mehr
Kugel ist viereckig« grammatisch ganz richtig, aber logisch verkehrt ist. Hiernach hat es gewiß auch von allem Anfang an ein Denken ohne Sprechen gegeben.
2) Kinder und Naturmenschen bezeichnen viele Individuen oder Gegenstände dadurch, daß sie mit ihrer Stimme den Schall [* 2] nachahmen, den sie als von denselben ausgehend wahrgenommen haben. Diese einfache und nächstliegende Art der Bezeichnung, die onomatopoetische, war ohne Zweifel in jeder Ursprache sehr häufig, wenn die Wau-wau-Theorie (so genannt von dem Namen Wau-wau des Hundes in der Kindersprache) auch nicht den Anspruch erheben kann, alle Wörter zu erklären.
3) Ausrufe und Schreie (Interjektionen) spielen selbst bei gebildeten und erwachsenen Menschen noch eine mehr oder weniger große Rolle, eine sicher viel größere in den Anfängen einer Sprache. [* 3] Hierin liegt die Berechtigung der sogen. Ah-ah- oder Interjektionstheorie vom Ursprung der Sprache.
4) Hiernach sind wohl auch die ersten Wörter nichts als Reflexlaute gewesen, welche im Affekt hervorgebracht wurden, gerade wie die Zuckungen oder sonstigen unwillkürlichen Reflexbewegungen, die aus Gemütsbewegungen hervorgehen. Die Reflexlaute gingen ursprünglich mit den andern unwillkürlichen Gebärden Hand [* 4] in Hand. Da die Gemütsbewegungen am leichtesten durch verschiedenerlei Geräusche verursacht wurden, so ahmte die menschliche Stimme mit Vorliebe diese Geräusche nach.
5) Erst in zweiter Linie wurden die Sprachlaute zugleich zu Mitteilungen verwendet, nachdem es wiederholt gelungen war, durch ihre Hervorbringung die Aufmerksamkeit der andern zu erregen. Es ging damit ähnlich wie mit der Gebärdensprache, die sich aus ursprünglichen Reflexbewegungen zu der ausgebildeten Zeichensprache entwickelt hat, die man z. B. bei den Indianern Nordamerikas findet. Auch die Schrift hat sich aus roher Ideenmalerei und Bilderschrift successive zu einem der vollkommensten Verständigungsmittel entwickelt.
6) Die ersten Sprachschöpfungen waren primitive Sätze, etwa wie die Ausrufe: »Diebe!« »Feuer!«, und aus diesen chaotischen Äußerungen haben sich erst allmählich selbständige Wörter und Redeteile entwickelt.
Vgl. Herder, Über den Ursprung der Sprache (zuerst Berl. 1772);
W. v. Humboldt, Über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues (neu hrsg. mit einer Einleitung von Pott, das. 1876, 2 Bde.);
Steinthal, Der Ursprung der Sprache im Zusammenhang mit den letzten Fragen alles Wissens (4. Aufl., das. 1888);
Derselbe, Abriß der Sprachwissenschaft (2. Aufl., das. 1881, Bd. 1: »Einleitung in die Psychologie und Sprachwissenschaft«);
J. Grimm, Über den Ursprung der Sprache (in »Kleinere Schriften«, Bd. 1, das. 1864);
Max Müller, Vorlesungen über die Wissenschaft der Sprache (deutsch von Böttger, 2. Aufl., Leipz. 1866-70, 2 Bde.);
Renan, De l'origine du langage (4. Aufl., Par. 1863);
Heyse, System der Sprachwissenschaft (Berl. 1856);
Schleicher, Die Darwinsche Theorie und die Sprachwissenschaft (3. Aufl., Weim. 1873);
Wedgewood, On the origin of language (Lond. 1866);
Whitney, Die Sprachwissenschaft (bearbeitet von Jolly, Münch. 1874);
Bleek, Über den Ursprung der Sprache (Weim. 1868);
L. Geiger, Ursprung und Entwickelung der menschlichen Sprache und Vernunft (Stuttg. 1869-72, 2 Bde.);
Wackernagel, Über den Ursprung und die Entwickelung der Sprache (Basel [* 5] 1872);
Madvig, Kleine philologische Schriften (Leipz. 1875);
Marty, Über den Ursprung der Sprache (Würzb. 1875);
Noiré, Der Ursprung der Sprache (Mainz [* 6] 1877);
Paul, Prinzipien der Sprachgeschichte (2. Aufl., Halle [* 7] 1886).
Weitere Litteratur S. 182.
Sprachwissenschaft.
Die Sprachwissenschaft oder Linguistik (auch allgemeine Grammatik genannt) ist als Wissenschaft erst ein Kind des 19. Jahrh. Denn die Grammatik der Griechen und Römer [* 8] und die nicht minder bedeutenden grammatischen Forschungen der Inder und Araber waren schon durch ihre Beschränkung auf eine oder höchstens zwei Sprachen völlig ungeeignet, zu einer Einsicht in das Wesen und die Verwandtschaftsverhältnisse der Sprachen zu führen, und vom Mittelalter ab bis in die Neuzeit herein bildete besonders das Vorurteil, als sei das Hebräische die Ursprache der Menschheit, ein Hemmnis für den Fortschritt der Sprachforschung.
Erst die Entdeckung der alten heiligen Sprache Indiens, des Sanskrit, gegen Ende des 18. Jahrh. und die Aufdeckung des Zusammenhangs, in dem es mit den meisten Kultursprachen Europas steht, gaben den Anstoß zu einer ausgedehntern Sprachvergleichung und damit zur Begründung einer wirklichen Wissenschaft von der Sprache, deren Lebensprinzip, wie das jeder Wissenschaft, die Vergleichung ist. Ihrer exakten, streng induktiven Methode wegen ist die Sprachwissenschaft mehrfach den Naturwissenschaften zugezählt worden; doch gehört sie ihres Objekts wegen entschieden zu den sogen. Geisteswissenschaften, da die Sprache kein Naturprodukt, sondern ein Erzeugnis des menschlichen Geistes ist.
Auch waren die Begründer der Sprachwissenschaft durchweg Philologen. Durch die Forschungen Fr. Schlegels, Bopps und ihrer Nachfolger wurde der indogermanische Sprachstamm [* 9] nachgewiesen und die zu ihm gehörigen Sprachfamilien festgestellt wie auch die vergleichende Grammatik der indogermanischen Sprachen begründet. Zugleich regten W. v. Humboldts und Potts weitgreifende Forschungen eingehende Untersuchungen sowohl auf andern, selbst den fernst liegenden Sprachgebieten als auf dem Gebiet der Sprachphilosophie an, und die historische Sprachforschung, von J. Grimm und W. Diez begründet, schuf durch exakte und gründliche Forschung in dem enger begrenzten Bereich einzelner Sprachfamilien die Methode der historischen Grammatik. Seitdem hat der Betrieb der Sprachwissenschaft in ihren drei Hauptrichtungen, der historischen, vergleichenden und philosophischen, in allen Ländern, namentlich aber in Deutschland, [* 10] einen mächtigen Aufschwung genommen.
Die genaue Beobachtung des Lautwechsels, der sogen. Lautgesetze, bildet die Hauptgrundlage, auf der die bedeutenden Resultate der Sprachwissenschaft beruhen. Vor allem besitzen wir jetzt eine wissenschaftliche Etymologie, während früher nach dem Ausspruch des heil. Augustin die Ableitung der Wörter wie die Deutung der Träume ganz nach subjektiver Willkür betrieben und das berüchtigte Prinzip »lucus a non lucendo« nicht selten alles Ernstes angewendet wurde.
Nicht minder haben auch alle Teile der Grammatik, die Laut-, Flexions- und Wortbildungslehre wie die Syntax und die Lehre [* 11] von der Zusammensetzung, eine völlige Umgestaltung erfahren, der sich auch die Schulgrammatik nicht mehr entziehen kann, seitdem Curtius in seiner »Griechischen Schulgrammatik« (zuerst 1852) gezeigt hat, wie wichtig auch für den Schulbetrieb der Grammatik die Ergebnisse der vergleichenden Sprachforschung sich gestalten. Ferner ist über die Urgeschichte der Menschheit, besonders der indogermanischen Völker, ein ¶
I. Einsilbige Sprachen in Südostasien.
Chinesisch mit seinen Dialekten, Anamitisch mit der Sprache von Kambodscha, Siamesisch nebst dem Schan und der Sprache der Miaotse, Birmanisch nebst Khassia und Talaing (Pegu) und Tibetisch nebst den zahlreichen, noch wenig erforschten Himalajasprachen. Die Sprache besteht ganz aus einsilbigen Wurzeln, welche keiner Veränderung fähig sind; jede Wurzel [* 13] kann je nach ihrer Stellung im Satz alle verschiedenen Redeteile ausdrücken, die wir durch besondere Wortformen unterscheiden. Doch gibt es neben den Stoffwurzeln, welche Begriffe und Thätigkeiten ausdrücken, auch eine Anzahl Deutewurzeln, die sich mit unsern grammatischen Endungen vergleichen lassen. Unter sich sind diese Sprachen nur durch die Gleichheit des Baues, nicht durch Gleichklang der Wurzeln verbunden.
II. Malaio-polynesischer Sprachstamm,
zerfallend in drei Gruppen (nach Fr. Müller):
1) Die malaiische, welche von der Insel Formosa an der chinesischen Küste bis zur Insel Java im Süden und bis zur Insel Madagaskar [* 14] in Afrika [* 15] reicht und die Sprachen der Philippinen (Tagalisch, Bisaya, Pampanga etc.), der Insel Formosa, der Inseln Borneo, Celebes und Sumatra (Dajak, Alfurisch, Bugi, Makassarisch und Batak), der Marianen, Molukken und einiger andern kleinern Inseln, der Insel Java (dazu Kawi, die stark mit Sanskrit versetzte Litteratursprache), der Halbinsel Malakka (eigentliches Malaiisch) und der Insel Madagaskar (Malagasi) umfaßt.
2) Die melanesische, auf den Neuen Hebriden und den Fidschi- sowie den Salomoninseln, vielleicht auch auf Neukaledonien [* 16] (Gabelentz), den Palau-, Marshall- und Kingsmillinseln (Fr. Müller).
3) Die polynesische, auf Neuseeland (Maori), den Unionsinseln, Samoa, [* 17] Tonga, Tahiti, [* 18] Rarotonga, Paumotu, den Markesas, der Osterinsel etc. bis einschließlich Hawai [* 19] im Norden. [* 20]
Diese Sprachen zeichnen sich durch Wohlklang aus, indem sie sehr reich an Vokalen sind, dagegen nur wenig Konsonanten unterscheiden; auch sind die Wörter meist vielsilbig. Gleichwohl ist die Grammatik auch hier sehr unentwickelt, wie z. B. Nomen und Verbum gar nicht unterschieden und nur einige andre grammatische Beziehungen durch vorn angehängte Silben bezeichnet werden. Am unentwickeltsten sind die Sprachen Polynesiens, das wahrscheinlich den Ausgangspunkt der großen nach Westen gerichteten Wanderung der Malaio-Polynesier gebildet hat.
III. Drawidasprachen in Südindien.
Telugu und Tamil an der Koromandel-, Kanaresisch, Malayalam, Tulu an der Malabarküste, die Hauptsprachen Südindiens, die sich nach der neuesten Statistik der englischen Regierung auf ungefähr 49 Mill. Köpfe in der Weise verteilen, daß das Tamil oder Tamulische nebst dem nördlich und nordwestlich davon bis nach der Provinz Orissa sich verbreitenden Telugu zusammen von nahezu 35 Mill., das Malayalam nebst dem nördlich daran anstoßenden Tulu und das Kanaresische zusammen von etwa 14 Mill. gesprochen werden. Das Tamil wird außerdem von einem Bruchteil der Bevölkerung [* 21] von Ceylon [* 22] gesprochen.
Zu den Drawidasprachen werden auch die Idiome der Kota, Toda, Gond, Kond, Uraon und einiger andrer wilder Stämme in Südindien sowie der Brahui in Belutschistan gerechnet. Die grammatischen Elemente folgen hier der Wurzel nach und wirken auf dieselbe zurück, indem sie sich ihren Endvokal assimilieren; sonst bleibt die Wurzel unverändert.
IV. Uralaltaischer Sprachstamm,
auch Turanisch (Max Müller), Skythisch (Whitney) oder Finnisch-Tatarisch genannt, zerfällt in fünf Gruppen:
1) Die finnisch-ugrische in Osteuropa und Nordasien (nach Budenz), mit den 7 Hauptsprachen: Finnisch (Suomi) nebst Esthnisch und Livisch, Lappisch, Mordwinisch, Tscheremissisch, Sirjänisch-Wotjakisch und Permisch, Ostjakisch-Wogulisch, Magyarisch.
2) Die samojedische, im Norden und Nordosten der vorigen, nämlich: Yurak, Tawgy, Jenissei- und Ostjakisch-Samojedisch.
3) Die türkische, von der europäischen Türkei [* 23] mit Unterbrechungen bis zur Lena, nämlich: Osmanisch, Nogaisch (in der Krim), [* 24] Tschuwaschisch, Kirgisisch, Kumükisch, Uigurisch, Tschagataisch, Turkmenisch, Uzbekisch und Jakutisch. Alle diese Sprachen sind trotz der großen räumlichen Entfernung sehr nahe untereinander verwandt.
4) Die mongolische, nämlich die Sprachen der Mongolen, Kalmücken und Buräten.
5) Die tungusische, nämlich die Sprachen der Tungusen und Mandschu.
Der grammatische Bau ist auch hier sehr einfach, indem jedes Wort aus einer unveränderlichen Wurzel und einem oder mehreren Suffixen besteht. Letztere sind aber sehr zahlreich und drücken nicht bloß den Unterschied von Nomen und Verbum, sondern die verschiedensten andern grammatischen Beziehungen aus; die in den Suffixen enthaltenen Vokale werden an den Wurzelvokal assimiliert (Vokalharmonie). Die Flexion zeichnet sich durch große Regelmäßigkeit aus.
(von kafferisch abantu, »Leute«),
auch südafrikanischer Sprachstamm genannt, reicht, abgesehen von einigen Unterbrechungen im Süden durch die isoliert dastehenden Sprachen der Hottentoten und Buschmänner, von der Kapkolonie an im Westen etwa bis zum 8.° nördl. Br., im Osten bis zum Äquator, weiter wahrscheinlich in den noch unbekannten Regionen Zentralafrikas. Er zerfällt in 3 Gruppen (Fr. Müller):
1) Die östliche Gruppe umfaßt die Kaffernsprachen (Kafir im engern Sinn, Zulu), die Sambesisprachen (Sprachen der Barotse, Bayeye, Maschona) und Sansibarsprachen (Kisuaheli, Kinika, Kikamba, Kihiau, Kipokomo).
2) Die mittlere Gruppe besteht aus:
a) Setschuana (Sesuto, Serolong, Sehlapi).
b) Tekeza (Sprachen der Mankolosi, Matonga, Mahloenga).
3) Zur westlichen Gruppe gehören:
b) Congo, Mpongwe, Dikele, Isubu, Fernando Po, Dualla (in Camerun). [* 25]
Auch dieser Sprachstamm zeichnet sich durch eine sehr reiche und regelmäßige Flexion aus, die aber fast nur durch vorn antretende grammatische Elemente (Präfixe) bewirkt wird. Besonders besitzen sämtliche Bantusprachen eine beträchtliche Anzahl von Artikeln, die zugleich, in der Bedeutung von Pronomina, an das Verbum und andre Satzteile vorn angesetzt werden, um die grammatische Kongruenz der Satzglieder auszudrücken. Daher hat sie Bleek die »präfix-pronominalen« Sprachen genannt.
VI. Hamito-semitischer Sprachstamm.
A. Die hamitische Gruppe umfaßt:
1) Die libyschen od. Berbersprachen in Nordafrika.
2) Die äthiopischen Sprachen, Galla, Somali, Bedscha, Dankali (Danakil), Agau, Saho, Falascha, Belen, vom südlichen Ägypten [* 26] bis au den Äquator reichend. ¶
3) Das Altägyptische der ägyptischen Denkmäler und Papyrusrollen mit seiner ebenfalls schon ausgestorbenen Tochtersprache, dem Koptischen.
B. Die semitische Gruppe teilt sich in:
1) Nördliche Abteilung, bestehend aus dem nahe verwandten Assyrisch und Babylonisch der Keilinschriften, den kanaanitischen Sprachen, nämlich Hebräisch nebst Samaritanisch und Phönikisch nebst Punisch, und aus den aramäischen Sprachen, d. h. Chaldäisch und Syrisch nebst Mandäisch und Palmyrenisch.
2) Südliche Abteilung mit Arabisch, jetzt auch in Nordafrika verbreitet u. mit dem Islam immer weiter nach dem Süden Afrikas vordringend, Himjarisch, Äthiopisch (Geez), Amharisch, Tigré, Harrari.
Die beiden ersten Spezies der semitischen Gruppe sind völlig ausgestorben, wenn man von dem syrischen Dialekt einiger Nestorianer und Jakobitengemeinden am Urmiasee und in Turabdin absieht, und auch von der dritten Spezies sind das Äthiopische und Himjarische jetzt erloschen. Die hamitische und semitische Gruppe stimmen nur betreffs eines Teils ihrer Wurzeln, namentlich bei den Pronomina und Zahlwörtern, und betreffs der Unterscheidung des grammatischen Geschlechts überein. Sonst sind die hamitischen Sprachen grammatisch sehr wenig, die semitischen dagegen im höchsten Grad entwickelt, indem sie, die verschiedenen grammatischen Beziehungen, sowohl am Nomen als am Verbum, teils durch vorn oder hinten antretende Affixe, teils durch Variation des Wurzelvokals ausdrücken. Jede Wurzel enthält drei Konsonanten, welche stets unverändert bleiben, so sehr die Vokale wechseln.
VII. Der indogermanische Sprachstamm
zerfällt in acht Gruppen:
1) Indische Gruppe: Jetzt ausgestorben sind das Sanskrit, Prâkrit und Pâli;
lebende Sprachen sind: Hindi und Hindostani (Urdu), fast in ganz Nordindien verbreitet, wo es von nahezu 100 Mill. Menschen gesprochen wird, Pandschabi am obern, Sindi am untern Indus, Marathi und Gudscherati in der Präsidentschaft Bombay, [* 28] Bengali, Assami, Oriya in Bengalen, Nepali, Kaschmiri im Norden, nach einigen auch das Singhalesische auf der Südhälfte der Insel Ceylon, nördlich von Indien das Kafir und Dardu, in Europa [* 29] die mit diesen beiden Idiomen nahe verwandte Sprache der Zigeuner, die Auswanderer aus Indien sind.
2) Iranische Gruppe: Zend oder Altbaktrisch, Altpersisch der Keilinschriften, Pehlewi oder Mittelpersisch, Pazend und Parsi, wahrscheinlich auch die Sprache der Skythen nordwärts vom Schwarzen Meer (Müllenhoff) sind die toten, Neupersisch, Kurdisch, Belutschi, Afghanisch oder Puchtu und Ossetisch (im Kaukasus) die lebenden Sprachen dieser Gruppe, die mit der indischen sehr nahe verwandt ist.
3) Armenisch, früher zu der iranischen Gruppe gerechnet.
4) Griechische Gruppe: Dazu gehören die alt- und neugriechischen Dialekte und Schriftsprachen;
das Neugriechische herrscht auch auf der Südküste von Kleinasien, in Kreta und Cypern. [* 30]
5) Illyrische Gruppe: Albanesisch in Epirus.
6) Italische Gruppe: Latein, Umbrisch, Oskisch im Altertum; in der Neuzeit die romanischen Sprachen: Spanisch nebst Katalonisch, Portugiesisch, Italienisch, Französisch nebst Provençalisch, Rumänisch, Ladinisch nebst Rätoromanisch (in Südtirol, Graubünden und Friaul).
7) Keltische Gruppe: Kymrisch in Wales und der Bretagne, dazu das ausgestorbene Cornisch in Cornwallis;
Gälisch in Irland, dem schottischen Hochland (Erse) und auf der Insel Man (Manx).
Auch die nur aus einigen Inschriften bekannte Sprache der alten Gallier gehört hierher.
8) Slawisch-lettische Gruppe, dazu:
a) Altslawisch oder Kirchenslawisch, jetzt ausgestorben, Russisch nebst Weiß- und Kleinrussisch (Russinisch, Ruthenisch), Serbo-kroatisch, Slowenisch oder Südslawisch in Steiermark, [* 31] Kärnten etc., Tschechisch-Slowakisch in Böhmen [* 32] und Mähren, Polnisch in Preußisch- und Russisch-Polen und Galizien, Wendisch in der Lausitz,
b) Altpreußisch (jetzt ausgestorben), Litauisch, Lettisch.
9) Germanische Gruppe, zerfallend in:
a) Ost- und Nordgermanisch mit Gotisch (ausgestorben), Schwedisch, Norwegisch, Dänisch, Isländisch.
b) Westgermanisch mit Hoch- oder Oberdeutsch, Mitteldeutsch, Niederdeutsch od. Plattdeutsch, Vlämisch, Niederländisch und Englisch.
Der indogermanische Sprachstamm ist, wie der wichtigste u. verbreitetste, so der vollkommenste aller Sprachtypen, dem nur der semitische einigermaßen nahekommt. Wie die übrigen grammatisch entwickelten Sprachstämme, bildet er die Wörter aus Wurzeln und Affixen, welch letztere in der Regel der Wurzel nachfolgen. Die große Anzahl der Affixe, welche überdies in beliebiger Menge aufeinander gehäuft werden können, ihre innige Vereinigung mit der Wurzel zu einem vollkommen selbständigen, neuen Wort ermöglichen den charakteristischen Wort- und Bedeutungsreichtum der indogermanischen Sprachen. Auch die feine und mannigfaltige Gliederung der Sätze ist ihnen eigentümlich.
VIII. Der amerikanische Sprachstamm
umfaßt die Sprachen der Eingebornen von Nord- und Südamerika [* 33] mit Ausnahme der Eskimo im äußersten Norden. Es gehört dazu der an die Eskimosprachen angrenzende athabaskische Sprachstamm (dazu nach Buschmann auch die Kenaisprachen in Alaska), dessen südwestliche Ausläufer, die Idiome der Apatschen und der Navajo, bis nach Mexiko [* 34] hinein reichen; die Algonkinsprachen (dazu das Delaware, Mohikan, Odschibwä, Minsi, Kri, Mikmak etc.) südlich davon sind besonders im Osten heimisch und reichten früher von Labrador bis nach Südcarolina; westlich vom Hudson schließt sich daran das Irokesische, weiter nach Westen, jenseit des Mississippi, das Dakota der Sioux-Indianer, das Pani der Pani-Indianer am Arkansas etc. Im Felsengebirge und Quellengebiet des Missouri beginnt mit der Gruppe der Schoschonensprachen der Sonora-Sprachstamm, der im südlichen Arizona und Kalifornien sowie im nördlichen Mexiko herrscht; dazu gehören wohl auch das Nahuatl der Epoche Montezumas und das davon abgeleitete moderne Aztekisch nebst zahlreichen Dialekten, die bis nach San Salvador reichen. Im Süden und Südosten schließen sich daran die Sprachen der Urbewohner Mexikos, der mittelamerikanischen Republiken und der Antillen: Otomi, Mixtekisch, Zapotekisch, Tarasca, Cibuney, Cueva, Maya [* 35] u. a. Die Hauptsprachen Südamerikas sind: das Galibi oder Karibische nebst dem Arowakischen, vom Isthmus von Panama bis nach Guayana, zur Zeit der Entdeckung Amerikas auch auf den Antillen heimisch, verwandt mit dem weitverbreiteten Tupi (Lingoa geral, d. h. allgemeine Umgangssprache, genannt) im Innern von Brasilien [* 36] und dem Guarani am La Plata;
das Chibcha in Kolumbien; [* 37]
die andoperuanische Gruppe mit Kechua und Aymara als Hauptsprachen;
die andisische Gruppe östlich davon, mit den Sprachen der Yuracare u. a.;
das Araukanische, Patagonische, Guaicuru, Chiquito, Abiponische und die Sprache der Pescheräh oder Feuerländer.
Alle diese Sprachen oder Sprachstämme Amerikas nebst vielen andern hier ungenannten Sprachen (Amerika [* 38] zählt deren über 400) haben zwar keine Wurzeln, aber den gleichen grammatischen Bau miteinander gemeinsam. Der ganze Satz geht im Verbum auf, mit welchem Subjekt, Objekt und adverbiale Bestimmungen zu Einem Wort verschmolzen werden, wodurch die ungeheuern Wortkonglomerate entstehen, welche die amerikanischen Sprachen charakterisieren.
Über die außerhalb der angeführten acht Sprachstämme stehenden sogen. isolierten Sprachen vgl. den Text, S. 181 f. ¶
1:155.000.000.
Indogermanischer Sprachstamm:
Slavisch
Ural-Altaischer Sprachstamm:
Finnisch-Ugrisch
Mongolisch
Samojedisch
Südostasiatischer Sprachstamm:
Anamitisch
Birmanisch
Hamito-Semitischer Sprachstamm:
Semitisch (Arabisch)
Hamitisch
Malayo-Polynesischer Sprachstamm:
Malayisch
Melanesisch
Polynesisch
Amerikan. Sprachen (nur dem Bau nach verwandt)
Isolirte oder noch unerforschte Sprachen
Zum Artikel »Sprachwissenschaft« ¶
mehr
unerwartetes Licht [* 42] verbreitet worden, indem die Ausscheidung der allen indogermanischen Sprachen gemeinsamen Wörter erkennen ließ, welchen Kulturgrad diese Völker vor ihrem Aufbruch aus der gemeinsamen asiatischen Heimat schon erreicht hatten. Auch hat sich im Anschluß an diese Forschungen eine vergleichende Mythologie und eine vergleichende Sitten- und Rechtsgeschichte entwickelt. Selbst die schwierige Frage nach dem Ursprung der Sprache ist, wie schon erwähnt, in ein ganz neues Licht getreten.
Das wichtigste Ergebnis bleibt aber immer die Klassifikation der Sprachen, weil dadurch zugleich die wichtigsten Fragen der Anthropologie auf einem ganz neuen Weg ihrer Lösung entgegengeführt werden. Man unterscheidet zwischen einer morphologischen und einer genealogischen Einteilung der Sprachen. Bei der erstern gibt der grammatische Bau der Sprachen den Einteilungsgrund ab, und man stellt meistenteils drei Hauptarten desselben auf. Die isolierenden Sprachen, wie z. B. das Chinesische, bestehen aus lauter einsilbigen Wurzeln, welche stets unverändert bleiben, selbst wenn sie miteinander zusammengesetzt werden.
Der Unterschied zwischen Subjekt und Objekt und überhaupt alle grammatischen Verhältnisse werden nur durch die Stellung der Wörter im Satz ausgedrückt. Agglutinierende (»anleimende«) Sprachen sind solche, welche einen Teil ihrer Wurzeln zum Zweck des Beziehungsausdrucks an andre regelmäßig anfügen und dabei die erstern verändern, während dagegen die Hauptwurzel, welche den Begriff des Wortes enthält, unverändert bleibt. Eine Unterart dieser sehr zahlreichen Klasse sind die polysynthetischen Sprachen, die, wie z. B. die amerikanischen, alle abhängigen oder minder wichtigen Satzglieder in verkürzter Form an die Hauptwurzel anhängen.
Diese unbeholfene Ausdrucksweise ist vielleicht als ein Überbleibsel aus der primitiven Stufe des Sprachlebens anzusehen, als man noch nicht dazu gelangt war, den Satz in seine einzelnen Bestandteile aufzulösen. Von den polysynthetischen Sprachen trennen manche als eine besondere Klasse die einverleibenden ab, die, wie das Baskische, die Nebenbestimmungen zwischen Wurzel und Endung einschieben. Flektierend sind diejenigen Sprachen, welche in Zusammensetzungen sowohl die erste als die zweite nebst den folgenden Wurzeln beliebig verändern können, um verschiedene Nebenbeziehungen auszudrücken. Zu dieser höchsten morphologischen Klasse rechnet man nur den indogermanischen und semitischen Sprachstamm.
Die morphologische Verschiedenheit läßt sich auch durch Zeichen ausdrücken, indem man die unveränderlichen Wurzeln durch große, die veränderlichen durch kleine Buchstaben bezeichnet. Die Wörter der isolierenden Klasse können dann nur die Form A oder A B, B A, A B C etc., die der agglutinierenden außerdem auch die Form A b, A c, b A etc., die der flektierenden noch die Formen a b, b a, a b c etc. annehmen. Übrigens kommen nicht nur in den flektierenden und agglutinierenden Sprachstämmen Wortbildungen nach dem isolierenden, sondern auch in den isolierenden Sprachen solche nach dem agglutinierenden und selbst dem flektierenden Prinzip vor, so daß sich diese Einteilung keineswegs streng durchführen läßt.
Viel wichtiger als die morphologische Klassifikation ist daher die genealogische Einteilung der Sprachen, welche Gemeinsamkeit der Abstammung zum Einteilungsgrund macht. Stimmen zwei oder mehrere Sprachen sowohl in betreff ihrer Wörter und Wurzeln als ihres grammatischen Baues überein, oder haben sie wenigstens in einer diesen beiden Beziehungen so viel miteinander gemein, daß die Annahme einer bloß zufälligen Ähnlichkeit [* 43] völlig ausgeschlossen ist, so muß man annehmen, daß sie auf eine und dieselbe Grundsprache zurückgehen.
Hieraus folgt zugleich, daß die Völker, welche die betreffenden Sprachen sprechen, zu irgend einer Zeit einmal ein einziges Volk gebildet haben müssen, und es ergeben sich so aus der genealogischen Klassifikation der Sprachen die wichtigsten Resultate für die Einteilung der Völker und Rassen, Resultate, die viel sicherer sind als diejenigen der Schädelvergleichung, da die Sprachen weniger leicht der Mischung unterliegen und stattgehabte Mischungen weit leichter erkennbar sind als bei den Körpermerkmalen.
Verbreitung und Einteilung der Sprachen.
(Hierzu die »Sprachenkarte«, mit Textblatt.)
Die Gesamtzahl der lebenden Sprachen mag in runder Summe etwa 1000 betragen. Adelung in seinem »Mithridates« zählte deren über 3000 auf; dagegen veranschlagen Balbi und Pott sie nur auf 860, Max Müller auf 900, welche Ziffern jedoch wahrscheinlich zu niedrig gegriffen sind. Die Sprachenstatistik wird dadurch sehr erschwert, daß es unmöglich ist, die Grenze zwischen Sprache und Dialekt zu bestimmen. Bei einer Übersicht über die geographische Verbreitung der Sprachen handelt es sich vorzugsweise darum, ihre Zusammengehörigkeit zu größern oder kleinern Gruppen, die von einer gemeinsamen Ursprache herstammen, zur Anschauung zu bringen.
Auf beifolgender »Sprachenkarte« und der zugehörigen Übersicht sind nur die wichtigern der bis jetzt von der Linguistik ermittelten Sprachstämme und deren Unterabteilungen vollständig (letztere auch einschließlich der jetzt ausgestorbenen), von den einzelnen Sprachen sind nur die hervorragendsten aufgeführt, namentlich von den in Amerika gesprochenen. Dort ist die Sprachverschiedenheit am größten; geringer ist sie in den Weltteilen, die wenigstens teilweise von alters her von Kulturvölkern bewohnt und daher früher zur Ausbildung von Schriftsprachen gelangt sind, in Asien [* 44] und Afrika, am geringsten in Europa, wo es nur 53 Sprachen gibt; die Sprachen der Eingebornen von Australien [* 45] sind teilweise schon ausgestorben.
Nach den bisherigen Ergebnissen der genealogischen Einteilung der Sprachen unterscheiden wir nun acht Sprachstämme:
1) einsilbige Sprachen in Südostasien;
2) den malaio-polynesischen Sprachstamm;
3) die Drawidasprachen in Südindien;
4) den uralaltaischen Sprachstamm;
5) die Bantusprachen (südafrikanischer Sprachstamm);
6) den hamito-semitischen Sprachstamm;
7) den indogermanischen Sprachstamm;
8) den amerikanischen Sprachstamm. Außerdem gibt es noch eine beträchtliche Anzahl isolierter Sprachen, welche sich, wenigstens auf Grund der bisherigen Forschungen, in keinen der größern Sprachstämme einreihen lassen. Dazu gehören: in Europa das Baskische in den Pyrenäen und das jetzt ausgestorbene Etruskische (nach Corssen Indogermanisch) in Toscana;
die meisten Negersprachen in Nord- und Zentralafrika, so das Wolof, Bidschogo, Banyum, Haussa, Nalu, Bulanda, Baghirmi, Bari, Dinka etc., von denen nur einzelne, wie die Nuba-, Fulbe-, Mande-, Nil-, Kru-, Ewe-, Bornusprachen, sich zu Gruppen vereinigen lassen;
in Südafrika [* 46] die verschiedenen Sprachen der Hottentoten und Buschmänner, welche sich durch das Vorhandensein zahlreicher Schnalzlaute, im Buschmännischen acht, auszeichnen, übrigens dem Aussterben nahe sind;
die Sprachen des Kaukasus, unter denen man einen südkaukasischen Sprachstamm ¶