiederum China, [* 28] wo die Kohlenlager über ein Areal von 200,000 QM. verbreitet sind (s. China, S. 4), sehr reich an Kohlen, die zum größten Teil der Steinkohlenformation angehören. Als unermeßlich werden die Kohlenschätze Nordamerikas geschildert, die sich über sechs große Territorien verbreiten:
1) das appalachische Kohlenfeld, an welchem die Staaten Pennsylvanien, Ohio, Virginia, Kentucky, Tennessee und Alabama partizipieren;
2) das Illinois-Missouri-Kohlenfeld, von dem außer auf die benennenden Staaten Teile auf Indiana, Kentucky, Iowa, Kansas ¶
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und Arkansas entfallen;
3) das Kohlenfeld in Michigan;
4) das in Texas;
5) Rhode-Island und endlich 6) das Doppelfeld von Neuschottland und Neubraunschweig. Die Ausdehnung [* 30] der Kohlenfelder in englischen Quadratmeilen wird veranschlagt für China auf mehr als 200,000, Nordamerika [* 31] auf 193,870, Ostindien [* 32] 35,500, Neusüdwales 24,000, Großbritannien [* 33] 9000, Deutschland 3600, Spanien 3500, Frankreich 1800, Belgien 900. Die Kohlenproduktion hat in verhältnismäßig kurzer Zeit einen rapiden Aufschwung genommen. Sie betrug 1860 in England, Deutschland, den Vereinigten Staaten [* 34] von Nordamerika, in Frankreich, Belgien und Österreich [* 35] 124 Mill. metr. Tonnen.
Die Gesamtproduktion (zu 1000 kg) betrug nach Neumann-Spallart (»Übersichten der Weltwirtschaft«) 1884: 409,381,515 Ton.
(à 1000 kg), die sich auf die einzelnen Länder folgendermaßen verteilen: Großbritannien 163,329,904, Deutschlands 121,000,
Frankreich 20,023,504, Belgien 18,051,499, Österreich 17,199,518, Rußland 3,500,000, Ungarn
[* 36] 2,525,056, Spanien 979,350, Schweden
[* 37] 196,831, Italien 164,737, Niederlande
[* 38] 49,554, Portugal 17,000, Schweiz 5800, Europa
[* 39] 298,163,753. Vereinigte Staaten 100,268,109,
China 3,000,000, Neusüdwales 2,793,086, Britisch-Nordamerika 1,673,000, Ostindien 1,420,183, Japan 755,800,
Chile
[* 40] 490,000, Neuseeland 488,524. Die Steinkohle
nproduktion im Deutschen Reich betrug 1887 über 60 Mill. Ton. und verteilte
sich wie folgt:
Westfalen | 21528741 |
Schlesien | 16187078 |
Rheinland | 16127350 |
Hannover | 581546 |
Königr. Preußen: | 54548283 |
Königreich Sachsen | 4293417 |
- Bayern | 683619 |
Baden | 6006 |
Elsaß-Lothringen | 693679 |
Deutsches Reich: | 60333984 |
Der Kohlenverbrauch gibt einen Maßstab [* 41] für die materielle Kultur. Er betrug in metr. Tonnen in:
Absoluter Verbrauch | Auf den Kopf der Bevölkerung | |||
---|---|---|---|---|
1865 | 1884 | 1865 | 1884 | |
Großbritannien | 90404000 | 140135000 | 3,092 | 3,900 |
Belgien | 7631000 | 13483000 | 1,577 | 2,331 |
Vereinigte Staaten | 18825000 | 98109000 | 0.598 | 1,766 |
Deutschland | 26680000 | 69001000 | 0.730 | 1,505 |
Frankreich | 8522000 | 30941000 | 0.470 | 0.816 |
Österreich | 5050000 | 18132000 | 0.139 | 0.464 |
Rußland | 1085000 | 5200000 | 0.015 | 0.066 |
Die Frage nach der Möglichkeit einer Erschöpfung der S. hat namentlich für England größeres Interesse. Man nimmt an, daß
das Land noch einen Vorrat von ca. 146 Milliarden Ton. innerhalb der Tiefe von 4000 Fuß besitze; davon sind 90 Milliarden
Ton. aufgeschlossen, während man 56 Milliarden auf voraussichtlich zu erschließende Flöze (?) rechnet. Nimmt man an, daß
sich der Kohlenverbrauch in bisheriger Weise weiter steigern werde, so würden diese Schätze noch für 250 Jahre ausreichen.
Auch Deutschland kann seinen Bedarf noch für Jahrhunderte decken, dann aber bieten Rußland und andre Länder
reichlichen Ersatz, der voraussichtlich durch Herabsetzung der Transportkosten für die europäischen Länder erreichbar werden
wird. Nicht vor einer geologischen oder technischen, sondern vor einer ökonomischen Frage werden also die folgenden Generationen
hinsichtlich des Kohlenbedarfs stehen. - Die Benutzung der S. ist wesentlich eine doppelte: die als Brennmaterial
und die der Gewinnung der Destillate, welch letztere sich in
Leuchtgasfabrikation, Gewinnung des Teers und seiner Derivate
etc. gliedert. Untergeordnet ist die Verwendung politurfähiger Kohlen zu Schmuckgegenständen (Gagat in England und Württemberg),
[* 42] an Eisenkies und Asche reicher Abarten zur Alaungewinnung, der Steinkohle
nasche als Dünger und als Zusatz zum Mörtel.
Die Benutzung der S. reicht bei einigen Völkern weit zurück. So sollen die Chinesen schon frühzeitig ihren Wert erkannt haben, und in einigen englischen Gruben hat man Steinwerkzeuge vorgefunden, so daß die Kenntnis der Kohle älter als die des Eisens sein würde. Die alten Deutschen scheinen neben Holz [* 43] nur den Torf als Brennmaterial verwendet zu haben; es finden sich auch alte Schlackenhalden an der Ruhr, also in kohlenreicher Gegend, nicht im Thal, [* 44] sondern offenbar wegen der bequemen Nähe der Wälder auf Bergesrücken.
Daß die Römer, [* 45] als sie als Eroberer England betraten, die Kohlen wenigstens an den Ausstrichen benutzt haben, ist durch Funde auf dem Herd eines römischen Bades bewiesen. In Deutschland scheint das Zwickauer Becken schon von den bergbautreibenden Sorben benutzt worden zu sein, während die Ausbeutung des belgischen und Aachener Beckens sich rückwärts bis ins 11., des Ruhrbeckens bis ins 14. Jahrh. verfolgen läßt. In England werden schon im 9. Jahrh. Kohlen als Brennmaterial urkundlich erwähnt; im 12. Jahrh. sind sie bereits ein wichtiger Handelsartikel, der sich nicht mehr vom Markt verdrängen ließ, obgleich mehrere Edikte ihre Benutzung als luftverpestend verboten.
Vgl. Geinitz, Fleck
und Hartig, Die Steinkohlen
Deutschlands und andrer Länder Europas (Münch. 1865);
v. Dechen, Die nutzbaren Mineralien und Gebirgsarten im Deutschen Reich (Berl. 1873);
Hull, [* 46] The coalfields of Great Britain (4. Aufl., Lond. 1880);
Mac Farlane, The coal-regions of the United States (New York 1873);
Mietzsch, Geologie [* 47] der Kohlenlager (Leipz. 1875);
Pechar, Kohle und Eisen [* 48] in allen Ländern der Erde (Stuttg. 1878);
Höfer, Die Kohlen- und Eisenerzlagerstätten Nordamerikas (Wien [* 49] 1878, Ausstellungsbericht);
Muck, Grundzüge und Ziele der Steinkohlenchemie (Bonn [* 50] 1881);
Derselbe, Chemisches Steinkohlenbüchlein (das. 1882);
Toula, Die Steinkohlen (Wien 1888);
Demanet, Betrieb der Steinkohlenbergwerke (deutsch, Braunschw. 1886).