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gutem Kredit des Staats der Kurs über pari gestiegen, mithin Geld zu einem niedrigern Zins zu haben ist. Zur sichern Durchführung der genannten Maßregel ist es nötig, daß die Finanzverwaltung der Einwilligung der meisten Gläubiger gewiß ist und die nötigen Mittel bereit gehalten werden, um die erforderlichen Heimzahlungen vollständig bewirken zu können. Hierauf werden die Gläubiger öffentlich aufgefordert, ihren Willen zu erklären. Diejenigen, welche den neuen Bedingungen zustimmen, erhalten für die alten Obligationen, falls dieselben nicht nur einfach abgestempelt werden, neue mit entsprechenden Kouponbogen, die übrigen Schuldtitel werden gegen bar eingelöst.
Meist wird, um die Gläubiger der Konversion geneigt zu stimmen, noch eine besondere Konversionsprämie in einem Prozentsatz der umzutauschenden Summe zugestanden. Solche Konversionen sind dann unmöglich, wenn der Staat sich an einen bestimmten Tilgungsplan gebunden hat oder die Kündigung überhaupt ausgeschlossen ist; sie werden unvorteilhaft, wenn das Anlehen zu einem zu niedrigen Nominalzinsfuß und damit auch zu niedrigem Kurs begeben worden ist. Die Zinsreduktionen werden oft mit der Konsolidation oder Schuldzusammenziehung verbunden, d. h. mit Operationen, durch welche mehrere Anlehen verschiedener Benennung und mit verschiedenen Nominalzinsfüßen in eine einzige mit nur einem Zinsfuß zusammen verbunden werden.
Dieser Umstand hat dazu Veranlassung gegeben, daß die Worte Konversion, Zinsreduktion und Konsolidation oft als gleichbedeutend gebraucht werden. Die Konvertierung kann auch unter der Form der Arrosierung auftreten. Unter letzterer ist jede Nachzahlung zu verstehen, welche zu dem Zweck gemacht wird, um bereits bestehende Ansprüche behaupten zu können. So verlangte Österreich [* 2] 1805 und 1809 Nachzahlungen von den Inhabern von Schuldscheinen, welche ihrer Forderungsrechte überhaupt nicht verlustig gehen wollten.
Die Arrosierungsanlehen können jedoch auch den Charakter freier Übereinkunft behaupten. Steigt der Zinsfuß erheblich, während der Kurs vorhandener, zu niedrigem Nominalzinsfuß abgeschlossener Anlehen stark sinkt, so kann die Möglichkeit einer spätern Zinsreduktion und einer Tilgung dadurch geschaffen werden, daß der Nominalzinsfuß erhöht wird und zu dem Ende die Gläubiger zu Zahlungen aufgefordert werden. Gewaltsame Ermäßigung von Zins und Schuldsumme ohne Einverständnis der Gläubiger nennt man Staatsbankrott (s. d.).
In den meisten Ländern ist bei der gegebenen Lage der Finanzverwaltung (fortwährend steigende Ausgaben) an eine erfolgreiche Tilgung der Schulden nicht zu denken. Letztere sind vielmehr seit Ende vorigen Jahrhunderts stetig gestiegen. Eine genaue Vergleichung der Schulden verschiedener Länder und Zeiten ist zwar unmöglich; doch bieten die Zahlen nachfolgender Tabelle immerhin einen brauchbaren Inhalt für die Beurteilung im allgemeinen. Unter der Hauptsumme von 91,794 Mill. Mk. (für 1880) sind 6984 Mill. Mk. Eisenbahnschulden.
Auf Deutschland [* 3] allein entfallen davon 2700 Mill. Mk., so daß unter den Großstaaten Deutschland verhältnismäßig am günstigsten gestellt ist. Die Ausgaben für Verzinsung und Tilgung dere ^[richtig: der] Schuld waren in Millionen Mark 1885: in Frankreich 1067, England 591, Rußland 521, Italien [* 4] 436, Österreich-Ungarn [* 5] 372, Spanien [* 6] 219, Vereinigte Staaten 201, Niederlande [* 7] 58, Preußen [* 8] 182, Bayern [* 9] 51, Sachsen [* 10] 31, Württemberg [* 11] 17, Deutsches Reich 17.
Es betrugen die S. (in Millionen Mark) in:
Länder | 1787 | 1816 | 1846 | 1874 | 1880 |
---|---|---|---|---|---|
Frankreich | 1500 | 1680 | 3300 | 18126 | 24798 |
Großbritannien | 4800 | 16990 | 16080 | 15690 | 14834 |
Spanien | 600 | 2250 | 3600 | 7200 | 10333 |
Italien | 240 | 900 | 1200 | 7830 | 10006 |
Österreich-Ungarn | 690 | 1800 | 2490 | 7290 | 7992 |
Rußland | 600 | 2400 | 1800 | 6700 | 7211 |
Türkei | - | - | - | 2250 | 5727 |
Deutschland | 240 | 1020 | 900 | 3150 | 4821 |
Portugal | 60 | 240 | 480 | 2160 | 1745 |
Belgien | - | - | 450 | 564 | 1633 |
Niederlande | 1500 | 2700 | 2400 | 1520 | 1579 |
Rumänien | - | - | - | 120 | 377 |
Griechenland | - | - | 120 | 212 | 277 |
Schweden | 18 | 24 | 30 | 144 | 220 |
Dänemark | 46 | 108 | 330 | 270 | 194 |
Serbien | - | - | - | - | 28 |
Norwegen | - | 26 | 16 | 40 | 17 |
Zusammen: | 10294 | 30058 | 33196 | 75266 | 91794 |
Regelmäßige Angaben über die S. aller Länder der Erde liefert das »Diplomatisch-statistische Jahrbuch des Gothaischen Hofkalenders«.
Vgl. Nebenius, Der öffentliche Kredit (2. Aufl., Karlsr. 1829);
Baumstark, Staatswissenschaftliche Versuche über Staatskredit, Steuern und Staatspapiere (Heidelb. 1833);
Hock, Die öffentlichen Abgaben und Schulden (Stuttg. 1863);
Eug. Richter, Das preußische Staatsschuldenwesen (Bresl. 1869);
Salings Börsenpapiere, finanzieller Teil (12. Aufl., Berl. 1888).